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06.03.2003 · IWW-Abrufnummer 030533

Oberlandesgericht Hamm: Urteil vom 18.10.1994 – 7 U 132/93

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OBERLANDESGERICHT HAMM

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

7 U 132/93 OLG Hamm Verkündet am 18. Oktober 1994
2 O 154/93 LG Dortmund

In dem Rechtsstreit XXX

hat der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichtes Hamm auf die mündliche Verhandlung vom 18. Oktober 1994 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Espey und die Richter am Oberlandesgericht Dr. Ramin und Lehmann

für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12. August 1993 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Dortmund abgeändert.

Die Beklagten werden verurteilt, zu gewährleisten, daß die Innentemperatur in dem vom Kläger gemieteten Geschäftslokal im Hause ... in ... ,Erdgeschoß links, bei, einer Außentemperatur bis zu 32° Celsius 26° Celsius nicht übersteigt und bei höheren Außentemperaturen mindestens 6° Celsius unter der Außentemperatur liegt.

Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 20 % und die Beklagten 80 %.

Die Beklagten tragen die Kosten der Berufungsinstanz.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Es beschwert die Beklagten um 41.400,00 DM.

Tatbestand

Der Kläger hat mit Mietvertrag vom 20.07.1990 (Bl. 7 ff GA) von den Beklagten ein Ladenlokal in einem Hotelgebäude in ? gemietet; er betreibt dort ein Reisebüro.

Der Kläger macht Ansprüche aufgrund einer angeblich mangelhaften Lüftungsanlage in dem Mietobjekt geltend. Er hat behauptet, daß infolge der Mängel der Anlage die Temperaturen in seinem Ladenlokal jeweils 5 ? 6° C über der Außentemperatur lägen, was im Sommer zu Unzuträglichkeiten führte.

Er hat gemeint, die Beklagte seien zu Abhilfemaßnahmen verpflichtet, und hat in erster Linie die Durchführung bestimmter Maßnahmen (u. a. Einbau einer Luftkühlung, hilfsweise allgemein die Verurteilung der Beklagten zur Abhilfe begehrt.

Die Beklagten haben behauptet, daß die installierte raumlufttechnische Anlage ordnungsgemäß arbeite. Sie habe gemeint, daß der Kläger keinen Anspruch auf den Einbau einer Luftkühlung habe, da es insoweit nur um Komfortfragen und nicht um die Beseitigung eines Sachmangels gehe.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Hauptantrag sei unbegründet, weil der Kläger selbst bei einem vorliegenden Sachmangel keinen Anspruch auf die Durchführung bestimmter Einbauten habe. Aber auch mit dem Hilfsantrag sei die Klage unbegründet, weil die raumlufttechnische Anlage für sich genommen ordnungsgemäß arbeite, nämlich die Mieträume ausreichend mit Frischluft versorge. Einen Anspruch auf zusätzliche Sonnenschutzmaßnahmen habe der Kläger nach dem Vertrag nicht.

Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung des Klägers, mit der er zunächst in erster Linie Zahlung von 18.958,80 DM verlangt und die in erster Instanz abgewiesenen Anträge nur hilfsweise weiter verfolgt hat.

Der Kläger meint weiterhin, daß die vorliegenden Temperaturverhältnisse einen Mangel der Mietsache begründeten. Das im selbständigen Beweisverfahren 8 OH 21/92 LG Dortmund erstattete Gutachten des Sachverständigen Overbeck kranke daran, daß dieser erstmals Mitte Oktober am Objekt gewesen sei und deshalb zu den beanstandeten sommerlichen Temperaturen keine Aussage habe machen können. Der Kläger verweist demgegenüber auf ein bereits mit der Klage überreichtes Privatgutachten des Sachverständigen ... (Bl. 19 ff GA), das zwar das benachbarte Ladenobjekt betreffe, in dem aber genau die gleichen Verhältnisse vorlägen. Tatsächlich hätten die Raumtemperaturen in den gesamten Sommermonaten 1992 bereits bei Betriebsbeginn um 8.00 Uhr über 26° C gelegen. Teilweise seien Innentemperaturen bis 33° C gemessen worden. Unter diesen Verhältnissen könne ein Reisebüro nicht sachgerecht betrieben werden. Damit stünden ihm die Rechte aus § 538 BGB zu.

Der Kläger beantragt nunmehr,

die Beklagten zu verurteilen, zu gewährleisten, daß die Innentemperatur in dem vom Kläger gemieteten Geschäftslokal im Hause ... in ..., Erdgeschoß links, bei einer Außentemperatur bis zu 32° C 26° C nicht übersteigt und bei höheren Außentemperaturen mindestens 6° C unter der Außentemperatur liegt.

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie machen geltend, daß mit dem ursprünglichen Hauptantrag der Berufung eine nicht sachdienliche Klageänderung vorliege, weil ein völlig neues Begehren gestellt werde. Eine Beschwer liege nur hinsichtlich des ursprünglichen Hilfsantrages der Berufung vor, auf dessen Bescheidung es dem Kläger aber gar nicht ankomme. Die Berufung sei daher unzulässig.

Im übrigen meinen sie, daß keine Mängel des Objektes vorlägen. Der Kläger sei zum einen für die Folgen seiner Beleuchtungseinrichtung verantwortlich und habe insoweit Abhilfe zu schaffen. Zum anderen würden die vom Kläger geltend gemachten Temperaturen bestritten, und eine Luftkühlung sei vertraglich keineswegs geschuldet. Die eingebaute raumlufttechnische Anlage arbeite einwandfrei.

Schließlich berufen sich die Beklagten vorsorglich auf Verjährung und Verwirkung.

Der Senat hat ein Gutachten des Sachverständigen ... eingeholt. Wegen der Beweisfragen wird auf den Beschluß vom 22.02.1994 (Bl. 188 GA), wegen des Beweisergebnisses auf das eingeholte Gutachten vom 02.09.1994 (Bl. 206 ff GA) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils.

I.
Die Berufung ist zulässig. Zumindest hinsichtlich des in der Berufungsinstanz ursprünglich angekündigten Hilfsantrages war die für eine Rechtmitteleinlegung notwendiger Beschwer gegeben. Dieser Antrag ist jetzt mit einer nur leichten Modifikation, die auf eine Anregung des Senats nach § 139 ZPO zurückgeht und eine sachdienliche Klageänderung darstellt, zum alleinigen Gegenstand der Berufung gemacht.

II.
Die Klage ist mit jetzt gestellten Antrag auch begründet.

1.
Der Kläger hat aus §§ 535, 536 BGB einen Anspruch darauf, daß ihm die Mietsache in einem zum vertragsgemäßen Gebrauch geeigneten Zustand überlassen und während der Vertragsdauer in diesem Zustand erhalten wird. Das beinhaltet bei der Vermietung von Räumen für einen bestimmten Gewerbebetrieb, daß diese Räume so beschaffen sein müssen, daß das nach dem Vertragszweck vorgesehene Gewerbe ? hier der Betrieb eines Reisebüros ? darin in zulässiger Weise ausgeübt werden kann. Die dafür notwendigen Voraussetzungen müssen die Räume erfüllen, auch ohne dass es einer besonderen Vereinbarung der Parteien über eine bestimmte Ausstattung der Räume bedarf. Dazu gehört u. a., daß die Räume ? bei im übrigen vertragsgemäßer Nutzung ? so beschaffen sind, daß in ihnen Arbeitnehmer beschäftigt werden können. Deshalb muß auch den Anforderungen der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) genügt werden.

2.
Nach dem Beweisergebnis ist das nicht der Fall, vielmehr ist hierfür erforderlich, daß die Beklagten geeignete Maßnahmen treffen, durch die gewährleistet wird, daß in dem Ladenlokal bei Außentemperaturen bis zum 32° C die Innentemperatur 26° C nicht übersteigt und sie im übrigen bei höheren Außentemperaturen mindestens 6° C unter der Außentemperatur liegt.

a)
Einschlägig ist § 6 Abs. 1 ArbStättV. Danach muß in Arbeitsräumen während der Arbeitszeit eine unter Berücksichtigung der Arbeitsverfahren und der körperlichen Beanspruchung der Arbeitnehmer gesundheitlich zuträgliche Raumtemperatur vorhanden sein.

Diese Bestimmung wird weiter konkretisiert durch die Arbeitsstättenrichtlinie ASR 6/1, 3. Zwar können die ASR die Regelungen der ArbStättV nicht inhaltlich ausdehnen; sie werden jedoch von der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung als antizipiertes Sachverständigengutachten behandelt (vgl. VG Saarlouis, Urteil vom 10.04.1984 ? 5 K 84/82 -; OVG Münster, Urteil vom 13.05.1987 ? IV A 2158/86 -; beide abgedruckt bei Heinen/Tentrop/Wienecke/Zerlett, Kommentar zum medizinischen und technischen Arbeitsschutz, zu § 6 ArbStättV). Schon aus diesem Grunde müssen die zum Betrieb eines Gewerbes vermieteten Räume auch den Anforderungen der Arbeitsstättenrichtlinien genügen, weil der Betreiber anderenfalls mit Maßnahmen der Gewerbeaufsicht rechnen muß.

Die ASR 6/1,3 besagt aber unter Ziffer 2.4, daß die Raumtemperatur in Arbeitsräumen 26° C nicht übersteigen soll. Davon sind nur Hitzearbeitsplätze ausgenommen.

Allerdings handelt es sich hierbei um eine Sollbestimmung. Dem ist nach Auffassung des Senats dadurch Rechnung zu tragen, daß der genannten Forderung nicht absolut und nicht für jede Extremsituation völlig ungeachtet des Außenklimas entsprochen werden kann. Insoweit besteht Raum für eine ergänzende Heranziehung der DIN 1946, die der Sachverständige ... in dem Beweissicherungsgutachten 2 OH 17/92 LG Dortmund zu dem Paralellrechtsstreit 7 U 35/94 OLG Hamm angesprochen hat. Nach den dortigen Ausführungen des Sachverständigen ... ist gemäß dieser DIN bei der Auslegung von raumlufttechnischen Anlagen mit Luftkühlung für die Errechnung der Kühllast von einer Außenlufttemperatur auszugehen, die mit maximal 32° C bei einer relativen Feuchte von 35 % in Ansatz zu bringen ist. Die zugeordnete Raumlufttemperatur soll dann 26° C betragen, d. h., daß der Temperaturunterschied zwischen Außenluft und Raumluft maximal 6 K betragen soll. Ein höherer Temperaturunterschied als 6 K sei in der Regel nicht anzustreben, um einen ?Kälteschock? für Personen zu vermeiden, die den gekühlten Raum verlassen und sich nach draußen ?in die Sommerglut? begeben. Diese Überlegung ist nach Auffassung des Senats auch für eine sachgerechte Auslegung der Sollbestimmung der ASR 6/1,3 maßgeblich, die in der mündlichen Verhandlung erörtert worden ist. Dagegen kann es keine Rolle spielen, daß ? wie in den Erörterungen im Termin weiter angesprochen worden ist ? Gesichtspunkte von Energieeinsparung und Umweltschutz heutzutage vielfach dazu führen, daß auch wegen der höheren Betriebskosten für den Mieter bei Einzelhandelsgeschäften zwischen Mieter und Vermieter besprochen und abgewogen wird, ob die Installation einer Kühleinrichtung wünschenswert ist oder nicht vorübergehend höhere Raumtemperaturen im Sommer vom Mieter hingenommen werden. Denn es ist den Vertragsparteien eines Mietvertrages unbenommen, aus derartigen Motiven entsprechende Vereinbarungen zu treffen und von der Installation einer Kühleinrichtung, die über die Gewährleistung der Mindestanforderungen der Arbeitsstättenrichtlinien hinaus zusätzlichen Komfort bieten kann, aus Umweltschutz- oder Kostengründen bewußt abzusehen. Hier sind derartige Vereinbarungen jedoch nicht getroffen, so daß es bei den oben dargestellten Grundsätzen verbleibt.

b)
Das Gutachten des Sachverständigen ... hat eindeutig ergeben, daß die nach vorstehenden Ausführungen zulässigen Temperaturen in dem Mietobjekt teilweise deutlich überschritten werden und daß die Ursache dafür nicht in einem vertragswidrigen Gebrauch der Mietsache durch den Kläger liegt.

Dazu ist zunächst festzustellen, daß die Ausstattung der Räume mit Lichtquellen in ausreichender Anzahl bei einem Reisebüro ebenso zur normalen und vertragsgemäßen Nutzung gehört wie die Anwesenheit mehrerer Personen, auch soweit diese als ?Wärmequelle? in Betracht kommen. Ob die Beleuchtung hier, gemessen am normalen Standard, überdimensioniert ist, kann dahinstehen, weil nach den Darlegungen des Sachverständigen die Ursachen der festgestellten Temperaturüberschreitungen in einer unzureichenden Ansaugung der Außenluft und Beimischung von ca. 60 % Umluft, in einer ungünstigen Anordnung der Außenluftansaugung, in einer fehlenden Kühleinrichtung im Zuluftgerät und in einer unzureichenden Steuerung und Regelung der Anlage zu suchen sind, und eine Kühleinrichtung auch dann erforderlich ist, wenn die Beleuchtungslast auf ein übliches Maß von 30 bis 40 W/m² reduziert werde. Diese im einzelnen ausgeführten und begründeten Schlußfolgerungen des Sachverständigen sind von keiner Partei mehr in Frage gestellt worden. Somit liegt ein Mangel des Objektes vor.

3.
Der Anspruch des Klägers ist weder verjährt noch verwirkt.

Für den Gewährleistungsanspruch des Mieters gilt die regelmäßige Verjährungsfrist des § 195 BGB von 30 Jahren, § 558 BGB greift hier nicht ein.

Der Anspruch ist aber auch nicht wegen vorbehaltloser Mietzahlungen gem. § 539 BGB analog ausgeschlossen. Abgesehen davon, daß der Kläger schon im Sommer 1992 ein Beweissicherungsverfahren eingeleitet hat und daß von den Beklagten nicht dargetan ist, daß der Kläger schon zuvor Kenntnis von dem Mangel erlangt hat, scheitert die entsprechende Anwendung des § 539 BGB schon daran, daß diese selbst bei Vorliegen ihrer Voraussetzungen nur dazu führt, daß der Mieter nicht mehr mindern oder kündigen kann. Der Herstellungsanspruch bleibt ihm hingegen in jedem Falle erhalten (vgl. BGH WM 1967, 850).

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO. Für die erste Instanz ist von einem Teilunterliegen des Klägers auszugehen, weil der von ihm dort gestellte Hauptantrag auf Vornahme bestimmter Mängelbeseitigungsarbeiten unbegründet war.

Auf welche Art und Weise die Vermieter einen vertragsgemäßen Zustand herbeiführen, ist ihnen überlassen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

RechtsgebietMietrecht

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