Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

01.02.2012 · IWW-Abrufnummer 121006

Finanzgericht Münster: Urteil vom 14.12.2011 – 10 K 1471/09 K, G

Bei rechtlich vor dem Bilanzstichtag entstandenen Verpflichtungen ist für die Bildung einer Rückstellung die wirtschaftliche Verursachung vor dem Bilanzstichtag nicht erforderlich (Anschluss an BFH v. 27.6.2001 - I R 45/97, BStBl. II 2003, 121; gegen BFH v. 19.8.2002 - VIII R 30/01, BStBl. II 2003, 131 und BMF v. 21.1.2003,BStBl. I 2003, 125).


Im Namen des Volkes
URTEIL
In dem Rechtsstreit
hat der 10. Senat in der Besetzung: Vorsitzender Richter am Finanzgericht … Richterin am Finanzgericht … Richter am Finanzgericht … ehrenamtliche Richterin … ehrenamtliche Richterin … auf Grund mündlicher Verhandlung in der Sitzung vom 14.12.2011 für Recht erkannt:
Tatbestand
I.
Streitig ist, ob die Klägerin eine Rückstellung für eine neue Rauchgasentstaubungsanlage einer Feuerungsanlage für Holzreste zur Anpassung an die Grenzwerte der Technischen Anleitung Luft (TA Luft) bilden durfte und ob der Bau der neuen Rauchgasentstaubungsanlage zu Anschaffungskosten/Herstellungskosten führen würde.
Die Klägerin betreibt ein G-werk. In ihrer Produktionsstätte unterhält die Klägerin zwei Feuerungsanlagen. Die Anlage mit der Hersteller-Nummer … kann als Brennstoff mit Holzresten und mit Heizöl betrieben werden.
Zu dieser Feuerungsanlage stellte das Staatliche Amt für Umwelt und Arbeitsschutz OWL mit Verfügung vom 01.07.2005 fest, dass beim Betrieb mit Holzbrennstoffen die Feuerungsanlage die Abgasparameter der TA Luft 2002 zum Luftschadstoff „Holzstaub” überschritt. Die Grenzwerte waren insoweit seit dem 01.10.2002 durch die TA Luft neu festgelegt worden. Entsprechend Nr. 5.4.1.2.1 der TA Luft, die eine Anpassung der Altanlagen an die neuen Grenzwerte spätestens acht Jahre nach Inkrafttreten der geänderten Verordnung vorsah, wurde der Klägerin aufgegeben die Abgasparameter für staubförmige Emissionen bis spätestens ab dem 01.10.2010 einzuhalten. Vorgegeben wurde insoweit nur das Ziel, nicht jedoch die Einrichtung oder Maßnahme, mit der das Ziel zu verwirklichen ist. Der Klägerin blieb die Wahl der aus ihrer Sicht technisch und wirtschaftlich besten Lösung.
Für eine neue Rauchgasreinigungsanlage holte die Klägerin das Angebot der T GmbH vom 14.02.2006 ein. Dies belief sich auf 863.000 EUR.
Zudem ließ die Klägerin von der U AG zu den Heizkraftwerken die Konzeptstudie vom 14.09.2006 erstellen.
Die Aufgabe erstreckte sich darauf, die Betriebsbedingungen des Biomasse-Heizkraftwerks zu untersuchen und Vorschläge für ein optimales Kraft-Wärme-Kopplungs-System zu unterbreiten. Zudem war die Entstaubungsanlage des Biomasse-Heizkraftwerks gegen ein anderes System, das den Brennstoffeinsatz und die immissionsschutzrechtlichen Belange berücksichtigt, einzuplanen.
Zur Rauchgasentstaubung des Biomasse-Heizkraftwerks wurde ein Kiesbettfilter verwendet. In der Konzeptstudie wurde als mögliche Lösung der Einsatz eines Elektrofilters oder eines Gewebefilters, der neben dem Staub weitere Abscheidungen von Hologenverbindungen, Dioxinen etc. zu leisten vermag, vorgestellt. In der Übersicht der Investitionskosten ist ein Gewebefilter nebst zugehörigen Geräten mit Investitionskosten in Höhe von 1.750.000 EUR ausgewiesen. Zur Durchführung der Maßnahme der Rauchgasentstaubung ist festgehalten, die vorhandene Entstaubungsanlage, die neben dem Kesselhaus aufgestellt ist, müsse bis zur Inbetriebnahme der neuen Anlage erhalten werden. Die neue Anlage sei im Durchgang zwischen dem Gästehaus und einem weiteren Gebäude zu errichten. Die Rauchgasentstaubungsanlage werde montiert und nach Betriebsbereitschaft umgeschlossen.
Am 21.08.2007 bestellte die Klägerin eine entsprechende Rauchgasentstaubungsanlage zu einem Gesamtnettowert in Höhe von 1.800.000 EUR. Im Jahr 2008 wurde die Rauchgasfilteranlage bzw. Entstaubungsanlage erneuert. Die neue Entstaubungsanlage wurde auf dem Dach eines zuvor errichteten Maschinenhauses, in dem sich die Turbinenanlage zur Stromerzeugung befindet, errichtet. Die Rauchgasentstaubungsanlage ist über Rohrleitungen mit der Feuerungsanlage verbunden. Das Abgas der Feuerungsanlage wird zur Einhaltung der Grenzwerte für Rauchpartikel durch die Rauchgasentstaubungsanlage gereinigt.
Für die notwendigen Erneuerung der Rauchgasfilteranlage bildete die Klägerin in der Bilanz zum 31.12.2005 gemäß § 6 Abs. 3a Buchst. e) EStG eine abgezinste Rückstellung in Höhe von 696.000 EUR, die sie in der Bilanz zum 31.12.2006 um 919.000 EUR erhöhte – abgezinste Rückstellung zum 31.12.2006 in Höhe von 1.615.000 EUR –.
Für die Veranlagungszeiträume 2003-2006 führte das Finanzamt für Groß- und Konzernbetriebsprüfung C eine Außenprüfung bei der Klägerin durch – Prüfungsbericht vom 22.11.2007 –.
Der Prüfer vertrat die Auffassung, zur Erfüllung der Verpflichtung, die Emissionswerte spätestens am 01.10.2010 einzuhalten, könne eine Rückstellung nicht gebildet werden. Eine Rückstellungsbildung sei nur dann zulässig, wenn die Erfüllung dieser Umweltverpflichtung durch den Betrieb in der Vergangenheit begründet sei. Hieran fehle es. Dies entspreche der Auffassung des BMF im Schreiben vom 27.09.1988 – IV B 2-S 2137 – 49/88. Zu dem abweichenden Urteil des BFH vom 27.06.2001, BStBl. II 2003, 121, sei ein Nichtanwendungserlass vom 31.01.2003, BStBl. I 2003, 125, ergangen. Einer Rückstellungsbildung stehe des Weiteren entgegen, dass der Bau der neuen Rauchgasentstaubungsanlage zu Anschaffungskosten/Herstellungskosten führe. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei die Rauchgasentstaubungsanlage kein integraler Bestandteil der Feuerungsanlage. Die Rauchgasentstaubungsanlage sei ein selbstständiges Wirtschaftsgut, da es selbstständig bewertungsfähig und nicht mit einem anderen Wirtschaftsgut derart verbunden sei, dass es nur einen Teil des anderen Wirtschaftsgutes darstelle. Dies zeige sich unter anderem daran, dass bei der Erweiterung und Erneuerung der Feuerungs- und Kesselanlage im Jahr 2001 die damalige Rauchgasentstaubungsanlage nicht ersetzt worden sei. Auch die amtliche AfA-Tabelle für den Wirtschaftszweig „Energie- und Wasserversorgung” weise Rauchfilteranlagen und Rauchgasentschwefelungsanlagen als selbstständige Wirtschaftsgüter aus.
Der Beklagte schloss sich dieser Auffassung an und erließ gemäß § 164 Abs. 2 AO die geänderten Körperschaftsteuerbescheide 2005 und 2006 vom 28.03.2008 sowie die Gewerbesteuermessbescheide 2005 und 2006 vom 08.04.2008.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren – Einspruchsentscheidung vom 02.04.2009 – begehrt die Klägerin mit der Klage weiterhin die Bildung der Rückstellungen.
Zur Begründung trägt die Klägerin vor, ihr sei durch die Ordnungsverfügung vom 01.07.2005 die Verpflichtung auferlegt worden, die Grenzwerte durch ihre Anlage einzuhalten. Zur Erfüllung sei eine Frist bis zum 01.10.2010 gewährt worden. Zur Einhaltung der Grenzwerte habe die bestehende Rauchgasentstaubungsanlage der Feuerungsanlage modernisiert werden müssen. Diese Maßnahmen seien im Jahr 2008 verwirklicht worden. Neben der Erneuerung der Rauchgasentstaubungsanlage sei die Turbinenanlage, die insoweit ein selbständiges Wirtschaftsgut darstelle, ebenfalls erneuert worden.
Die Erneuerung der Rauchgasentstaubungsanlage habe nicht zu Herstellungskosten geführt, sondern habe Erhaltungsaufwand verursacht.
Von Herstellungskosten könne nur ausgegangen werden, wenn durch die Sanierung der Rauchgasentstaubungsanlage ein neues Wirtschaftsgut entstanden oder ein bestehendes Wirtschaftsgut erweitert oder wesentlich verbessert worden sei. An diesen Voraussetzungen fehle es.
Die Rauchgasentstaubungsanlage als Filteranlage sei fest mit der Feuerungsanlage verbunden. Diese Verbindung sei auf Dauer angelegt. Die Feuerungsanlage und die Filteranlage wiederum seien fest mit einem Gebäude verbunden. In ihrer Ausgestaltung und Leistung sei die Filteranlage auf die Feuerungsanlage ausgerichtet. Sie sei daher Bestandteil der Feuerungsanlage und kein selbstständiges Wirtschaftsgut. Ohne die Rauchgasentstaubungsanlage sei die Feuerungsanlage unvollständig. Gleiches gelte im umgekehrten Zusammenhang. Der betriebliche Nutzen der Feuerungsanlage bestehe in der Erzeugung von Dampfdruck, mit dem Maschinen in der Produktion angetrieben und die Turbinenanlage betrieben werde. Die Rauchgasentstaubungsanlage erfülle für sich gesehen keine eigene betriebliche Funktion. Durch die Erneuerung der Rauchgasentstaubungsanlage könne die bestehende Feuerungsanlage in ihrer bisherigen Leistung weiterbetrieben werden. Mit der alten Rauchgasentstaubungsanlage hätte die Feuerungsanlage, um die Grenzwerte einzuhalten, nur mit einer geringeren Leistung betrieben werden müssen.
Der Ersatz der Rauchgasentstaubungsanlage habe auch nicht die Feuerungsanlage insgesamt wesentlich erweitert oder wesentlich verbessert. Die Feuerungsanlage sei durch die Sanierung der Rauchgasentstaubungsanlage nur unwesentlich verändert worden. Es sei nur eine Anpassung an den Stand der Technik erreicht worden. Der Funktionsumfang der Rauchgasentstaubungsanlage und ihr Gebrauchswert hätten sich nicht geändert.
Der im Streitfall zu beurteilende Sachverhalt entspreche der Entscheidung des BFH im BStBl. II 2003,121.
Die Rückstellung zum 31.12.2005 sei auf der Grundlage des Angebotes der T GmbH über 853.000 EUR gebildet worden. Als sich aus der Konzeptstudie vom 14.09.2006 der voraussichtliche Aufwand mit 1.750.000 EUR ergeben habe, sei zum 31.12.2006 der weitere Rückstellungsbetrag bilanziert worden.
Die Klägerin beantragt,
die Körperschaftsteuerbescheide 2005 und 2006 vom 28.03.2008 und die Gewerbesteuermessbescheide 2005 und 2006 vom 08.04.2008 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 02.04.2009 dahin zu ändern, dass für 2005 eine zusätzliche Rückstellung in Höhe von 696.000 EUR und für 2006 in Höhe von 919.000 EUR steuermindernd berücksichtigt wird;
die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
Der Beklagte trägt vor, aufgrund der Ordnungsverfügung vom 01.07.2005 könne nach der Entscheidung des BFH vom 13.12.2007 – IV R 85/05, BStBl. II 2008, 516 noch keine Rückstellung gebildet werden, da die Frist zur Erfüllung der Verpflichtung am maßgeblichen Bilanzstichtag noch nicht abgelaufen gewesen sei. Im Streitfall habe die Verpflichtung erst bis zum 01.10.2010 erfüllt werden müssen.
Im Übrigen verweist der Beklagte auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und die Darlegungen im Prüfungsbericht.
Ergänzend trägt er vor, zu aktivierende Herstellungskosten seien auch dann gegeben, wenn ein Wirtschaftsgut über seinen ursprünglichen Zustand hinaus wesentlich verbessert werde, § 255 Abs. 2 S. 1 HGB. Aufgrund der verschärften Umweltgesetze sei eine deutliche Verringerung der Schadstoffbelastung notwendig geworden. Dies sei nur durch eine neue Filteranlage möglich gewesen. Damit entspreche die Filteranlage nicht nur dem technischen Fortschritt, sondern beruhe auf den neuen gesetzlichen Regelungen zur Luftreinhaltung, die eine erhebliche Leistungssteigerung der Anlage fordern.
Wegen des weiteren Sachverhalts und des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die Gerichts- und die Steuerakten verwiesen.
Gründe
II.
Die zulässige Klage ist begründet.
Die mit der Klage angegriffenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen gemäß § 100 Abs. 1 S. 1 FGO die Klägerin in ihren Rechten, da zu Unrecht die für die Erneuerung der Rauchgasentstaubungsanlage gebildeten Rückstellungen steuerlich nicht anerkannt wurden.
Für die Erneuerung der Rauchgasentstaubungsanlage war gemäß § 8 Abs. 1 KStG, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs.1 S. 1 HGB in den Streitjahren 2005 und 2006 zu Recht eine Rückstellung von der Klägerin gebildet worden. Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt die Rauchgasentstaubungsanlage auch kein selbstständiges Wirtschaftsgut dar, für das Anschaffungs-/Herstellungskosten entstanden sind.
1. Nach § 8 Abs. 1 KStG, § 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 249 Abs.1 S. 1 HGB sind u.a. Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden.
Voraussetzung für die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach ständiger Rechtsprechung des BFH
das Bestehen einer dem Betrage nach ungewissen Verbindlichkeit oder
die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach – deren Höhe zudem ungewiss sein kann –,
ihre wirtschaftliche Verursachung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag sowie
dass der Schuldner ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen muss (BFH-Urteil v. 19.10.2005 – XI R 64/04, BStBl. II 2006, 371; v. 25.04.2006 – VIII R 40/04, BStBl. II 2006, 749; v. 19.07.2011 – X R 26/10, Der Betrieb 2011, 2350; v. 08.09.2011 – IV R 5/09, DStR 2011, 2186).
Die Bildung einer Rückstellung für eine aufgrund öffentlich-rechtlicher Bestimmungen begründete Verpflichtung setzt voraus, dass die öffentlich-rechtliche Verpflichtung hinreichend konkretisiert ist und die Verpflichtung auf ein bestimmtes Handeln innerhalb eines bestimmten Zeitraums abzielt. Ist eine behördliche Verfügung ergangen oder eine entsprechende verwaltungsrechtliche Vereinbarung abgeschlossen, liegen diese Voraussetzungen in der Regel vor. Ausnahmsweise kann sich eine solche Verpflichtung unmittelbar aus dem konkreten Gesetzesbefehl einer Gesetzesvorschrift ergeben. Zudem ist für die Rückstellung aufgrund einer sich aus öffentlichem Recht ergebenden Verpflichtung erforderlich, dass an die Pflichtverletzung Sanktionen geknüpft sind, die den Steuerpflichtigen zur Erfüllung der Verpflichtung zwingen (BFH-Urteile v. 25.03.2004 – IV R 35/02, BStBl. II 2006, 644; v. 27.06.2001 – I R 45/97, BStBl. II 2003, 121).
Unterschiedliche Auffassungen bestehen zu den genannten Voraussetzungen dahin, ob die wirtschaftliche Verursachung der Verpflichtung in der Zeit vor dem Bilanzstichtag auch dann gegeben sein muss, wenn die Verbindlichkeit dem Grunde nach rechtlich bereits besteht und sie nur der Höhe nach ungewiss ist.
Nach der Rechtsprechung des 1. Senats des BFH ist nur bei rechtlich erst künftig entstehenden Verpflichtungen für die Rückstellungsbildung die wirtschaftliche Verursachung vor dem Bilanzstichtag erforderlich (BFH-Urteile v. 27.06.2001 – I R 45/97, BStBl. II 2003, 121; v. 05.06.2002 – I R 96/00, BStBl. II 2005, 736; Buciek in Blümich EStG § 5 Rz. 799b; Tiedchen in Hermann/Heuer/Raupach EStG § 5 Rz. 510; Plewka/Schmidt in Lademann EStG § 5 Rz. 1212; Frotscher in Frotscher EStG § 5 Rz. 343, 352). Zur Begründung wird für diese Auffassung im Wesentlichen angeführt, es bestehe kein Sachgrund, der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten anders als gewisse Verbindlichkeiten zu behandeln. Das Imparitätsgebot des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB und das Gebot des zutreffenden und vollständigen Vermögensausweises des § 242 Abs. 1 i.V.m. § 246 Abs. 1 HGB würden den Ausweis aller vorhersehbaren und konkretisierten Risiken bereits mit ihrer Entstehung verlangen.
Andere Senate fordern auch bei dieser Sachverhaltskonstellation für die Rückstellungsbildung, dass die Verpflichtung wirtschaftlich in der Vergangenheit verursacht ist, d.h. der Tatbestand, an den die Verpflichtung anknüpft, im Wesentlichen verwirklicht ist (BFH-Urteile v. 19.10.1993 – VIII R 14/92, BStBl. II 1993, 891; v. 19.08.1998 – XI R 8/96, BStBl. II 1999, 18; v. 19.08.2002 – VIII R 30/01, BStBl. II 2003, 131; Weber-Grellet in Schmidt EStG 30. Aufl. 2011 § 5 Rz. 384 m.w.N.; BMF v. 21.01.2003,BStBl. I 2003, 125). Zur Begründung wird auf das Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 letzter Halbsatz HGB) abgehoben. Die zwar rechtlich entstandene, aber nicht vor dem Bilanzstichtag wirtschaftlich verursachte Verbindlichkeit stelle noch keine echte wirtschaftliche Belastung dar. Eine Rückstellung könne erst dann auch zeitlich ausgewiesen werden, wenn eine wirtschaftliche Belastung eingetreten sei (Weber-Grellet, Der Betrieb 2002, 2180).
Wirtschaftlich verursacht ist eine auf öffentlichem Recht beruhende ungewisse Verbindlichkeit, wenn sie mit dem betrieblichen Geschehen des Wirtschaftsjahres derart verknüpft ist, dass sie wirtschaftlich als Aufwand dem jeweiligen Wirtschaftsjahr zuzuordnen ist. Dazu müssen die wesentlichen Tatbestandsmerkmale der Verpflichtung im Wirtschaftsjahr erfüllt sein und das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängen. Zudem muss die Verbindlichkeit nicht nur an Vergangenes anknüpfen, sondern auch Vergangenes abgelten. Als im Wesentlichen vergangenheitsorientiert in diesem Sinne ist die Verbindlichkeit anzusehen, wenn alle wesentlichen tatbestandlichen Voraussetzungen für das Entstehen der Verbindlichkeit im Wirtschaftsjahr erfüllt sind, insbesondere die Verpflichtung unabhängig davon zu erfüllen ist, ob der Unternehmer seine Tätigkeit in Zukunft fortführt oder den Betrieb zum jeweiligen Bilanzstichtag beendet (BFH-Urteil v. 08.09.2011 – IV R 5/09, DStR 2011, 2186 m.w.N.).
Entsprechend diesen Grundsätzen ist die Verpflichtung der Klägerin zur Einhaltung der Grenzwerte der Staubemissionen durch Umrüstung oder Erneuerung der Filteranlage nicht vergangenheitsbezogen. Die Verpflichtung ist zwar durch die behördliche Verfügung rechtlich entstanden. Zu ihrer Erfüllung war jedoch ein Zeitraum bis zum 01.10.2010 eingeräumt, innerhalb dessen die Klägerin ihren Betrieb einstellen und so der Verpflichtung entgehen konnte. Daher ist im Streitfall die dargestellte Streitfrage zur Rückstellungsbildung zu entscheiden.
Der Senat hält das Gebot, voraussehbare und konkretisierte Risiken bilanziell auszuweisen, soweit sie entstanden sind, und das Gebot der Vollständigkeit des bilanziellen Ausweises für die dargelegte Streitfrage für maßgebend. Er schließt sich insoweit der Auffassung des 1. Senats des BFH an. Entsprechend diesen Grundsätzen bestand zum Bilanzstichtag 31.12.2005 eine rechtlich bereits entstandene Verpflichtung, mit der Feuerungsanlage die Grenzwerte zu den Staubpartikeln in den Abgasen einzuhalten. Zur Erfüllung dieser Verpflichtung war durch die behördliche Regelung eine Frist bis zum 1.10.2010 eingeräumt.
Der vorliegende Sachverhalt entspricht in seiner Grundkonstellation dem Sachverhalt, der der Entscheidung des BFH vom 27.06.2001 – I R 45/97, BStBl. II 2003, 121 zu Grunde liegt. Von der vom Beklagten herangezogenen Entscheidung des BFH vom 13.12.2007 – IV R 85/05, BStBl. II 2008, 516 weicht der zu entscheidende Sachverhalt insoweit ab, als die Verpflichtung zur Einhaltung der Grenzwerte nicht unmittelbar nur auf einer gesetzlichen Regelung, sondern durch einen Verwaltungsakt mit entsprechender Erfüllungsfrist festgelegt wurde.
Die Anlage der Klägerin entsprach seit der Änderung der TA Luft und ihrer Grenzwerte, die die unbestimmten Rechtsbegriffe des BImSchG auslegen, nicht mehr den Anforderungen des BImSchG an eine mit Holz betriebene Feuerungsanlage. Die TA Luft ist eine auf der Grundlage des § 48 BImSchG erlassene normkonkretisierende Vorschrift zur Sicherung eines gleichmäßigen und berechenbaren Gesetzesvollzugs (BVerwG v. 21.6.2001 – 7 C 21/00, BVerwGE 114, 342). Die Regelungen der TA Luft sind insoweit bindende Vorgaben und zwar auch zu den Anpassungsfristen.
Bei der Klägerin hat die Überprüfung des Heizkraftwerkes durch das Umweltamt die Beanstandung ergeben, dass die Grenzwerte zu den Staubemissionen nicht eingehalten wurden. Auf der Grundlage des § 17 Abs. 1 BImSchG erließ daraufhin das Umweltamt die Ordnungsverfügung vom 01.07.2005, die die Klägerin verpflichtete, den rechtswidrigen Zustand zu beseitigen. Aus Gründen der Selbstbindung der Verwaltung durch die Verwaltungsvorschrift der TA Luft wurde für die Erfüllung der Verpflichtung eine Frist bis zum 01.10.2010 gewährt.
Im Streitfall bestand daher für die Klägerin durch die Verfügung eine rechtlich entstandene Verpflichtung, zu deren Erfüllung der Zeitraum bis zum 01.10.2010 zur Verfügung stand.
Dieser vor dem Bilanzstichtag 31.12.2005 entstandenen Verpflichtung hat die Klägerin durch den Ausweis der nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e) EStG bemessenen Rückstellung zum 31.12.2005 in Höhe von 696.000 EUR Rechnung getragen. Die Bildung der Rückstellung in dieser Höhe entsprach ihrem damaligen Kenntnisstand aufgrund des Angebotes der T GmbH über 863.000 EUR. Zum 31.12.2006 hat sie aufgrund ihrer neu gewonnenen zusätzlichen Kenntnisse zum Kostenrahmen die Rückstellung entsprechend erhöht. Die Höhe der gebildeten Rückstellung ist nach den Erkenntnissen zu den anfallenden Kosten nicht zu beanstanden.
2. Die Bildung der Rückstellung ist auch nicht gem. § 5 Abs. 4b EStG ausgeschlossen, da die Kosten der Rauchgasentstaubungsanlage keine Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines selbstständigen Wirtschaftsguts oder einer Sachgesamtheit, sondern Erhaltungsaufwendungen sind. Die Rauchgasentstaubungsanlage ist kein selbstständig zu bewertendes Wirtschaftsgut; sie ist vielmehr ein unselbstständiger Bestandteil der Sachgesamtheit der Holz-Feuerungsanlage mit Filteranlage.
Nach § 5 Abs. 4b EStG sind Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten nicht zulässig, wenn die künftigen Aufwendungen steuerrechtlich als Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu aktivieren sind.
Grundsätzlich ist gemäß § 5 Abs. 1 S. 1 EStG in Verbindung mit § 252 Abs. 1 Nr. 3 HGB in der Steuerbilanz jedes selbstständige Wirtschaftsgut einzeln zu bilanzieren und zu bewerten. Ein im steuerlichen Sinne selbstständig bewertbares Wirtschaftsgut liegt vor, wenn es nach der Verkehrsanschauung selbstständig bewertet werden kann und wenn es in einem eigenen, selbstständigen Nutzungs- und Funktionszusammenhang steht.
Werden bewegliche Sachen miteinander verbunden, entscheidet sich, ob jeweils selbstständige Wirtschaftsgüter oder unselbstständige Teile eines verbundenen Wirtschaftsguts vorliegen danach, ob die einzelnen Güter weiterhin ihre selbstständige Bewertbarkeit behalten. Maßgebende Kriterien für diese Entscheidung sind, ob ein gemeinsamer Zweck der mehreren Güter vorliegt, der Grad der Festigkeit der Verbindung der Güter, der Zeitraum, auf den eine Verbindung oder die gemeinsame Nutzung mehrerer beweglicher Sachen angelegt ist, sowie das äußere Erscheinungsbild. Von einem einheitlichen Wirtschaftsgut ist regelmäßig auszugehen, wenn nach dem äußeren Erscheinungsbild der einzelne Gegenstand für sich allein betrachtet unvollständig erscheint oder ein Gegenstand ohne den anderen ein negatives Gepräge erhält (BFH v. 09.08.2001 – III R 30/00, BStBl. II 2001, 841; v. 14.04.2011 – IV R 46/09, BStBl. II 2011, 696). Die aufeinander abgestimmte Nutzung zweier Gegenstände steht der selbstständigen Bewertbarkeit des hinzugefügten Gegenstands nicht entgegen. Die eigenständige Nutzbarkeit eines Gegenstandes ist nicht Voraussetzung für seine selbstständige Bewertbarkeit (BFH v. 05.09.2002 – III R 8/99, BStBl. II 2002, 877). Die Verbindung schließt eine selbstständige Bewertbarkeit der Gegenstände aber dann aus, wenn die Wirtschaftsgüter über die einheitliche Zweckbestimmung durch den Steuerpflichtigen in seinem Betrieb hinaus technisch miteinander verbunden und aufeinander abgestimmt sind, so dass durch die Abtrennung für den einzelnen Gegenstand oder die Sachgesamtheit, aus der er herausgetrennt wurde, die Nutzbarkeit für den Betrieb verloren geht. Die in einen betrieblichen Nutzungszusammenhang eingefügten Wirtschaftsgüter sind dann als technisch aufeinander abgestimmt anzusehen, wenn zusätzlich zu einem betrieblichen Zusammenhang die naturwissenschaftlichen oder technischen Eigenschaften der Güter auf einen gemeinsamen Einsatz angelegt sind. Dies ist anzunehmen, wenn dem einen Gegenstand ohne den anderen bzw. ohne andere Gegenstände der gleichen Art schon aus rein technischen Gründen allein keine Nutzbarkeit zukommt (BFH v. 09.08.2001 – III R 30/00, BStBl. II 2001, 841; v. 14.04.2011 – IV R 46/09, BStBl. II 2011, 696). Die selbstständige Bewertbarkeit eines Wirtschaftsgutes kann auch dadurch untergehen, dass es fest und auf längere Dauer mit anderen Gegenständen verbunden wird und nur in dieser technischen Verbundenheit seinen bestimmungsgemäßen Zweck erfüllen kann wie zum Beispiel Badewanne und Armaturen (BFH v.09.08.2001 – III R 30/00, BStBl. II 2001, 841).
In Anwendung dieser Grundsätze bilden die Feuerungsanlage und die Rauchgasentstaubungsanlage eine Sachgesamtheit und ein einheitliches Wirtschaftsgut.
Die Feuerungsanlage und die mit ihr verbundene Filteranlage dienen dem gemeinsamen betrieblichen Zweck, durch die Verfeuerung der in der Produktion anfallenden Holzabfälle und des zusätzlich hinzu erworbenen Altholzes den für die Produktion notwendigen Dampf sowie über die Turbine zusätzlich Strom zu erzeugen. Ohne die Feuerungsanlage und den erzeugten Dampf ist die Produktion nicht möglich. Die Feuerungsanlage kann entsprechend ihrer Leistungsfähigkeit den benötigten Dampf nur erzeugen und ihre betriebliche Funktion erfüllen, wenn sie wegen der Regelungen des Bundesimmissionsschutzgesetzes und der Bundesimmissionsschutzverordnung genehmigt ist und während des Betriebs die vorgegebenen Grenzwerte, u.a. zu den Staubemissionen, einhält. Die Feuerungsanlage benötigt daher für ihren Betrieb eine entsprechende Filteranlage; ohne eine solche ist der Betrieb untersagt und verletzt geltendes Umweltrecht.
Beide Wirtschaftsgüter erfüllen damit einen gemeinsamen betrieblichen Zweck. Sie sind zur Erfüllung über Verschraubungen und Rohrverbindungen fest miteinander verbunden. Diese Verbindung ist vorgesehen und bleibt bestehen, bis entweder die Gesamtanlage oder die Feuerungsanlage oder die Filteranlage als auswechselbare Teile der Gesamtanlage technisch verbraucht sind wie zum Beispiel bei einem Kraftfahrzeug und dem zugehörigen Katalysator.
Die verbundenen Wirtschaftsgüter sind auch technisch insofern aufeinander abgestimmt, als die Größe und die Leistungsfähigkeit der Filteranlage nach der Leistungsfähigkeit und dem Schadstoffausstoß der Feuerungsanlage dimensioniert technisch ausgerichtet ist. Ohne die zugehörige Filteranlage erscheint die Feuerungsanlage unvollständig und verliert ihre Nutzbarkeit für den Betrieb; sie ist umweltrechtlich nicht betriebsfertig. Im Rahmen der durch die Umweltgesetze vorgegebenen Rahmenbedingungen ist eine betriebliche oder industrielle Feuerungsanlage ohne zugehörige Filteranlage nicht zu betreiben. Ohne eine solche Filteranlage wäre eine Feuerungsanlage unvollständig.
Ein anderes Ergebnis ist entgegen der Auffassung des Beklagten auch nicht aus der von der Finanzverwaltung erstellten AfA-Tabelle Energie- und Wasserversorgung vom 01.01.1989 abzuleiten. In der Tabelle sind für die Frage der Nutzungsdauer u.a. Rauchfilteranlagen und Rauchgasentschwefelungsanlagen als selbstständige Wirtschaftsgüter aufgeführt. Daraus lässt sich nicht zwingend ableiten, dass solche Wirtschaftsgüter stets und unabhängig von ihrer Verbindung und Funktion mit anderen Wirtschaftsgütern als selbstständige Wirtschaftsgüter zu bewerten sind.
Durch die Erneuerung der Filteranlage ist die Gesamt-Feuerungsanlage an den Stand der Technik und die erhöhten Umweltanforderungen angepasst worden. Dies hat nicht zu Herstellungskosten sondern zu Erhaltungsaufwendungen geführt.
Nach § 255 Abs. 2 HGB sind Herstellungskosten die Aufwendungen, die durch den Verbrauch von Gütern und die Inanspruchnahme von Diensten für die Herstellung eines Wirtschaftsguts, seine Erweiterung oder für eine über seinen ursprünglichen Zustand hinausgehende wesentliche Verbesserung entstehen. Abzustellen ist insbesondere darauf, ob die Maßnahme zu einer höherwertigen, umfangreicheren oder verlängerten Nutzbarkeit des Wirtschaftsgutes führt (BFH v. 25.09.2007 – IX R 28/07, BStBl. II 2008, 218). Eine wesentliche Verbesserung einer Betriebsanlage in diesem Sinne liegt vor, wenn nach objektiven Maßstäben der Gebrauchswert des Wirtschaftsgutes deutlich erhöht wird (Kulosa in Schmidt EStG, 30. Aufl. 2011, § 6 Rz. 187, 188; Ehmcke in Blümich EStG § 6 Rz. 403). Allein die Verringerung der Emissionswerte, die die Betriebsanlage in den zeitgemäßen umweltrechtlich geforderten Zustand versetzt, führt nicht zu einer höherwertigen Nutzbarkeit (BFH v. 27.06.2001 – I R 45/97, BStBl. II 2003, 121).
Eine wesentliche Verbesserung der Feuerungsanlage oder eine höhere Leistungsfähigkeit ist durch den Einbau der neuen Filteranlage nicht eingetreten. Im Vergleich mit der alten Kiesfilteranlage werden durch die neue Filteranlage die Staubpartikel der Abluft in größerem Umfang aufgefangen und damit die erhöhten Umweltauflagen erfüllt. Die Leistung der Feuerungsanlage für den Betrieb in Form von Dampf wird dadurch gegenüber dem vorherigen Zustand nicht gesteigert. Die Anlage wurde insoweit nur den geänderten umweltrechtlich festgelegten Anforderungen angepasst. Eine solche Maßnahme führt zu sofort gemäß § 4 Abs. 4 EStG als Betriebsausgaben abzugsfähigen Erhaltungsaufwendungen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zuzulassen, da für Rückstellungen wegen ungewisser Verbindlichkeiten zur Frage des Erfordernisses der wirtschaftlichen Verursachung vor dem Bilanzstichtag bei rechtlich bereits entstandenen Verbindlichkeiten in der Rechtsprechung des BFH unterschiedliche Auffassungen bestehen.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Zivilprozessordnung.

VorschriftenHGB § 249 Abs 1 S 1, HGB § 252 Abs 1, EStG § 5 Abs 1 S 1

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr