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03.11.2005 · IWW-Abrufnummer 053119

Bundesfinanzhof: Urteil vom 18.08.2005 – IV R 37/04

1. Landwirtsehegatten, die im Güterstand der Gütergemeinschaft leben, bewirtschaften ihren Hof als Mitunternehmer. Sie haben im Fall der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG selbst dann eine Gesellschaftsbilanz vorzulegen, wenn es sich um einen Fall von geringer Bedeutung i.S. des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 handelt.



2. Haben die Ehegatten unter Verkennung der Mitunternehmerschaft eine Bilanz für ein Einzelunternehmen vorgelegt, so ist die Inanspruchnahme der Reinvestitionsvergünstigung des § 6b EStG in der Mitunternehmerbilanz keine Bilanzänderung i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG.


Gründe:

Die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) wurden in den Streitjahren (1997 und 1998) als Ehegatten, die im Güterstand der Gütergemeinschaft leben, zur Einkommensteuer zusammenveranlagt. Sie unterhalten einen buchführungspflichtigen landwirtschaftlichen Betrieb.

Am 31. Mai 1994 veräußerten die Kläger eine landwirtschaftlich genutzte Teilfläche von 142 512 qm zum Zwecke der Auskiesung an ein Abbauunternehmen. Der Vertrag wurde unter der aufschiebenden Bedingung der Erteilung einer Abgrabungsgenehmigung zur Gewinnung von Sand und Kies geschlossen. Im Kaufvertrag erklärten die Vertragsparteien des Weiteren, dass für die Ackerkrume 2,30 DM pro qm gezahlt werde und für die Bodenbestandteile 10,70 DM pro qm.

Besitz, Nutzen und Lasten gingen mit der Kaufpreiszahlung am 4. März 1998 über, deren Fälligkeit ebenfalls vom Vorliegen der Abgrabungsgenehmigung abhing.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) veranlagte die Kläger in den Streitjahren (1997 und 1998) zunächst, ohne einen Gewinn aus der Veräußerung der Teilfläche zu erfassen.

Eine Betriebsprüfung, die auch die Streitjahre umfasste, kam zum Ergebnis, dass der Erlös aus dem Verkauf der Ackerkrume 3,10 DM je qm betrage und daher im Wirtschaftsjahr 1997/98 ein Veräußerungsgewinn von 110 787,20 DM anzusetzen sei.

Mit Schreiben vom 5. September 2000 wandte sich der Kläger gegen den im Betriebsprüfungsbericht zugrunde gelegten Wert für die Ackerkrume und beantragte hilfsweise, einen ggf. entstandenen Gewinn aus der Veräußerung der Teilfläche gemäß § 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der für die Streitjahre gültigen Fassung auf eine zugekaufte Fläche erfolgsneutral übertragen zu dürfen.

Dem folgte das FA nicht und änderte entsprechend dem Betriebsprüfungsbericht die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre mit Bescheiden vom 19. September 2000.

Gegen die geänderten Einkommensteuerbescheide legte nur der Kläger Einspruch ein und verwies zur Begründung auf sein Schreiben vom 5. September 2000.

Mit Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 2001 wies das FA den Einspruch des Klägers als unbegründet zurück. Eine Gewinnübertragung nach § 6b EStG lehnte das FA unter Hinweis auf § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG ab, da es an einer für die Bilanzänderung erforderlichen Bilanzberichtigung fehle.

Mit der hiergegen gerichteten Klage der Ehegatten begehrten diese u.a., einen etwaigen Gewinn aus der Veräußerung der Ackerkrume auf erworbenes Ersatzland zu übertragen. Die Klage hatte Erfolg. Nachdem die Beteiligten sich in einem Erörterungstermin über einen Bodenwert von 2,70 DM je qm für die Ackerkrume tatsächlich verständigt hatten, ließ das Finanzgericht (FG) die Bildung einer Reinvestitionsrücklage für den daraus folgenden Gewinn von 53 782 DM zu. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 28 veröffentlicht.

Mit seiner dagegen gerichteten Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts. Das Urteil des FG verletze § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 (StBereinG 1999) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) --EStG n.F.--.

Das FA beantragt sinngemäß,

das Urteil des FG Düsseldorf vom 30. Juni 2004 7 K 4234/01 E aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Die Revision des FA ist begründet.

I. Auf die Revision des FA wird die Vorentscheidung, soweit sie die Klage der Klägerin betrifft, aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

Die Klage der Klägerin ist mangels Vorverfahrens unzulässig.

Das FG durfte in eine sachliche Überprüfung der Einkommensteuerbescheide, soweit sie die Klägerin betrafen, nicht eintreten, weil dem finanzgerichtlichen Verfahren in Bezug auf die Klägerin kein außergerichtliches Vorverfahren gemäß § 44 Abs. 1 FGO vorausgegangen war. Die Einsprüche sind nur für den Kläger eingelegt worden und die Einspruchsentscheidung vom 28. Juni 2001 ist nur gegen ihn ergangen. Die Durchführung eines Vorverfahrens ist als Sachurteilsvoraussetzung von Amts wegen in jeder Verfahrenslage zu prüfen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 30. August 1988 IX R 115/85, BFHE 155, 74, BStBl II 1989, 827, unter I. der Entscheidungsgründe).

II. Im Übrigen ist die Revision des FA ebenfalls begründet. Sie führt insoweit zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO).

1. Die Vorentscheidung verletzt materielles Recht, weil sie über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1997 und 1998 erkannt hat, ohne Feststellungen darüber zu treffen, ob ggf. ein Bescheid über die gesonderte und einheitliche Feststellung i.S. der §§ 179 Abs. 1 und 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) zu ergehen hat.

2. Bei den Klägern handelt es sich um Mitunternehmer i.S. des § 13 Abs. 5 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Landwirtsehegatten, die den Güterstand der Gütergemeinschaft vereinbart haben, bilden auch ohne ausdrücklich vereinbarten Gesellschaftsvertrag eine Mitunternehmerschaft. Die zwischen ihnen bestehende Gütergemeinschaft stellt ein den in § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG genannten Gesellschaftsverhältnissen vergleichbares Gemeinschaftsverhältnis und damit eine taugliche Grundlage für die Begründung einer Mitunternehmerschaft i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 13 Abs. 5 EStG dar (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, unter C.V.3. b bb der Gründe; s. auch Senatsurteil vom 16. Februar 1995 IV R 62/94, BFHE 177, 100, BStBl II 1995, 592, unter 2. der Gründe). Daher sind die Gewinne aus Land- und Forstwirtschaft gesondert und einheitlich festzustellen, sofern nicht ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt (§ 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO 1977). Dies gilt auch für den das fragliche Grundstück betreffenden Veräußerungsgewinn (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Juni 1995 IV B 104/94, BFH/NV 1996, 27, und Senatsurteil vom 14. August 1986 IV R 248/84, BFHE 147, 438, BStBl II 1987, 17).

3. Das FG hat nicht festgestellt, ob ein Fall von geringer Bedeutung i.S. des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 vorliegt (vgl. dazu BFH-Urteil vom 7. November 1996 IV R 72/95, BFH/NV 1997, 574). Nur wenn ein solcher zu bejahen wäre, könnte das zuständige Feststellungsfinanzamt einen Negativbescheid i.S. des § 180 Abs. 3 Satz 2 AO 1977 erlassen. Das Wohnsitzfinanzamt wäre dann berechtigt, die Besteuerungsgrundlagen der Mitunternehmer im Einkommensteuerbescheid zu erfassen.

4. Selbst wenn das FG bei erneuter mündlicher Verhandlung zu dem Ergebnis gelangen sollte, dass ein Fall von geringer Bedeutung vorliegt, wird dadurch nicht entbehrlich, dass der Kläger und seine Ehefrau eine Gesellschaftsbilanz vorzulegen haben. Diese ist Grundlage für die Feststellung des Gewinns im Rahmen eines Feststellungsverfahrens oder für die Einkommensteuerveranlagung der Ehegatten im Fall des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO 1977. In dieser Bilanz kann der Kläger die von ihm begehrte Reinvestitionsvergünstigung berücksichtigen. Die Bilanzänderungsvorschrift des § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG n.F. findet hierauf keine Anwendung, da es sich um die erstmalige Aufstellung der Mitunternehmerbilanz handelt und nicht um eine Änderung der bereits vorgelegten Bilanz des Klägers als Einzelunternehmer.

5. Kommt das FG dagegen bei erneuter Verhandlung zu dem Ergebnis, dass kein Fall von geringer Bedeutung i.S. des § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 vorliegt, muss es, auch wenn das FA die Zuständigkeit zu einer endgültigen Entscheidung zu Unrecht in Anspruch nimmt, in dieser verfahrensrechtlichen Situation das Klageverfahren gemäß § 74 FGO aussetzen, um den Ausgang des Feststellungsverfahrens abzuwarten (vgl. Senatsbeschluss vom 10. November 1994 IV B 64/93, BFH/NV 1995, 565, und Senatsurteil in BFH/NV 1997, 574).

III. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG folgt aus § 143 Abs. 2 FGO. Dies gilt wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch, soweit der Senat in der Sache selbst entschieden und die Revision nur teilweise zur Zurückverweisung der Sache an das FG geführt hat (BFH-Urteil vom 26. August 2004 IV R 68/02, BFH/NV 2005, 553; vgl. dazu auch Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 143 Rz. 1). Das FG wird dabei zu berücksichtigen haben, dass die Klage der Klägerin unzulässig war.

RechtsgebieteEStG, AO 1977VorschriftenEStG § 4 Abs. 1 EStG § 6b EStG § 13 Abs. 5 EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG i.d.F. des StBereinG 1999 § 4 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 § 180 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 § 180 Abs. 3 Satz 2

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