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14.03.2001 · IWW-Abrufnummer 001420

Finanzgericht Nürnberg: Urteil vom 29.03.1995 – V 227/93

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Nürnberg

Az. V 227/93

Urteil vom 29.03.1995

- rechtskräftig -

Tatbestand:

Streitig ist, ob Trinkgelder Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit sind.

Die Kläger sind Ehegatten, die zusammen zur Einkommensteuer veranlagt werden. Der Kläger ist angestellter Flugkapitän. In der Einkommensteuererklärung 1992 machte er u.a. Hoteltrinkgelder in Höhe von 721 DM wie folgt geltend:

Koffer ins Zimmer 1,00 DM

Koffer in den Bus 1,00 DM

Zimmermädchen 5,00 DM

pro Übernachtung 7,00 DM

insgesamt 103 Übernachtungen 721,00 DM.

Im teilweise vorläufigen Einkommensteuerbescheid 1992 vom 14.05.1993 berücksichtigte der Beklagte die Trinkgelder nicht als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit. Er führte aus, daß sie mangels Nachweises nicht anerkannt werden; eine pauschale Anerkennung sei im Hinblick auf § 12 EStG nicht möglich.

Wegen eines anderweitigen Sachverhalts änderte der Beklagte den Bescheid am 07.06.1993 gemäß § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Er begehrte weiterhin, die Trinkgelder als Werbungskosten zu berücksichtigen. Er sei laut Dienstanweisung von seinem Arbeitgeber angehalten worden, Trinkgelder im ortsüblichen Rahmen zu geben, zumal er als Cockpitmitglied die Fluglinie - auch in Uniform - repräsentiere.

Mit Einspruchsentscheidung vom 30.09.1993 wies der Beklagte den Einspruch zurück. Er führte dabei aus, daß dem Abzug der Trinkgelder als Werbungskosten die Vorschrift des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG entgegenstehe. Die Hingabe der Trinkgelder gründe in der wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung des Klägers. Sie seien als sog. "Aufmerksamkeiten" der Privatsphäre zuzuordnen. Selbst wenn davon ausgegangen werde, daß die Hingabe der Trinkgelder (auch) geeignet sei, die berufliche Tätigkeit des Klägers zu fördern, seien die Aufwendungen als sog. gemischte Aufwendungen nicht abzugsfähig, weil eine Aufteilung nach beruflicher und privater Veranlassung nicht möglich sei. Im übrigen seien die Trinkgelder, soweit sie mit Übernachtungen und Verpflegung in Zusammenhang stünden, mit den Pauschbeträgen für Übernachtung und Verpflegungsmehraufwand abgegolten.

Hiergegen haben die Kläger mit Schriftsatz vom 18.10.1993 Klage erhoben. Sie haben die Klage wie folgt begründet: Anhand des Flugbuches seien die Übernachtungen 1992 aufgelistet worden. Die vorgelegte Auflistung belege 105 Übernachtungen. Die Trinkgeldzahlungen stellten Reisenebenkosten dar und fielen je Hotelübernachtung für den Gepäckträger zum Hotel, für den Zimmerservice und den Gepäckträger aus dem Hotel an. Quittungen hierfür würden naturgemäß nicht ausgestellt. Die Hotelrechnungen würden in der Regel von der Fluggesellschaft beglichen, d.h. von der übernommen, so daß ihm, dem Kläger, keine Hotelkosten entstünden. Er müsse daher die Reisekosten aus eigener Tasche zahlen. Als Reisenebenkosten dürften die Trinkgeldzahlungen nicht mit den Pauschbeträgen für Übernachtung und Verpflegung in Verbindung gebracht werden. Dies sei bis 01.04.1992 ggf. noch möglich gewesen. Bis dahin sei aufgrund einer Vereinbarung mit der OFD Hamburg die Differenz zwischen den steuerlichen Pauschbeträgen und höheren, vom Arbeitgeber gezahlten, Spesensätzen für eintägige Dienstreisen nicht versteuert worden. Dies gelte jetzt nicht mehr. Die Trinkgelder stellten Reisenebenkosten i.S. Abschnitt 40 Lohnsteuerrichtlinien -LStR- dar, die in der tatsächlichen Höhe abziehbar seien und grundsätzlich nicht mit den Pauschbeträgen abgegolten werden. "Abwesenheitsgelder" (= Verpflegungskostenzuschüsse bzw. Verpflegungspauschalen), welche die steuerlichen Pauschbeträge überstiegen; würden jetzt als Arbeitslohn versteuert. Übernachtungspauschalen würden, seitens der Fluggesellschaft wegen Übernahme der Hotelkosten durch diese nicht gezahlt.

Die berufliche Veranlassung der hingegebenen Trinkgelder ergebe sich u.a. auch daraus, daß der Arbeitgeber empfohlen habe, Trinkgelder zu geben und er, der Kläger, als Repräsentant der Fluggesellschaft und als Flugkapitän in Uniform sich aus beruflichen Gründen dem nicht habe entziehen können. Pro Hotelübernachtung seien 8,00 DM oder 4 $ als angemessene und tatsächlich hingegebene Trinkgelder anzusetzen. Im übrigen werde insoweit auf das Urteil des Hessischen Finanzgerichts vom 04.07.1991 (13 K 13 552/87) hingewiesen. Danach seien die Trinkgelder mit ca. 5,00 DM täglich als Werbungskosten im Schätzwege anzusetzen. Das Finanzamt Celle habe sich dieser Handhabung angeschlossen. Es sei aber noch zu betonen, daß er, der Kläger - im Gegensatz zum Urteilsfall des Hessischen Finanzgerichts, bei dem es sich um die Klage eines Copiloten gehandelt habe - Flugkapitän sei, von dem die Hingabe eines höheren Trinkgeldes erwartet werde.

Die Kläger haben beantragt, unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 30.09.1993 den Einkommensteuerbescheid vom 07.06.1993 dahin zu ändern, daß zusätzliche Werbungskosten in Höhe von 721,00 DM anerkannt werden und die Einkommensteuer entsprechend herabgesetzt wird.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung verwiesen und betont, daß die Trinkgelder dem Grunde nach keine Werbungskosten seien. Im übrigen seien sie, wenn sie den Werbungskosten zugeordnet würden, mit den Pauschbeträgen abgegolten. Eine Differenzierung der Höhe der Trinkgelder nach dem Status des Leistenden (Copilot oder Flugkapitän) könne nicht vorgenommen werden; es gäbe hierfür auch keine Erfahrungssätze

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist begründet.

Die mit den Übernachtungen zusammenhängenden Trinkgelder sind als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) abzugsfähig. Als sog. Reisenebenkosten sind sie - jedenfalls im Streitfall - nicht durch Pauschalen des Arbeitgebers abgegolten worden und im Schätzwege mit dem beantragten Beträgen von 7,00 DM je Übernachtung anzusetzen.

1. Werbungskosten sind die zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen getätigten Aufwendungen (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG). Nach ständiger Rechtsprechung sind dies alle durch das Arbeitsverhältnis "veranlaßten" Aufwendungen.

Nach Lage der Dinge kann davon ausgegangen werden, daß "ortsübliche" Trinkgelder von fliegendem Personal anläßlich beruflich veranlaßter Übernachtungen an den Zimmerservice und im Zusammenhang mit dem Transport von Gepäck hingegeben werden. Es bestehen keine Bedenken, solche Aufwendungen als durch das Arbeitsverhältnis veranlaßte Nebenkosten einzuordnen und den Werbungskosten zuzuordnen. Der Senat erachtet es auch für glaubhaft - der Beklagte hat dem Vortrag des Klägers insoweit auch nicht widersprochen -, daß der Arbeitgeber das fliegende Personal anhält, als Repräsentant der Fluglinie ein ortsübliches Trinkgeld hinzugeben.

Im Streitfall ist die Hingabe von Trinkgeldern daher auch nicht mehr als eine in der privaten Sphäre liegende "Aufmerksamkeit" anzusehen, wie dies bei gelegentlichen - auch dienstlichen - Essen der Fall sein mag. Die Hingabe von Trinkgeldern vorwiegend aus dienstlichen Erwägungen steht im Vordergrund. Sowohl der Empfänger als auch der Arbeitgeber erwarten diese "Gepflogenheit" vom Arbeitnehmer. Daher geht der Senat mit dem Kläger davon aus, daß sich bei den "Trinkgeldempfängern" die Erwartungshaltung weniger auf die Eigenschaft des Klägers als "Privatmann", sondern mehr auf diejenige als Repräsentant des Arbeitgebers (als Pilot) stützt. Es gilt im Streitfall nichts anderes als beispielsweise im Falle der Hingabe von Trinkgeldern anläßlich beruflich bedingter Umzüge. Diese Ausgaben werden als Werbungskosten zum Abzug zugelassen (vgl. Urteil des FG Rheinland-Pfalz vom 11.10.1977 II 75/74, EFG 1978, 120, 121), weil letztlich davon ausgegangen werden muß, daß sich der Betreffende den Trinkgeldzahlungen nicht hat entziehen können. Mit dieser Begründung hat der Bundesfinanzhof auch Trinkgeldzahlungen an das Krankenhauspersonal im Rahmen der außergewöhnlichen Belastungen zum Abzug zugelassen (vgl. BFH-Urteil vom 19.05.1961 VI 223/60, StRK § 33 Nr. 135). Die Trinkgelder sind demnach im Streitfall als Reisenebenkosten (sonstige Kosten", "Nebenkosten"), vergleichbar den Aufwendungen für Aufbewahrung des Gepäcks, für Ferngespräche, Schriftverkehr beruflichen Inhalts, Straßenbenutzungsgebühren und Aufwendungen für Parkgebühren (vgl. Abschnitt 40 Abs. 4 LStR 1993; von Bornhaupt in Kirchhof/Söhn, EStG § 9 Randnotierung B 584; Hartz/Meeßen/Wolf, Stichwort Reisekosten" C II 5; Schmidt/Drenseck, EStG 13. Aufl.; § 19 Anm. 12 ABC der Reisekosten, Stichwort "Reisekosten" a.E.), abzugsfähige Werbungskosten. Der Senat geht mit der im Schrifttum vertretenen Auffassung (vgl. die vorstehend zitierten Fundstellen) davon aus, daß Trinkgelder -soweit sie mit Verpflegungsmehraufwendungen im Zusammenhang stehen - durch die entsprechenden Pauschbeträge abgegolten sind. Dies gilt gleichermaßen für die Trinkgelder in Zusammenhang mit Übernachtungskosten (Trinkgelder an Gepäckträger und den Zimmerservice), denn die Pauschalen sollen alle typischerweise mit der Verpflegung oder Übernachtung zusammenhängenden Kosten decken; hierzu gehören auch die entsprechenden Trinkgelder.

2. Im Streitfall sind dem Kläger keine Übernachtungspauschalen gezahlt worden, vielmehr sind die Hotelunterkunftskosten (Übernachtungskosten) direkt vom Arbeitgeber, der, beglichen oder übernommen worden. Im Gegensatz zu den Verpflegungsmehraufwendungen, die einem anderen Abrechnungsmodus unterlagen und wegen der Höhe der Erstattungen zum Teil lohnsteuerpflichtig waren, sind dem Kläger keine Übernachtungskosten entstanden. Die im Zusammenhang mit der Übernachtung stehenden Trinkgelder sind vom Kläger aber hingegeben worden und entstanden, ohne daß er hierfür Ersatz erhalten hätte. Es sind ihm derart zusätzliche Aufwendungen erwachsen, die in den Dienstreisen gründen. Sie sind daher dem Grunde nach als Werbungskosten abzugsfähig.

Der Senat ist mit dem Beklagten und den Stimmen im Schrifttum der Auffassung, daß für den Fall allerdings, daß der Arbeitgeber dem Kläger Pauschalen für die Übernachtung vergütet hätte (in Höhe der lohnsteuerlichen Pauschalen oder darüber hinaus), die Trinkgelder damit abgegolten wären, denn die typischerweise mit der Übernachtung zusammenhängenden Kosten (wozu auch übliche Trinkgelder gehören), sollen nach Auffassung des Senats durch Pauschalen, die typisierend sind und der Verwaltungsvereinfachung dienen, abgegolten sein (vgl. auch Herrmann/Heuer/Raupach, Kommentar zum EStG, 9. Aufl.; § 9a EStG Anm. 50). So lagen im Streitfalle die Dinge nicht, weil (Übernachtungs-)Pauschalen nicht gezahlt worden sind.

Der Senat hat im übrigen keine Bedenken, hinsichtlich der (hingegebenen) Trinkgelder die vom Kläger angegebenen Beträgen zugrunde zu legen und sie im Schätzwege (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V. mit § 162 AO) mit insgesamt 7,00 DM je Übernachtung (2 x je 1,00 DM Trinkgeld für Kofferan- und -abtransport, 5,00 DM Trinkgeld für Zimmerservice) anzusetzen.

Der Senat setzt daher die Einkommensteuer 1992 wie folgt fest (§ 100 Abs. 2 Satz 1 FGO):

zu versteuerndes Einkommen bisher DM

abzüglich weitere Werbungskosten lt. Urteil 721.00 DM

zu versteuerndes Einkommen lt. Urteil DM

Einkommensteuer (Splittingtabelle) lt. Urteil DM

Solidaritätszuschlag lt. Urteil

(3,75 v.H. aus DM) DM

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1 GKG.

RechtsgebieteEStG, AO, FGO, GKGVorschriftenEStG § 12 EStG § 12 Nr. 1 Satz 2 AO § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 FGO § 135 Abs. 1 GKG § 13 Abs. 1 Satz 1

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