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24.01.2012

Finanzgericht München: Urteil vom 12.10.2011 – 4 K 1840/08

1. Nach § 146 Abs. 7 BewG ist ein niedrigerer Grundstückswert zwingend dann festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger als der nach § 146 Abs. 2-6 BewG typisierend ermittelte Wert ist. Bei der Nachweisoption handelt es sich um eine spezielle Beweislastregel, die den allgemeinen Regeln des finanzgerichtlichen Verfahrensrechts vorgeht.

2. Der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes kann regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden.

3. Ein Sachverständigengutachten kann nur dann als Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts i. S. d. § 146 Abs. 7 BewG dienen, wenn der hierin gefundene Wert in jeder Hinsicht nachvollziehbar und hinsichtlich seiner Berechnungsgrundlagen den wissenschaftlichen Anforderungen genügend transparent ist.

4. Ein als Niederlassung der Deutschen Post genutztes Gebäude ist nach dem Ertragswertverfahren zu bewerten.

5. Ist eine Immobilie langfristig und überdurchschnittlich rentabel an einen Nutzer mit guter Bonität vermietet, so hat dies durchaus Einfluss auf den Ertragswert des Vermietungsobjekts. Es handelt sich hierbei um einen so genannten „Overrent”-Effekt.


IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

In der Streitsache

hat der 4. Senat des Finanzgerichts München unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Finanzgericht …, der Richterin am Finanzgericht … und des Richters am Finanzgericht … sowie der ehrenamtlichen Richterin … und des ehrenamtlichen Richters … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 12. Oktober 2011

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

3. Die Revision zum Bundesfinanzhof wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Höhe des zum Zweck der Festsetzung der Erbschaftsteuer gesondert festgestellten Grundbesitzwerts einer zu gewerblichen Zwecken vermieteten Immobilie.

Der Kläger und seine am … verstorbene Ehefrau lebten aufgrund des notariellen Ehe- und Erbvertrags vom … im ehelichen Güterstand der Gütergemeinschaft. Zum Gesamtgut gehörte im Zeitpunkt des Ablebens der Ehefrau des Klägers u.a. ein Miteigentumsanteil von 349,15/1000 an dem bebauten Grundstück in A mit der Flurstücknummer … der Gemarkung A. Mit Vertrag vom 19. April 1974 hatte der Kläger das auch seinerzeit selbst neu erstellte Gewerbeobjekt … befristet für einen Zeitraum von 20 Jahren ab dem Zeitpunkt der „bezugsfertigen Übergabe” im Jahr 1976 an die Deutsche Bundespost vermietet. Der vereinbarte monatliche Mietzins betrug ursprünglich 10.000 DM, unterlag jedoch vertraglich einer am Preisindex der Lebenshaltungskosten orientierten Dynamisierung. Mit Änderungsvertrag vom 9. Oktober 1990 vereinbarte der Kläger mit der Deutschen Bundespost anlässlich eines von ihm in Höhe von 80.000 DM finanzierten Umbaus (d.h. Einbau von Automatiktüren in der Postfiliale) zum einen eine Mieterhöhung und zum anderen die Verlängerung der Laufzeit des Mietverhältnisses um 10 Jahre bis zum 31. Januar 2006. Im Zeitpunkt des Ablebens der Ehefrau des Klägers galt entsprechend dem Änderungsvertrag vom 26. Juli 1994 ein monatlicher Mietzins von 14.948,63 DM. Mit dem Tod seiner Ehefrau und der hierdurch bedingten Auflösung der Gütergemeinschaft erwarb der Kläger als ihr Alleinerbe deren Anteil an dem o.g. Grundvermögen. Zum Zweck der Festsetzung der Erbschaftsteuer gegen den Kläger durch das Finanzamt … stellte der Beklagte mit Bescheid vom 6. Juli 1999 für die bezeichnete Immobilie als wirtschaftliche Einheit zum Stichtag … einen Grundbesitzwert in Höhe von insgesamt 1.940.000 DM gesondert fest. Dem Kläger wurde die Hälfte des Grundbesitzwerts für erbschaftsteuerliche Zwecke zugerechnet. Im Einzelnen berechnete der Beklagte den Grundbesitzwert wie folgt (in DM):

Summe der Pacht (1.03.1993-29.02.1996)517.396
Durchschnitts-Jahrespacht172.465
Jahrespacht × Vervielfältiger 12,52.155.812
Abzügl. Alterswertminderung (20 Jahre × 0,5%/Jahr)./. 215.581
Ausgangswert1.940.231
Grundbesitzwert(abgerundet auf volle Tausend)1.940.000
für erbschaftsteuerl. Zwecke zugerechneter Anteil 50%970.000
Gegen den Feststellungsbescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 26. Juli 1999 Einspruch ein. Zur Begründung seines Einspruchs machte der Kläger unter Vorlage eines Gutachtens des öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen der IHK … für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken … vom 30. Juli 2001 geltend, dass der gemeine Wert der Immobilie den seitens des Beklagten festgestellten Grundbesitzwert erheblich unterschreite und sich lediglich auf 840.000 DM beliefe. Im Hinblick auf die wegen weiterer Grundstücke anhängigen finanzbehördlichen Verfahren verzögerte sich das vorliegende Einspruchsverfahren. Da der Beklagte gegen die Richtigkeit des Gutachtens etliche Einwendungen erhoben hatte, legte der Kläger ein korrigiertes Gutachten des o.g. Sachverständigen vom 1. März 2007 vor. Hierin kam der Sachverständige nunmehr zum Schluss, dass der Verkehrswert des gewerblichen Objekts 615.000 EUR betrage. Zu diesem Zweck ermittelte er einen Wertansatz sowohl im Sachwert- als auch im Ertragswertverfahren und setzte dann den niedrigeren Ertragswert als Verkehrswert an. Im Wesentlichen ergaben sich folgende Berechnungsgrundlagen:

Sachwertermittlung
Normalherstellungskosten zum 18.02.1996= Normalherstellungskosten im Basisjahr 2000 × 101,2 (Baupreisindex)= 914 EUR/m² × 101,2 × 872 m²= 806.573,84
Gebäudeherstellungskosten ohne Baunebenkosten806.573,84 EUR
Baunebenkosten= 14% aus den Gebäudeherstellungskosten ohne Baunebenkosten112.920,34 EUR
Gebäudeherstellungskosten mit Baunebenkosten919.494,18 EUR
Alterswertminderung in Höhe von 18,37%Dynamische Alterswertminderung nach Ross[Gesamtnutzungsdauer: 70 Jahre; Restnutzungsdauer 50 Jahre]./. 168.911,08 EUR
Zeitwert des Gebäudes750.583,10 EUR
Wert der Außenanlagen22.517,49 EUR
Summe des Werts des Gebäudes und der Außenanlagen773.100,59 EUR
Bodenwert 1.224 m² × 200,– EUR/m²Schätzung des Bodenwerts des bebauten Grundstücks bei Bodenrichtwerten für unbebaute Grundstücke zwischen 250 DM m² und 400 DM/m² 244.800,00 EUR
Vorläufiger Sachwert1.017.900,59 EUR
Marktangepasster vorläufiger Sachwert (Marktanpassungsfaktor 0,80)814.320,47 EUR
Abzüglich sonstige wertbeeinflussende UmständeAbschlag wegen Instandhaltungsstau (Fenster, Sanitär, Fassade)./. 100.000,00 EUR
Sachwert714.320,47 EUR
Sachwert gerundet auf volle Tausend714.000,00 EUR
Ertragswertermittlung
Rohertrag (nachhaltig erzielbare jährliche NettokaltmietenIm Gutachten angesetzt: geschätzte nachhaltig erzielbare Nettokaltmiete von 7,00 EUR/Monat/m² Tatsächliche Nettokaltmiete beträgt 12,26 EUR/Monat/m²; d.h. umgerechnet 91.717,32 EUR pro Jahr 52.349,64 EUR
abzüglich Bewirtschaftungskosten (15% der Nettokaltmieten)Verwaltungskosten 3%; Instandhaltungskosten 10%; Mietausfallwagnis 2%./. 7.849,80 EUR
Jährlicher Reinertrag44.499,84 EUR
Abzüglich Reinertragsanteils des Bodens (Bodenwert × Liegenschaftszins = 244.800 EUR × 6%)Schätzung des Bodenwerts des bebauten Grundstücks bei Bodenrichtwerten für unbebaute Grundstücke zwischen 250 DM m² und 400 DM/m² ./. 14.688,00 EUR
Ertrag der baulichen Anlagen29.811,84 EUR
Ertragswert der baulichen Anlagen (Ertrag der baulichen Anlagen × Vervielfältiger 15,762)Liegenschaftszinssatz 6%; Restnutzungsdauer 50 Jahre469.894,22 EUR
BodenwertSchätzung des Bodenwerts des bebauten Grundstücks bei Bodenrichtwerten für unbebaute Grundstücke zwischen 250 DM m² und 400 DM/m² 244.800,00 EUR
Vorläufiger Ertragswert714.694,22 EUR
Abzüglich sonstige wertbeeinflussende UmständeAbschlag wegen Instandhaltungsstau (Fenster, Sanitär, Fassade)./. 100.000,00 EUR
Ertragswert614.694,22 EUR
Ertragswert aufgerundet auf volle Tausend615.000.00 EUR
Der Privatgutachter hielt die bis zum Jahr 2006 vereinbarte Miete für deutlich überhöht. Den hierin enthaltenen, die ortsübliche Miete übersteigenden Mehrertrag berücksichtigte er bei der Verkehrswertermittlung durch Anhebung der als nachhaltig erzielbar angenommenen Miete auf ein Niveau von 7 EUR/m².

Der Beklagte lehnte auch den korrigierten gutachterlichen Wert ab. Im Wesentlichen rügte er, dass nicht ersichtlich wäre, aus welchen Gründen sich der Sachverständige für den niedrigeren der beiden Wertansätze entschieden hätte, dass angesichts der Befristung des Mietvertrags bis zum Jahr 2006 die tatsächlich vereinbarte Miete als nachhaltig erzielbar angesehen werden müsste und dass der Abschlag wegen des angeblichen Instandhaltungsrückstands nicht plausibel sei. Der Einspruch blieb erfolglos und wurde mit Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 25. April 2008 als unbegründet zurückgewiesen.

Hiergegen richtet sich die mit Schriftsatz vom 21. Mai 2008 erhobene Klage, die der Kläger im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Grundbesitzwert des als Postfiliale genutzten Gebäudes sei entsprechend dem Gutachten vom 1. März 2007 aus verschiedenen Gründen herabzusetzen. Das Gebäude sei seinerzeit nach den spezifischen Bedürfnissen der Deutschen Bundespost entsprechend gebaut worden und deshalb nach Beendigung des Mietvertrags für andere Zwecke nicht verwendbar. In einem solchen Fall seien erhebliche und kostenaufwändige Umbaumaßnahmen erforderlich. Dies sei auch der Grund, weswegen nur eine realistische Marktmiete von monatlich 7 EUR/m² angesetzt werden könnte. Unabhängig davon habe sich das Gebäude zum Bewertungsstichtag bautechnisch auf dem Stand des Jahres 1975 befunden und einen erheblichen Instandhaltungs- und Modernisierungsbedarf gehabt. Es sei schließlich auch durch die Entscheidung des Bundesfinanzhofs vom 3. Dezember 2008 (Az.: II R 19/08) geklärt, dass die Finanzbehörde nicht ohne Weiteres von dem gutachterlich festgestellten niedrigeren Verkehrswert abweichen dürfe.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 6. Juli 1999 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts zum … in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. April 2008 dahingehend zu ändern, dass der Grundbesitzwert auf 615.000 EUR, mithin der auf den erbschaftsteuerrechtlichen Erwerb entfallende Anteil hieran auf 307.500 EUR herabgesetzt wird,

hilfsweise für den Fall der vollständigen oder teilweisen Klageabweisung die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise die Revision zum Bundesfinanzhof zuzulassen.

Seiner Ansicht nach sei das Gutachten nicht überzeugend und der darin gefundene Wert nicht zutreffend. Es sei schon nicht nachvollziehbar, dass der über den Bewertungsstichtag hinaus aus damaliger Sicht noch mindestens 10 Jahre laufende Mietvertrag keine ausreichende Grundlage für die nachhaltig erzielbare Miete sein solle. Nachhaltig erzielbar sei eine Miete bereits bei einer zeitlichen Prognose von nur 6 Jahren. Auch der Sanierungsbedarf von 100.000 EUR sei nicht näher belegt.



Wegen der weiteren Einzelheiten wird gemäß § 105 Abs. 3 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) auf die Schriftsätze der Beteiligten, auf die den Kläger betreffenden Behördenakten, auf das jeweils im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben des Privatgutachters vom 29. Januar 2008 und die Wertberechnung des Bausachverständigen des Bayerischen Landesamts für Steuern sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 12. Oktober 2011 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.) Die fristgerecht erhobene, und daher zulässige Klage ist unbegründet. Der klagegegenständliche Bescheid vom 6. Juli 1999 über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts ist rechtmäßig, weil der Kläger insbesondere nicht mit Erfolg nachgewiesen hat, dass der gemeine Wert des Betriebsgrundstücks in A zum (Bewertungsstichtag) niedriger gewesen ist als der vom Beklagten in Höhe von 1.940.000 DM festgestellte Grundbesitzwert.

1.) Umfasst das als Erwerb von Todes wegen gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 (ErbStG) der Erbschaftsteuer unterliegende Nachlassvermögen – wie im Streitfall – auch Grundbesitz im Sinn des § 19 des Bewertungsgesetzes in der Fassung des Jahressteuergesetzes 1997 (BewG), so ist dessen Wert bei Ermittlung der erbschaftsteuerrechtlichen Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen (§ 10 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 12 ErbStG). Der Grundbesitzwert ist gemäß § 12 Abs. 3 ErbStG nach Maßgabe der Vorschriften der §§ 138 ff BewG zu ermitteln und wegen § 138 Abs. 5 Satz 1 BewG – wie im Streitfall in Gestalt des hier klagegegenständlichen Bescheids vom 6. Juli 1999 erfolgt – gesondert festzustellen (Bundesfinanzhof – BFH – Beschluss vom 2. Dezember 2003 II B 76/03, BFHE 203, 507, BStBl II 2004, 204, ergangen in Bezug auf den Streitfall im vorläufigen Rechtsschutzverfahren). Die durch § 37 Abs. 1 ErbStG bestimmte rückwirkende Anwendung der erbschaftsteuergesetzlichen Vorschriften des am 24. Dezember 1996 in Kraft getretenen Jahressteuergesetzes 1997 auf Erwerbsvorgänge ab 1. Januar 1996 – und somit auch auf den Streitfall – begegnet nach bundesrichterlicher Rechtsprechung auch keinen rechtlichen, insbesondere verfassungsrechtlichen Bedenken (BFH- Urteil vom 20. Oktober 2004 II R 74/00 BFHE 207, 355, BStBl II 2005, 99). Das gleiche gilt für die durch § 152 BewG bestimmte rückwirkende Anwendung der bewertungsgesetzlichen Vorschriften ab 1. Januar 1996 (BFH-Urteil vom 14. Dezember 2004 II R 41/03, juris).

2.) Der Senat vermag bei Überprüfung des klagegegenständlichen Feststellungsbescheids vom 6. Juli 1999 keine Rechtsfehler des Beklagten im Hinblick auf die Ermittlung des Grundbesitzwerts des Grundstücks A zu erkennen.

Bei der besagten Immobilie handelt es sich um Grundbesitz im Sinn des § 19 Abs. 1 BewG. Die als Postfiliale genutzte Immobilie ist durch den Beklagten auch zutreffenderweise als eine wirtschaftliche Einheit behandelt und bewertet worden (§ 2 Abs. 1 Sätze 1 u. 2 BewG). Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist nach den Anschauungen des Verkehrs zu entscheiden (§ 2 Abs. 1 Satz 3 BewG). Für den Typusbegriff der wirtschaftlichen Einheit sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 4 BewG). Ein einheitlicher Gebäudekomplex ist dann wirtschaftliche Einheit, wenn er auf einer einheitlichen Planung beruht und in einem einheitlichen Funktionszusammenhang steht, der eine gemeinsame Nutzung bietet oder sinnvoll erscheinen lässt (Halaczinsky in Rössler/Troll BewG § 2 Rdnr. 6; vgl. auch BFH-Beschluss vom 28. April 1993 II S 6/93, juris). Diese Voraussetzungen stehen im Streitfall außer Zweifel. Der klagegegenständliche Feststellungsbescheid vom 6. Juli 1999 lässt zwar nicht erkennen, ob der Beklagte die bewertete wirtschaftliche Einheit als Grundvermögen nach §§ 68 ff BewG oder als Betriebsgrundstücke nach § 99 Abs. 1 Nr. 1 BewG angesehen und behandelt hat. Dem Sachvortrag der Beteiligten ist auch nicht zu entnehmen, ob das seinerzeit … vermietete Objekt sich ursprünglich und/oder im Bewertungszeitpunkt im gewerblichen Betriebsvermögen befunden hatte. Letztlich kann diese Rechtsfrage aber als nicht entscheidungserheblich dahin gestellt bleiben, weil der Grundbesitzwert in beiden Fällen nach denselben Wertermittlungsvorschriften zu bestimmen ist (§ 138 Abs. 3 Satz 1 BewG). Der Gebäudekomplex ist ersichtlich als bebautes Grundstück im Sinn des § 146 Abs. 1 BewG zu bewerten gewesen. Die hiernach anzuwendenden Vorschriften, insbesondere des § 146 Abs. 2 bis 6 BewG hat der Beklagte beachtet. Der Beklagte hat zu Recht den nach § 146 Abs. 2 Satz 1 BewG typisierenden Ertragswert zugrunde gelegt. Danach besteht der Wert eines bebauten Grundstücks im 12,5fachen der für dieses im Durchschnitt der letzten drei Jahre vor dem Besteuerungszeitraum erzielten Jahresmiete abzüglich der nach § 146 Abs. 4 BewG zu bemessenden Wertminderung wegen des Alters des Gebäudes. Die Höhe der im Feststellungsbescheid bezeichneten – und vom Kläger auch nicht angegriffenen -Jahresmiete von durchschnittlich 172.465 DM (d.h. umgerechnet 88.179,95 EUR) weicht zwar zu dessen Gunsten geringfügig von den Angaben im Gutachten vom 1. März 2007 ab. Die Frage, ob der Beklagte dem Feststellungsbescheid nicht die im Gutachten bezeichnete Jahresmiete von 91.717,32 EUR, die auf der im Bewertungsstichtag geltenden Monatsmiete von 14.948,63 DM beruht, zugrunde legen hätte müssen, kann letztlich offen bleiben. Eine Verschlechterung der prozessrechtlichen Lage des Klägers ist dem Senat wegen der Rechtsschutzfunktion des finanzgerichtlichen Verfahrens schließlich verwehrt (Gräber/Stapperfeld FGO 7. Auflage 2010, § 96 Rz. 7). Gegen die vom Beklagten nach Maßgabe der Vorschriften des § 146 Abs. 2 Satz 1 mit Abs. 4 BewG ermittelte altersbedingte Wertminderung werden vom Kläger weder Einwendungen erhoben, noch sind Anhaltspunkte für eine fehlerhafte Ermittlung derselben aus den vorgelegten Unterlagen ersichtlich.

3.) Der durch Vorlage der Gutachten des Sachverständigen … vom 1. März 2007 unternommene Versuch des Nachweises eines gegenüber der gesetzlich typisierten Ertragswertfeststellung niedrigeren gemeinen Werts ist dem Kläger aus folgenden Gründen nicht gelungen.

a) Nach § 146 Abs. 7 BewG ist ein niedrigerer Grundstückswert zwingend dann festzustellen, wenn der Steuerpflichtige nachweist, dass der gemeine Wert des Grundstücks niedriger als der nach § 146 Abs. 2 bis 6 BewG typisierend ermittelte Wert ist. Unter dem gemeinen Wert ist der Verkehrswert zu verstehen, der durch den Preis bestimmt wird, der im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach der Beschaffenheit des Wirtschaftsguts bei einer Veräußerung zu erzielen wäre (§ 9 Abs. 2 Satz 1 BewG). Bei der Nachweisoption handelt es sich um eine spezielle Beweislastregel, die den allgemeinen Regeln des finanzgerichtlichen Verfahrensrechts vorgeht (BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 69/01, BFHE 207, 352, BStBl II 2005, 259).

Für den Nachweis gibt es keine unbeschränkte Möglichkeit in der Auswahl der Bewertungsmethoden. Mangels eines tatsächlich zeitnah erzielten Kaufpreises kann der Nachweis eines niedrigeren gemeinen Wertes regelmäßig nur durch ein Gutachten des örtlich zuständigen Gutachterausschusses oder eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von Grundstücken geführt werden (BFH-Urteil vom 8. Oktober 2003 II R 27/02, BFHE 204, 306, BStBl II 2004, 179). Bei letzterem handelt es sich um ein Privatgutachten und somit um substantiiertes, urkundlich belegtes Parteivorbringen (vgl. BFH-Urteil vom 4. März 1993 IV R 33/92, BFH/NV 1993, 739). Ein solches Gutachten muss inhaltlich richtig sein und den allgemein anerkannten Grundsätzen der Wertermittlung genügen, wie sie insbesondere in der seit 1. Juli 2010 geltenden Verordnung über die Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (ImmoWertV) bzw. der auf den Streitfall anzuwendenden Vorgängervorschriften der Verordnung über Grundsätze für die Ermittlung der Verkehrswerte von Grundstücken (WertV) enthalten sind (vgl. etwa BFH-Beschluss vom 9. September 2009 II B 69/09, BFH/NV 2009, 1972). Dem Kläger ist in diesem Zusammenhang zwar einzuräumen, dass die Finanzbehörde von einem solcher Art gutachterlich ermittelten gemeinen Wert nicht ohne Weiteres abzuweichen berechtigt ist (BFH-Urteil vom 3. Dezember 2008 II R 19/08, BFHE 224, 268, BStBl II 2009, 403). Dies setzt jedoch eine überzeugende Begründung des Gutachterwerts voraus.

b) Diesen Anforderungen genügt die im Gutachten vom 1. März 2007 enthaltene Wertermittlung nicht.

aa) Der Senat folgt den Ausführungen im Gutachten vom 1. März 2007 insoweit, als der Sachverständige sich aus dem Kreis der nach § 7 Abs. 1 Satz 1 WertV zur Verkehrswertfindung zur Verfügung stehenden Wertermittlungsmethoden in Bezug auf das als Niederlassung der Deutschen Post genutzte Gebäude für die Anwendung des Ertragswertverfahrens entschieden hat. Auf in der Regel nicht am Mietmarkt gehandelte Immobilien (wie z.B. Fabrikanlagen, Infrastruktureinrichtungen wie Bahnhöfe, Flughäfen, Krankenhäuser, kulturelle Immobilien etc.) wird üblicherweise das Sachwertverfahren angewendet, weil sich der Immobilienwert in diesen Fällen nicht nach der Höhe der hieraus erzielbaren Einnahmen sondern nach den Herstellungskosten bemisst. Überall dort, wo der nachhaltig erzielbare Ertrag für die Werteinschätzung am Markt im Vordergrund steht, findet das Ertragswertverfahren Anwendung. Dies gilt im Bereich der gewerblichen Nutzung etwa bei Geschäftsgrundstücken, wie Büro- und Geschäftshäusern, Einkaufszentren oder bei gewerblichen Spezialimmobilien, wie Parkhäusern, Hotels und Logistikflächen. Das im Streitfall betroffene Objekt zählt zu der letztgenannten Kategorie von gewerblichen Spezialimmobilien. Derartige Immobilien werden regelmäßig im besonderen Maß an die spezifischen bautechnischen Bedürfnisse des jeweiligen Nutzers angepasst und sehr langfristig fest verpachtet, woraus sich deren Charakter als Ertragsobjekt ergibt.

bb) Der Senat sieht das Gutachten allerdings insoweit nicht für überzeugend an, als der Sachverständige bei seiner Ermittlung des Ertragswerts des Gebäudes von einer nachhaltig erzielbaren Monatsmiete von 7 EUR/m² ausgegangen ist …, ohne das Ausmaß der Berücksichtigung des Mehrertrags aus der bis zum Jahr 2006 bestehenden Mietzinsbindung rechnerisch deutlich zu machen.

Die nachhaltig erzielbare Miete ist Grundlage des Rohertrags (§ 17 Abs. 1 Satz 1 WertV) und dadurch auch des für den Ertragswert entscheidenden Reinertrags (§ 16 Abs. 1 Satz 1 WertV). Das kann im Einzelfall durchaus bedeuten, dass der nach den bezeichneten Wertermittlungsvorschriften anzusetzende Ertrag von dem im Bewertungsstichtag tatsächlich aus der Immobilie erzielten Ertrag abweicht. Der Verkehrswert einer Immobilie wird nicht unbedingt dadurch beeinflusst, dass diese zu günstig oder zu hochpreisig zur Fremdnutzung überlassen worden ist (vgl. auch Finanzgericht Nürnberg Urteil vom 1. April 2004 IV 197/2003, EFG 2004, 1194). Für den Ertragswert ist schließlich nur der realistischerweise zu erwartende, nicht hingegen der im Einzelfall erheblich vom Marktpreis abweichende Ertrag maßgebend. Demgegenüber ist der tatsächlich im Einzelfall erzielte Ertrag aber als Kriterium zur Bemessung des Ertragswerts auch nicht völlig unbeachtlich. Die tatsächlich vereinbarte Miete kann etwa im Fall einer sehr langfristigen Mietbindung von Bedeutung sein. Ist eine Immobilie langfristig und überdurchschnittlich rentabel an einen Nutzer mit guter Bonität vermietet, so hat dies durchaus Einfluss auf den Ertragswert des Vermietungsobjekts. Es handelt sich hierbei um einen so genannten „Overrent”-Effekt.

Es steht außer Frage, dass im Rahmen der Ertragswertermittlung dem Gesichtspunkt einer langfristigen, überdurchschnittlich rentablen Vermietung Rechnung getragen werden muss. Dies gilt umso mehr, wenn es sich bei dem Mieter um einen solchen mit zweifelsfrei hoher Bonität handelt. Diese Umstände sind im Streitfall gegeben gewesen. Die Deutsche Bundespost – bis zum Jahr 1994 eine staatliche Einrichtung, ab diesem Zeitpunkt zumindest noch ein staatsnahes Unternehmen mit einer hohen Bonität – ist uneingeschränkt als ein solventer und hinsichtlich der Mietbindung überdurchschnittlich verlässlicher Mieter des Klägers anzusehen gewesen. Der Senat geht jedenfalls nicht davon aus, dass der Kläger zum Bewertungszeitpunkt eine vorzeitige Beendigung des Mietverhältnisses vor dem Jahr 2006 unter gleichzeitigem Ausfall seiner Mietforderungen hätte befürchten müssen. Nach Ansicht des Senats müssen diese für die Höhe des Ertragswerts bedeutsamen Umstände in irgendeiner Weise – etwa durch Kapitalisierung des die nachhaltig erzielbare Miete übersteigenden Mehrertrags – ihren Niederschlag finden.

Der Privatgutachter hat zwar im Termin zur mündlichen Verhandlung zugunsten des Klägers vorgetragen, dass er den Gesichtspunkt des „Overrents” dadurch berücksichtigt hätte, dass er im Gutachten den Ansatz der nachhaltig erzielbaren Miete angehoben und die Restnutzungsdauer bei 50 Jahren belassen hätte. Andernfalls hätte er – wie er in seinem im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten, an den Beklagten gerichteten Schreiben vom 29. Januar 2008 dargestellt hat – die Restnutzungsdauer verkürzen müssen. Diese Verfahrensweise des Privatgutachters hält der Senat nicht für eine sachgerechte und hinreichend transparente Ertragswertermittlung. Ein Sachverständigengutachten kann nur dann als Nachweis eines niedrigeren Verkehrswerts im Sinn des § 146 Abs. 7 BewG dienen, wenn der hierin gefundene Wert in jeder Hinsicht nachvollziehbar und hinsichtlich seiner Berechnungsgrundlagen den wissenschaftlichen Anforderungen genügend transparent ist. Dies ist nach Ansicht des Senats im Streitfall nicht gewährleistet. Anstatt die nachhaltig erzielbare Miete in der von ihm als zutreffend gehaltenen Höhe von möglicherweise weniger als 7 EUR/m² anzusetzen und den für den Zeitraum der Mietzinsbindung bestehenden „Overrent”-Effekt zusätzlich auszuweisen, vermengt das Gutachten beide Wertfindungselemente unter zusätzlicher Einbeziehung der Bemessung der Restnutzungsdauer des Gebäudes. Dem Senat erschließt sich schon nicht der angebliche Sachzusammenhang zwischen dem „Overrent”-Effekt und der Bemessung der Restnutzungsdauer. Zwischen der Tatsache der im Verhältnis zur marktüblichen Miete höheren Rentabilität besteht keine erkennbare Wechselwirkung mit der wirtschaftlichen Restnutzungsdauer des Gebäudes. Darüber hinaus hat der Privatgutachter auch im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht dargelegt, in welchem Umfang und in welcher kalkulatorischen Weise die von ihm als nachhaltig erzielbar bezeichnete Miete den „Overrent”-Effekt enthalten soll. Das Privatgutachten … enthält zwar den Hinweis auf ein Vergleichsobjekt der Deutschen Post AG in X mit einem Mietpreisansatz von angeblich 8 DM/m², sowie auf die Miethöhe der in dem streitgegenständlichen Anwesen in A zusätzlich untergebrachten Apotheke von 6,70 EUR/m². Das Gutachten entbehrt jedoch einer differenzierten Aufschlüsselung der Zusammensetzung des als nachhaltig erzielbare Miete bezeichneten Betrages. Der „Overrent”-Effekt ist an keiner Stelle des Privatgutachtens betragsmäßig ausgewiesen. Mangels hinreichender Transparenz der Berücksichtigung des Mehrertrags aus der Immobilie aufgrund der 10jährigen Mietvertragsbindung kann dem gutachtlich gefundenen Wert nicht gefolgt werden.

Dies gilt umso mehr, als die nur beispielhaft durch den Bausachverständigen des Beklagten auf der Grundlage der tatsächlichen Jahresmiete von 91.717,32 EUR und einer auf 10 Jahre begrenzten Restnutzungsdauer erstellte Ertragswertermittlung allein schon einen Ertragswert von 710.000 EUR ergeben würde, ohne dass dabei die – auch nach Ansicht des Privatgutachters – weit über 10 Jahre hinausreichende tatsächliche Restnutzungsdauer des Gebäudes berücksichtigt worden wäre. Der jährliche Mehrertrag von gerundet 39.368 EUR (in Gestalt des Unterschieds zwischen der gutachtlich angesetzten Jahresmiete von 52.349,64 EUR und der tatsächlich bezahlten Miete von 91.717,32 EUR) würde bei Anwendung des vom Gutachter gewählten Liegenschaftszinses von 6% unter Berücksichtung von nur 9 Jahren Restlaufzeit des Mietverhältnisses ab dem Bewertungsstichtag entsprechend der Vervielfältigertabelle der Anlage zu § 16 Abs. 3 WertV bei einem Vervielfältiger von 6,8 immerhin einen zusätzlichen Ertragswert von 267.770 EUR ergeben. Legte man eine Restlaufzeit des Mietverhältnisses von 10 Jahren zugrunde, die im Streitfall der Wirklichkeit deutlich näher käme, so würde bei Anwendung eines Vervielfältigers von 7,36 sogar ein zusätzlicher Ertragswert von 289.748 EUR erreicht werden.

Darüber, in welcher Weise und in welchem Umfang der so genannte „Overrent”-Effekt im Gutachten berücksichtigt hätte werden müssen, braucht der Senat nicht zu befinden. Es ist schließlich nicht Aufgabe des Gerichts, den im vorgelegten Privatgutachten gefundenen Verkehrswert zu korrigieren. Etwaige Fehler oder Lücken im Gutachten dürfen seitens des Gerichts nur geschlossen werden, wenn und soweit dies ohne Sachverständige im üblichen Rahmen einer Beweiswürdigung möglich ist (BFH-Urteil vom 5. Mai 2010 II R 25/09, BFHE 230, 72, BStBl II 2011, 203). Die potentielle Abweichung des Wertansatzes vom gutachterlich gefundenen Wert, die sich aus der nach Ansicht des Senats erforderlichen Berücksichtigung des effektiven Mehrertrags ergeben könnte, ist jedenfalls zum einen nicht unerheblich und zum anderen nur unter Hinzuziehung eines Sachverständigen genauer ermittelbar. Den Nachweis des niedrigeren gemeinen Werts zu führen, ist gemäß § 146 Abs. 7 BewG jedoch Obliegenheit des Klägers.

c) Die gleichermaßen streitige Frage, ob der im Gutachten enthaltene Abschlag von 100.000 EUR für den Sanierungsrückstand überzeugend dargestellt ist, braucht der Senat aus den oben genannten Gründen nicht mehr zu prüfen. Im Ergebnis ist ein gegenüber dem durch Bescheid vom 6. Juli 1999 gesondert festgestellten Ertragswert niedrigerer Verkehrswert nicht hinreichend nachgewiesen.

II.) Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III.) Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen hierfür nach § 115 Abs. 2 FGO nicht erfüllt sind. Da der erkennende Senat nicht von der bisherigen Rechtsprechung des BFH abweicht, kommt der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zu. Auch die übrigen in § 115 Abs. 2 Nr. 2 und 3 FGO genannten Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

VorschriftenErbStG § 12 Abs. 3, BewG § 19, BewG § 138 Abs. 5 S. 1, BewG § 146 Abs. 1, BewG § 146 Abs. 7

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