02.11.2010 · IWW-Abrufnummer 103912
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 12.11.2009 – 6 K 2314/07
Muss die Erneuerung eines asbesthaltigen Daches bei einem Reihenhaus deshalb vorgenommen werden, weil sämtliche Nachbarn dies beschlossen haben und bei der Alternative des Abschneidens der asbesthaltigen Platten Asbest freigesetzt würde, so liegt dem Grunde nach eine außergewöhnliche Belastung vor.
Für die Gesundheitsschädlichkeit der Freisetzung von Asbest bedarf es keines Sachverständigengutachtens, da dies auf gesicherten Erkenntnissen beruht und allgemein bekannt ist.
Bei der Berechnung des Gegenwerts durch die Verlängerung der Lebensdauer des neuen Daches gegenüber der restlichen Nutzungsdauer des bisherigen Daches ist auf die Nutzungsdauer des gesamten Gebäudes, die gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 EStG typisierend mit 50 Jahren angenommen wird, abzustellen.
Steht ein Arbeitnehmer kurz vor dem Eintritt in den Ruhestand und beabsichtigt er, sodann selbstständig als Mediator tätig zu werden, so unterliegen die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer für die Zeit, in der er noch nicht selbstständig tätig ist, nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung der Abzugsbeschränkung.
Tatbestand
Streitig ist die Abzugsfähigkeit der Kosten für ein Arbeitszimmer und einen PC als vorweg genommene Betriebsausgaben, sowie der Kosten einer Asbestsanierung als außergewöhnliche Belastungen.
Die 1949 geborene Klägerin ist Angestellte der ... Kirche.
Sie bewohnt ein im Jahr 1994 erworbenes Reihenhaus, das im Jahr 1976 errichtet worden war. Im Streitjahr 2005 ließ sie das Asbestzement-Wellplattendach durch eine Eindeckung mit Ziegeln ersetzen.
In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2005 machte sie Betriebsausgaben für ein Arbeitszimmer in Höhe von 6.144 € und AfA für einen PC in Höhe von 156 € geltend. Hierzu führte sie aus, die Aufwendungen seien im Zusammenhang mit ihrer selbstständigen Tätigkeit als Mediatorin angefallen. Einnahmen habe sie in 2005 noch nicht erzielt.
Außerdem machte sie folgende außergewöhnliche Belastungen geltend:
Erneuerung des asbestverseuchten Daches am Wohnhaus | 11.105,24 € |
Ingenieur-Gutachten f. KfW-Darlehen | 152,25 € |
Arzneizuzahlungen | 115,29 € |
Praxisgebühren | 60,00 € |
Parkgebühren Arztbesuche | 3,50 € |
Nordic-Walking-Stöcke | 50,00€ |
Anwaltskosten wegen Trennung/Ehescheidung | 400,00 € |
11.886,28 € |
Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als die AfA für den PC nunmehr anerkannt wurde; die Kosten für ein Los der ARD Fernsehlotterie wurden jedoch nicht mehr als Spenden berücksichtigt. Ein entsprechender Änderungsbescheid erging am 13.08.2007. Der Einspruch wurde im Übrigen mit Einspruchsentscheidung vom 27.08.2007 zurückgewiesen. In der Einspruchsentscheidung wird ausgeführt, dass die anzuerkennenden außergewöhnlichen Belastungen nur 578,79 € betragen; die Sanierung eines mit Asbest belasteten Daches durch Neueindeckung mit Tonziegeln, Gutachten zur CO2-Belastung zum Zwecke des Erhalts eines KfW-Kredites und Nordic-Walking-Stöcke seien keine außergewöhnlichen Belastungen.
Zur Begründung ihrer Klage trägt die Klägerin vor, das ihr gehörende Einfamilien-Reihenhaus sei wie alle Häuser dieser Reihe mit Asbestzement-Wellplatten eingedeckt gewesen, die von Haus zu Haus überlappend gelegt worden seien. Bereits im Jahr 2003 hätten sich die Eigentümer dreier Häuser in der Reihe entschlossen, die Dachabdeckung durch eine konventionelle Ziegelbedeckung austauschen zu lassen. Im Jahr 2004 hätten weitere acht Eigentümer sich entschlossen, einen Austausch vornehmen zu lassen. Diese hätten sich zusammengeschlossen, um bei Anbietern einen günstigeren Preis erzielen zu können. Aus finanziellen Gründen habe die Klägerin dieser „Sanierungsgemeinschaft” zunächst nicht beitreten können. Indessen habe es bereits ein Angebot der Firma Weidler über die Durchführung der Arbeiten beim Nachbarn gegeben, das eine Trennung der über die Grundstücksgrenze überlappend aufgebrachten Platten zum Haus der Klägerin hin vorgesehen habe. Erst als ein Gutachter eingeschaltet worden sei, der durch seine Berechnungen bezüglich des Emissionsschutzes ein günstiges KfW-Darlehen ermöglicht habe, sei es der Klägerin und einem weiteren Eigentümer doch möglich gewesen, sich den geplanten Arbeiten anzuschließen. Daraufhin sei im Jahr 2005 bei sämtlichen restlichen Häusern in der Reihe die Dachsanierung durchgeführt worden.
Auslöser der Dachsanierung sei für sämtliche Eigentümer gewesen, dass augenscheinlich die oberste Schicht der Asbestzement-Wellplatten Korrosionserscheinungen aufgewiesen habe, verbunden mit der zwangsläufigen Freisetzung von im Material mitverarbeiteten Asbestfasern. Die Funktionsfähigkeit des Daches hinsichtlich Schutz vor Wind und Regen sei dadurch allerdings nicht tangiert gewesen.
Asbestzement-Wellplattendächer hätten eine Lebensdauer von mindestens 60 Jahren.
Hätte die Klägerin sich der Maßnahme nicht angeschlossen, so hätten die überlappenden Platten zum Nachbarn hin mit einer Flex zerschnitten werden müssen. Dies hätte die Gefahr der Freisetzung von Asbestfasern bedeutet. Somit habe die Klägerin sich der Maßnahme anschließen müssen, um eine eigene Gesundheitsgefährdung zu vermeiden.
Der Beklagte habe die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung mit der Begründung versagt, die Klägerin habe nicht vor der Durchführung der Maßnahme ein Sachverständigengutachten zur Gesundheitsgefährdung eingeholt. Dies sei der Klägerin jedoch im Hinblick auf den zeitlichen Druck überhaupt nicht möglich gewesen. Der BFH habe mit Urteil vom 09.08.2001 - III R 6/01 auch ein nachträglich eingeholtes Gutachten genügen lassen. Das Finanzgericht Düsseldorf habe in seinem Urteil vom 22.07.1999 - 10 K 3923/96 E entschieden, dass bei freigesetztem Asbest eine konkrete Gesundheitsgefährdung nicht nachgewiesen werden müsse.
Die Gegenrechnung eines Vorteils sei nicht vorzunehmen.
Die Klägerin habe im Jahr 2004 eine Ausbildung zur Mediatorin durchgeführt. Im Jahr 2005 habe sie ihre selbstständige Tätigkeit als Mediatorin aufgenommen, jedoch noch keine Einnahmen erzielt, da sie aus Werbungsgründen zunächst ihre Leistungen kostenlos angeboten habe. Im Jahr 2006 habe sie Einnahmen erzielt und diese in den Folgejahren ausgebaut. Sie beabsichtige nach dem Eintritt in das Rentenalter diese Tätigkeit weiter auszuweiten. Unter dem Gesichtspunkt der vorweg genommenen Betriebsausgaben sei es gleichgültig, ab wann die im Arbeitszimmer ausgeübte Tätigkeit den Mittelpunkt der gesamten Berufstätigkeit darstelle. Deshalb sei der unbeschränkte Abzug der Aufwendungen zu gewähren.
Der Raum stelle auch kein Arbeitszimmer im Sinne der BFH-Rechtsprechung dar, da es sich um einen Raum handele, in dem die Besucher zwecks Durchführung der Mediation empfangen würden. Der Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG sei daher nicht eröffnet.
Die Klägerin beantragt,
den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 vom 16. Februar 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. August 2007 dahin zu ändern, dass weitere Betriebsausgaben für das Arbeitszimmer in Höhe von 4.729 € sowie weitere außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 11.106 € anerkannt werden.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der BFH habe in seinem Urteil vom 09.08.2001 - III R 6/01 nur deshalb ein nachträglich eingeholtes Gutachten genügen lassen, weil er erstmals über die Anforderungen an die Zwangsläufigkeit einer Asbestsanierung entschieden habe. Im Zeitpunkt der Durchführung der Maßnahme durch die Klägerin habe dies nicht mehr gegolten, so dass es bei dem Grundsatz verbleibe, dass die vorherige Einholung eines Gutachtens erforderlich sei.
Zudem stehe der Anerkennung als agB entgegen, dass die Klägerin einen Gegenwert erhalten habe. Er verweist insoweit auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung, wonach bei Eternit-Dächern von einer Lebensdauer von 25 bis 30 Jahren auszugehen sei. Eine Erneuerung habe also in 2006 ohnehin angestanden. Nur die durch die Asbestverseuchung bedingten Mehrkosten seien also außergewöhnlich. Die Kosten der Dachsanierung ohne Entsorgung, Wärmedämmung und Dachfenster w ürden sich auf 5.797,85 € belaufen. Unter entsprechender Anwendung des § 7 EStG bei einer auf 30 Jahre verteilten Nutzungsdauer wären jährlich 193,26 € zu berücksichtigen. Zusammen mit den Entsorgungskosten und den weiteren agB ergebe sich ein Betrag, der die zumutbare Eigenbelastung nicht übersteige. Die Berechnung entspreche der des Urteils des FG Düsseldorf vom 22.07.1999 - 10 K 3923/96 E, die der BFH ausdrücklich gebilligt habe (a.a.O. u. Beschl. v. 08.02.2007 - III B 11/06).
Die Kosten für das Arbeitszimmer seien nicht unbeschränkt abzugsfähig, da dieses in 2005 nicht der Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Klägerin gewesen sei. Bei dem Raum handele es sich ungeachtet des separaten Eingangs für die Kunden um ein unter die Abzugsbeschränkung fallendes häusliches Arbeitszimmer, da es in die häusliche Sphäre der Klägerin einbezogen sei.
Gründe
Die Klage ist teilweise begründet.
Aufwendungen für ein Arbeitszimmer
Nach Auffassung des BFH ist unter einem häuslichen Arbeitszimmer ein Raum zu verstehen, der seiner Lage, Funktion und Ausstattung nach in die häusliche Sphäre des Stpfl. eingebunden ist und vorwiegend der Erledigung gedanklicher, schriftlicher oder verwaltungstechnischer bzw. -organisatorischer Arbeiten dient (BFH Urteile v. 19.9.2002, VI R 70/01, BStBl II 2003, 139 und v. 22.11.2006, X R 1/05, BStBl II 2007, 304). Aufwendungen für andere nicht büromäßig ausgestattet Räume sind ohne Abzugsbeschränkung nach den allgemeinen Grundsätzen zum Betriebsausgabenabzug abziehbar.
Das Zimmer ist ungeachtet des separaten Zugangs in die häusliche Sphäre eingebunden.
Die Klägerin hat den Nachweis nicht erbracht, dass es sich um einen Raum handelt, der den Begriff des Arbeitszimmers nicht erfüllt, d.h. dass in dem Raum keine büromäßigen Tätigkeiten wie z.B. Abrechnungen durchgeführt werden, sondern nur - oder überwiegend - Mediationen stattfinden.
Damit ist die Anwendung der Abzugsbeschränkung des § 4 Abs. 5 Nr. 6b EStG in der für 2005 gültigen Fassung eröffnet.
Da das Arbeitszimmer im Streitjahr nicht den Mittelpunkt der gesamten beruflichen Tätigkeit der Klägerin bildete, ist nur der auf 1.250 € beschränkte Abzug der Aufwendungen möglich.
Nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung ist auf die Verhältnisse des Streitjahres abzustellen. Dass die Klägerin in einigen Jahren im Ruhestand nur noch die Mediation ausüben will und das Arbeitszimmer dann den Mittelpunkt ihrer gesamten beruflichen Tätigkeit bilden wird, ist für das Streitjahr ohne Relevanz.
außergewöhnliche Belastung für Asbestsanierung
Das Gericht geht von der Zwangsläufigkeit der Maßnahme aus.
Dadurch dass die Nachbarn sich für den Austausch entschieden haben, hatte die Klägerin nur die Alternative des Abschneidens der Platten. Hierdurch wären unweigerlich Asbestfasern freigesetzt worden.
Eines Gutachtens über die Schädlichkeit der Freisetzung von Asbestfasern bedarf es nach Auffassung des Gerichtes nicht, da deren Gesundheitsschädlichkeit auf gesicherten Erkenntnissen beruht und allgemein bekannt ist. Da im Streitfall klar ist, dass beim Abschneiden der Platten Asbestfasern freigesetzt worden wären, liegt die Gesundheitsgefährdung auch ohne Gutachten auf der Hand.
An einer Belastung der Klägerin fehlt es jedoch insoweit, als sie für ihre Aufwendungen einen Gegenwert erlangt hat. Die Klägerin hat durch die Maßnahme insoweit einen Gegenwert erlangt, als die Lebensdauer des neuen Daches gegenüber der restlichen Nutzungsdauer des bisherigen Daches verlängert ist. Hierbei unterstellt der Senat typisierend, dass ein Hausdach dieselbe Nutzungsdauer hat wie das gesamte Gebäude. Für Gebäude im Privatvermögen wird gemäß § 7 Abs. 4 Nr. 2 EStG typisierend eine Nutzungsdauer von 50 Jahren angenommen.
Somit ergibt sich folgende Berechnung:
Kosten ohne Entsorgung, Wärmedämmung und Fenster | 5.797,85 € |
1/50 hiervon | 115,96 € |
zu berücksichtigen 21/50 | 2.435,10 € |
zuzüglich Entsorgung | 1.713,00 € |
4.148,10 € | |
Weitere außergewöhnliche Belastungen | 578,79 € |
4.726,89 € | |
Abzüglich zumutbare Eigenbelastung | - 2.920,00 € |
1.806,89 € |
Die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis einer Nutzungsdauer des Wellplattendaches von 60 Jahren hielt der Senat für ungeeignet, schon deshalb weil das von einem Sachverständigen zu begutachtende Dach nicht mehr existent ist. Im Übrigen war die Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgrund der typisierenden Annahme einer Nutzungsdauer entsprechend der des Gebäudes auch nicht erforderlich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 713 Zivilprozessordnung (ZPO).
Die Fassung des Tenors beruht auf § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO.