02.09.2005 · IWW-Abrufnummer 052491
Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 10.03.2003 – II 327/02
Kosten für eine Zwischenfinanzierung, die im Zusammenhang mit dem Neuerwerb eines Eigenheims aufgrund beruflich veranlassten Umzugs für die Zeit bis zur Veräußerung des Eigenheims am bisherigen Wohnort entstehen sind nicht als Werbungskosten abzugsfähig. Sie können der soweit sie vor der erstmaligen Nutzung des neuen Eigenheims entstehen, als Vorkosten gemäß § 10e Abs. 6 EStG abzugsfähig sein
Überschrift: Einkommensteuer: Zwischenfinanzierung für Eigenheim wg. Umzug nicht als Werbungskosten abzugsfähig
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Berücksichtigung von Umzugskosten als Werbungskosten.
Zum 01.09 1998 verlegte der Kläger seinen Arbeitsplatz von Hannover nach Hamburg. Mit Vertrag vom 04.03.1999 kauften die Kläger zu einem Kaufpreis von 690.000 DM in Hamburg ein Eigenheim, das zum 15.07.1999 übergeben werden sollte (Eigenheimzulagenakte).
Mit Einkommensteuererklärung 1999 machten die Kläger Kosten doppelter Haushaltsführung und Umzugskosten als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit des Klägers (Angestellter) geltend. U.a. setzten sie Kosten für das leerstehende eigene, im Jahre 1994 erworbene (Einkommensteuerakte - EStA - Bl. 6) und selbstgenutzte Einfamilienhaus in Hannover für die Zeit ab 19.08.1999 an, und zwar laufende Betriebskosten in Höhe von insgesamt 1.722,40 DM und Finanzierungskosten in Höhe von 14.196,13 DM (EStA Bl. 147). Seit dem 19.08.1999 liege der Familienwohnsitz in Hamburg. Zuvor hätten die Kläger vom 01.10.1998 bis zum 31.07.1999 eine möblierte Einzimmerwohnung in Hamburg gemietet. Vom 01.08. bis zum 19.08.1999 habe der Kläger bei Fremden gewohnt. Das Haus in Hannover wurde mit Vertrag vom 18.09.2000 verkauft (EStA Bl. 1).
Mit Einkommensteuerbescheid 1999 vom 30.01.2001 (EStA Bl. 155) erkannte der Beklagte die im Zusammenhang mit dem Haus in Hannover stehenden Kosten mit der Begründung nicht als Werbungskosten an, dass sie der Vermögensebene und damit den gem. § 12 Einkommensteuergesetz (EStG) nicht abziehbaren Kosten der Lebensführung zuzurechnen seien.
Hiergegen legten die Kläger am 27.02.2001 Einspruch ein (Rechtsbehelfsakte - RbA - Bl. 3). Die Kosten seien dem Charakter nach einer doppelten Haushaltsführung zuzuordnen. Es habe bis zu dem Verkauf des Hauses in Hannover ein doppelter Wohnsitz bestanden. Denn das Haus in Hannover habe zum Zeitpunkt des Auszuges noch nicht verkauft werden können. Zum Beleg für den entstandenen Zinsaufwand legten die Kläger u.a. den Darlehensvertrag über einen Betrag von 700.000 DM mit der B-Bank vom 18.06.1999 vor (RbA Bl. 18ff), der als Verwendungszweck den Hauskauf nennt und eine Rückzahlung zum 30.12.1999 vorsieht. Als Sicherheit war neben einer Bürgschaft die "Abtretung Kaufpreis Objekt Hannover" genannt. Diese Frist, so die Kläger, sei verlängert, das Darlehen schließlich am 02.11.2000 zurückgezahlt worden. Das Darlehen habe als Zwischenfinanzierung für das Haus in Hannover gedient. Der Zeitraum zwischen dem Eingang des Geldes aus dem Verkauf des Hauses in Hannover und der Bezahlung des Hauses in Hamburg habe überbrückt werden sollen. Schon aus der Laufzeit des Darlehens ergebe sich, dass eine Kreditfinanzierung des Hauses in Hamburg nie geplant gewesen sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 18.09.2002 erkannte der Beklagte nunmehr zwar die laufenden Kosten für das Haus in Hannover seit dem 19.08.1999 in Höhe von 1.722,40 DM als Werbungskosten an, wies den Einspruch aber im Übrigen als unbegründet zurück.
Hierauf haben die Kläger am 07.10.2002 Klage erhoben.
Die geltend gemachten Kosten seien durch den beruflich veranlassten Umzug begründet. Die Aufnahme des Kredits sei erforderlich gewesen, um die gleiche Wohnsituation in Hamburg wie vor dem Umzug in Hannover herzustellen, weil das Haus in Hannover nicht zeitgleich mit dem Erwerb des neuen Hauses in Hamburg habe verkauft werden können. Es liege damit eine Situation vor, die mit derjenigen der erforderlichen Mietzahlung für die bisherige Wohnung bis zur möglichen Kündigung vergleichbar sei.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Einkommensteuerbescheid 1999 vom 30.01.2001 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 18.09.2002 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere Werbungskosten in Höhe von 14.196,13 DM berücksichtigt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er trägt vor:
Umzugsbedingte Kosten aus dem Verkauf des Eigenheims beträfen auch bei einer beruflichen Motivation vorrangig die private Vermögenssphäre. Die Finanzierungskosten könnten nicht den Mietzahlungen für die alte Wohnung gleichgestellt werden. Letztere stellten verlorenen Aufwand dar, während die streitigen Zinsaufwendungen mit der Finanzierung des zum Privatvermögen gehörenden Grundstücks zusammenhingen.
Dem Senat haben ein Band Einkommensteuerakten, eine Eigenheimzulagenakte und ein Band Rechtsbehelfsakten (St.Nr. ...) vorgelegen.
Entscheidungsgründe
Der Senat entscheidet gem. § 90a Abs.1 Finanzgerichtsordnung (FGO) durch Gerichtsbescheid.
I.
Die Klage hat nur teilweise Erfolg.
1. Die Finanzierungskosten können nicht als Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Tätigkeit berücksichtigt werden.
Werbungskosten im Sinne von § 9 EStG sind alle Aufwendungen, die durch den Beruf des Steuerpflichtigen veranlasst sind. Dazu können auch Umzugskosten gehören.
Die Anerkennung von Werbungskosten wegen eines beruflich veranlassten Umzugs gilt jedoch nicht für alle damit verbundenen Aufwendungen. Denn nach dem EStG sind Aufwendungen nur dann als durch eine Einkunftsart veranlasst anzusehen, wenn sie hierzu in einem steuerrechtlich anzuerkennenden wirtschaftlichen Zusammenhang stehen. Maßgebend dafür, ob ein solcher Zusammenhang besteht, ist zum einen die wertende Beurteilung des die betreffenden Aufwendungen auslösenden Moments, zum anderen die Zuweisung dieses maßgebenden Besteuerungsgrundes zur einkommensteuerrechtlich relevanten Erwerbssphäre. So kann einem Abzug als Werbungskosten § 12 Nr. 1 EStG entgegenstehen, soweit es sich um Kosten der privaten Lebensführung handelt (z.B. für die Anschaffung bürgerlicher Kleidung wegen Umzugs in eine andere Klimazone, BFH, Urteil vom 27.05.1994 VI R 67/92, BStBl II 1995,17). Ein Abzug kann auch insoweit ausgeschlossen sein, als die grundsätzlich nicht einkommensteuerbare private Vermögenssphäre betroffen ist (BFH, Urteil vom 24.05.2000 VI R 147/99, BStBl II 2000, 476). Letzteres gilt nach der zutreffenden Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs z.B. für Maklerkosten im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Eigenheims (gem. BFH, Urteil vom 24.05.2000 VI R 188/97, BStBl II 2000, 586 auch kein Abzug in Höhe fiktiver Aufwendungen für die Vermittlung einer gleichwertigen Mietwohnung), für Veräußerungskosten für ein im Privatvermögen gehaltenes Eigenheim oder für Kosten aufgrund der vorzeitigen Ablösung eines Hypothekendarlehens, wenn die vorzeitige Ablösung wegen des Verkaufs eines fremdfinanzierten Hauses notwendig geworden war (Vorfälligkeitsentschädigung). Diese Kosten betreffen vorrangig die steuerrechtlich unbeachtliche private Vermögenssphäre, und zwar auch dann, wenn der Arbeitnehmer aus wirtschaftlichen Gründen wegen des Erwerbs eines neuen Hauses am neuen Arbeitsplatz zu einem Verkauf veranlasst sein sollte (BFH, Urteil vom 24.05.2000 VI R 147/99 a.a.O.; zu der Vorfälligkeitsentschädigung unter Hinweis auf das Urteil des Niedersächsischen FG vom 21.10.1996 VIII 164/96, EFG 1997, 465, vgl. a. FG Hamburg, Urteil vom 20.05.1999 VII 214/96, juris).
Insoweit unterscheidet sich die Situation von derjenigen des umzugsbedingten Wechsels einer Mietwohnung und der hierdurch anfallenden Kosten für eine notwendige vorzeitige Auflösung eines Mietvertrages (Mietausfallkosten), die in der Rechtsprechung als Werbungskosten anerkannt sind (BFH, Urteil vom 01.12.1993 I R 61/93, BStBl II 1994, 323). Hier ist die Vermögenssphäre des Steuerpflichtigen nicht betroffen. Eine unangemessene Ungleichbehandlung ist in der unterschiedlichen steuerrechtlichen Behandlung nicht zu sehen. Denn es steht dem Steuerpflichtigen in der Regel frei, das bisher bewohnte Eigenheim nicht zu verkaufen, sondern im Wege der Fremdvermietung zu nutzen und am neuen Arbeitsort seinerseits eine Wohnung anzumieten (BFH, Urteile vom 25.05.2000 VI R 28/97, BStBl II 2000, 474, 476).
Nach diesen Rechtsgrundsätzen kommt eine Abzugsfähigkeit der im Streitfall in Rede stehenden Finanzierungskosten als Werbungskosten nicht in Betracht. Zwar sind sie zweifellos durch den beruflich veranlassten Umzug ausgelöst worden. Sie betreffen indes allein die einkommensteuerrechtlich unbeachtliche private Vermögenssphäre des Klägers (im Ergebnis unklar FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.04.1996 3 K 2795/94, EFG 1996, 975). Dabei ist es unbeachtlich, ob man die Finanzierungskosten als solche für die Finanzierung des bisherigen Eigenheims in Hannover oder als solche für die Finanzierung des Kaufpreises für das neue Eigenheim in Hamburg bewertet.
Eine Ausnahme von den vorerwähnten Rechtsgrundsätzen kann ggf. für vergebliche Aufwendungen im Falle einer vom Arbeitgeber rückgängig gemachten Versetzung gemacht werden, wenn es zu der Veräußerung bzw. dem Neuerwerb eines Eigenheims nicht mehr kommt (BFH, Urteil vom 24.05.2000 VI R 17/96, BStBl II 2000, 585 zu vergeblichen Aufwendungen für das Baugrundstück am neuen Wohnort und für Maklerkosten zu vergeblichen Finanzierungskosten auch FG Köln, Urteil vom 09.09.1998 11 K 5000/94, EFG 1999, 22 : Werbungskosten oder Vorkosten gem. § 10e Abs.6 EStG, hier vom BFH zugelassene Revision X R 22/00). Ein solcher Fall liegt im Streitfall indes nicht vor.
Abschnitt 41 der Lohnsteuerrichtlinien und die hierin in Bezug genommenen Regelungen im Bundesumzugskostengesetz (BUKG) stehen dem nicht entgegen. Denn die Verweisung der LStR in Abschn. 41 auf die Vorschriften des BUKG zur Ermittlung eines zutreffenden Werbungskostenabzugs finden dort ihre Grenze, wo diese Regelungen mit dem allgemeinen Werbungskostenbegriff des § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG nicht vereinbar sind (BFH, Beschluss vom 19.01.2001 VO B 198/00, NV 2001, 778). Im Übrigen ergibt sich auch aus dem BUKG kein Anspruch auf die Erstattung von Finanzierungskosten im Zusammenhang mit dem Verkauf und Neuerwerb eines Eigenheims.
§ 8 Abs.1 BUKG sieht eine zeitlich begrenzte Erstattung der Miete für die bisherige Wohnung für den Fall vor, dass "für dieselbe Zeit Miete sowohl für die alte wie für die neue Wohnung gezahlt werden" muss, weil das bisherige Mietverhältnis nicht früher aufgelöst werden konnte. Gem. § 8 Abs.2 BUKG wird auch Miete für die neue Wohnung erstattet, sofern diese für eine Zeit gezahlt werden muss, in der sie noch nicht genutzt werden kann. Gem. § 8 Abs.3 BUKG steht die bisherige Wohnung im eigenen Haus oder die Eigentumswohnung der Mietwohnung mit der Folge gleich, dass Mietentschädigung für längstens ein Jahr gezahlt wird. Dabei ist statt der Miete der ortsübliche Mietwert anzusetzen. Demgegenüber wird für die neue Wohnung im eigenen Haus oder die neue Eigentumswohnung keine Mietentschädigung gewährt (Abs.3 S.5). Nach der Kommentierung zum BUKG (Meyer/Fricke Umzugskosten im öffentliche Dienst § 8 BUKG Rn.75 Lfg. Nov. 2001) entfällt die Mietentschädigung für die bisherige Wohnung, wenn die neue Wohnung im Eigentum des Berechtigten liegt, d.h. für die neue Wohnung keine Miete bezahlt wird. Dies entspricht dem Wortlaut des BUKG, das die Gleichstellung eines Eigenheims mit einer Mietwohnung nur für die bisherige Wohnung vorsieht. Dies mag auf den ersten Blick wenig einleuchtend sein. Es erklärt sich aber nach Ansicht des Senats mit der schon oben angeführten Erwägung, dass es der freien Entscheidung des Arbeitnehmers obliegt, statt ein neues Eigenheim zu kaufen am neuen Arbeitsort eine neue Wohnung zu mieten und das bisherige Eigenheim entweder zu vermieten oder zu verkaufen.
2. Allerdings ist ein Abzug als Sonderausgaben gem. § 10e Abs.6 EStG insoweit vorzunehmen, als es sich bei den streitigen Finanzierungskosten um Vorkosten handelt, die bis zum Beginn der erstmaligen Nutzung des Eigenheimes in Hamburg (Zweitobjekt/Folgeobjekt, Eigenheimzulagenakte Bl. 19 R) am 19.08.1999 entstanden sind. Denn bei sachgerechter Würdigung stehen die Finanzierungsaufwendungen im unmittelbaren Zusammenhang mit der Anschaffung des neuen Eigenheimes in Hamburg, da sie letztlich der Zwischenfinanzierung dessen Kaufpreises dienten (vgl. Niedersächsisches FG, Urteil vom 14.02.2001 12 K 334/97, EFG 2001, 1429 sogar zu einer Vorfälligkeitsentschädigung für das bisherige Eigenheim; insoweit Revision beim BFH X R 28/01).
Anhand der von den Klägern vorgelegten Unterlagen (Kontoauszug B-Bank per 31.12.1000, RbA Bl. 16f) können als vor dem Bezug entstandene Kosten ein Betrag von 2.207,28 DM (Valuta 1.8.) und ein anteiliger Betrag der Darlehenszinsen per 01.09 von 3.089,11 DM für die Zeit bis zum 18.08., mithin 1.853,46 DM und damit insgesamt 4.060,74 DM festgestellt werden.
Dass die Kläger für das Jahr 1999 keine Grundförderung gem. § 10e Abs.1 EStG für das Objekt in Hamburg, sondern noch für das Objekt in Hannover in Anspruch nehmen, ist ohne Bedeutung. Der Vorkostenabzug gem. § 10e Abs.6 EStG ist ein eigenständiger Begünstigungstatbestand, der unabhängig von der Grundförderung zu gewähren ist (BFH, Urteil vom 05.09.2001 X R 29/00, BStBl II 2002, 380, 382).
II.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision beruht auf § 115 Abs. 2 FGO.