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06.05.2010 · IWW-Abrufnummer 101402

Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 28.09.2009 – 5 K 201/08

Ein Honorar, das einem Rechtsanwalt für die mehrjährige Bearbeitung diverser Klagverfahren für die gleichen Mandanten in einem Betrag in einem einzigen Veranlagungszeitraum zufließt, ist nicht den außerordentlichen Einkünften i. S. d. § 32 Abs. 2 Nr. 4 EStG zuzuordnen.


Finanzgericht Hamburg v. 28.09.2009

5 K 201/08

Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist eine Tarifbegünstigung gemäß § 34 Abs. 1, 2 Nr. 4 Einkommensteuergesetz (EStG) im Veranlagungszeitraum 2006 wegen außerordentlicher Einkünfte des Klägers zu 1. durch Zufluss von Anwaltshonorar für eine sich über mehrere Jahre erstreckende Anwaltstätigkeit streitig.

Der Kläger ist Rechtsanwalt. Er übt diese Tätigkeit in einer Einzelpraxis aus. Er wird mit der Klägerin zu 2., seiner Ehefrau, gemeinsam steuerlich veranlagt. Im März 2003 wurde der Kläger von einem Geschwisterpaar in einer Erbschaftsangelegenheit mandatiert. Die Mandanten waren die gesetzlichen Erben, und zwar die Nichte und der Neffe, der Erblasserin, die ein Vermögen von ca. 10 Mio. Euro hinterlassen hatte. Da sich aufgrund eines notariellen Erbvertrages eine weitere Person namens E. berühmte, Erbe zu sein, kam es zu einem Rechtsstreit. Der Kläger vertrat die Nichte der Erblasserin in einer Erbfeststellungsklage vor dem Landgericht (Az. .....) und beide Mandanten im Erbscheinsverfahren vor dem Nachlassgericht sowie als Geschädigte in einem Strafverfahren gegen E., den Notar R. sowie einen weiteren Hintermann S. Das Landgericht kam im Strafverfahren aufgrund eines Sachverständigengutachtens zu dem Schluss, dass die vorgelegten Urkunden, insbesondere der Erbvertrag, sämtlich gefälscht waren. S. wurde die Herausgabe der von ihm verschobenen Vermögenswerte auferlegt, was im Herbst 2006 auch geschah. E. und R. wurden strafrechtlich verurteilt. Das Landgericht gab der Erbfeststellungsklage mit Versäumnisurteil vom 13.10.2006 statt, nachdem es zuvor mit Beschluss vom 23.12.2003 Prozesskostenhilfe gewährt hatte.

In diesem Zusammenhang überwies S. an die Mandanten des Klägers zu 1. auf dessen Anwaltskonto den Betrag von 100.173,09 €. Nachdem die beiden Mandate betreffend die Erbrechtsklage und die Vertretung als Geschädigte im Strafverfahren Ende 2006 beendet waren, trafen der Kläger zu 1. und die beiden Mandanten am 27.12.2006 Honorarvereinbarungen über insgesamt 54.500 € (40.000 € für die Erbrechtsklage und 14.500 € für die Vertretung im Strafverfahren). Dieser Betrag wurde mit dem Fremdgeld auf dem Anwaltskonto des Klägers zu 1. verrechnet.

Der Jahresgewinn des Klägers aus seiner anwaltlichen Tätigkeit belief sich

im Jahr 2003 auf 18.768,51 €,

im Jahr 2004 auf ./. 768,60 €,

im Jahr 2005 auf 20.392,33 €,

im Jahr 2006 auf 61.931,06 €,

im Jahr 2007 auf 67.517,67 € (Anlage K 6),

im Jahr 2008 auf 45.984,03 € (Anlage K 7).

Ohne die Honorare aus der Erbrechtsangelegenheit hätte sich der Jahresgewinn des Klägers zu 1. in 2006 aus seiner anwaltlichen Tätigkeit somit auf 7.431,06 € (61.931,06 € ./. 54.500 €) belaufen.

Die Kläger gaben in ihrer Einkommensteuererklärung 2006 vom 01.06.2007 eine Tarifbegünstigung im Sinne von § 34 Abs. 2 Nrn. 2 - 5 EStG in Höhe von 54.500 € an (EStA Bl. 12 Rückseite).

Mit Einkommensteuerbescheid 2006 vom 03.01.2007 wurde die Einkommensteuer auf 14.552 € festgesetzt, die begehrte Tarifbegünstigung erkannte der Beklagte nicht an (RbA Bl. 3 f und EStA Bl. 38 - Anlage).

Den Einspruch der Kläger vom 17.01.2008, mit dem sie darauf hinwiesen, dass es sich bei der Honorarzahlung um eine Zusammenballung der Honorare für mehrjährige Tätigkeit gehandelt habe, da die Mandanten nicht in der Lage gewesen seien, Vorschüsse zu erbringen, wies der Beklagte mit Einspruchsentscheidung vom 27.10.2008 als unbegründet zurück. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass es sich bei den Einnahmen von 54.500 € nicht um außerordentliche Einkünfte gehandelt habe. Die Rechtsberatung in Erbschaftsangelegenheiten und die Vertretung vor Gericht gehörten zu den typischen Aufgaben eines Rechtsanwalts. Der Kläger zu 1. habe eine in sich abgeschlossene Leistung erbracht, die sich um einen mehrjährigen Zeitraum erstreckt habe und erst nach Abschluss entlohnt worden sei.

Hiergegen erhoben die Kläger mit Schreiben vom 26.11.2008, beim Finanzgericht am gleichen Tage eingegangen, Klage mit dem Ziel, für die Einnahmen aus der Erbschaftsangelegenheit in Höhe von 54.500 € die Tarifbegünstigung gemäß § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zu erhalten. Zur Begründung führen die Kläger aus, es habe sich bei dem streitigen Honorar um eine zusammengeballte Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit gehandelt, die in einem Kalenderjahr gezahlt worden sei.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts unterliege das Einkommensteuerrecht prinzipiell dem Gleichbehandlungsgebot der Einkunftsarten. Grundsätzlich seien daher auch im Rahmen des § 34 EStG alle Einkunftsarten gleich zu behandeln. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG finde daher auch auf freiberufliche Einkünfte Anwendung.

Dies habe zur Folge, dass für eine Tarifbegünstigung nicht unterschieden werden dürfe zwischen außerordentlichen Einkünften von abhängig Beschäftigten einerseits und von Selbständigen, insbesondere Freiberuflern, andererseits. Eine gegenteilige Auffassung verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz von Art. 3 Grundgesetz (GG).

Die Rechtsprechung der Finanzgerichte halte an den von ihr entwickelten „Fallgruppen” fest, bei denen die Tarifbegünstigung gem. § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG nur ausnahmsweise Anwendung finden soll.

Entsprechende Einschränkungen der Tarifbegünstigung mache die Rechtsprechung für abhängig Beschäftigte nicht. Diese restriktive Handhabung nur bei Freiberuflern finde keine Anhaltspunkte im Wortlaut des Gesetzes, sondern konterkariere den Gesetzeszweck einer gerechten und gleichmäßigen Besteuerung aller Einkünfte.

Das Argument, dass Freiberufler die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG nicht in Anspruch nehmen könnten, weil sie typischerweise ein der Höhe nach schwankendes Einkommen hätten, sei kein Grund, Freiberufler willkürlich zu diskriminieren. Im Übrigen entbehre diese Behauptung der empirischen Grundlage.

Zudem verstärke die Versagung der Tarifbegünstigung die Nachteile eines „naturgegeben” schwankenden Einkommens weiter.

Die Kläger könnten nicht nachvollziehen, dass angestellten Bankern und Vorstandsmitgliedern einer AG etc. die Tarifbegünstigung nach § 34 Abs, 2 Nr. 4 EStG gewährt werde, Freiberuflern, insbesondere Rechtsanwälten, jedoch nicht.

Nunmehr sei in der neueren Rechtsprechung, z.B. der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 14.12.2006 (IV R 57/05, BStBl 2007 II S. 180 ff), ein vorsichtiger Kurswechsel eingeleitet worden. In diesem Urteil werde nicht mehr auf die Kriterien einer abgrenzbaren Sondertätigkeit, einer berufstypischen Vergütung bzw. berufsüblichen Vergütung abgestellt. Erforderlich sei nach dieser Rechtsprechung lediglich, dass die Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten eine entsprechende Progressionswirkung typischerweise erwarten lässt. Die Progressionswirkung sei regelmäßig dann zu erwarten, wenn dem Steuerpflichtigen eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeit in nicht unerheblicher Höhe in einem Veranlagungszeitraum zufließt. Im vorliegenden Erbschaftsfall sei angesichts der Umstände schon bei der Mandatierung klar gewesen, dass es sich um eine mehrjährige Tätigkeit mit nicht unerheblichem Honorar handeln würde. Somit sei zu diesem Zeitpunkt bereits eine entsprechende Progressionswirkung zu erwarten gewesen. Selbst wenn unterstellt werde, der BFH habe in der genannten Entscheidung zum Ausdruck bringen wollen, dass außerordentliche Einkünfte eines Freiberuflers nur dann vorlägen, wenn dieser keinen Einfluss darauf habe, wann ihm die geballten Einkünfte „geballt” zufließen, dann könnte ein Freiberufler jedenfalls dann außerordentliche Einkünfte haben, wenn er ohne ihm zuzurechnende Gründe seine ihm zustehende Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit in den jeweiligen Veranlagungsjahren nicht erhalten könnte und ihm eine Vergütung erst später nach Wegfall der Hindernisgründe „zusammengeballt” und zudem in ungewöhnlicher Höhe zugeflossen sei.

Der Kläger zu 1. habe keine Möglichkeit gehabt, eine Zusammenballung seiner Einkünfte aus der mehrjährigen Tätigkeit in einem Veranlagungszeitraum zu verhindern. Die Mandanten seien aufgrund ihrer finanziellen Situation nicht in der Lage gewesen, Vorschüsse zu leisten. Aus diesem Grunde sei die Entscheidung des BFH vom 30.07.2007 (XI B 11/07, BFH/NV 2007, 1890 f) im Fall der Kläger nicht einschlägig, weil in jenem Fall keine Anhaltspunkte dafür vorhanden gewesen waren, dass der Rechtsanwalt gehindert gewesen wäre, Vorschusszahlungen von seinen Mandanten zu erlangen. Anders liege der Fall hier. Die Berechnung von Vorschüssen sei im vorliegenden Fall völlig sinnlos gewesen. Zwar habe das Landgericht Prozesskostenhilfe für das Erbfeststellungsverfahren mit Beschluss vom 23.12.2003 gewährt, der Kläger habe jedoch mit Schreiben vom 09.03.2007 an das Landgericht auf die Prozesskostenhilfegebühren verzichtet, nachdem das Erbrecht der Mandanten durch Urteil der Kammer vom 31.10.2006 festgestellt worden sei. Im Übrigen hätten sich die Anwaltsgebühren für die Erbfeststellungsklage bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei einer 10-Zehntel-Prozessgebühr und 10-Zehntel-Verhandlungsgebühr auf zweimal 391 € belaufen, da dies die Höchstgebühren nach im Streitjahr geltenden Gebührenvorschriften bei allen über 30.000 € liegenden Streitwerten gewesen seien.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid für 2006 vom 03.01.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27.10.2008 mit der Maßgabe zu ändern, dass die Einkommensteuer auf 5.618 € herabgesetzt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage für unbegründet und verweist im Wesentlichen auf seine Ausführungen in dem Einspruchsverfahren.

Dem Senat hat die Einkommensteuerakte Bd. III und die Rechtsbehelfsakten zur StNr. .../.../... vorgelegen.

Auf die Niederschriften des Erörterungstermins vom 23.04.2007 (Gerichtsakte Bl. 30 ff) und der mündlichen Verhandlung vom 28.09.2009 wird Bezug genommen.



Gründe
Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

I. Der Einkommensteuerbescheid 2006 vom 03.01.2007 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.10.2008 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten.

Bei dem, dem Kläger zu 1. im Streitjahr zugeflossenen Honorar handelt es sich nicht um eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG in der für das Streitjahr gültigen Fassung.

1.

a) Nach § 34 Abs. 1 EStG sind außerordentliche Einkünfte ermäßigt zu besteuern. Als außerordentliche Einkünfte kommen u. a. aufgrund der Regelung von § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten in Betracht. Die ermäßigte Besteuerung von Einkünften, denen eine mehrjährige Tätigkeit zugrunde liegt, geht auf das Reichseinkommensteuergesetz 1920 (REStG 1920 - RGBl 1920, 359) zurück. Nach Änderungen in 1925 (REStG 1925, RGBl I 1925, 189, 200), 1946 (Kontrollratsgesetz in Deutschland Nr. 12) und 1990 (Steuerreformgesetz 1990, BGBl 1998 I S. 1093; BStBl 1998 I S. 224) wurde die Tarifermäßigung für Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten ebenso wie für alle anderen außerordentlichen Einkünfte einheitlich nach der Fünftel-Regelung des § 34 Abs. 1 EStG angewendet (Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 vom 24.03.1999, BGBl 1999 I S. 40, BStBl 1999 I S. 304).

b) Nach ständiger Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH - vgl. RFH, Urteile vom 01.02.1940, IV 341/39, RStBl 1940, 601, 602, und vom 19.11.1941, VI 264/41, RStBl 1942, 19, 20) und des BFH (Urteil vom 14.12.2006 IV R 57/05, BFHE 216, 247, BStBl 2007 II S. 180 m.w.N.) sind Einkünfte aus selbstständiger Arbeit im Wesentlichen nur dann den außerordentlichen Einkünften zuzuordnen, wenn der Steuerpflichtige sich während mehrerer Jahre ausschließlich einer bestimmten Sache gewidmet und die Vergütung dafür in einem einzigen Veranlagungszeitraum erhalten hat oder wenn eine sich über mehrere Jahre erstreckende Sondertätigkeit, die von der übrigen Tätigkeit des Steuerpflichtigen ausreichend abgrenzbar ist und nicht zum regelmäßigen Gewinnbetrieb gehört, in einem einzigen Veranlagungszeitraum entlohnt wird.

c) Von dieser am Sinn und Zweck der Vorschrift des § 34 EStG orientierten Auslegung ist der BFH auch nach der grundlegenden Neufassung des § 34 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (vgl. oben 1. a) nicht abgewichen. Nach Auffassung des BFH verfolgte der Gesetzgeber mit der Neufassung lediglich das Ziel, die bis einschließlich 1998 geltenden Differenzierungen zwischen den einzelnen Arten der außerordentlichen Einkünfte mit unterschiedlichen Belastungsregeln zu beseitigen (BTDrucks 14/23, S. 183 zu Nr. 33 - § 34 -). Eine Abweichung von der bislang hierzu ergangenen höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Auslegung der Tatbestandsmerkmale der außerordentlichen Einkünfte und der Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit sei nicht beabsichtigt gewesen, was sich auch durch die Übernahme der Tatbestandsmerkmale „Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten” und die ausdrückliche Zuordnung zu den außerordentlichen Einkünften durch die Regelung des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG zeige (vgl. BFH Urteil v. 14.12.2006 IV R 57/05, BFHE 216, 247 BStBl 2007 II S. 180 ff; so auch Horn in Herrmann/Heuer/Raupach § 34 EStG Anm. 60 und 65; kritisch Blümich/Lindberg, § 34 EStG Rdnr. 59f; vgl. auch Sieker in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff EStG, § 34 Rdnr. A 87 f und B 129 ff; f).

d) Es kann im Ergebnis unentschieden bleiben, ob eine unterschiedliche Behandlung von Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit auf der einen und selbständiger Tätigkeit auf der anderen Seite gerechtfertigt, insbesondere mit dem Wortlaut des § 34 EStG zu vereinbaren ist.

Der Wortlaut des § 34 Abs. 2 EStG („als außerordentliche Einkünfte kommen nur in Betracht ...”) in Verbindung mit dem Zweck der Tarifermäßigung, Härten der Progression in Fällen zusammengeballten Zuflusses von Einkünften für mehrere Jahre abzumildern, sprechen nach Ansicht des Senats dafür, für alle Einkunftsarten gleichermaßen und damit jedenfalls auch für die Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit die Tarifermäßigung davon abhängig zu machen, dass es sich bei den zusammengeballten Einkünften um für die Berufsausübung unübliche Einkünfte handelt (so auch Sieker a.a.O. Rdnr. B 132f). Dabei können die von der Rechtsprechung für die Einkünfte aus selbständiger Arbeit entwickelten Gesichtspunkte der ausschließlichen Tätigkeit für eine bestimmte Sache oder der von der regelmäßigen Berufsausübung abgrenzbaren Sondertätigkeit als Indizien für das Merkmal der Außerordentlichkeit herangezogen werden. Die Außerordentlichkeit kann sich aber ggf. auch in einer Besonderheit anderer Art, z.B. im Falle vorausgegangener rechtlicher Auseinandersetzung wie in dem vom BFH am 14.12.2006 (IV R 57/05) entschiedenen Rechtsstreit oder auch der Einmaligkeit des Ereignisses zeigen - wie dies z.B. im Falle der Veräußerung eines Geschäftsbetriebs immanent ist (vgl. Sieker a.a.O. B 7). Zu verneinen ist die Charakterisierung als außerordentliche Einkünfte, wenn es sich um eine für die Einkunftsart bzw. Berufsausübung typische Fallgestaltung handelt.

2.

Nach Maßgabe dieser Grundsätze ist die Tarifermäßigung im Streitfall zu versagen.

Die Honorarzahlung des Klägers zu 1. im Streitjahr ist zwar eine Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten, denn das Tatbestandsmerkmal „mehrjährig” ist bereits erfüllt, wenn die Tätigkeit in wenigstens zwei Veranlagungszeiträumen ausgeübt wird (BFH-Urteil vom 06.10.1993, I R 98/92, BFH/NV 1994, 775). Tatsächlich hat die Vertretung des Klägers zu 1. in der erbrechtlichen Auseinandersetzung von 2003 bis 2006 angedauert. Die daraus resultierenden Einnahmen für seine Tätigkeit in den Jahren 2003 bis 2006 führt auch zu einer Zusammenballung im Streitjahr. Dieses allein macht sie aber noch nicht zu außerordentlichen Einkünften im Sinne der Vorschrift von § 34 EStG. Denn bei einem Freiberufler wie dem Kläger (der als Rechtsanwalt in einer Einzelpraxis tätig ist) ist es nicht ungewöhnlich, dass er für eine mehrjährige Tätigkeit entlohnt wird. Dies wird auch deutlich, wenn das Merkmal der außerordentlichen Einkünfte an dem Sinn und Zweck des § 34 Abs. 1 EStG gemessen wird. Die tarifliche Begünstigung soll Härten beseitigen oder mildern, die sich im Rahmen einer Periodenbesteuerung durch die Progressionswirkung ergeben (vgl. Kirchhof in Kirchhof/Söhn, EStG § 2 Rdnr. B 36). Die steuerliche Belastung soll bei Einkünften, die dem Steuerpflichtigen für eine mehrjährige Tätigkeit zufließen, möglichst nicht höher sein, als wenn ihm in jeden der mehreren Jahre ein Anteil zugeflossen wäre. Gerade deshalb setzt die Annahme außerordentlicher Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG voraus, dass die zusammengeballte Entlohnung eine entsprechend Progressionswirkung typischerweise erwarten lässt. Daran fehlt es regelmäßig, wenn ein Freiberufler ein berufsübliches Honorar für mehrjährige Tätigkeiten erhält. Ein solches Honorar ist nicht den außerordentlichen, sondern den übrigen Einkünften zuzuordnen, weil für einen freiberuflich tätigen Rechtsanwalt schwankende Einnahmen typisch oder jedenfalls nicht ungewöhnlich sind und er damit auch Einkünfte erzielt, für die sich der nach der Vorschrift gewollte Tarifausgleich in anderer Weise vollzieht (vgl. BFH-Urteil vom 10.05.1961, IV 170/58 U, BStBl 1961 III S. 354). Dass es sich auch beim Kläger zu 1. so verhält, zeigt die Entwicklung der nachfolgenden Veranlagungszeiträume in 2007 und 2008. So erhielt der Kläger zu 1. in 2007 einen Betrag von 35.000 € für aus den Jahren 1995 bis 2005 rückständige Honorarforderungen. Auch hieraus wird deutlich, dass die Honorareinnahmen für den Erbrechtsstreit keine einmaligen, ungewöhnlichen Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG darstellten. Dies gilt ebenso unter Berücksichtigung der Höhe des Streitwertes des Mandats für die Geschwister. Die im Einzelfall wie hier beim Kläger zu 1. dennoch eintretende Progressionswirkung erlaubt nach Ansicht des Senats noch keine Zuordnung der Einkünfte zu den außerordentlichen.

Es sind auch keine anderen, für die Außerordentlichkeit der Einkünfte sprechenden Gesichtspunkte ersichtlich.

Der Kläger zu 1. hat neben der Betreuung des streitgegenständlichen Mandats weitere Mandanten betreut und sich nicht ausschließlich den erbrechtlichen Rechtsstreitigkeiten gewidmet.

Auch ein großes Einzelmandat begründet für einen Rechtsanwalt keine Sondertätigkeit (BFH-Urteil vom 17.02.1993, I R 119/91, BFH/NV 1993, 593), denn mangels hinreichender Abgrenzbarkeit von seiner übrigen anwaltlichen Tätigkeit stellen die für einen mehrjährigen Prozess erhaltenen Honorareinnahmen keine außerordentlichen Einkünfte im Sinne des § 34 Abs. 2 Nr. 4 EStG dar.

Auch die vorgetragene Tatsache, dass die Mandanten des Klägers zu 1. finanziell nicht in der Lage gewesen seien, mögliche Vorschüsse zu erbringen, führt zu keiner anderen Beurteilung. Zum einen hätte der Kläger zu 1. nach PKH-Gewährung am 23.12.2003 mit der Staatskasse die gesetzlichen Vorschüsse (im Fall des Klägers für eine 10/10-Prozessgebühr und eine 10/10-Verhandlungsgebühr 2 x 1,3 x 391,80 € = 1.018,68 €) abrechnen können, was allerdings wegen der im PKH-Verfahren geltenden Deckelung des Gegenstandswertes von maximal 30.000 € nur zu geringen weiteren Einkünften geführt hätte. Zum anderen ist auch mangelnde Zahlungsfähigkeit der Mandanten für einen freiberuflich tätigen Rechtsanwalt ein keineswegs untypisches Ereignis.

II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür gemäß § 115 Abs. 2 FGO nicht vorgelegen haben. Die Entscheidung folgt im Ergebnis der hierzu ergangenen Rechtsprechung des BFH zu den Einkünften aus selbständiger Tätigkeit.

RechtsgebieteEStG, FGOVorschriftenEStG § 34 Abs. 1 EStG § 34 Abs. 2 Nr. 4 FGO § 115 Abs. 2 FGO § 135

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