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25.09.2002 · IWW-Abrufnummer 021303

Bundesgerichtshof: Urteil vom 17.07.2002 – XII ZR 86/01

§ 571 BGB a.F. ist auf einen Vertrag, in dem der Grundstückseigentümer einem Unternehmen das ausschließliche Recht gewährt, auf dem Grundstück eine Breitbandkabelanlage zu errichten, zu unterhalten und mit den Wohnungsmietern Einzelanschlußverträge abzuschließen, nicht - und zwar auch nicht entsprechend - anwendbar.


BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

XII ZR 86/01

Verkündet am:
17. Juli 2002

in dem Rechtsstreit

Der XII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 17. Juli 2002 durch die Vorsitzende Richterin Dr. Hahne und die Richter Weber-Monecke, Prof. Dr. Wagenitz, Fuchs und Dr. Vézina

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 19. Oktober 2000 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Die Klägerin verlangt von den Beklagten Unterlassung der Nutzung einer Satellitenempfangsanlage, hilfsweise deren Entfernung.

Die Beklagten sind Eigentümer von Wohnungen in einer größeren Wohnanlage in M. . Die Klägerin hatte mit der Voreigentümerin der Hausgrundstücke im Juni 1993 einen als "Versorgungsvereinbarung über den Einbau und Betrieb einer Kabelrundfunk-Verteilanlage (Breitbandanlage)" bezeichneten Vertrag abgeschlossen. In diesem Vertrag gewährte die Voreigentümerin der Klägerin das ausschließliche Recht, auf ihren Grundstücken und in den sich darauf befindenden Gebäuden und Wohnungen eine Breitband-Verteilanlage mit Anschlußvorrichtungen einzubauen und zu betreiben, sowie Einzelanschlußverträge mit interessierten Mietern abzuschließen. Sie räumte der Klägerin in ihren allgemeinen Vertragsbedingungen darüber hinaus das Recht ein, vorrangig die Versorgung mit eventuell weiteren Kommunikationsmedien (z.B. Satellitenrundfunk) zu den in dem abgeschlossenen Vertrag vereinbarten Bedingungen zu übernehmen (Ziff. 2 Abs. 2 Satz 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen). Sie verpflichtete sich ferner, der Klägerin während der ortsüblichen Geschäftszeiten Zutritt zu den Räumen, in denen der Übergabepunkt und die Hausverteilanlage installiert wurden, zu gewähren. Für den Fall der Veräußerung des Grundstücks war sie gehalten, den Erwerber zur Einhaltung des Gestattungsvertrages zu verpflichten (Ziff. 2 Abs. 2 Satz 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen). Die Klägerin verpflichtete sich zur Übernahme aller im Zusammenhang mit der Errichtung, Instandhaltung, Änderung und Erweiterung der Anlage anfallenden Arbeiten und Kosten. Sie sollte Eigentümerin der nur zu vorübergehendem Zweck eingebauten Breitband-Hausverteilanlage bleiben und ausschließlich zur Nutzung und freien Disposition über die Anlage befugt sein. Der Vertrag konnte frühestens nach Ablauf von 10 Jahren mit einer Frist von einem Jahr schriftlich gekündigt werden. Die Klägerin war bei Beendigung des Vertrages berechtigt, sämtliche Vorrichtungen der Anlage wegzunehmen und den alten Zustand wiederherzustellen, oder die Anlage stillzulegen.

Die Klägerin ließ die Breitbandkabel-Verteilanlage auf ihre Kosten installieren und schloß mit einigen Mietern Einzelanschlußverträge ab.

Nachdem die Beklagten nach Teilung des Eigentums Wohnungseigentum erworben hatten, stattete die Eigentümergemeinschaft im Jahr 1998 die seit 1981 vorhandene Gemeinschaftsantenne für den Fernseh- und Rundfunkempfang mit einer Satellitenempfangsanlage aus. Ihr Verwalter hatte der Klägerin zuvor mitgeteilt, daß sich die Wohnungseigentümer an den ihnen beim Kauf unbekannten Vertrag mit der Klägerin nicht gebunden sähen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt sie ihr Klagebegehren weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg, da die Rechte und Pflichten aus dem zwischen der Klägerin und der Voreigentümerin geschlossenen Vertrag nicht auf die Beklagten übergegangen sind.

1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung darauf gestützt, daß § 571 BGB a.F., der den Eintritt des Grundstückserwerbers in die sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte und Pflichten des Vermieters anordne, nicht anwendbar sei, weil es sich bei dem streitgegenständlichen Vertrag nicht um einen Miet- oder Pachtvertrag handele. Der Vertrag habe nicht die Überlassung einer bestimmten Fläche in einem Raum oder an einer Wand des Anwesens zum Gegenstand, sondern beziehe sich auf einen beliebigen Platz im Anwesen, der mit der Voreigentümerin bzw. der Hausverwaltung abzusprechen gewesen sei. Es gebe keine Vereinbarung, die der Klägerin die tatsächliche Gewalt über eine Wand- oder Bodenfläche einräume. Vielmehr sei der Zutritt zu den Räumen, in denen die Vorrichtungen installiert gewesen seien, auf die üblichen Geschäftszeiten beschränkt worden. Infolgedessen ähnele der Gegenstand des Vertrages nicht der Überlassung eines Teils von Räumen oder Flächen, sondern der schuldrechtlichen Grundvereinbarung einer Grunddienstbarkeit, die sich darauf beschränke, in dem Anwesen eine Anlage einbauen und halten zu dürfen. Auch fehle es an der für einen Mietvertrag erforderlichen Entgeltlichkeit. Die Vergütung für den Breitbandanschluß sei von dem Mieter zu zahlen; eine von der Klägerin gesehene Wertsteigerung bleibe deshalb in ihren Händen.

2. Dies hält zwar nicht in allen Punkten der Begründung, jedoch im Ergebnis einer rechtlichen Überprüfung stand.

a) Eine vertragliche Übernahme der Verpflichtungen aus dem zwischen der Voreigentümerin und der Klägerin geschlossenen Vertrag durch die Wohnungseigentümer hat unstreitig nicht stattgefunden, da die Voreigentümerin ihrer Verpflichtung aus Ziff. 2 Abs. 2 Satz 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen, bei einer Veräußerung des Anwesens den Erwerber zur Einhaltung des Gestattungsvertrags zu verpflichten, nicht nachgekommen ist.

b) Auch ein gesetzlicher Übergang der Rechte und Pflichten gemäß §§ 571, 580 BGB a.F. (vgl. Senatsurteil vom 3. Mai 2000 - XII ZR 42/98 - NJW 2000, 2346) kommt vorliegend nicht in Betracht.

aa) Allerdings scheitert eine Anwendung des § 571 BGB a.F. nicht bereits daran, daß mangels hinreichender Bestimmbarkeit des Mietgegenstandes kein Mietvertrag vorliegt.

Voraussetzung für einen Mietvertrag ist die Überlassung einer bestimmten Sache zum Gebrauch. Der Mietgegenstand muß im Mietvertrag individuell bestimmt oder zumindest bestimmbar sein. Diese Voraussetzung ist hier entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts erfüllt. Der genaue Ort für die Installation der zum Betrieb einer Breitband-Verteilanlage erforderlichen Vorrichtungen und Leitungen ist entsprechend der vertraglichen Vereinbarung mit der Eigentümerin bzw. Hausverwalterin abgesprochen worden. Damit steht fest, welche Grundstücks- und Gebäudeteile der Klägerin zum Gebrauch überlassen und von ihr benutzt werden dürfen.

bb) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts liegt auch die für die Annahme eines Mietvertrags notwendige Gebrauchsüberlassung vor. Die Frage, was der Vermieter im Einzelfall tun muß, um seiner Pflicht zur Gebrauchsüberlassung i.S. des § 535 BGB a.F. zu genügen, richtet sich nach der Art und dem Umfang des Gebrauchs, der dem Mieter nach dem Vertrag gestattet ist. Nur wenn hiernach der Gebrauch der Mietsache notwendig deren Besitz voraussetzt, gehört zur Gebrauchsgewährung auch die Verschaffung des Besitzes. Ist dagegen der vertragsgemäße Gebrauch nur ein beschränkter, richtet er sich z.B. nur auf eine gelegentliche, dem jeweiligen Bedarf angepaßte Nutzung, so daß eine ständige Besitzüberlassung zur Gebrauchsgewährung nicht erforderlich ist, entfällt damit noch nicht das für die Miete erforderliche Element der Gebrauchsgewährung (BGH, Urteil vom 1. Februar 1989 - VIII ZR 126/88 - NJW-RR 1989, 589 m.w.N., Wolf/Eckert/Ball, Handbuch des gewerblichen Miet-, Pacht- und Leasingrechts, 8. Aufl. Rdn. 175). Insofern reicht es aus, daß die Voreigentümerin der Klägerin die nötige Fläche für die Verteilerkästen und die Leitungen zur Verfügung stellte und ihr für die laufende Wartung und Instandhaltung den Zutritt zu den ortsüblichen Geschäftszeiten gewährte. Die Einräumung weitergehender Besitzrechte war - auch nach dem übereinstimmenden Parteiwillen - nicht erforderlich.

cc) Zweifeln begegnet schließlich auch die Auffassung des Berufungsgerichts, daß es am erforderlichen Merkmal der Entgeltlichkeit fehle. Denn als Gegenleistung des Mieters für die Gebrauchsüberlassung kommen nicht nur Geld-, sondern auch beliebige sonstige Leistungen oder anderweitige Gebrauchsgewährungen in Betracht (st. Rspr. vgl. BGH, Urteil vom 20. Mai 1994 - V ZR 292/92 - NJW-RR 1994, 971; Staudinger/Emmerich 13. Bearb. 1995 § 535 BGB Rdn. 160 jew. m.N.). Als eine solche geldwerte Gegenleistung könnte hier der Einbau der Breitbandanlage angesehen werden. Sie sollte zwar laut Vertrag im Eigentum der Klägerin verbleiben, ihr Einbau bot aber dem Vermieter die Möglichkeit, die Wohnungen als mit dem aktuellen technischen Stand von Rundfunk- und Fernsehempfangsanlagen ausgestattet anzubieten. Ob es für die Frage der Entgeltlichkeit darüber hinaus erforderlich ist, daß sich der Mietwert der Wohnungen gegenüber dem früheren Zustand in meßbarer Weise erhöht hat, was die Beklagten bestreiten, ist fraglich, kann aber hier dahinstehen. Denn das Berufungsgericht hat nicht den gesamten Inhalt des Versorgungsvertrages beachtet und ihn daher rechtlich nur unzureichend gewürdigt. Bei einer solchen Gesamtbetrachtung scheidet eine Anwendung des § 571 BGB a.F. bereits aus anderen Gründen, als vom Berufungsgericht angenommen, aus.

c) Für den von § 571 BGB a.F. angeordneten Eintritt des Erwerbers eines vermieteten Grundstücks in die sich aus dem Mietvertrag ergebenden Rechte und Pflichten ist nur dann Raum, wenn der Schwerpunkt des Vertragsverhältnisses in den mietrechtlichen Beziehungen liegt (Staudinger/Emmerich aaO § 571 BGB Rdn. 18, 20). Daran fehlt es hier. Die Klägerin und die Grundstückseigentümerin haben einen gemischten Vertrag geschlossen, der zwar mietvertragliche Elemente (s. oben) enthält, dessen Schwergewicht jedoch darin liegt, daß die Grundstückseigentümerin der Kabelbetreiberin neben dem Recht zum Einbau der Breitbandkabelanlage das ausschließliche Recht einräumt, auf ihrem Grundstück die Anlage zu betreiben, mit den an einer Kabelversorgung interessierten Mietern Einzelanschlußverträge abzuschließen und hieraus Gewinne zu erzielen. Die Klägerin sollte ferner berechtigt sein, vorrangig auch die Versorgung mit weiteren Kommunikationsdiensten (z.B. Satellitenrundfunk) zu übernehmen. Um ihr die daraus erzielbaren Verdienstmöglichkeiten auch im Falle einer Veräußerung des Grundstücks zu erhalten, hatte die Voreigentümerin die Verpflichtung übernommen, den späteren Grundstückserwerber zur Einhaltung des "Gestattungsvertrages" zu verpflichten (Ziff. 2 Abs. 2 Satz 2 der Allgemeinen Vertragsbedingungen). Die Hauptpflicht der Grundstückseigentümerin bestand daher in der Gestattung der ausschließlichen Versorgung der Mieter mit den Kommunikationsdiensten der Klägerin. Die Grundstückseigentümerin hatte daran ihrerseits ein Interesse, da damit nicht nur eine für die gesamte Wohnanlage umfassende und einheitliche Versorgung mit den Kommunikationsmitteln eines einzigen Anbieters geschaffen wurde, was für sich allein schon als vorteilhaft angesehen werden kann, sondern auch gewährleistet war, daß die Anlage ständig durch einen Verantwortlichen instand gehalten, im Bedarfsfall repariert und den neueren technischen Entwicklungen angepaßt wird (s. Ziff. 1 Abs. 1 und 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen).

Demgegenüber sind die mietvertraglichen Elemente, die im wesentlichen in der Zurverfügungstellung der für die Anlage erforderlichen Fläche und der Gestattung von Wartung und Instandhaltung liegen, nur von untergeordneter Bedeutung. Damit ähnelt das Vertragsverhältnis jenen Verträgen, in denen der Schwerpunkt in der Gestattung des Betriebs eines Gewerbes in den Räumen eines anderen besteht (vgl. Staudinger/Emmerich aaO Rdn. 18), also etwa den Automatenaufstellverträgen, für die der VIII. Zivilsenat (BGHZ 47, 202, 203 ff) ausgeführt hat, daß das entscheidende und den Vertragstyp charakterisierende Merkmal nicht die Zurverfügungstellung der vom Automaten beanspruchten Fläche ist, sondern deren Wesensinhalt die Eingliederung des Automaten in den gewerblichen Betrieb des anderen Vertragspartners ist. Er hat daher die Anwendung mietrechtlicher Vorschriften (hier § 566 BGB a.F.) auf ein solches Vertragswerk verneint. In ähnlicher Weise hat auch der Senat bei einem Vertrag, der es einem Unternehmen gestattete, auf dem Übungsgelände eines Golfclubs Entfernungstafeln aufzustellen und diese mit Werbung zu versehen, die Hauptpflicht des Golfgeländeinhabers nicht in der Gebrauchsüberlassung des Platzes für die Tafeln, sondern in der Einräumung eines Exklusivrechts auf Werbung gesehen und den Vertrag deshalb der Rechtspacht gleichgestellt. Da die mietrechtlichen Elemente des Vertrages gegenüber dem Werberecht zurücktraten, hat er demgemäß die Anwendung der in Frage stehenden mietrechtlichen Vorschriften des § 549 BGB a.F. verneint (Senatsurteil vom 21. Januar 1994 - XII ZR 93/92 - NJW-RR 1994, 558). Entsprechende Grundsätze müssen auch hier gelten, so daß eine Anwendung des § 571 BGB a.F. - auch im Wege einer Analogie - ausscheidet.

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB § 571 a.F. Nachschlagewerk: ja BGHZ: nein BGHR: nein Verfahrensgang: OLG München LG München I

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