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29.10.2002 · IWW-Abrufnummer 021495

Finanzministerium Thüringen: Erlass vom 09.10.2002 – S 3806 A


Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OFD Erfurt 9.10.02 S 3806 A - 3 - 204(S)

Schenkungsteuer;

Veräußerung von kommunalen Grundstücken unter Verkehrswert


Es ist gefragt worden, ob die Veräußerung kommunaler Grundstücke unter Verkehrswert den Tatbestand einer gemischten Schenkung erfüllen. Dazu bitte ich folgende Auffassung zu vertreten:

Im Staats? und Verwaltungsrecht gilt der sich aus dem Verfassungsrecht ergebende Grundsatz, dass der Staat kein Recht zu ?Geschenken? hat (BGH, Urteil vom 30.01.1967 ? III ZR 35/65).

Dieser Grundsatz wurde in die Kommunalordnungen der Länder aufgenommen, d.h. das Verschenken und die unentgeltliche Überlassung von Gemeindevermögen sind unzulässig.

Die Gemeinde darf Vermögensgegenstände, die sie zur Erfüllung ihrer Aufgaben nicht braucht, veräußern (§ 67 Abs. 1 Sätze 1 und 2 Thüringer Kommunalordnung (ThürKO)). Vermögensgegenstände dürfen regelmäßig nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden. Unter dem ?vollen Wert? eines Grundstücks ist der Verkehrswert des Grundstücks zu verstehen. Der Verkehrswert für ein zu veräußerndes Grundstück wird durch den Preis bestimmt, der im Zeitpunkt der Veräußerung im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks ohne Rücksicht auf persönliche oder ungewöhnliche Verhältnisse zu erzielen wäre.

Die Kommunalordnungen sehen von vorstehendem Grundsatz Ausnahmen vor, wenn ein besonderes öffentliches Interesse vorliegt. Dies gilt insbesondere für Veräußerungen zur Förderung sozialer Einrichtungen, des sozialen Wohnungsbaus und der Gewerbeansiedlung. Die Veräußerung oder Überlassung von Gemeindevermögen in Erfüllung von Gemeindeaufgaben fällt nicht unter das Verbot der unentgeltlichen Veräußerung (§ 67 Abs. 1 Satz 4 Nr. 1 ? 3 und Satz 6 ThürKO).

Zivilrechtlich und steuerrechtlich bedeutsam sind lediglich Veräußerungen von Grundstücken, die eine Gemeinde nicht zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigt und die unter Verkehrswert veräußert werden.

Mit der Veräußerung eines Grundstücks unter Verkehrswert wird sowohl gegen Bundes- als auch Landesrecht verstoßen. Die daraus resultierenden zivilrechtlichen Fragen (Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ?), sind für die steuerrechtliche Beurteilung zunächst ohne Bedeutung.

Wurde ein kommunales Grundstück unter Verkehrswert veräußert und die Veräußerung von der Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt, da der vereinbarte Kaufpreis ohne nähere Kenntnisse über die Lage, die Art und die Bebauung des Grundstücks bzw. ohne Vorlage eines Verkehrswert- gutachtens den allgemein gültigen Überprüfungsgrundsätzen genügte, so unterliegt das Rechts- geschäft der Besteuerung.

Ungeachtet der auf den Veräußerungspreis zu entrichtenden Grunderwerbsteuer liegt in diesen Fällen eine teilweise unentgeltliche Zuwendung vor und es ist zu prüfen, ob aus dieser unentgeltlichen Zuwendung eine Schenkung (gemischte Schenkung) i.S. des § 7 Abs.1 Nr.1 ErbStG hergeleitet werden muss.

Eine gemischte Schenkung liegt vor, wenn bei einem gegenseitigen Vertrag die Leistung der einen Partei nur zum Teil durch die Leistung der anderen Partei ausgeglichen wird, so dass eine Vertragspartei einen Vermögensvorteil erhält. Man spricht hier von einer verdeckten Schenkung. Eine verdeckte (gemischte) Schenkung setzt voraus, dass bei einem Vertrag Leistung und Gegen- leistung in einem offenbaren Missverhältnis stehen und der Sachverhalt genügend Anhaltspunkte für den Nachweis enthält, dass der eine Vertragsteil sich des Mehrwerts seiner Leistung bewusst ist. Ein offenbares Missverhältnis ist bereits bei einer Wertabweichung von mehr als 20 v.H. gegeben (so Felix, FR 1963, 492 ; Troll, DStR 1984, 11 und Moench, § 7 ErbStG, Rz. 9 a). Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist sowohl der objektive als auch der subjektive Tatbestand der gemischten Schenkung erfüllt.


Beispiel:

Die Gemeinde A ist Eigentümer eines Grundstücks. Das Grundstück hält 2 500 qm ; Bodenrichtwert nach Bodenrichtwertkarte 2000 : 250,-?/qm

Das Grundstück ist mit einem dreigeschossigen ehemaligen Wohngebäude bebaut das seit 1991 zu Verwaltungszwecken der Gemeinde A genutzt wurde.

Das Gebäude hat eine Wohn- / Nutzfläche von 400 qm.

Tatsächlicher Kaufpreis in 2001: 550 000,- ?


Die Veräußerung wurde von der Rechtsaufsichtsbehörde genehmigt.

Der entgeltliche Teil des Kaufvertrags unterlag der Grunderwerbsteuer

Ungeachtet dessen hat die für die Festsetzung der Grunderwerbsteuer zuständige Stelle im Zusammenwirken mit der für die Feststellung des Grundbesitzwerts zuständigen Stelle im ?Finanzamt? zu prüfen ob der Kaufpreis bei einer überschlägigen Verkehrswertermittlung erheblich unter Verkehrswert liegt, da das Grunderwerbsteuer-Verfahren regelmäßig keine Möglichkeit vorsieht vom Erwerber Angaben zum Verkehrswert zu fordern.

Die überschlägige Wertermittlung führt zu folgenden Feststellungen:

Grundstückswert: 2 500 qm x 250,- ?/qm = 625 000,-?

Gebäudewert: 2 000 cbm x 112,50,- ?/cbm ( NHK 1995 ) = 225 000,-?

Überschlägiger Verkehrswert mithin : 850 000,- ?

Der Wert für den unentgeltlichen Teil des Veräußerungsgeschäfts beträgt : 300 000,- ?

Damit ist ein offenbares Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung gegeben und

die Abgabe des Falls an das für die Schenkungsteuer zuständige Finanzamt gerechtfertigt.

Ergebnis: Diese Veräußerung ist als gemischte Schenkung anzusehen.


Dieses Ergebnis entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des BFH zur gemischten Schen- kung (s. auch BFH-Urteile vom 12.12.1979, BStBl 1980 II , 260 ; vom 14.07.1982, BStBl II , 714 und vom 12.04.1989, BStBl II , 524).

Bei der Prüfung, ob der ?Schenker? (der Zuwendende) das auffallend grobe Missverhältnis ge- kannt hat, kann sich das Finanzamt nach der Rechtsprechung des BFH (Urteile vom 10.09.1986, BStBl 1987 II , 80 und vom 05.12.1990, BStBl 1991 II , 181) auf objektive Umstände stützen und im Einklang mit der Lebenserfahrung von einer entsprechenden Kenntnis ausgehen. Diese Vermutung kann allerdings entkräftet werden. Dazu ist es jedoch notwendig, dass der Zuwendende dies mit konkretem Vortrag untermauert. Es genügt jedoch nicht, wenn dem Zuwendenden das genaue Ausmaß des Missverhältnisses nicht bekannt war (BFH; Urteil vom 02.10.1981, BStBl 1982 II , 83). Hat der Zuwendende die Wertdifferenz geringer eingeschätzt, kann das die Besteuerung der gemischten Schenkung einschränken. Voraussetzung ist jedoch, dass der Zuwendende belegen kann aus welchen Gründen er von anderen Werten ausgegangen ist.

Die vorstehenden Grundsätze können in der Besteuerungspraxis jedoch nur umgesetzt werden, wenn in allen Veräußerungsfällen kommunaler Grundstücke, die nicht unter die Ausnahme- regelungen des § 67 ThürKO fallen, ein Vergleich Kaufpreis ? Verkehrswert (Bewertungsstelle bzw. Bausachverständiger) vorgenommen wird. Diese Prüfung kann auch bei der Veräußerung landes- oder bundeseigener Liegenschaften vorzunehmen sein. Die prüfungsrelevanten Unterlagen (z.B.: Bodenrichtwertkarten) liegen in den Finanzämtern vor. Für eine überschlägige Ermittlung des Verkehrswerts erscheint es regelmäßig ausreichend wie folgt zu verfahren:


Ermittlung des Bodenwerts: Grundstücksfläche x Bodenrichtwert

Ermittlung des Gebäudewerts: Umbauter Raum x NHK 1995 (Mittelwert)

Liegt der so ermittelte überschlägige Verkehrswert um mehr als 20 v.H. über dem vereinbarten Kaufpreis, so ist das Ermittlungsergebnis der Erbschaft ? und Schenkungsteuerstelle mitzuteilen.

Diese prüft sodann, ob der Tatbestand einer (verdeckten) gemischten Schenkung vorliegt.

Ich bitte, die Finanzämter (Bewertungsstellen, BSV und Erbschaft -und Schenkungsteuerstelle) entsprechend zu unterrichten.

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