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25.06.2010 · IWW-Abrufnummer 101947

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 17.03.2010 – 1 K 2406/07

Wenn auch die nationalen steuerrechtlichen Vorschriften betreffend die deutsche körperschaftsteuerliche Organschaft nach den §§ 14 ff KStG an den gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten und der EuGH-Rechtsprechung wie z.B. der Entscheidung in der Rs. Marks & Spencer vom 13.12.2005, C-446/03 zu messen sind, führt dies nicht dazu, dass im Zuge einer normerhaltenden Reduktion der Vorschriften auf nahezu sämtliche dort geforderten Voraussetzungen zu verzichten wäre. Insbesondere an dem keinen spezifischen Inlandsbezug aufweisenden Merkmal der Verpflichtung zur Verlustübernahme durch die Muttergesellschaft ist festzuhalten.


Finanzgericht Rheinland-Pfalz v. 17.03.2010

1 K 2406/07

Tatbestand
Streitig ist die Berücksichtigung von Verlusten einer EU-ausländischen Tochtergesellschaft im Inland.

Die Klägerin ist die in Deutschland ansässige Muttergesellschaft des X-Konzerns. Unternehmensgegenstand ist die Herstellung, der Vertrieb und Handel von Maschinen, Anlagen und anderen industriellen Erzeugnissen, insbesondere Pumpen, Armaturen und Kompressoren.

Die Klägerin war an verschiedenen Tochterunternehmen im In- und Ausland beteiligt, so seit dem 30.11.1987 auch zu 100% an der hier streitgegenständlichen Y mit Sitz in F, Dänemark. Diese Tochtergesellschaft verkaufte von der X-Gruppe hergestellte Pumpen und Armaturen und erbrachte im Zusammenhang damit stehende Serviceleistungen auf dem sich als schwierig erweisenden dänischen Markt. Nachdem der handelsrechtliche Verlustvortrag der Y zum 31.12.1998 ca. 2,5 Mio. Dänische Kronen (DKK) betragen hatte (Bl. 59 Prozessakten - PA), konnten nicht zuletzt infolge kostenreduzierender Maßnahmen in den Jahren 1999 bis 2001 Gewinne zwischen 62.075 und 134.293 DKK erzielt werden. Für das Streitjahr 2002 entstand nach dem vorliegenden Jahresabschluss sodann ein weiterer Verlust iHv 702.253 DKK bzw. bei Berücksichtigung der Veränderung der Rückstellung für latente Steuern ein solcher iHv 403.253 DKK (Bl. 92 PA). Nachdem die Y in den Folgejahren weiterhin erhebliche Verluste erlitten hatte, wurde beschlossen, deren Geschäftstätigkeit zum Ende des Jahres 2004 zu beenden und die Gesellschaft aufzulösen. Die Geschäfte des Konzerns wurden ab dem 01.01.2005 von einem unabhängigen Vertriebspartner (G & S) weitergeführt. Zum Ende der Liquidation zum 30.11.2005 wies die Y einen Verlustvortrag iHv 4.999.680 DKK aus (Jahresabschluss zum 30.11.2005, Bl. 151 PA), das handelsbilanzielle Eigenkapital war zu diesem Zeitpunkt von ehemals 5 Mio. DKK auf nur noch 320 DKK gesunken (Jahresabschluss zum 30.11.2005, Bl. 153 PA). Nach Abschluss der Liquidation Mitte 2006 (Löschungsvermerk des dänischen Gesellschaftsregisters vom 21.06.2006, Bl. 183 PA) war die Y erloschen, ein sich ergebender handelsrechtlicher Liquidationserlös iHv 10.553 DKK, bei dem es sich um die steuerfreie Rückzahlung von Einlagen der Klägerin handelte, wurde ihr gutgeschrieben.

Angesichts der Einstellung des aktiven Geschäftsbetriebs der Y zum 31.12.2004 nahm die Klägerin in ihrem Jahresabschluss 2004 eine Teilwertabschreibung auf den Beteiligungsbuchwert der Y bis auf 1 Euro vor. Weil sie diese Abschreibung unter Anwendung von § 8b Abs. 3 KStG für steuerliche Zwecke außerbilanziell korrigierte, ergaben sich hieraus keine körperschaftsteuerlichen Auswirkungen (Anlagen zur Körperschaftsteuererklärung 2004, Bl. 173, 175 PA).

Mit Schreiben vom 07.03.2006 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten unter Hinweis auf u.a. die Entscheidung des EuGH in der Rs. Marks & Spencer (C-466/03) den Abzug der jeweils im Einzelnen bezifferten operativen Verluste der Y aus den Geschäftsjahren 2002 bis 2005 bei der Ermittlung ihres zu versteuernden Einkommens der jeweiligen Veranlagungszeiträume.

Dem folgte der Beklagte im Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr 2002 vom 17. September 2007 nicht. Nach der dem Bescheid beigefügten Anlage (Bl. 203 PA) sei eine einkommensmindernde Verlustberücksichtigung nicht möglich, weil das deutsche Steuerrecht eine rechtsträgerübergreifende Verlustberücksichtigung nur national in den Fällen der Organschaft zulasse. Eine solche könne nach derzeitiger Gesetzeslage nur mit einer Organgesellschaft wirksam begründet werden, die sowohl Sitz als auch Geschäftsleitung im Inland habe; daran fehle es bei der Y. Außerdem erforderten die deutschen Organschaftsregelungen zwingend den Abschluss und die Durchführung eines Ergebnisabführungsvertrags, der aber zwischen der Klägerin und der Y nicht vorliege. Es sei auch nicht analog verfahren worden, da der erwirtschaftete Verlust von der Klägerin tatsächlich nicht übernommen bzw. finanziell ausgeglichen worden sei.

Die Entscheidung des EuGH in der Rs. Marks & Spencer entfalte mangels gesetzgeberischer Umsetzung in nationales Recht oder einer Anordnung zu dessen allgemeiner Anwendung durch Verwaltungsanweisung keine unmittelbar über den entschiedenen Einzelfall hinausgehende Rechtswirkung. Im Übrigen sei der Urteilsfall mit deutschem Steuerrecht auch deswegen nicht vergleichbar, weil das dort maßgebliche britische Steuerrecht eine Verlustberücksichtigung auch ohne besonderen Ergebnisabführungsvertrag vorsehe, soweit die beteiligten Unternehmen demselben Konzern angehörten.

Der hiergegen erhobenen Sprungklage hat der Beklagte zugestimmt.

Die Klägerin trägt vor, dass im Streitfall zwar nicht alle Voraussetzungen einer Organschaft nach dem Wortlaut der §§ 14 ff KStG erfüllt seien. Die Y, bei der es sich nicht um eine Betriebsstätte, sondern eine Tochtergesellschaft als eigenständige Rechtspersönlichkeit handele, habe weder Sitz noch Geschäftsleitung im Inland, auch liege zwischen ihr und der Klägerin ein Gewinnabführungsvertrag nicht vor. Dennoch verstoße die Versagung der Berücksichtigung des negativen Einkommens der Y auf Ebene der Klägerin gegen höherrangiges Gemeinschaftsrecht. Der Verlust sei daher auf Basis einer übertragenen Anwendung der deutschen Regelungen zur Organschaft abziehbar.

Nach der Rechtsprechung des EuGH umfasse die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) das Recht zur Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie zur Errichtung von Unternehmen und zur Ausübung der Unternehmertätigkeit nach den im Niederlassungsstaat für dessen eigene Angehörige geltenden Bestimmungen. Nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaates gegründete Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder -niederlassung innerhalb der Gemeinschaft hätten, hätten nach Art. 48 EG-Vertrag das Recht, ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben. Auch wenn sie nach ihrem Wortlaut die Inländerbehandlung im Aufnahmestaat sicherten, verböten es die Art. 43 ff EG-Vertrag ebenfalls, dass der Herkunftsstaat die Niederlassung seiner Staatsangehörigen oder einer nach seinem Recht gegründeten Gesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat behindere.

Die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43, 48 EG-Vertrag als Teil des primären Gemeinschaftsrechts gehe als supranationales Recht dem nationalen Recht vor. Dieser Anwendungsvorrang bedeute im Hinblick auf eine begünstigende Regelung, wie die der Organschaft, dass diese im Rahmen einer geltungserhaltenden Reduktion so anzuwenden sei, dass sie auch auf innergemeinschaftliche grenzüberschreitende Sachverhalte Anwendung finde, sofern die „neutralen” Tatbestandsmerkmale im Übrigen erfüllt seien. Nach dem Verständnis des EuGH verlange der Grundsatz der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung, dass die nationalen Gerichte unter Berücksichtigung des gesamten nationalen Rechts und unter Anwendung ihrer Auslegungsmethoden alles täten, was in ihrer Zuständigkeit liege, um die volle Wirksamkeit des Gemeinschaftsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem vom Gemeinschaftsrecht verfolgten Ziel übereinstimme. Es sei zum Zwecke einer weitestgehenden Kollisionsfreiheit zwischen Gemeinschafts- und nationalem Recht geradezu geboten, nationales Recht im Rahmen der Einheit der Rechtsordnung nach Möglichkeit normerhaltend auszulegen und einzuschränken.

Wenn auch das Urteil des EuGH in der Rs. Marks & Spencer, wie der Beklagte ausführe, keine unmittelbare Rechtswirkung auf den Streitfall habe, seien jedoch dessen Grundsätze übertragbar, da die tragenden Erwägungen des EuGH in beiden Sachverhaltskonstellationen weitgehend gleich lägen.

Auch nach der Mitteilung der Europäischen Kommission vom 19.12.2006 zur „Steuerlichen Behandlung von Verlusten bei grenzüberschreitenden Sachverhalten”, KOM (2006) 824 seien die Grundsätze dieser Entscheidung auf sämtliche Verlustverrechnungssysteme der Mitgliedstaaten übertragbar und diese dementsprechend zur Berücksichtigung ausländischer Verluste verpflichtet, wenn diese im anderen Mitgliedstaat endgültig nicht mehr geltend gemacht werden könnten. Diese Auffassung habe die Kommission im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens gegen Deutschland nach Art. 226 EG-Vertrag wegen Verstoßes des § 2a EStG gegen die Niederlassungs- und die Kapitalverkehrsfreiheit nochmals bestätigt (Pressemitteilung vom 18.10.2007, IP/07/1547).

Im Rahmen einer danach vorzunehmenden geltungserhaltenden Reduktion der §§ 14 ff. KStG seien die Tatbestandsmerkmale, die einen Inlandsbezug voraussetzten, außer Acht zu lassen. Dies seien hier die Voraussetzungen, dass die Organgesellschaft Geschäftsleitung und Sitz im Inland habe und dass ein Gewinnabführungsvertrag zwischen dieser und dem Organträger abgeschlossen worden sei. Da die „neutralen” Tatbestandsmerkmale - finanzielle Eingliederung der Y, Geschäftsleitung und Sitz der Klägerin als AG in Deutschland als nicht steuerbefreite Körperschaft, wirtschaftliche Verlusttragung der Verluste der dänischen Tochter - erfüllt seien, seien die §§ 14 ff. KStG entsprechend anwendbar. Zwar stelle die Organschaftsregelung wegen des durch den Ausgleich von Verlusten der einen Gesellschaft durch Verrechnung mit Gewinnen der anderen Gesellschaft für den Konzern entstehenden Liquiditätsvorteils grundsätzlich eine Steuervergünstigung für die betroffenen Gesellschaften dar. Weil sie aber auf inländische Konzerne beschränkt sei und daher die genannte Vergünstigung Muttergesellschaften mit in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaften verwehrt werde, sei die Regelung geeignet, die Muttergesellschaft von der Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten. Der Beklagte gehe in diesem Zusammenhang von einem unzutreffenden Vergleichspaar aus. Denn es komme nicht auf einen inländischen Organträger mit jeweils einer inländischen Tochtergesellschaft, davon eine mit einer inländischen und eine mit einer ausländischen Betriebsstätte an, maßgeblich sei vielmehr eine inländische Mutter- mit inländischer Tochtergesellschaft gegenüber einer inländischen Mutter- mit ausländischer Tochtergesellschaft; dies gelte entsprechend für Betriebsstätten. Im Ergebnis liege daher eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit vor.

Eine beeinträchtigende nationale Regelung könne, wenn sie verhältnismäßig sei, dennoch durch zwingende Gründe des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein. Verhältnismäßig sei eine Maßnahme, wenn sie ein legitimes Ziel verfolge, das mit dem EG-Vertrag vereinbar und zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sei und nicht über das erforderliche Maß hinausgehe. Insoweit habe auch der BFH unter Bezugnahme auf die Ausführungen des EuGH in der Rs. Marks & Spencer auf die grundsätzliche Ausgewogenheit einer übereinstimmenden Behandlung von Gewinnen und Verlusten im Ansässigkeitsstaat hingewiesen. Von dieser Symmetriethese für die Behandlung freigestellter Gewinne und Verluste sei aber für den Fall, dass der Verlust im Quellenstaat unter keinen Umständen steuerlich verwertbar sei, also letztlich bei Aufgabe des Quellenstaatengagements, eine Ausnahme zu machen.

So verhalte es sich im Streitfall. Die Verluste hätten in Dänemark weder in der Vergangenheit noch aufgrund der Liquidation der Y künftig geltend gemacht werden können. Ein steuerlicher Ausgleich mit eventuellen positiven steuerlichen Einkünften aus Vorjahren habe in Dänemark nicht erfolgen können, weil das dänische Steuerrecht nur die Möglichkeit eines Verlustvortrages vorsehe. Ebenso wenig sei in Dänemark die Übertragung der Verluste auf andere Konzerngesellschaften möglich gewesen. Mit der Auflösung der Y seien daher deren bis dahin aufgelaufene steuerliche Verlustvorträge nach dänischem Steuerrecht erloschen.

Die handelsrechtlich bei der Y ausgewiesenen Verluste in den Jahren ab 2002 bis zur Abwicklung seien von der Klägerin als der Muttergesellschaft im Sinne einer tatsächlichen wirtschaftlichen Belastung getragen worden, indem die ursprüngliche Investition in die Y durch die Verluste aufgebraucht worden sei. Denn das von der Klägerin eingezahlte handelsbilanzielle Eigenkapital sei von ehemals 5 Mio. DKK auf nur noch 320 DKK zum 30.11.2005 gesunken. Der Verlust im Veranlagungszeitraum 2002 sei als Jahresfehlbetrag im Eigenkapital des Jahresabschlusses 2002 der KSB A/S enthalten. Mit der endgültigen Abschreibung der Beteiligung auf den Erinnerungswert nach Aufgabe der aktiven Geschäftstätigkeit zum 31.12.2004 sei dieser von der Klägerin wirtschaftlich getragene Verlust auch final geworden. Es mache im Hinblick auf eine tatsächliche wirtschaftliche Belastung der Muttergesellschaft keinen Unterschied, ob durch bereits versteuertes Kapital die Anlauftätigkeit der Tochtergesellschaft vorfinanziert oder bei niedriger Stammeinlage zur Deckung laufender Verluste Kapital nachgeschossen werde. Überdies bestehe mangels einer Möglichkeit der Begründung einer steuerlichen Organschaft gerade die Notwendigkeit der Einzahlung eines hohen Eigenkapitals weit über der nach dänischem Gesellschaftsrecht geforderten Mindeststammeinlage zur Deckung der Anfangsverluste. Die Berücksichtigung finaler Verluste der Tochtergesellschaft entspreche als ultima ratio dem Ziel einer leistungsfähigkeitskonformen Besteuerung der Muttergesellschaft.

Im Streitfall könne angesichts dessen auch die erforderliche tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags als erfolgt angesehen werden. Denn die Klägerin habe die Verluste der Y tatsächlich wirtschaftlich getragen. Insofern sei ein Gewinnabführungsvertrag, wenn auch nicht abgeschlossen, so aber doch faktisch durchgeführt worden. Dabei komme es nicht darauf an, dass die Muttergesellschaft sich im Voraus zur rechtlichen Verlustübernahme verpflichtet habe. Eine solche Anforderung würde die Klägerin letztlich in derselben Weise gegenüber inländischen Muttergesellschaften mit inländischen Tochtergesellschaften diskriminieren wie das Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags.

Im Übrigen sei der Abschluss eines Gewinnabführungsvertrags regelmäßig grenzüberschreitend nicht möglich. Dass ein Tatbestandsmerkmal im Rahmen der Organschaftsregelung vorausgesetzt werde, das grenzüberschreitend gar nicht möglich sei, stelle für den Fall der Berücksichtigung von Definitivverlusten bei der Muttergesellschaft einen weiteren gemeinschaftsrechtlich unzulässigen Aspekt dar. Eine derartige Berücksichtigung dürfe nicht vom Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags abhängig gemacht werden. Schließe das nationale Steuerrecht grenzüberschreitende Sachverhalte unstreitig von der Option für eine bestimmte vorteilhafte Besteuerung aus, könne dem Steuerpflichtigen nicht vorgeworfen werden, er habe seine Absicht, für diese Besteuerung zu optieren, nicht zu erkennen gegeben. Der Klägerin könne also nicht vorgehalten werden, dass sie das nationale Recht beachtet und entsprechend Steuern entrichtet habe ohne zu versuchen, unter Berufung auf den Vorrang und die unmittelbare Wirkung des Gemeinschaftsrechts eine Besteuerung nach den Organschaftsvorschriften zu erwirken und ohne von den ihr zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch gemacht zu haben, um gegen die unweigerliche Ablehnung der Steuerbehörden vorzugehen. Aus dem Umstand, dass die Klägerin mit mehreren ihrer inländischen Tochtergesellschaften einen Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen habe, werde deutlich, dass sie einen solchen voraussichtlich auch mit der Y abgeschlossen haben würde, wenn sie dadurch die Organschaftsregelung in Anspruch hätte nehmen können.

Für eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit greife auch keiner der weiteren anerkannten Rechtfertigungsgründe ein.

So könnten, anders als bei dem der Entscheidung Marks & Spencer zugrundeliegenden Sachverhalt des britischen „group relief” oder dem finnischen Konzernbeitragssystem in der Entscheidung in der Rs. Oy AA, im Rahmen einer Organschaft die Verluste nicht von einer Konzerngesellschaft auf irgendeine andere Konzerngesellschaft übertragen werden, sondern nur auf den Organträger. Ein allgemeines „loss trafficking” sei nicht möglich. Die Beschränkung sei daher nicht mit dem Hinweis auf die Steuerflucht oder eine willkürliche Zuweisung von Gewinnen bzw. Verlusten zu rechtfertigen.

Aufgrund der Liquidation der Y bestehe auch nicht die Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung im Ansässigkeitsstaat. Insofern unterscheide sich der Streitfall von dem eine ausländische Betriebsstätte betreffenden in der Rs. Lidl Belgium.

Sonstige zur Rechtfertigung der Beeinträchtigung führende zwingende Gründe des Allgemeininteresses seien nicht ersichtlich. Der Verlust von Steuersubstrat stelle keinen solchen zwingenden Grund dar. Ein vom Beklagten befürchteter schädlicher Steuerwettbewerb sei letztlich unmittelbare Folge der unvollständigen Harmonisierung der direkten Steuern in der Europäischen Union. Soweit der Beklagte die Möglichkeit einer bewusst herbeigeführten Liquidation anspreche, sei dies ein bloß abstrakter Hinweis. Im Streitfall sei die Liquidation der Y nachweislich aus betriebswirtschaftlichen Gründen erfolgt. Im Übrigen könne einer solchen Gefahr mit den Mitteln des § 42 AO begegnet werden.

Dem begehrten Verlustabzug stehe auch § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG nicht entgegen. Danach seien Teilwertabschreibungen auf die Kapitalbeteiligung des Organträgers an der Organgesellschaft für steuerliche Zwecke zwar grundsätzlich nicht anzuerkennen, denn im Falle laufender Verluste hätten diese wegen der Übernahme durch den Organträger bei der Organgesellschaft nicht zu einer Substanzminderung geführt. Die Berücksichtigung laufender Verluste aus der Beteiligung an einer Organgesellschaft werde jedoch nicht ausgeschlossen. Der Verlust der Organgesellschaft Y sei daher getrennt von den innerhalb der Bilanz des Organträgers vorzunehmenden Teilwertabschreibungen zu berücksichtigen.

Nachdem die Verluste der Y mit ihrer Auflösung endgültig geworden seien, habe die Klägerin Anspruch auf deren Verrechnung, die zur Gewährleistung des Gleichlaufs mit inländischen Vergleichssachverhalten, nämlich der Ergebnisabführung der Organgesellschaft an den Organträger, phasengleich, d.h. im Jahr ihrer Entstehung im Ausland, zu erfolgen habe. Die Verluste seien in dem Jahr zu berücksichtigen, in dem der Verlust im Ausland nicht mehr abziehbar sei, aber für das Jahr, in dem er entstanden sei. Dabei bestehe die Gefahr einer zeitlich willkürlichen Verlustnutzung nicht. Denn im Streitfall handele es sich nicht um die Ausdehnung einer im Ausland zeitlich begrenzten Verrechnungsmöglichkeit durch eine Verlustverrechnung in Deutschland. Vielmehr sei in Dänemark ungeachtet der dortigen gesetzlichen Verrechnungsmöglichkeiten eine Verrechnung der Verluste angesichts der Liquidation der Y nicht mehr möglich.

Die Klägerin beantragt,

den Körperschaftsteuerbescheid für 2002 vom 17. September 2007 dahingehend zu ändern, dass der Verlust der Tochtergesellschaft Y des Geschäftsjahres 2002 in Höhe von 93.403 Euro berücksichtigt wird,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen,

hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Berücksichtigung der Verluste der dänischen Tochtergesellschaft, weil die Voraussetzungen der körperschaftsteuerlichen Organschaft iSd § 14 KStG nicht erfüllt seien.

Nach einem DBA wie dem mit Dänemark von der inländischen Besteuerung freigestellte Ergebnisse ausländischer Betriebsstätten einer Organgesellschaft könnten nicht im Rahmen der Organschaft in dem maßgeblichen Einkommen bei dem Organträger berücksichtigt werden. Die Nichtberücksichtigung ausländischer Betriebsstätteneinkünfte gelte für inländische Tochtergesellschaften als Organgesellschaft und müsse erst recht gelten, wenn man wie die Klägerin unterstelle, die ausländische Tochtergesellschaft als Organgesellschaft anerkenne.

Mangels einer diskriminierenden Beschränkung liege im Streitfall ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nicht vor. Eine Beschränkung ergebe sich jedenfalls nicht deswegen, weil die Klägerin bezogen auf ihre dänische Tochtergesellschaft gegenüber einer Konstellation mit inländischer Tochtergesellschaft benachteiligt werde. Denn das zutreffende Vergleichspaar zur Ermittlung einer Diskriminierungssituation sei einerseits eine inländische Muttergesellschaft mit einer dänischen Tochtergesellschaft (wie im Streitfall) und andererseits eine inländische Muttergesellschaft mit einer inländischen Tochtergesellschaft. In beiden Fällen müssten die Verluste in einer dänischen Betriebsstätte anfallen. Weil in dem dem Organträger zuzurechnenden steuerlichen Einkommen der Organgesellschaft die nach DBA freigestellten Ergebnisse ausländischer Betriebsstätten nicht enthalten seien, würden auch bei einer inländischen Organgesellschaft ausländische Betriebsstättenergebnisse nicht bei dem Organträger berücksichtigt. Selbst die von der Klägerin erstrebte Behandlung ihrer dänischen Tochtergesellschaft als Organgesellschaft führe daher nicht zu einer Verlustberücksichtigung. Würden die Verluste der dänischen Tochtergesellschaft aus ihrer dänischen Betriebsstätte bei der deutschen Muttergesellschaft berücksichtigt, führte dies zu einer Besserstellung gegenüber einer deutschen Organgesellschaft mit in einer dänischen Betriebsstätte erzielten Verlusten, weil deren Berücksichtigung ausgeschlossen sei. Eine Berücksichtigung der Ergebnisse der Organgesellschaft bei der Muttergesellschaft wäre letztlich nur dann möglich, wenn Deutschland insoweit das Besteuerungsrecht zustehe. Die deutschen Regelungen berücksichtigten die internationale Aufteilung der Besteuerungsrechte durch DBA.

Auch nach der Entscheidung des EuGH in der Rs. Lidl Belgium (C-414/06) sei der Ausschluss der Verrechnung von Verlusten ausländischer Betriebsstätten nach den einschlägigen DBA mit den Grundfreiheiten vereinbar. Es könne danach zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich sein, für Gewinne und Verluste nur das Steuerrecht des Ansässigkeitsstaates anzuwenden. Der EuGH folge damit der Linie, die Auswirkungen der unterschiedlichen Steuersysteme der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten Steuern in ein ausgewogenes Verhältnis zu bringen und die Aufteilung der Steuerhoheiten zwischen den Mitgliedstaaten in DBA zu respektieren. Damit seien im Grundsatz ausländische Betriebsstätteverluste vom inländischen Abzug ausgeschlossen.

Nach den Ausführungen des EuGH zum britischen Gruppenbesteuerungssystem in der Rs. Marks & Spencer seien Verluste ausländischer Gesellschaften ausnahmsweise dann in Großbritannien zu berücksichtigen, wenn keine Möglichkeit zu deren Verrechnung im ausländischen Staat in künftigen Jahren bestehe (sog. endgültige Verluste). Diese Ausführungen seien in der Rs. Lidl Belgium bei Betriebsstättenverlusten nicht ausdrücklich für anwendbar erklärt worden. Daher seien aus Sicht des Beklagten auch sog. endgültige ausländische Betriebsstättenverluste im Inland nicht zu berücksichtigen.

Zudem sei fraglich, wann Betriebsstättenverluste endgültig seien. Eine Verlustberücksichtigung in Deutschland könne nicht davon abhängen, welche Restriktionen im Ausland bei der Verlustberücksichtigung bestünden. Sei der Verlustvortrag im Staat der ausländischen Betriebsstätte beispielsweise zeitlich begrenzt, könne es nicht sein, dass deswegen die Verlustberücksichtigung im Ansässigkeitsstaat des Stammhauses erfolge. Dies wäre willkürlich. Überdies könnten Mitgliedstaaten versuchen, ihr eigenes Steuerrecht auf Kosten anderer Mitgliedstaaten restriktiv auszugestalten und damit einen für den europäischen Binnenmarkt schädlichen Wettbewerb („race to the bottom”) fördern.

Außerdem bestehe die Gefahr einer willkürlichen Zuordnung ausländischer Verluste zwischen den Mitgliedstaaten und auch die einer mehrfachen Verlustnutzung. Diese Gefahr trete sowohl bei der Verlustverrechnung in Gruppenbesteuerungssystemen als auch bei Betriebsstättenverlusten auf. Im Streitfall stelle sich die Frage, wo der Verlust der dänischen Betriebsstätte/Tochtergesellschaft zu berücksichtigen sei, wenn in einem weiteren Mitgliedstaat eine weitere Betriebsstätte/Tochtergesellschaft bestehe, die einen Gewinn erziele. Es gebe keinen überzeugenden Grund, warum eine Verrechnung von Gewinnen und Verlusten nur beim Stammhaus und nicht auch zwischen Betriebsstätten/Tochtergesellschaften in verschiedenen Staaten stattfinden solle. Daher müsse vorrangig ein Verlustausgleich bei anderen ausländischen Gewinn-Betriebsstätten/-Tochtergesellschaften erfolgen, erst ein danach verbleibender Verlust könne ggfls. als „endgültiger” betrachtet werden. Es bestehe theoretisch auch die Gefahr einer bewussten Herbeiführung einer Liquidation im Ausland, um etwaige Verluste im Inland zu nutzen. Zu einem späteren Zeitpunkt könnte dann im Ausland wieder eine Gesellschaft gegründet werden, die die Geschäfte fortführe.

Auch wenn man zu dem Ergebnis gelange, dass die Verluste im Grundsatz im Inland zu berücksichtigen seien, fehle es an der organschaftlichen Voraussetzung eines Gewinnabführungsvertrags. Nur bei dessen Vorliegen könne eine Ergebniszurechnung beim Organträger erfolgen. Selbst wenn ein grenzüberschreitender Gewinnabführungsvertrag nach dänischem Gesellschaftsrecht nicht möglich sein sollte, könne auf ihn als Voraussetzung für eine Ergebnisverrechnung nicht verzichtet werden. Eine Diskriminierung liege darin nicht, weil ein Konzernsachverhalt mit Gewinnabführungsvertrag nicht vergleichbar sei mit einem Konzernsachverhalt ohne Gewinnabführungsvertrag. Einem Gewinnabführungsvertrag komme bei der Ergebnisverrechnung deswegen eine besondere Bedeutung zu, weil im deutschen Steuerrecht im Grundsatz das einzelne Steuersubjekt besteuert werde. Nur ausnahmsweise lasse ein Gewinnabführungsvertrag eine Einkommenszurechnung bei einem anderen Steuersubjekt zu. Der Gewinnabführungsvertrag garantiere die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, weil eine Ergebniszurechnung beim Organträger nur dann erfolge, wenn tatsächlich der Gewinn abgeführt oder der Verlust der Organgesellschaft getragen werde. Zudem bestehe eine mehrjährige vertragliche Bindung. Daher sei in der Ergebniszurechnung bei der Organschaft auch keine Steuervergünstigung zu sehen. Eine Ergebnisverrechnung ohne diese vertragliche Bindung und tatsächliche Durchführung verstoße gegen die Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Ohne die Frage zu beantworten, ob ein von der Klägerin behaupteter faktischer Gewinnabführungsvertrag für eine grenzüberschreitende Ergebniszurechnung genüge, reiche im Streitfall der verwirklichte Sachverhalt jedenfalls nicht aus, um eine Ergebniszurechnung zu rechtfertigen. Es habe keinerlei vertragliche Bindung für die Mutter- oder die Tochtergesellschaft bestanden, den Verlust zu tragen oder einen Gewinn abzuführen. Tatsächlich sei dies auch so gar nicht durchgeführt worden. Die Verluste seien vielmehr von der Tochtergesellschaft aus ihrem Eigenkapital selbst getragen worden. Eine Verlustübernahme im Sinne eines Ergebnisabführungsvertrags liege somit nicht vor.

Zudem könnten Verluste als „ultima ratio” erst in dem Jahr angesetzt werden, das auf das Jahr folge, in dem diese endgültig geworden seien. Eine „phasengleiche” Berücksichtigung bereits im Streitjahr 2002 sei daher abzulehnen, weil die Liquidation erst im Jahr 2006 erfolgt sei.



Gründe
A.

Die ohne Vorverfahren erhobene Klage ist als Sprungklage iSd § 45 Abs. 1 FGO zulässig, nachdem der Beklagte dieser Verfahrensweise innerhalb eines Monats nach Klagezustellung zugestimmt hat.

B.

Die Klage ist jedoch im Ergebnis unbegründet.

Der angefochtene Körperschaftsteuerbescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin den Verlust ihrer dänischen Tochtergesellschaft zu berücksichtigen.

II.

Die Klägerin kann das von ihr erstrebte Ergebnis der Verrechnung der Verluste der ausländischen Tochtergesellschaft auch nicht auf Basis gemeinschaftsrechtlicher Regelungen über eine an den Grundsätzen der Entscheidung des EuGH in der Rs. Marks & Spencer vom 13. Dezember 2005, C-446/03, Slg 2005, I-10837 orientierten Auslegung der o.g. Vorschriften erreichen. Der Senat folgt insoweit der Auffassung der Klägerin, die im Ergebnis eine Übertragung der vom EuGH in dieser Entscheidung entwickelten Grundsätze auf den Streitfall mit der Folge der Berücksichtigung der Verluste der KSB/AS bei der Einkommensermittlung der Klägerin für möglich hält, nicht. Unabhängig davon, dass der Streitfall sich an entscheidungserheblichen Stellen von den der Rs. Marks & Spencer zugrundeliegenden Voraussetzungen unterscheidet, lässt sich das klägerische Begehren auch nicht aus einer Zusammenschau dieser Entscheidung mit anderen im Zusammenhang mit der Verlustberücksichtigung „über die Grenze” im weiteren Sinne ergangenen Entscheidungen des EuGH ableiten. Der Senat ist insofern der Auffassung, dass sich das hier gefundene Ergebnis mit den Kernaussagen der Rechtsprechung des EuGH zu dem streitgegenständlichen Themenbereich in Übereinstimmung befindet.

Gegenstand des dem Vorabentscheidungsersuchen in der Rs. Marks & Spencer zugrundeliegenden Rechtsstreites war das Begehren der Marks & Spencer plc, Verluste ihrer in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Tochtergesellschaften vom Gewinn im Vereinigten Königreich abziehen zu können. Nach dem diesem Begehren zugrunde liegenden „group relief” nach britischem Recht konnten allerdings lediglich innerstaatliche Verluste mittels des sog. Konzernabzugs auf eine andere Gesellschaft des gleichen Konzerns gewinnmindernd übertragen werden.

Nach der Entscheidung des EuGH war diese - als Steuervergünstigung angesehene - Regelung geeignet, die Muttergesellschaft in der Ausübung ihrer nach Art. 43 und 48 EG-Vertrag garantierten Niederlassungsfreiheit deswegen zu behindern, weil angesichts des Ausschlusses der Berücksichtigung von Verlusten einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaft die Muttergesellschaft von der Gründung von Tochtergesellschaften in anderen Mitgliedstaaten abgehalten werden könne.

Im Rahmen der mehrstufigen Prüfung eines beachtlichen Verstoßes gegen das Gemeinschaftsrecht sah der EuGH diese beschränkende nationale Regelung allerdings als gerechtfertigt an. Zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten könne es erforderlich sein, auf die wirtschaftliche Tätigkeit der in einem dieser Staaten niedergelassenen Gesellschaften sowohl auf Gewinne als auch auf Verluste nur dessen Steuerrecht anzuwenden. Dieser Aspekt und die Verhinderung einer doppelten Verlustberücksichtigung sowie - als dritter Rechtfertigungsgrund - eine drohende Steuerfluchtgefahr führten dazu, dass Regelungen eines Mitgliedstaats, die es einer Muttergesellschaft allgemein verwehrten, Verluste ihrer EU-ausländischen Tochtergesellschaften im Inland von ihrem Gewinn abzuziehen, den Abzug der Verluste der inländischen Tochtergesellschaften aber zulassen, im Grundsatz nicht gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßen.

Gleichwohl erkannte der EuGH vor dem Hintergrund des Verhältnismäßigkeitsprinzips im Rahmen einer Prüfung der Erforderlichkeit der beschränkenden Maßnahme ausnahmsweise einen Verstoß gegen die Art. 43 und 48 EG-Vertrag für den von der Muttergesellschaft nachzuweisenden Fall, dass die gebietsfremde Tochtergesellschaft die in ihrem Sitzstaat für den von dem Abzugsantrag erfassten Steuerzeitraum sowie frühere Steuerzeiträume vorgesehenen Möglichkeiten zur Berücksichtigung von Verlusten, gegebenenfalls durch Übertragung dieser Verluste auf einen Dritten oder ihrer Verrechnung mit Gewinnen, die die Tochtergesellschaft in früheren Zeiträumen erwirtschaftet habe, ausgeschöpft habe und keine Möglichkeit bestehe, die Verluste der ausländischen Tochtergesellschaft in ihrem Sitzstaat für künftige Zeiträume von ihr selbst oder von einem Dritten, insbesondere im Fall der Übertragung der Tochtergesellschaft auf ihn, zu berücksichtigen.

In der Entscheidung in der Rs. Oy AA vom 18.07.2007, C-231/05, Slg 2007, I-06373 hat der EuGH zur Vereinbarkeit der dort streitgegenständlichen finnischen Regelung mit Art. 43 EG-Vertrag Stellung genommen, nach der Voraussetzung für die gewinnwirksame Abzugsfähigkeit des sog. Konzernbeitrags, der dem Ausgleich der von der Muttergesellschaft im Vereinigten Königreich erlittenen Verluste durch Zahlungen ihrer in Finnland ansässigen Tochtergesellschaft dienen sollte, u.a. war, dass sowohl der Zahlende dieses Beitrags (Tochtergesellschaft) als auch dessen Empfänger (Muttergesellschaft) im Sitzstaat der Tochtergesellschaft ansässig sind.

Hier hielt der EuGH wegen der unterschiedlichen Behandlung je nach dem Ort des Sitzes der jeweiligen Muttergesellschaft eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zwar für gegeben, die allerdings angesichts des Eingreifens von nunmehr für ausreichend gehaltenen zwei Rechtfertigungsgründen, nämlich der Notwendigkeit der Wahrung der ausgewogenen Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten verknüpft mit der Verhinderung einer Steuerumgehung, für statthaft erachtet wurde.

Angesichts der diesen Rechtfertigungsgründen zukommenden Wertigkeit und des Gesichtspunktes, dass die ansonsten mögliche Wahl des Mitgliedstaats der Besteuerung letztlich Sache der Unternehmensgruppe wäre, erschien die streitgegenständliche Regelung aber nicht als über das zur Erreichung aller verfolgten Ziele Erforderliche hinausgehend, sie wurde im Ergebnis als verhältnismäßig angesehen. Dem EuGH kam es, insoweit restriktiver als in der Rs. Marks & Spencer, ersichtlich darauf an, einer Unternehmensgruppe in diesem Zusammenhang nicht einen derart weiten Handlungsspielraum zur Verfügung zu stellen. Die Entscheidung Oy AA erscheint wegen der mit der deutschen Organschaft vergleichbaren Merkmale als auf diese, jedenfalls im Grundsatz, übertragbar (so auch Kussmaul/Niehren, IStR 2008, 81).

Mit der Vorabentscheidung in der Rs. X Holding BV vom 25.02.2010, C-337/08, DStR 2010, 427 hat der EuGH in nationalen Regelungen einen gemeinschaftsrechtlich relevanten Verstoß für den Fall nicht erkannt, dass diese es einer Muttergesellschaft zwar ermöglichten, mit ihrer gebietsansässigen Tochtergesellschaft eine „steuerliche Einheit” zu bilden, während dies mit einer gebietsfremden Tochtergesellschaft nicht zulässig war, weil deren Gewinn nicht den steuerlichen Vorschriften dieses Mitgliedstaats unterlag. Der Entscheidung lag der Antrag einer in den Niederlanden ansässigen Muttergesellschaft zugrunde, mit ihrer in Belgien ansässigen Tochtergesellschaft als „steuerliche Einheit” iSd niederländischen Körperschaftsteuerrechtes anerkannt zu werden mit der Folge, dass die Steuer so zu erheben ist, als handele es sich um einen Steuerpflichtigen in dem Sinne, dass die Tätigkeiten und das Vermögen der Tochtergesellschaft Teil der Tätigkeiten und des Vermögens der Muttergesellschaft sind und die Steuer (nur) bei der Muttergesellschaft erhoben wird. Angesichts dessen, dass es durch diese Regelung möglich war, Gewinne und Verluste der in die steuerliche Einheit einbezogenen Gesellschaften auf der Ebene der Muttergesellschaft zu konsolidieren (Randnr. 18), handelt es sich auch hier aus Sicht des Senats um eine den steuerlichen Konsequenzen der deutschen körperschaftsteuerlichen Organschaft im Ergebnis vergleichbare Konstellation.

Weil eine Muttergesellschaft wegen dieser verwehrten Möglichkeit davon abgehalten werden könne, in anderen Mitgliedstaaten Tochtergesellschaften zu gründen, sah der EuGH auch hier die Niederlassungsfreiheit als im Grundsatz tangiert, hielt die - positiv festgestellte - Ungleichbehandlung aber im Ergebnis unter Hinweis auf seine Ausführungen in der Rs. Marks & Spencer zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten für gerechtfertigt. Auch hier räumte der EuGH, wie in der Entscheidung Oy AA, der Muttergesellschaft eine freie Wahlmöglichkeit, welches Steuersystem auf die Verluste der Tochtergesellschaft anwendbar ist und wo die Verluste berücksichtigt werden, nicht ein und hielt die streitgegenständliche Regelung nicht zuletzt deshalb für verhältnismäßig, weil sich Betriebsstätten in einem anderen Mitgliedstaat einerseits und gebietsfremde Tochtergesellschaften andererseits im Hinblick auf die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis nicht in einer vergleichbaren Situation befänden und deshalb Tochtergesellschaften im Hinblick auf die bei solchen Betriebsstätten bestehenden Verlustübertragungsmöglichkeiten nicht gleichzustellen seien.

Den in der Rs. Marks & Spencer entwickelten Gedanken, eine Verrechnung von Verlusten dann - nach dem Verständnis des Senats aber auch nur dann - im Sinne einer „ultima ratio” zuzulassen, soweit es sich um definitive Verluste einer Tochtergesellschaft handelt, hat der EuGH im Grundsatz auch in der Entscheidung in der Rs. Lidl Belgium vom 15.05.2008, C-414/06, Slg 2008, I-03601 aufgegriffen, in der die Berücksichtigung von Verlusten aus einer Betriebsstätte in einem Mitgliedstaat, die zu einer Gesellschaft gehörte, die ihren satzungsmäßigen Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hatte, streitig gewesen ist.

Ein Verstoß gegen Art. 43 EG-Vertrag durch die Versagung der Berücksichtigung der Verluste der Betriebsstätte bei dem Stammhaus ist nach dieser Entscheidung nicht anzunehmen, sofern nach einem Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung die Einkünfte der Betriebsstätte in deren Belegenheitsstaat besteuert werden, in dem diese Verluste bei der Besteuerung der Betriebsstätteneinkünfte für künftige Steuerzeiträume berücksichtigt werden können. In diesem Sinne waren die dortigen Verluste der Betriebsstätte insofern nicht definitiv, als das Steuerrecht des Belegenheitsstaates der Betriebsstätte die Möglichkeit der Berücksichtigung von Verlusten in künftigen Zeiträumen vorgesehen hat und eine solche tatsächlich auch erfolgt war.

Eine Gesamtschau dieser Entscheidungen führt den Senat zu der Erkenntnis, dass nach Sicht des EuGH der Möglichkeit einer „Verlustberücksichtigung über die Grenze”, unabhängig von deren individueller und vielfältig denkbarer Ausgestaltung im einzelnen Fall, keine sich aus gemeinschaftsrechtlichen Gesichtspunkten ergebende überragende Bedeutung zukommt. Es lässt sich keineswegs ein gemeinschaftsrechtlich begründetes, quasi übergeordnetes allgemeines Gebot zur Ermöglichung EU-grenzüberschreitender Verlustverrechnungen feststellen (so i.E. auch Scheunemann, IStR 2006, 145 im Fazit seiner Analyse der Entscheidung Marks & Spencer). Vielmehr ergeben sich diese nur ausnahmsweise und auf der Basis konkreter Einzelfallgestaltungen. Insoweit beschränkende nationale Regelungen werden im Wesentlichen als gerechtfertigt angesehen und erfahren ihrerseits eine Einschränkung allenfalls auf der Ebene der Verhältnismäßigkeitsprüfung.

Nach den so verstandenen Grundsätzen des EuGH zum Wirkungsspektrum der Niederlassungsfreiheit kommt der Senat daher für den Streitfall zu der Einschätzung, dass eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit zunächst zwar grundsätzlich denkbar ist (a.), es indes im Weiteren an einer gemeinschaftsrechtsrelevanten Ungleichbehandlung fehlt (b.). Unabhängig davon würde einer Beschränkung ein gewichtiger Rechtfertigungsgrund gegenüberstehen (c.). Ganz wesentlich ist, dass selbst im Falle eines Rechtfertigungsmangels ein solcher in einer Zusammenschau mit weiteren Überlegungen nicht zu einer normerhaltenden Reduktion der streitgegenständlichen Vorschriften in dem von der Klägerin begehrten weitgehenden Umfang führt (d.). Schließlich erscheint auch eine phasengleiche Verlustberücksichtigung im Streitjahr nicht zwingend (e.).

a. Die Niederlassungsfreiheit sichert, soweit für den Streitfall relevant, Gesellschaften mit Sitz, Hauptverwaltung oder Hauptniederlassung innerhalb der Gemeinschaft (Art. 48 Abs. 2 iVm Art. 43 EG-Vertrag) die wirtschaftliche Mobilität innerhalb der Gemeinschaft und beinhaltet auch das Recht zur sekundären Niederlassung durch Gründung von Agenturen, Zweigniederlassungen, Tochtergesellschaften und auch Betriebsstätten in einem anderen Mitgliedstaat. Von der Schutzwirkung wird der in das EU-Inland strebende Ausländer ebenso erfasst wie der in das EU-Ausland strebende Inländer.

Die gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten schützen dabei vor allen Maßnahmen, die geeignet sind, grenzüberschreitendes Wirtschaften unmittelbar, mittelbar oder potentiell zu behindern (vgl. schon EuGH-Urteil in der Rs. Dassonville vom 11.07.1974, 8/74, Slg 1974, 837). So sind nationale Rechtsvorschriften bereits dann als eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit anzusehen, wenn sie geeignet sind, deren Ausübung in einem Mitgliedstaat durch in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaften zu beschränken. Dabei bedarf es eines Nachweises einer tatsächlich beschränkenden Wirkung dieser Vorschriften dafür, dass diese Gesellschaften zum Verzicht auf den Erwerb, die Gründung oder die Aufrechterhaltung einer Tochtergesellschaft in dem anderen Mitgliedstaat bewegt worden sind, nicht (EuGH-Urteil in der Rs. Oy AA, a.a.O., Randnr. 42 m.w.N.).

Nach dem so verstandenen Begriff einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit besteht im Hinblick auf die streitgegenständlichen Regelungen die Möglichkeit, dass eine Muttergesellschaft von der Gründung einer Tochtergesellschaft in einem anderen Mitgliedstaat Abstand nimmt. Denn die durch die deutschen körperschaftsteuerlichen Regelungen der §§ 14 ff KStG einer gebietsansässigen Muttergesellschaft und ihren inländischen Tochtergesellschaften eröffneten Möglichkeiten, insbesondere die Zusammenführung von Gewinnen und Verlusten auf der Ebene der Muttergesellschaft, stehen bei gebietsfremden Tochtergesellschaften mangels Erfüllung der einzelnen Voraussetzungen so nicht zur Verfügung.

b. Eine solche ungleiche Behandlung ist im Sinne der gemeinschaftsrechtlich orientierten Rechtsprechung (EuGH-Urteil in der Rs. X Holding BV, a.a.O., Randnr. 20) nur dann mit den Bestimmungen des EG-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit vereinbar, wenn sie Situationen betrifft, die nicht objektiv miteinander vergleichbar sind oder wenn sie durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist (siehe unten c.).

Wie der EuGH in der Rs. X Holding BV ausgeführt hat, ist die Vergleichbarkeit von Sachverhalten mit Gemeinschaftsbezug einerseits und einem rein innerstaatlichen Sachverhalt andererseits unter Berücksichtigung des mit den jeweiligen nationalen Regelungen verfolgten Ziels zu prüfen. Insofern könnte - vordergründig - eine objektive Vergleichbarkeit der Situation einer inländischen Muttergesellschaft mit einer inländischen Tochtergesellschaft und der Situation einer inländischen Muttergesellschaft mit einer gebietsfremden Tochtergesellschaft deswegen angenommen werden, weil sowohl die eine als auch die andere Muttergesellschaft danach streben, die Vorteile der streitgegenständlichen Regelungen, insbesondere die Einbeziehung der Verluste der Tochtergesellschaft auf der Ebene der Muttergesellschaft, in Anspruch nehmen zu können (Randnr. 22, 24).

Indes erscheint dem Senat dieser Vergleichsmaßstab angesichts der tatbestandlichen Voraussetzungen des Streitfalls zu eng gezogen.

Der vorliegende Sachverhalt ist nämlich dadurch gekennzeichnet, dass es zur Erfüllung der Anforderungen der hier maßgeblichen deutschen Vorschriften zur Erreichung des gewünschten Zieles der Verlustverrechnung auf Ebene der Muttergesellschaft bei der Tochtergesellschaft nicht nur des Tatbestandsmerkmals des Sitzes und der Geschäftsleitung im Inland bedarf, sondern darüber hinaus ein essentielles weiteres Merkmal zu erfüllen ist, nämlich das Bestehen eines Gewinnabführungsvertrags zwischen der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft. Insofern liegt der Streitfall anders als die vom EuGH entschiedenen Rechtssachen X Holding BV und auch Oy AA. In letzterer Rs. hat der EuGH in diesem Zusammenhang ausgeführt, dass ein Beitrag der Tochtergesellschaft an ihre Muttergesellschaft in demselben Ansässigkeitsstaat, die auch die übrigen im nationalen Recht festgelegten Voraussetzungen erfüllt, als abzugsfähiger Konzernbeitrag angesehen werde, während ein Beitrag einer Tochtergesellschaft an eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft nicht als solcher angesehen und auch nicht von den Einkünften der Tochtergesellschaft abgezogen werden könne. Damit kommt es für die Frage der Abzugsfähigkeit des Konzernbeitrags - allein - auf den Sitz der beteiligten Gesellschaften, dort der Muttergesellschaft, an (Randnr. 31,32). Der EuGH führt sodann weiter aus, dass allein die Tatsache, dass im Ansässigkeitsstaat der Tochtergesellschaft die in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Muttergesellschaft nicht besteuert werde, die Tochtergesellschaften solcher Muttergesellschaften nicht von den Tochtergesellschaften mit im gleichen Mitgliedstaat ansässigen Muttergesellschaften unterscheide und die Vergleichbarkeit der Situationen, in denen sich die beiden Tochtergesellschaften befänden, nicht ausschließe (Randnr. 38).

So verhält es sich, wie ausgeführt, im Streitfall aber nicht. Angesichts des erwähnten zum Kriterium des Sitzes (und der Geschäftsleitung) der jeweiligen Steuerpflichtigen hinzutretenden weiteren objektiven Merkmals, nämlich eines Gewinnabführungsvertrags (zu den Auswirkungen einer ggfls. anzunehmenden normerhaltenden Reduktion auf dieses Merkmal s.u. unter d.), wird das hier relevante Vergleichspaar gebildet durch einerseits eine inländische Muttergesellschaft mit inländischer Tochtergesellschaft ohne Gewinnabführungsvertrag und andererseits eine inländische Muttergesellschaft mit ausländischer Tochtergesellschaft ebenfalls ohne Gewinnabführungsvertrag. Nachdem auch in der zuerst genannten - rein inländischen - Fallgruppe eine Verrechnung der Verluste der Tochtergesellschaft auf Ebene der Muttergesellschaft nach den streitgegenständlichen Vorschriften nicht möglich ist, kommt es demnach in beiden Konstellationen gleichermaßen nicht zu dem von der Klägerin gewünschten Ergebnis. Dies ist bedingt durch die für alle Beteiligten geltenden Anforderungen der nationalen organschaftsrechtlichen Vorschriften, die sich insofern von den in den angesprochenen EuGH-Entscheidungen erforderlichen unterscheiden. Die jeweilige Muttergesellschaft befindet sich unabhängig davon, ob die Tochtergesellschaft eine gebietsansässige ist oder nicht, in derselben Situation. Folglich handelt es sich im Ergebnis nicht um eine gemeinschaftsrechtlich relevante Ungleichbehandlung objektiv miteinander vergleichbarer Situationen, sondern gerade um deren Gleichbehandlung. Im Rahmen der Prüfung, ob eine die Niederlassungsfreiheit unzulässig diskriminierende Ungleichbehandlung anzunehmen ist, hat der EuGH in seiner Entscheidung in der Rs. Burda vom 26.06.2008, C-284/06, Slg 2008, I-4571 formuliert, dass eine solche darin bestehen könne, dass auf unterschiedliche Situationen die gleiche Vorschrift angewendet wird (Randnr. 82). Dementsprechend ist eine Diskriminierung auch dann anzunehmen, wenn auf gleiche Sachverhalte unterschiedliche Vorschriften angewandt werden. Daran fehlt es im Streitfall.

In diesem Sinne hat der EuGH in der Entscheidung X Holding BV, wenn auch im Rahmen der Erörterung der Verhältnismäßigkeit und somit an anderer Stelle in der Prüfungsabfolge, allgemein darauf hingewiesen, dass es dem Herkunftsstaat nach wie vor frei steht, Bedingungen und Höhe der Besteuerung verschiedener Niederlassungsformen von im Ausland tätigen inländischen Gesellschaften festzulegen, soweit er ihnen eine Behandlung gewährt, die gegenüber vergleichbaren inländischen Niederlassungen nicht diskriminierend ist (Randnr. 40 mit Verweis auf das Urteil in der Rs. Columbus Container Service vom 06.12.2007, C-298/05, Slg. 2007, I-10451, dort insb. Randnr. 53). Diesem Gedanken folgend sieht der Senat daher eine diskriminierende ungleiche Behandlung im Falle ausländischer Tochtergesellschaften angesichts der ergebnisgleichen Behandlung bei einer inländischen Tochtergesellschaft, die ebenso wenig über einen Gewinnabführungsvertrag mit der Muttergesellschaft verbunden ist wie die ausländische, nicht.

c. Soweit entgegen den obigen Ausführungen gleichwohl eine gemeinschaftsrechtsrelevante Ungleichbehandlung anzunehmen wäre, hält der Senat eine demnach grundsätzlich verbotene Beschränkung der Niederlassungsfreiheit im Streitfall jedenfalls durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses für gerechtfertigt.

Während sich noch nach der Entscheidung des EuGH in der Rs. Marks & Spencer eine Rechtfertigung nur aus dem Zusammenspiel der drei Gesichtspunkte

Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse,

Verhinderung der Gefahr einer doppelten Verlustberücksichtigung und

Verhinderung der Gefahr einer Steuerflucht

(sog. Rechtfertigungstrias) ergeben konnte (Randnr. 51; so auch in der Rs. Rewe Zentralfinanz eG vom 29.03.2007, C-347/04, Slg. 2007, I-02647), hat es der EuGH in der Rs. Oy AA, C-231/05, für eine Rechtfertigung genügen lassen, wenn der Gesichtspunkt der Notwendigkeit der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten zusammen mit dem der Verhinderung einer Steuerumgehung erfüllt ist (Randnr. 60). In diesem Sinne, dass nämlich eine nationale steuerrechtliche Regelung auch durch - lediglich - zwei der o.g. drei Rechtfertigungsgründe gerechtfertigt sein kann, wurde auch in der Rs. Lidl Belgium, C-414/06, dahingehend entschieden, dass die Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten zusammen mit der Verhinderung einer doppelten Verlustberücksichtigung als ausreichend anzusehen ist (Randnr. 40 ff). In der in diesem Zusammenhang, soweit ersichtlich, aktuellsten Entscheidung X Holding BV vom 25.02.2010 hat es der EuGH genügen lassen, dass die Voraussetzungen eines einzelnen Rechtfertigungsgrundes erfüllt sind (Randnr. 28-33; so auch schon in der Entscheidung in der Rs. N vom 07.09.2006, C-470/04, Slg. 2006, I-07409, Randnr. 42). Er ist insoweit inhaltlich letztlich den Ausführungen in den Schlussanträgen der Generalanwältin Kokott vom 19.11.2009 in dieser Rs. (Randnr. 70), Juris, und auch in der Rs. SGI vom 10.09.2009, C-311/08, Randnr. 60, Juris, gefolgt (auch wenn in der dem folgenden Entscheidung des EuGH vom 21.01.2010 in der Rs. SGI in Randnr. 69 ein zweites Merkmal, nämlich die Verhinderung einer Steuerumgehung, jedenfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung mit aufgenommen wurde). Wenn auch der Rechtfertigungsgrund der Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten eine gewisse Nähe zu dem vom EuGH nicht als zur Rechtfertigung geeigneten Hinweis auf drohende Verluste des Steueraufkommens eines Mitgliedstaats aufweist, misst der EuGH diesem Gesichtspunkt - durchgängig - offensichtlich eine große Bedeutung als Rechtfertigungsgrund zu (vgl. zur Entwicklung der Rechtfertigungsgründe auch Kessler/Eicke, IStR 2008, 581; Pache/Englert, IStR 2007, 844).

Es kann danach zur Wahrung der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten erforderlich sein, auf die wirtschaftliche Tätigkeit der in einem dieser Staaten niedergelassenen Gesellschaften sowohl in Bezug auf Gewinne als auch auf Verluste nur dessen Steuerrecht anzuwenden (Rs. X Holding BV, Randnr. 28). Nach diesem Symmetrieprinzip dürfen Gesellschaften nicht nach Belieben darüber entscheiden, ob Verluste im Mitgliedstaat ihrer Niederlassung oder in einem anderen Mitgliedstaat berücksichtigt werden. Dies würde die Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnisse zwischen den Mitgliedstaaten erheblich gefährden, indem nämlich die Besteuerungsgrundlagen in dem einen Mitgliedstaat um übertragene Verluste erweitert und im anderen Mitgliedstaat entsprechend verringert würde. So verhielte es sich auch im Streitfall, wenn dem klägerischen Begehren folgend eine Verlustverrechnung ohne Berücksichtigung der organschaftlichen Merkmale zugelassen würde. Denn eine solche Verrechnung würde dann, abgesehen von den entsprechenden Beteiligungsverhältnissen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaft und dem letztlich aber nur zeitlich orientierten Merkmal der „Finalität” der Verluste, ohne die Erfüllung weiterer Voraussetzungen möglich sein. Der Streitfall ist in dieser Folgebetrachtung daher im Wesentlichen dem der Entscheidung X Holding BV zugrunde liegenden Fall vergleichbar.

Der Senat hält insoweit auch an der Betrachtung fest, dass es sich bei Gewinnen und Verlusten steuerrechtlich um die „zwei Seiten derselben Medaille” handelt, die zur Beibehaltung der Ausgewogenheit spiegelbildlich zu behandeln sind. Denn das Ziel, die Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen betroffenen Mitgliedstaaten zu wahren, das sich beispielsweise in Bestimmungen eines Doppelbesteuerungsabkommens widerspiegelt, ist geeignet, Steuerregelungen zu rechtfertigen, die die Symmetrie zwischen dem Recht zur Besteuerung der Gewinne und der Möglichkeit, Verluste in Abzug zu bringen, wahren (Rs. Lidl Belgium, Randnr. 33).

d. Sofern entgegen der oben dargelegten Ansicht ein Rechtfertigungsgrund nicht eingreift, stellt sich die Frage der hieraus abzuleitenden Konsequenzen. Der Senat vermag insoweit der Auffassung der Klägerin, nach der im Zuge einer normerhaltenden Reduktion der streitgegenständlichen Vorschriften der §§ 14 ff KStG weder an dem sog. doppelten Inlandsbezug noch an dem Erfordernis eines Gewinnabführungsvertrags festzuhalten sei, die dort angeordneten Rechtsfolgen aber weiter anzuwenden seien (so auch Homburg, IStR 2009, 350), im Ergebnis nur insoweit zu folgen, als das Merkmal Sitz und Geschäftsleitung im Inland nicht beachtet werden darf.

Ein Verstoß deutscher steuerrechtlicher Vorschriften gegen gemeinschaftsrechtliche Regelungen hat zur Folge, dass diese Vorschriften in geltungserhaltender Weise reduziert werden. Denn aufgrund des Anwendungsvorrangs gemeinschaftsrechtlichen Primärrechts und damit der gemeinschaftsrechtlichen Grundfreiheiten ist nach der Rechtsprechung des BFH der jeweilige Tatbestand der entsprechenden deutschen Vorschrift in gemeinschaftsrechtlich konformer und normerhaltender Weise zu reduzieren, die einschlägige Regelung aber als solche weiter anzuwenden (vgl. BFH-Urteile vom 10. Januar 2007, I R 87/03, BStBl 2008 II S. 22HFR 2007, 668; vom 24. April 2007, I R 39/04, BStBl 2008 II S. 95HFR 2007, 1205; jeweils m.w.N.). Dabei sind die gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse in die betroffenen Normen hineinzulesen ( BFH-Urteil vom 25. August 2009, I R 88,89/07, BFH/NV 2009, 2047, HFR 2010, 6).

aa. Nach diesen Grundsätzen kann zwischen unterschiedlichen in einer nationalen gesetzlichen Regelung enthaltenen Einzelmerkmalen dergestalt zu differenzieren sein, dass einzelne dieser Merkmale vollständig zu verwerfen sind, andere wiederum lediglich im gemeinschaftsrechtlichen Licht und weitere Merkmale unverändert zur Anwendung kommen können. Für den Streitfall kommt der Senat insoweit zu dem Ergebnis, dass die nach § 14 KStG Abs. 1 für die Organgesellschaft vorgesehene Anknüpfung an deren Sitz und Geschäftsleitung im Inland eine zu weit gehende Verengung mit sich bringt. Denn damit werden ausländische Gesellschaften mit Sitz und Geschäftsleitung im Gemeinschaftsgebiet wegen der ausschließlichen Anknüpfung an den inländischen Sitz und Geschäftsleitung einer Gesellschaft von einer Verlustverrechnungsmöglichkeit von vornherein vollständig - ohne eine gestalterische Ausweichmöglichkeit - ausgeschlossen (so i.E. auch Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 11. Februar 2010, 6 K 406/08, Juris, m.w.N.; Pache/Englert, a.a.O.). Auch nach der EuGH-Rechtsprechung kann der Sitz eines Steuerpflichtigen ein zwar grundsätzlich beachtliches Kriterium sein; allerdings führte die alleinige Anknüpfung hieran letztlich dazu, dass die Grundfreiheit des Art. 43 EG-Vertrag ihres Sinnes entleert würde (vgl. etwa Rs. Marks & Spencer, a.a.O., Randnr. 37).

bb. Anders verhält es sich indes mit dem Merkmal des Gewinnabführungsvertrags.

Die Klägerin verweist diesbezüglich darauf, dass ein solcher Gewinnabführungsvertrag grenzüberschreitend gesellschaftsrechtlich nicht möglich sei, weil das dänische Recht einen solchen Vertrag nicht kenne. Der Beklagte hat dem nicht widersprochen. Auch wenn man dem folgend davon ausgeht, dass der Abschluss eines (formalen) Gewinnabführungsvertrags „über die Grenze” gesellschaftsrechtlich nicht möglich ist (vgl. unter Verweis auf die kollisionsrechtliche Problematik Herzig/Wagner, DStR 2006, 1), schließt dies aber zum einen nicht aus, dass die beteiligten Gesellschaften untereinander auf einfacher schuldrechtlicher Basis eine entsprechende verpflichtende Vereinbarung abschließen können. Zudem erscheint es dem Senat geboten, im Hinblick auf die Wirksamkeit eines solchen Vertrags weniger auf die Betrachtung aus der Sicht des Ansässigkeitsstaates der ausländischen Tochtergesellschaft, also hier der dänischen, abzustellen, sondern vielmehr auf die Betrachtung aus Sicht des Staates, in dem die aus einem solchen Vertrag resultierenden (steuerlichen) Folgen realisiert werden sollen. Aus der in diesem Sinne maßgeblichen - isolierten - deutschen Sicht spricht gegen den Abschluss eines solchen Vertrages jedoch wenig.

Dass das deutsche Recht - an der Mindestvoraussetzung festhaltend - hinsichtlich der formellen Ausgestaltung eines Gewinnabführungsvertrags eine gewisse Flexibilität kennt, zeigt die Regelung des § 18 KStG, nach der es, auch wenn damit eine Organschaft über die Grenze nicht eröffnet wird (vgl. Gosch KStG § 18 Rz. 1,39 ff), ausreicht, wenn im Verhältnis einer inländischen Organgesellschaft zu einem ausländischen Unternehmen als Organträger der Gewinnabführungsvertrag auf dessen Seite unter der Firma einer inländischen Zweigniederlassung des ausländischen Unternehmens abgeschlossen wird.

Dem lässt sich auch nicht im Zuge einer kritischen Betrachtung der deutschen Organschaft als solcher entgegenhalten, dass Deutschland der letzte Mitgliedstaat der EU sei, der einen solchen Gewinnabführungsvertrag zur Voraussetzung konzerninterner Verlustverrechnung mache, während die steuerrechtlichen Regelungen anderer Mitgliedstaaten ohne einen solchen Vertrag auskämen (vgl. Homburg, a.a.O.). Denn bei diesem Gesichtspunkt handelt es sich um einen solchen, der als steuerpolitischer Aspekt ggfls. Eingang in Überlegungen für den Bereich eines EU-weiten harmonisierten Steuersystems finden kann (vgl. zu einem Rahmenkonzept für einen grenzüberschreitenden Verlustausgleich beispielsweise die Mitteilung der EU-Kommission vom 19.12.2006, KOM (2006) 824 endg.). Für die vorliegend zu beantwortende Frage, ob die Voraussetzung eines Gewinnabführungsvertrags im Wege einer gebotenen normerhaltenden Reduktion vollständig zu eliminieren ist, kann es darauf aber nicht ankommen. Dafür ist allein maßgeblich, ob innerstaatliche Sachverhalte unter Einbeziehung dieses Merkmals anders behandelt würden als solche mit Bezug über eine EU-Grenze. So verhält es sich jedoch, wie gezeigt, aber nicht.

Nur ergänzend wirft der Senat die Frage auf, welche Bedeutung dem Umstand, dass das dänische Recht einen Gewinnabführungsvertrag nicht kennt, vor dem Hintergrund der EuGH-Rechtsprechung zukäme. In der, originär freilich einen anderen Problemkreis betreffenden, Entscheidung Krankenheim Ruhesitz am Wannsee vom 23.10.2008, C-157/07, IStR 2008, 769, HFR 2009, 83 hat der EuGH ausgeführt, dass ein Staat für die Zwecke seines eigenen Steuerrechts nicht verpflichtet sein kann, eventuell ungünstige Auswirkungen der Besonderheiten einer Regelung eines anderen Staates zu berücksichtigen. Insbesondere ist dieser Staat nicht dazu verpflichtet, seine Steuervorschriften auf diejenigen eines anderen Mitgliedstaats abzustimmen, um in allen Situationen eine jede Ungleichheit beseitigende Besteuerung zu gewährleisten (Randnr. 49, 50). Unabhängig davon, ob diese Entscheidung einer Verallgemeinerung zugänglich ist (vgl. Breuninger/Ernst, DStR 2009, 1981), könnten, diesen Gedanken für den Streitfall aufgreifend, diese Ausführungen so verstanden werden, dass der beschriebene Umstand, dass das dänische Recht einen Gewinnabführungsvertrag im Verständnis der deutschen organschaftlichen Regelungen nicht kennt, auf die Beurteilung dieser Voraussetzung jedenfalls keine sich zu Lasten der deutschen Regelungen auswirkende Bedeutung im Sinne einer Eliminierung des Merkmals mit sich bringen darf.

Letztlich kann der Senat aber offenlassen, ob an dem Merkmal eines formalen Gewinnabführungsvertrags festzuhalten ist. Denn selbst wenn ein solcher in der formalen Ausgestaltung, wie dies die streitgegenständlichen Vorschriften vorsehen, möglicherweise nicht gefordert werden könnte, hält der Senat gleichwohl daran fest, dass es der Erfüllung einer Mindestvoraussetzung in Gestalt einer verbindlichen Vereinbarung zwischen den beteiligten Tochter- und Muttergesellschaften bedarf, die jedenfalls den wesentlichen Bestandteil, nämlich die Verpflichtung zur Verlustübernahme durch die Muttergesellschaft, beinhalten muss (so auch Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 11. Februar 2010, 6 K 406/08, a.a.O., mit im Wesentlichen ähnlichen Erwägungen).

Die Vereinbarung des Inhalts eines Gewinnabführungsvertrags durch Verpflichtung zur Verlustübernahme iSd §§ 14 Abs. 1 KStG, 291 Abs. 1 AktG ist, anders als das Merkmal Sitz und Geschäftsleitung im Inland, kein typisches Merkmal, das einen Inlandsbezug aufweist. Es gilt vor dem Hintergrund der beabsichtigten Gewährleistung der Besteuerung einer Unternehmensgruppe nach der Leistungsfähigkeit ganz allgemein, also wie ausgeführt auch für rein innerstaatliche Sachverhalte, und ist essentieller Bestandteil der sich aus einer Organschaft ergebenden Verrechnungsfolgen. An die Erfüllung dieser Voraussetzung hat der BFH stets hohe Anforderungen gestellt. So setzt die Anerkennung einer körperschaftsteuerlichen Organschaft mit einer GmbH als Organgesellschaft nach § 17 Satz 2 Nr. 2 KStG voraus, dass ausdrücklich eine Verlustübernahme entsprechend § 302 Abs. 1 und 3 AktG vereinbart worden ist (BFH-Urteile vom 17. Juni 2008, IV R 88/05, BFH/NV 2008, 1705; vom 16. Juni 2008, IV R 76/06, Juris). Ein Absehen von diesem Erfordernis würde der Organschaft einen Kernbestandteil entziehen. Der deutsche Organträger mit deutscher Organgesellschaft kann sich einer Verlustübernahme nicht entziehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Verpflichtung zur Verlustübernahme insofern einer gewissen Dauerhaftigkeit bedarf, als der entsprechende Vertrag nach § 14 Abs. 1 Nr. 3 KStG auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt worden sein muss.

Eine normerhaltende Reduktion muss, wie ausgeführt, nicht dazu führen, dass die einschlägige Regelung als solche überhaupt nicht weiter anzuwenden ist. Für den Streitfall vertritt der Senat die Auffassung, dass eine solche Reduktion nicht soweit gehen kann, dass letztlich alle Voraussetzungen, die das Wesen einer Organschaft ausmachen, auf Null zu reduzieren sind. Die Organschaft muss in irgendeiner Weise „gelebt werden”. Nach der Auffassung der Klägerin führte die normerhaltende Reduktion im Ergebnis dazu, dass die auf der Ebene der Tochtergesellschaft zu erfüllenden Voraussetzungen durch den Verzicht auf Sitz und Geschäftsleitung, Gewinnabführungsvertrag und sogar eine jedenfalls die Verlustübernahme regelnde Verpflichtungsvereinbarung nahezu sämtlich unbeachtlich würden und sich die Anforderungen auf diejenigen beschränken würden, die auf der Seite des Organträgers zu erfüllen sind. Genau genommen bedeutete dies die Abschaffung der deutschen körperschaftsteuerlichen Organschaft; dies jedenfalls insoweit, wie deren Voraussetzungen betroffen sind. An den durch die Organschaft vermittelten steuerlichen Folgen soll demgegenüber festgehalten werden. So weit allerdings können die Konsequenzen einer gemeinschaftsrechtlich konformen Auslegung schon deswegen nicht reichen, weil damit ein Zustand erreicht würde, der zu einer Besserstellung grenzüberschreitender Sachverhalte gegenüber rein innerstaatlichen führen würde. Dies ist indes nicht das Ziel gemeinschaftsrechtlicher Normen oder Rechtsprechung (so i.E. auch Rehm/Feyerabend/Nagler, IStR 2007, 7). Dass eine solche Besserstellung als die Behandlung im Inlandsfall im Grunde bereits eine relevante Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ausschließt, ist schon erörtert worden (vgl. zu dieser Frage im Hinblick auf die Entscheidung Krankenheim Wannsee, C-157/07, auch Breuninger/Ernst, a.a.O.).

Daher ist an einer dem materiellen Gehalt eines Gewinnabführungsvertrags entsprechenden zivilrechtlichen Vereinbarung zwischen Muttergesellschaft und Tochtergesellschaft festzuhalten, die für den Fall der Verlustentstehung bei der Tochtergesellschaft zu einer Verpflichtung der Muttergesellschaft gegenüber der Tochtergesellschaft führt und dazu, dass die Verluste der ausländischen Tochtergesellschaft von der deutschen Muttergesellschaft im Sinne einer tatsächlichen wirtschaftlichen Belastung getragen werden (vgl. zu einem entsprechenden Lösungsansatz auch Mayr, BB 2008, 1312). Denn nur dann besteht eine Parallele zum verlustübernehmenden Organträger (in diesem Sinne auch Homburg, a.a.O.).

Daran fehlt es im Streitfall. Es besteht keinerlei rechtliche Verpflichtung der Klägerin zur Übernahme der Verluste der Y. Soweit sie durch den Verlust ihrer Beteiligung wirtschaftlich belastet sein mag, beruht dies auf einem „freiwilligen” Engagement zum Zeitpunkt des Beteiligungserwerbs. Dies ist aber einer rechtlich abgesicherten verpflichtenden Verlustübernahme nicht vergleichbar.

cc. Ergänzend ist zu bemerken, dass ungeachtet des Mangels einer rechtlichen Verlustübernahmeverpflichtung auch Bedenken daran bestehen, ob die Klägerin tatsächlich wirtschaftlich, und zwar durch laufende Verluste, belastet ist.

Insoweit trägt sie zwar vor, dass es nicht darauf ankommen könne, ob eine Muttergesellschaft die Tochtergesellschaft zu einem frühen Zeitpunkt mit einem hohen Eigenkapital ausgestattet habe, das sich sodann infolge der Verlustverrechnung vermindert habe, oder ob bei anfänglich niedriger Eigenkapitalausstattung laufende Verluste auszugleichen seien. Dazu ist allerdings, unabhängig davon, dass laufende Verluste durch die Klägerin nach ihren Bilanzen nicht zeitnah getragen wurden, darauf hinzuweisen, dass die Verluste aus dem - wenn auch von der Klägerin zur Verfügung gestellten - Eigenkapital der Tochtergesellschaft getragen wurden. Die Ebenen der Muttergesellschaft und der Tochtergesellschaft sind aber streng zu trennen. Die Ebene der Klägerin als Muttergesellschaft - auf die es hier ankommt - ist insoweit nur mittelbar betroffen.

Fraglich ist zudem, ob es sich angesichts der konkreten Fallgestaltung bei den von der Klägerin als berücksichtigungsfähig begehrten Verlusten letztlich nicht um Liquidationsverluste handelt. Weil solche nach deutschem Organschaftsrecht dem Organträger nicht zuzurechnen sind, könnten sie, zur Vermeidung einer Besserstellung gegenüber dem für innerstaatliche Sachverhalte maßgeblichen Rechtszustand, auch in Fällen mit Auslandsbezug nicht zu berücksichtigen sein.

Der Senat weist an dieser Stelle, ohne dass dem eine zwingende rechtliche Konsequenz zu entnehmen wäre, abrundend darauf hin, dass die streitgegenständlichen Regelungen der §§ 14 ff KStG betreffend von der EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland, soweit ersichtlich, nur im Hinblick auf die Frage, ob eine Organgesellschaft sowohl Geschäftsleitung als auch Sitz im Inland haben müsse, eingeleitet worden ist (vgl. Meilicke, DB 2009, 653 mit Hinweis auf die Beschwerde Nr. 2008/4409). Ein darüber hinaus gehendes Vertragsverletzungsverfahren wie das von der Klägerin angesprochene von der Kommission wegen der Vorschrift des § 2a EStG förmlich betriebene (vgl. die Pressemitteilung vom 18.10.2007, IP/07/1547) ist nicht erkennbar. Die Kommission hat zudem auch das Vereinigte Königreich wegen der aus seiner Sicht ungenügenden Umsetzung der Entscheidung in der Rs. Marks & Spencer vor dem EuGH verklagt (vgl. Pressemitteilung vom 08.10.2009, IP/09/1461).

e. Sollte eine Verlustverrechnung entgegen der obigen Ausführungen dennoch im Grundsatz möglich sein, so hält der Senat den Verlust der Y jedenfalls im Streitjahr nicht für „definitiv” in dem Sinne, dass zwingend ein phasengleicher Abzug bei der Klägerin im Streitjahr zu erfolgen hätte.

Unabhängig davon, dass eine solche für die Organschaft typische phasengleiche Berücksichtigung nur bei Erfüllung der Voraussetzungen einer Organschaft im Übrigen erfolgen kann, hat der EuGH bereits in der Ausgangsentscheidung Marks & Spencer ausgeführt, dass ein Abzug des von einer Tochtergesellschaft erlittenen Verlustes auf Ebene der Muttergesellschaft neben weiteren Erfordernissen voraussetzt, dass keine Möglichkeit besteht, die Verluste der Tochtergesellschaft in deren Sitzstaat für künftige Zeiträume für sie selbst zu berücksichtigen (Randnr. 55). Diese Formulierung aufnehmend hat der BFH in dem einen Betriebsstättenverlust im Gemeinschaftsgebiet betreffenden, für die hier zu erörternde Frage des Verlustes einer Tochtergesellschaft gleichwohl heranziehbaren Urteil vom 17. Juli 2008, I R 84/04, BStBl II 2009, 630 (Folgeentscheidung zu Lidl Belgium) sinngemäß entschieden, dass ein phasengleicher Verlustabzug nur dann in Betracht kommt, wenn im Streitjahr keine Möglichkeit besteht, dass die ausländischen Verluste in diesem Mitgliedstaat für künftige Zeiträume von dem Steuerpflichtigen selbst oder einem Dritten berücksichtigt werden. Aus der Formulierung „phasengleich” ist nicht zwingend zu schließen, dass ein in nachfolgenden Zeiträumen nicht verrechenbarer Verlust bereits im Entstehungsjahr berücksichtigt werden muss. Eine Berücksichtigung in diesem Verlustentstehungsjahr im Inland kommt vielmehr nur dann in Betracht, wenn bereits im Verlustentstehungsjahr ausgeschlossen ist, dass es künftig zu Verrechnungen im ausländischen Mitgliedstaat kommen kann. Es kommt mithin darauf an, ob aus der Perspektive des Streitjahres eine Verlustnutzung im ausländischen Mitgliedstaat ausgeschlossen ist (vgl. das eine Betriebsstätte behandelnde Urteil des Finanzgerichts Düsseldorf vom 08. September 2009, 6 K 308/04 K, EFG 2010, 389; Rev. unter Az. I R 100/09 bei dem BFH anhängig; a.A. Finanzgericht Hamburg, Urteil vom 18. November 2009, 6 K 147/08, EFG 2010, 265; Rev. unter Az. I R 107/09 bei dem BFH anhängig; vgl. zum Ganzen auch Gosch, BFH-PR 2008, 490).

Mit Ablauf des Streitjahres 2002 stand aber unter Berücksichtigung dessen, dass das dänische Recht nach dem Vortrag der Klägerin in der mündlichen Verhandlung einen Verlustvortrag kennt, noch nicht fest, dass die Verluste der Y aus diesem Jahr in Dänemark nicht in den folgenden Steuerzeiträumen berücksichtigt werden könnten. Dies nicht zuletzt deswegen, weil die Y in den dem Streitjahr unmittelbar vorangegangenen Jahren 1999 bis 2001 auch aufgrund kostenreduzierender Maßnahmen Gewinne, wenn auch nicht erheblichen Umfangs, erzielen konnte. Angesichts der Ungewissheit im Hinblick auf die weitere Entwicklung und auch angesichts dessen, dass der Entschluss zur Beendigung der Geschäftstätigkeit der Y erst später, jedenfalls nicht im Streitjahr, gefasst wurde, kann nicht davon ausgegangen werden, dass bereits im Verlustentstehungsjahr 2002 eine künftige Verlustberücksichtigung ausgeschlossen gewesen ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision wird zugelassen, weil die Sache wegen der bislang höchstrichterlich nicht entschiedenen Frage, wie die Vorschriften der §§ 14 ff KStG im Fall einer grenzüberschreitenden Verrechnung der Verluste EU-ansässiger Tochtergesellschaften vor dem Hintergrund gemeinschaftsrechtlicher Gesichtspunkte auszulegen sind, grundsätzliche Bedeutung hat und zur Fortbildung des Rechts, § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO.

RechtsgebieteAktG, KStG, EGVVorschriftenAktG § 291 AktG § 302 KStG § 14 EGV Art. 43 EGV Art. 48

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