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21.12.2005 · IWW-Abrufnummer 053591

Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 11.05.2005 – VI 295/03

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


FINANZGERICHT HAMBURG

VI 295/03
11.05.2005

Urteil - Senat
Rechtskraft: -

Tatbestand

Streitig ist die Besteuerung einer Abfindungszahlung.

Die Kläger werden zusammen veranlagt. Die Klägerin erklärte in ihrer Einkommensteuer für das Streitjahr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 39.328 DM. Der Einkommensteuerbescheid 2000 erging am 4.4.2001 erklärungsgemäß.

Nachdem beim Arbeitgeber der Klägerin, der A GmbH, einem ausgegliederten Betriebsteil des Landesbetriebes B (B) eine Lohnsteueraußenprüfung stattgefunden hatte, ging am 12.6.2003 bei dem Beklagten eine Kontrollmitteilung des Finanzamtes für Großunternehmen ein, wonach der Klägerin im Streitjahr steuerpflichtiger Arbeitslohn in Höhe von 7.920 DM aus der Abfindung einer Ruhegeldvereinbarung gezahlt worden war, für die ihr Arbeitgeber keine Lohnsteuer abgeführt hatte. Dem B hatte das Finanzamt für Großunternehmen am 2.5.2000 eine Anrufungsauskunft erteilt, wonach vom B vorgesehene Versorgungsausgleichszahlungen bis zu einem bestimmten Höchstbetrag nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei seien. Diese Auskunft wurde am 22.3.2001 widerrufen, weil die Voraussetzungen für die Steuerfreiheit tatsächlich nicht vorlagen. Entgegen der ursprünglichen Annahme waren auch nach Umstrukturierung des B die Arbeitsverhältnisse mit dem neuen Arbeitgeber fortgesetzt worden, so dass die Versorgungsausgleichszahlungen nicht als Entlassungsentschädigungen zu qualifizieren waren.

Aufgrund der Kontrollmitteilung änderte der Beklagte am 27.6.2003 den Einkommensteuerbescheid für 2000 und unterwarf die Versorgungsausgleichszahlung der Einkommensteuer und berücksichtigte dabei die Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG. Hiergegen richtete sich der Einspruch vom 11.7.2003, mit dem die Kläger geltend machten, dass der Arbeitgeber zugesichert habe, dass der Abfindungsbetrag steuerfrei bleibe. Mit Einspruchsentscheidung vom 31.7.2003 wies der Beklagte den Einspruch zurück, weil die Versorgungsausgleichsleistung keine Entlassungsentschädigung sei und daher der Einkommensteuer unterliege.

Mit der Klage vom 1.9.2003 machen die Kläger geltend, dass das Finanzamt für Großunternehmen in Kenntnis des Sachverhaltes, dass ihr, der Klägerin, Arbeitsverhältnis und das weiterer 80 Mitarbeiter des B mit dem jetzigen Arbeitgeber fortgesetzt würde, die Anrufungsauskunft erteilt habe. An diese Auskunft möge sich der Beklagte halten. Im Vertrauen darauf, dass die Versorgungsausgleichszahlung steuerfrei sein werde, habe sie sich für eine Auszahlung und gegen eine Fortführung der Altersversorgung entschieden.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den geänderten Einkommensteuerbescheid 2000 vom 26.6.2003 und die Einspruchsentscheidung vom 31.7.2003 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Der Beklagte weist darauf hin, dass die rechtlich unzutreffende Anrufungsauskunft am 22.3.2001 widerrufen worden sei. Im Übrigen entfalte sie keine Bindungswirkung für die Einkommensteuer-Festsetzung des Arbeitnehmers.

Ein vor dem Arbeitsgericht geführter Prozess gegen den Arbeitgeber der Klägerin auf Ersatz der nachgeforderten Einkommensteuer ist gemäß Urteil vom 15.9.2004 erfolglos geblieben.

Wegen des weiteren Vorbringens wird auf die Sitzungsniederschrift über den Erörterungstermin vom 29.4.2005 Bezug genommen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf die mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

Das Gericht entscheidet gem. § 90 Abs. 2 FGO ohne mündliche Verhandlung.

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Der Beklagte war berechtigt, den bestandskräftigen Einkommensteuerbescheid 2000 zu ändern und die Versorgungsausgleichszahlung der Besteuerung zu unterwerfen.

Gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind Steuerbescheide zu ändern, soweit Tatsachen bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Die Tatsache, dass die Klägerin von ihrem Arbeitgeber eine Ausgleichszahlung erhalten hat, ist dem Beklagten erst im Juni 2003 durch die Mitteilung des Finanzamtes für Großunternehmen bekannt geworden. Diese Tatsache führt auch zu einer höheren Steuer, denn die Ausgleichszahlung ist nicht nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfrei, sondern stellt steuerpflichtigen Arbeitslohn dar. Die Klägerin hat nach der Umstrukturierung des B ihr Arbeitsverhältnis mit dem aus dem B ausgegliederten Betriebsteil, der nunmehr als A GmbH firmierte, fortgesetzt. Die Ausgleichszahlung war danach keine Abfindung wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes im Sinne von § 3 Nr. 9 EStG, sondern löste bereits erworbene Versorgungsanwartschaften ab (vgl. dazu BFH-Urteil vom 16.7.1997, XI R 85/96; BStBl II 1997, 666). Hierüber besteht zwischen den Beteiligten letztlich auch kein Streit.

Der Beklagte war auch nicht durch die Anrufungsauskunft des Finanzamtes für Großunternehmen an der Änderung gehindert. Denn die Verbindlichkeit einer Anrufungsauskunft beschränkt sich auf das Lohnsteuer-Abzugsverfahren und erstreckt sich nicht auf das Veranlagungsverfahren. § 42e EStG dient dem Zweck, die hohen Haftungsrisiken, die sich für den Arbeitgeber aus seiner Verpflichtung zu Einbehaltung der Lohnsteuer ergeben, dadurch abzumildern, dass ihm die Möglichkeit eröffnet wird, vom FA verbindlich zu erfahren, wie er im Zweifelsfall bei der Lohnsteuer verfahren soll. Dieser Zweck wird durch die Verbindlichkeit der Auskunft nur für das Lohnsteuerabzugsverfahren erfüllt (BFH-Urteil vom 9.10.1992, VI R 97/90, BStBl II 1993, 166). Auch wenn der Arbeitnehmer selbst zur Vermeidung arbeitsgerichtlicher Auseinandersetzungen u.ä. berechtigt ist, eine Anrufungsauskunft einzuholen, wenn Meinungsverschiedenheiten über den Umfang des Lohnsteuerabzugs bestehen, wird auch diesem Interesse ausreichend Rechnung getragen, wenn die Auskunft nur für das Lohnsteuerabzugsverfahren verbindlich ist. Das Lohnsteuerabzugsverfahren ist für Arbeitnehmer, die zur Einkommensteuer zu veranlagen sind - wie im Streitfall - ein Vorauszahlungsverfahren. Vorauszahlungen haben aber nur vorläufigen Charakter, an eine im Vorauszahlungsverfahren vertretene Rechtsauffassung ist das FA grundsätzlich im späteren Veranlagungsverfahren nicht gebunden. Durch § 42e EStG soll insoweit keine Besserstellung des Arbeitnehmers eintreten (BFH-Urteil vom 9.10.1992, VI R 97/90, BStBl II 1993, 166).

Unter diesen Umständen kommt es nicht mehr darauf an, dass die Anrufungsauskunft bereits im März 2001 widerrufen worden ist.

Soweit sich die Klägerin darauf berufen hat, durch die objektiv unrichtige Auskunft sei ihr ein Schaden entstanden, weil sie sich dadurch für die Auszahlung und gegen die Fortführung der Altersversorgung entschieden habe und durch die unvorhergesehene Besteuerung ihre Kalkulation jetzt gewissermaßen nicht mehr aufgehe, kann dahin stehen, inwieweit überhaupt ein kausaler Schaden entstanden ist. Jedenfalls ist dieser nicht unmittelbar in der Festsetzung der Einkommensteuer zu sehen. Ein eventueller Schadensersatzanspruch könnte auch nicht im Rahmen der Anfechtung der Einkommensteuer-Festsetzung gegenüber dem Beklagten geltend gemacht werden. Er wäre vielmehr einem eventuell anzustrengenden Verfahren gegen das Finanzamt für Großunternehmen vorbehalten.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Die Revision ist gem. § 115 Abs. 2 FGO nicht zuzulassen.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 173 Abs. 1 Nr. 1 AO; §§ 3 Nr. 9, 42e EStG

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