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28.10.2005 · IWW-Abrufnummer 052752

Bundesverfassungsgericht: Urteil vom 29.10.1997 – 1 BvR 780/87

1. Entwickelt sich aus einer Tätigkeit mit festgelegtem Berufsbild für einen einfach zu beherrschenden Teilbereich ein eigener Beruf, so erlaubt Art. 12 I GG Beschränkungen der Wahl dieses Berufs nur zur Abwehr schwerer Gefahren überragend wichtiges Gemeinschaftsgut.



2. Die Überwachung von Fristen anhand verlässlicher Unterlagen ist nicht notwendig Beratung im Sinne des Rechtsberatungsgesetzes.
BVerfG, Beschl. v. 29.10.1997 ? 1 BvR 780/87


Senatsentscheidungen

Patentgebührenüberwachung keine Rechtsberatung

Zum Sachverhalt:

Die Bf. Zu 1 ist eine privatrechtliche Gesellschaft zur Überwachung von Patentgebühren mit Sitz in München. Die Bf. Zu 2, ihre Geschäftsführerin, hat ein Pharmaziestudium abgeschlossen und verfügt über Berufserfahrungen bei einer anderen Gebührenüberwachungsgesellschaft. Wie andere Anbieter von EDV-gestützten Überwachungsdienstleistungen dieser Art erinnert die Bf. Zu 1 Patentinhaber mittels Formularschreiben an das Fälligwerden von Patentjahresgebühren und zahlt sie ein, sofern sich der Auftraggeber für die Verlängerung entscheidet. Hierfür berechnete sie zur Zeit des Ausgangsverfahrens pro eingezahlter Verlängerungsgebühr 18 DM, wohingegen Patentanwälte, je nach Höhe der fälligen Jahresgebühren, ihren Mandanten Beträge zwischen 60 DM und 200 DM pro Einzahlung in Rechnung stellen. Im Ausgangsverfahren sind die Bf. Von einem Patentanwalt wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz auf Unterlassung, Auskunft und Schadensersatz in Anspruch genommen werden. Das LG hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Bf. Hat das OLG das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Auf die Revision des kl. Patentanwalts hat der BGH das Urteil des OLG aufgehoben und die Berufung der Bf. Insoweit zurückgewiesen, als sie gegen den Verbotsausspruch dieses Urteils gerichtet war (BGH, NJW 1987, 3005 = LM § 1 UWG Nr. 469).
Die Verfassungsbeschwerde hatte im wesentlichen Erfolg.

Aus den Gründen: C. Soweit die Verfassungsbeschwerde zulässig ist, ist sie begründet. Auslegung und Anwendung des Rechts im angegriffenen Urteil verletzten die Bf. in ihren Grundrechten aus Art. 12 I GG.
I. Den Bf. sind die von ihnen angebotenen und erbrachten Dienstleistungen für Patentinhaber, insbesondere Überwachung und Mitteilung der Fälligkeit, Berechnung der Höhe und die Einzahlung von Aufrechterhaltungsgebühren, untersagt worden, soweit diese Leistungen nicht für Patent- oder Rechtsanwälte erbracht werden. Da die Bf. allenfalls gelegentlich für Rechtsanwälte tätig werden, zwingt sie da angegriffene Urteil zur Beendigung ihrer Berufstätigkeit. Diese Beeinträchtigung ist vornehmlich am Art. 121 GG zu messen, der nach seinem Wesen auch auf die Bf. Zu 1 anwendbar ist (Art. 19 II GG). Demgegenüber treten Art. 2 I, Art. 3 I und Art. 14 I GG als Prüfungsmaßstab zurück.
1. Das Grundrecht der Berufsfreiheit gewährt dem einzelnen das Recht, jede Tätigkeit, für die er sich geeignet glaubt, als ?Beruf? zu ergreifen und zur Grundlage der Lebensführung zu machen. Es konkretisiert das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit im Bereich individueller Leistung und Existenzerhaltung und zielt auf eine möglichst unreglementierte berufliche Betätigung ab (BverfGE 75, 284 [292] = NJW 1988, 543 m. w. Nachw.).
2. Die von den Bf. gewählte Tätigkeit fällt in den Schutzbereich des Art. 12 I GG. Es handelt sich allerdings nicht um einen traditionellen Beruf. Das Berufsbild für diese Tätigkeit hat sich zunächst außerhalb Deutschlands entwickelt. Nachdem dortige Unternehmen grenzüberschreitend im Inland tätig geworden waren, nahmen die Bf. ihre Tätigkeit auf, als sich das Anforderungsprofil für die in der Patentgebührenverwaltung Tätigen durch den Einsatz der elektronischen Datenverarbeitung verändert hatte. Waren zuvor bei der Berechnung der Fristen und der Höhe der Gebühren Rechtskenntnisse erforderlich, sind diese inzwischen nur für die Erstellung entsprechender Programme, nicht aber für den Betrieb der Anlagen notwendig. Ob ein Patent oder eine Patentanmeldung vorliegt, welches das maßgebende Datum der Anmeldung ist, wie die Fälligkeit zu berechnen ist oder wie hoch die jeweiligen Gebühren sind, muss bei der Dateneingabe nicht als Folge einer rechtlichen Bewertung festgestellt werden, sondern wird zum Teil vom Patentinhaber selbst mitgeteilt und zum anderen Teil durch Einsatz umfassender EDV-Programme ermittelt. Rechtskenntnisse sind bei den Programmanwendern nicht nötig.
3. Das mit dem angegriffenen Urteil ausgesprochene Verbot des von den Bf. ausgeübten neuartigen Berufs bedeutet einen Eingriff auf der Ebene der Berufswahl.
4. Eingriffe in die Freiheit der Berufswahl bedürfen einer gesetzlichen Grundlage, die ihrerseits den Anforderungen der Verfassung genügt. Sie sind nur zum Schutz eines besonders wichtigen Gemeinschaftsguts und unter strikter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit statthaft (BVerfGE 93, 213 [235] = NJW 1996, 709 m. w. Nachw.).
Die gesetzlichen Grundlagen, die der BGH herangezogen hat, sind mit Art. 12 I GG vereinbar. Er hat seine Entscheidung auf die der Berufswahl durch das Rechtsberatungsgesetz und die Patentanwaltsordnung (PatAnwO) einen gesetzlichen Vorbehalt, der die Rechtsberatung auf dem Gebiet des Patentwesens grundsätzliche Rechtsanwälten und Patentanwälten zuweist.
Dieser Vorbehalt ist durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt. Gerade die umfassende Rechtsberatung auf dem Gebiet des Patentrechts ist eine schwierige und erhebliche Sachkunde erfordernde Tätigkeit, die eine qualifizierte und umfassende Ausbildung erfordert. Grundsätzlich durfte der Gesetzgeber den Anwaltsvorbehalt um des Schutzes der Rechtsuchenden sowie der geordneten Rechtspflege willen für erforderlich und angemessen halten; dies hat das BVerfG bereits entschieden (BVerfGE 41, 378 [390] = NJW 1976, 1349; BVerfGE 42, 246 [275 f.] = NJW 1988, 545).
5. Auslegung und Anwendung der verfassungsrechtlich unbedenklichen Normen durch den BGH halten jedoch den verfassungsrechtlichen Anforderungen nicht stand. Die durch das Rechtsberatungsgesetz und das Patentanwaltsgesetz gezogenen Grenzen für eine die Patentinhaber unterstützende Hilfstätigkeit dürfen im Lichte des Grundrechts der Berufsfreiheit nicht so eng gezogen werden, wie sie sich als Ergebnis der Auslegung im angegriffenen Urteil darstellen.
a) Auslegung und Anwendung des Gesetzes sind vornehmlich Aufgabe der Fachgerichte und werden vom BVerfG nur darauf überprüft, ob sie Fehler enthalten, die auf einer grundsätzlich unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den Fachgerichten vorgenommene Auslegung und Anwendung der Norm die typischen Merkmale einer Berufstätigkeit (b) nicht gewürdigt oder mit den entgegenstehenden Gemeinwohlinteressen grundrechtliche Belange (c) nicht in ein angemessenes Verhältnis gebracht worden sind (d).
Ebenso wie der Gesetzgeber bei der Feststellung eines Berufsbildes (vgl. hierzu BVerfGE 78, 179 [193] = NJW 1988, 2290) muss die Rechtsprechung bei Auslegung und Anwendung der berufsregelnden Normen dem zu regelnden Sachverhalt und seinen Veränderungen gerecht werden. Denn der Richter ist, wenn er zu Einschränkungen der grundsätzlich freien Berufswahl kommt, an dieselben Maßstäbe gebunden, die nach Art. 12 I GG den Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers einschränken (vgl. BVerfGE 54, 224 [235] = NJW 1980, 1900).
Keine beratende Unterstützung fremder gewerblicher Tätigkeit kann angesichts der rechtlichen Durchdringung aller Lebensbereiche ohne entsprechende Rechtskenntnisse erfolgreich sein. Wann es sich hierbei um Rechtsberatung handelt, die der Gewerbetreibende außer von Rechtsanwälten nur durch eigene Angestellte (Art. 1 § 6 RBerG) enthalten darf, oder wann spezialisierte Selbstständige den Überwachungs- und Handlungsbedarf erfüllen können, ohne dass die Qualität der Dienstleistung oder die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege und die zu ihrer Aufrechterhaltung benötigten Rechtsberater beeinträchtigt werden, kann nur Ergebnis einer Abwägung sein, die einerseits diese Belange und andererseits die Berufsfreiheit des einzelnen berücksichtigt und dabei auch den Veränderungen der Lebenswirklichkeit Rechnung trägt. Alle diese Gesichtspunkte sind bei Gesetzauslegung und Rechtsanwendung zum Ausgleich zu bringen.
Dies ist hier nicht geschehen.
b) Der BGH hat die Merkmale des tatsächlich ausgeübten Berufs nicht hinreichend berücksichtigt. Seit der Abschaffung des Vollrechtsbeistands durch das Gesetz vom 18.8.1980 und seit es nur Teilrechtsbeistände in den umschriebenen Grenzen des Art. 1 § 1 I 2 RBerG gibt, ist deutlich, dass mit Rechtsberatung im Sinne des Gesetzes grundsätzlich die umfassende und vollwertige Beratung der Rechtssuchenden gemeint ist (vgl. BVerfGE 75, 246 [267 f.] = NJW 1988, 545). Soweit eine Berufstätigkeit schon vom Ansatz her nicht als umfassende Beratung auf mindestens einem Teilgebiet des Rechts angeboten wird und auch die in Art. 1 § 1 RBerG ausdrücklich verbotene Einzelhandlung des Forderungseinzugs nicht betroffen ist, bedarf es im Lichte des Art. 12 GG sorgfältiger Prüfung, ob eine angebotene Dienstleistung als Besorgung fremder Rechtsangelegenheiten oder nur als kaufmännische Hilfeleistung einzuordnen ist.
aa) Das Gesetz selbst gibt keinen bestimmten Rechtsbesorgungsbegriff vor. Auch die Patentanwaltsordnung definiert die Tätigkeiten, mit denen die Aufgaben der Patentanwälte umschrieben werden, nicht als Rechtsbesorgung. Das Patentanwaltsgesetz spricht von Beratung und Vertretung Dritten gegenüber. Vorbehalten sind den Anwälten damit umfassende Hilfeleistungen auf rechtlichem Gebiet. Dazu zählt die Beratung und Vertretung nach außen vertraut er seine rechtlichen und wirtschaftlichen Belange im Ganzen einem Dritten an, so dass eine ausreichende Gewähr für dessen berufliche und fachliche Integrität und fachliche Integrität gegeben sein muss. Die Überwachung von Fristen anhand verlässlicher Unterlagen ist nicht notwendig Beratung in diesem Sinn; auch steht die Besorgung eines kaufmännischen Einzelgeschäfts, wie das Begleichen einer fälligen Rechnung, nicht zwingend einer Vertretung im Rechtssinne gleich.
Um solche Einzelaufgaben geht es aber bei den von den Bf. angebotenen Dienstleistungen. Hierfür bedarf es nicht der Kenntnisse und Fertigkeiten, die durch ein Studium oder langjährige Berufserfahrung vermittelt werden. Unterstützt durch elektronische Datenverarbeitung können Personen ohne entsprechende Vorbildung solche Aufgaben wahrnehmen, vor allem wenn Daten gesammelt werden, und anhand dieser Daten Massengeschäfte aus eng abgrenzbaren Bereichen schematisiert abgewickelt werden können, weil die rechtlichen Grundlagen eindeutig sind und keine Ausnahmen kennen. In solchen Fällen ist für Anbieter und Nachfrager keine individuelle Beratung und kein Eingehen auf den Einzelfall erforderlich. Ob eine Beratung und Vertretung des Patentinhabers stattfindet, hängt nicht davon ab, ob auch Anwälte auf diese Weise tätig werden und hierfür Gebühren berechnen dürfen. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob die tatsächlich wahrgenommene Aufgabe eine substantielle Rechtsberatung erfordert. Letzteres ist hier nicht der Fall.
bb) Die Überwachung des Fristablaufs geschieht maschinell aufgrund der vom Patentinhaber ausgewählten und überlassenen Daten. Die Ermittlung des Fälligkeitstermins für die Gebühren wäre dem Patentinhaber unter Zuhilfenahme der entsprechenden Software selbst möglich, weil Rechtskenntnisse nicht mehr erforderlich sind. Der Service der Bf. besteht insoweit nicht in Rechtsrat; sie garantieren vielmehr nur, dass jederzeit aktuelle Software eingesetzt und gewissenhaft gearbeitet wird.
cc) Die Entscheidung darüber, ob das Patent verlängert werden soll, trifft der Inhaber selbst; die Nachricht vom bevorstehenden Fristablauf dienst nicht der Hilfestellung beim Entscheidungsprozeß, sondern nur dem zeitgerechten Abschluss desselben. Die anschließende Gebühreneinzahlung und die Überwachung des Einzahlungserfolges beruhen auf ausdrücklicher Anweisung durch den Patentinhaber; auch hier findet Rechtsberatung nicht statt. Beide Dienstleistungen sind einfache kaufmännische Hilfstätigkeiten, die nicht zur Rechtsbesorgung werden, weil Zahlung oder Nichtzahlung ? unvermeidlich ? rechtliche Folgen haben. Auch wenn durch eine fristgerechte Zahlung Rechtsnachteile für den Auftraggeber vermieden werden sollen, liegt in der auftragsgemäßen Ausführung des Auftrags weder Beratung noch rechtliche Vertretung gegenüber Dritten.
c) Die das Rechtsberatungsgesetz ..agenden Gemeinwohlbelange rechtfertigen nicht die Einbeziehung der Patentgebührenüberwachung in den Anwaltsvorbehalt als Hilfstätigkeit zur Rechtsberatung. Zu diesen Gemeinwohlbelangen zählt neben dem Schutz der Rechtsuchenden auch der Schutz der Rechtspflege.
aa) Das angegriffene Urteil hat insoweit vor allem auf die Schutzbedürftigkeit der Patentinhaber abgestellt, weil diesen durch unzuverlässige Servicegesellschaften erheblich Nachteile drohen könnten. Das ist nur bedingt richtig. Denn bei Fehlern droht ersichtlich nicht ein vollständiger Rechtsverlust. Die Versäumung der Frist bleibt dem Patentinhaber zudem auch nicht verborgen, weil die Servicegesellschaft nicht als vertretungsberechtigte Dritte auftritt. Die Nachricht des Patentamts samt Nachfristsetzung geht an den Patentinhaber oder seinen Rechtsvertreter.
bb) Das Verfahren hat auch keine Erkenntnisse darüber gebracht, dass durch den Einsatz von Servicebüros ein gesteigertes Risiko bestehen könnte, welches die rechtzeitige Einzahlung bei gewünschter Verlängerung des Patents gefährdet. Auch die Verbände der Anwaltschaft haben nicht geltend gemacht, dass die inzwischen gebräuchliche Software unzuverlässig sei und Kontrolle durch Rechtskundige erfordere.
cc) Auch die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege erscheint in diesem Zusammenhang nicht gefährdet. Das Verfahren der Gebühreneinzahlung nimmt ersichtlich Rücksicht darauf, das versehentlich die Frist versäumt werden kann. In einem solchen Fall droht kein Rechtsverlust. Deswegen ist gesetzlich auch eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben. Der Hinweis des Patentamts nach § 17 PatG über Gebührenhöhe, Zuschlag und Nachfrist gewährleistet regelmäßig den Rechtserhalt und kann an die Patentinhaber persönlich gerichtet werden; der Gesetzgeber hat den Vorgang nicht dem Bereich notwendiger anwaltlicher Vertretung zugeordnet.
dd) Zu den Gemeinwohlbelangen im Zusammenhang mit einer ordnungsgemäßen Rechtspflege zählt bei der Abgrenzung spezialisierter Berufe und der ihnen vorbehaltnen Aufgaben auch der Erhalt einer leistungsfähigen Berufsgruppe. Dieser Belang ist allerdings nur insofern von Bedeutung, als er dem unmittelbaren Gesetzeszweck dient. Deshalb ist verfassungsrechtlich umfassender Schutz gegen Wettbewerb mit solchen Personen, die vergleichbaren Bindungen nicht unterworfen sind, grundsätzlich nicht erforderlich. Schutz vor Wettbewerb kann allenfalls dann geboten sein, wenn sonst die Gemeinwohlbelange gefährdet würden, denen die Zugangsschranken oder Berufsausübungsregelungen eines Berufes gerade zu dienen bestimmt sind. In diesem Zusammenhang ist auf die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen gesetzlich festgelegter Berufe Bedacht zu nehmen (vgl. BVerfGE 16, 147 = NJW 1963, 1243; BVerfGE 38, 61 = NJW 1975, 31; BVerfGE 81, 70 = NJW 1990, 1349). Soweit sich der Deutsche Anwaltsverein auf die Materialien bei Schaffung des Rechtsberatungsmissbrauchsgesetzes (RStBl 1935, 1528) beruft, halten die dort genannten Zwecke der verfassungsrechtlichen Prüfung nicht mehr stand, weil der Konkurrenzschutz als solcher kein Gemeinwohlbelang ist (BVerfGE 7, 377 [408] = NJW 1958, 1035; BVerfGE 94, 372 [395] = NJW 1996, 3067).
Eine fühlbare Beeinträchtigung der für eine ordnungsgemäße Rechtspflege benötigten Anwaltschaft ist hier nicht zu besorgen. Im Verfahren sind keine Anhaltspunkte dafür hervorgetreten, dass die für die Aufrechterhaltung von Patenten erzielbaren Gebühren für die Patentanwaltschaft von nennenswerter Bedeutung sein könnten. Die von den Bf. genannten Gebührendifferenzen, die von der PAVIS bestätigt worden sind, lassen vielmehr nur den Schluss zu, dass es sich um geringfügige Gebühren handelt, die schon in mittlerer Kanzleien nicht mehr aufwandsdeckend sein können, wenn die Patentanwälte selbst mit Fristenberechnung und Zahlungsverkehr belastet werden.
d) Angesichts der tatsächlichen Ausgestaltung der von den Bf. angebotenen Dienstleistung und der hiervon berührten Gemeinwohlbelange ist das im angegriffenen Urteil ausgesprochene Betätigungsverbot unverhältnismäßig.
Durch den Eingriff auf der Ebene der Berufswahl wird der Freiheitsanspruch des einzelnen in besonders empfindlicher Weise berührt. Deshalb sind an den Nachweis der Notwendigkeit eine solchen Freiheitsbeschränkung besonders strenge Anforderungen zu stellen. Es muss im allgemeinen um die Abwehr nachweisbarer oder höchstwahrscheinlicher schwerer Gefahren für ein überragend wichtiges Gemeinschaftsguts gehen (BVerfGE 7, 377 [408] = NJW 1958, 1035). Bei der Prüfung der Verhältnismäßigkeit muss vor allem auf die Berufswirklichkeit mit ihren Veränderungen Bedacht genommen werden (BVerfGE 78, 179 [193] = NJW 1988, 2290).
Entwickeln sich Spezialberufe, die auf kleine und einfach zu beherrschende Ausschnitte anderer Tätigkeiten mit festgelegtem Berufsbild beschränkt sind, ist deren Verbot nur erforderlich, wenn dies ernsthaft einer solchen Gefahrenabwehr dient. Spezialisten, die nicht auf dem breiten Fundament des Vollberufs aufbauen, sondern einfache und abgrenzbare Tätigkeiten zum Berufsinhalt machen, können die dem Gesamtberufsbild zugeordneten Gemeinwohlbelange in aller Regel nur in Ausschnitten gefährden. Werden die Berufszugangsvoraussetzungen an den Erfordernissen eines hochentwickelten Gesamtberufs, wie dem der Anwaltschaft ausgerichtet, sind Anforderungen um so höher, je breiter die dem Beruf versammelten Aufgaben angelegt sind. In bezug auf einzelne Teiltätigkeiten haben die Anforderungen stets überschießenden Charakter. Im Rahmen der Erforderlichkeitsprüfung ist daher entscheidend, ob die Teiltätigkeit als sozial abgrenzbare Aktivität mit eigenem, von dem sonstigen Berufsinhalt geschiedenen charakteristischen Gepräge im Hinblick auf die zu wahrenden Gemeinwohlbelage bei Anlegung eines besonders strengen Maßstabes verboten werden muss.
aa) Dass es sich bei der von den Bf. angebotenen Serviceleistung um einen Beruf mit eigenem und abgrenzbarem Aufgabenbereich und eigenem Gepräge handelt, erschließt sich nicht zuletzt daraus, dass solche Dienstleistungen innerhalb der Europäischen Union erlaubtermaßen angeboten und in Anspruch genommen werden, sofern sich der Sitz des Marktteilnehmers nicht in Deutschland befindet. Die Ausgliederung dieses Aufgabenbereichs durch die Patentanwälte selbst verstärkt diese Beobachtung. Aufgaben, die die Anwaltschaft regelmäßig nicht mehr selbst übernimmt, sondern ihrem nicht juristischen Personal oder Dritten überlässt, haben ? ungeachtet der beim Anwalt verbleibenden Haftung ? nicht mehr ein solches Gewicht, dass für sie die volle Kompetenz erforderlich ist. Gerade die freien Berufe werden dadurch charakterisiert, dass qualifizierte Berufsangehörige in persönlicher Verantwortung selbst die wesentlichen Berufsaufgaben wahrnehmen. Soweit Anleitung und Lenkung von Hilfskräften zur Aufgabenerfüllung ausreichend sind, erscheinen mildere Mittel als der Eingriff in die Berufswahl möglich, um den im Interesse des Gemeinwohls gebotenen Standard zu erhalten.
bb) Ob spezialisierte Berufe minderer Qualifikation der freien Berufswahl offen stehen oder um wichtiger Gemeinschaftsbelange willen dem Vollberuf vorbehalten bleiben, richtet sich im übrigen nicht danach, ob für die Spezialisierung bereits ein hergebrachtes und vom Gesetzgeber geregeltes Berufsbild besteht. Zwar hat das BVerfG in einigen Entscheidungen ausgeführt. Zwar hat das BVerfG in einigen Entscheidungen ausgeführt, dass in den ihnen zugrunde liegenden Fällen die Berufsfreiheit für solche herkömmliche Spezialtätigkeiten beansprucht werden durfte, die nach Anforderungsprofil und Aufgabenbereich bekannt werden durfte, die nach Anforderungsprofil und Aufgabenbereich bekannt waren (BVerfGE 54, 310 = NJW 1981, 33; BVerfGE 59, 302 = NJW 1982, 1687; BVerfGE 75, 284 = NJW 1988, 543). Dieser Sachverhalt war insofern von Bedeutung, als hierdurch kenntlich gemacht werden konnte, dass es sich um Berufe i. S. des Art. 121 GG handelte. Die Entscheidungen schließen jedoch nicht aus, dass ? wie im vorliegenden Fall ? auch die Weiterentwicklung des Dienstleistungsmarktes neue Berufe hervorbringt, die den Schutz des Art. 12 I GG genießen. Dies ist vielmehr seit jeher unbestritten (vgl. BVerfGE 7, 377 [397] = NJW 1958, 1053; BVerfGE 54, 301 [313] = NJW 1981, 33; BVerfGE 78, 179 [199] = NJW 1988, 2290). Entgegen der Auffassung des BGH hängt die Anerkennung eines Berufes nicht davon ab, dass der Gesetzgeber bereits ein Berufsbild entwickelt hat. Dies könnte allenfalls von Bedeutung sein, wenn ohne Ausbildungsprofil und ohne spezielle Haftungsvorschriften eine Gefährdung der Kundeninteressen oder der Rechtspflege zu besorgen wäre. Beides ist hier nicht ersichtlich (vgl. oben c aa bis cc).

II. Das Urteil des BGH ist hinsichtlich des Verbotsausspruchs wegen Verstoßes gegen Art. 12 I GG aufzunehmen und der Rechtsstreit an dieses Gericht zurückzuverweisen, soweit es die Tätigkeit der Bf. auf dem Gebiet der Patentgebührenverwaltung betrifft. Soweit der wiederhergestellte Verbotsausspruch des LG dagegen sonstige gewerbliche Schutzrechte betrifft, ist die Verfassungsbeschwerde wegen Unzulässigkeit ... zu verwerfen.
Da die Verfassungsbeschwerde nur in einem Nebenpunkt unzulässig ist, erscheint es billig, zugunsten der Bf. die volle Erstattung der notwendigen Auslagen anzuordnen (§ 34 a III BVerfGG).

RechtsgebieteGG, RberG, PatAnwOVorschriftenGG Art. 12 I; RberG Art. 1 §§ 1 I, 5; PatAnwO § 3 II Nr. 1

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