Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww

05.05.2010 · IWW-Abrufnummer 101294

Finanzgericht Köln: Urteil vom 09.03.2010 – 8 K 972/08

1) Eine lediglich geringe Teilleistung ist hinsichtlich der Zusammenballung auch dann für die Tarifermäßigung der Hauptleistung gemäß § 34 Abs. 1 EStG unschädlich, wenn die Teilleistung nicht aus Gründen der sozialen Fürsorge oder Existenzbedrohung des Empfängers oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Zahlungsverpflichteten geleistet wird.



2) Unschädlich ist eine Teilleistung bis zur Bagatellgrenze von 5% der steuerpflichtigen Teilleistung im Verhältnis zur steuerpflichtigen Gesamtleistung.


FG Köln v. 09.03.2010

8 K 972/08

Tatbestand:
Der Kläger, der im Streitjahr 2006 am … 47 Jahre alt geworden ist, war bei der Firma K AG (im Folgenden: K) nichtselbständig beschäftigt. Am 31.05.2005 wurde zwischen ihm und seinem Arbeitgeber folgender Aufhebungsvertrag abgeschlossen:

1. Die vertragsschließenden Parteien kommen überein, dass das bestehende Arbeitsverhältnis im Zusammenhang mit der Restrukturierungsphase II gemäß dem Interessenausgleich vom 14.03.2005 aus betrieblichen Gründen mit Ablauf des 31.12.2005 einvernehmlich endet ….
2. Herr P erhält für den Verlust des Arbeitsplatzes eine einmalige Abfindung in Höhe von 77.788 EUR brutto gemäß § 8 des Sozialplanes vom 14.03.2005. Die vorgenannte Abfindung wird unter Berücksichtigung der §§ 9, 10 KSchG und § 3 Nr. 9 EStG gezahlt und wird in einer ersten Rate in Höhe von brutto 10.000,– EUR Ende Juni 2005 und einem Restbetrag in Höhe von brutto 67.788 EUR Ende Januar 2006 fällig. Darüber hinaus erklärt das Unternehmen seine Bereitschaft, die im Zusammenhang mit dem Erwerb des Gabelstapler- bzw. Lkw-Führerscheines entstehenden Aufwendungen bis zu einer Gesamthöhe von 2.000,– EUR zu übernehmen ….
4. Die Parteien kommen überein, dass mit der Vereinbarung der Sozialplan vom 14.03.2005 erfüllt ist und alle weiteren wechselseitigen Ansprüche aus dem beendeten Arbeitsverhältnis ausgeglichen und abgegolten sind und keine Tatsachen vorliegen, die weitergehende Ansprüche rechtfertigen können ….

Auf den in Tz. 2 des Aufhebungsvertrages angeführten § 8 des Sozialplans vom 14.03.2005 sowie die „Vereinbarung bezogen auf Mitarbeiter außerhalb der Namensliste” vom 14.03.2005 wird verwiesen.

Zur Vorlage beim Finanzamt bescheinigte die K dem Kläger unter dem 22.05.2007:

„… dass sein mit uns bestehendes Arbeitsverhältnis im Zuge der K-Restrukturierungsphase II am 31.12.2005 endete.

Nach dem für diese Restrukturierung mit dem Betriebsrat geschlossenen Sozialplan hatte Herr P einen Gesamtabfindungsanspruch in Höhe von 77.788 EUR.

Im Zuge unserer Fürsorgepflicht und mit Blick auf die von Herrn P eingeleiteten existenzsichernden Maßnahmen wurde ihm auf seine grundsätzlich nach Arbeitsvertragsende fällig werdenden Zahlung eine Vorauszahlung in Höhe von 10.000,– EUR Ende Juni 2005 gewährt.”

Mit Einkommensteuererklärung 2005 erklärte der Kläger eine Zahlung von 2.800,– EUR als Entschädigung. Der Beklagte besteuerte mit Einkommensteuerbescheid 2005 einen Betrag in Höhe von 3.000,– EUR gemäß § 34 Abs. 1 EStG. Dabei ging er von einem Bruttoarbeitslohn des Klägers in Höhe von 42.620,– EUR aus, obwohl sowohl laut Entgeltabrechnung vom 20.12.2005 als auch Lohnsteuerbescheinigung 2005 der K der Bruttoarbeitslohn des Klägers 42.420,– EUR betragen hat.

Laut Entgeltabrechnung der K vom 20.02.2006 und Lohnsteuerbescheinigung 2006 flossen dem Kläger im Streitjahr 2006 … EUR Bruttoentgelte zu. Hierin enthalten war lt. Entgeltberechnung ein Abfindungsbetrag über 67.788 EUR. Entsprechend der Abmachung vom 31.05.2005 übernahm die K von den Führerscheinkosten des Klägers in Höhe von 2.469,41 EUR den Betrag von 2.000,– EUR, der in der Entgeltabrechnung als geldwerter Vorteil berücksichtigt wurde und in den Bruttoarbeitslohn lt. Lohnsteuerbescheinigung 2006 einfloss. Mit Einkommensteuererklärung 2006 erklärte der Kläger Entschädigungsleistungen in Höhe von 70.385 EUR.

Im Einkommensteuerbescheid 2006 ging der Beklagte von einem Bruttoarbeitslohn des Klägers in Höhe von … EUR entsprechend der Entgeltabrechnung vom 20.02.2006 und der Lohnsteuerbescheinigung 2006 der K aus.

In den Erläuterungen zum Einkommensteuerbescheid 2006 teilte der Beklagte mit, die ermäßigte Besteuerung von außerordentlichen Einkünften sei nur gegeben, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zugeflossen seien. Die Rechtsprechung habe zwar die Verteilung der Zahlung der Abfindungssumme auf zwei Veranlagungszeiträume als unschädlich angesehen, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt seien. Diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger nicht vor.

Im Einspruchsverfahren machten die Kläger geltend, im Sozialplan sei vorgesehen gewesen, dass die Abfindung mit der Entgeltabrechnung des auf den Ausscheidungszeitpunkt folgenden Kalendermonats gezahlt werde. Erst im Aufhebungsvertrag vom 31.05.2005 sei vorgesehen worden, dass die Abfindung in zwei Teilbeträgen, nämlich im Jahr 2005 in Höhe von 10.000,– EUR und im Jahr 2006 in Höhe von 67.788 EUR fällig werden würde. Die Gründe seien in der Bescheinigung der K vom 22.05.2007 dargelegt. Nach mehr als 21-jähriger Tätigkeit bei R bzw. bei F/K sei die Aufhebung des Arbeitsverhältnisses für den Kläger auch altersbedingt eine außergewöhnlich einschneidende Maßnahme gewesen. Wegen der ungewissen Arbeitslage sei eine Vorauszahlung zur Durchführung existenzsichernder Maßnahmen gerechtfertigt gewesen. Sie, die Kläger, hätten nicht zu vertreten, dass sich die K durch die Auszahlung der mit 2.800,– EUR über dem steuerfreien Betrag liegenden Teilzahlung von 10.000,– EUR steuerschädlich verhalten habe.

Mit Einspruchsentscheidung vom 12.12.2007 wies der Beklagte den Einspruch der Kläger als unbegründet zurück. Zur Begründung führte er aus, die begünstigende Besteuerung nach § 34 Abs. 1 und 2 EStG setze voraus, dass die Entschädigungsleistungen geballt in einem Veranlagungszeitraum zuflössen. Ausnahmsweise könnten nur Zusatzleistungen zur Entschädigungsleistung, die in späteren Veranlagungszeiträumen als die Entschädigung ausgezahlt würden, unschädlich sein, wenn sie aus Gründen der sozialen Fürsorge erfolgten. Als eine derartige Zusatzleistung könne die im Jahr 2005 erfolgte Teilleistung nicht gewertet werden.

Mit der vorliegenden Klage wiederholen die Kläger ihren außergerichtlichen Vortrag.

Sie beantragen,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 12.12.2007 und Änderung des Einkommensteuerbescheides 2006 die dem Kläger im Jahr 2006 zugeflossenen außerordentlichen Einkünfte in Höhe von 67.788 EUR gemäß § 34 Abs. 1 EStG zu besteuern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist er auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung und führt ergänzend aus, nach der Rechtsprechung des BFH könne § 34 Abs. 1 EStG bei einer Auszahlung einer Abfindung in zwei Veranlagungszeiträumen nur zur Anwendung kommen in Fällen existentieller Not des Steuerpflichtigen. Hierfür gebe es im Streitfall keine Anhaltspunkte, da der Kläger im Jahr der ersten Teilzahlung Lohn bezogen habe und der Arbeitgeber die Kosten des von ihm angestrebten Lkw-Führerscheins übernommen habe.



Entscheidungsgründe
I.

Die Klage ist begründet.

Zu Unrecht hat der Beklagte abgelehnt, die dem Kläger im Streitjahr 2006 zugeflossene Abfindungszahlung nach § 34 Abs. 1 und 2 Nr. 2 EStG ermäßigt zu besteuern.

1. Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist nach § 34 Abs. 1 EStG die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Nach § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG kommen als außerordentliche Einkünfte u.a. Entschädigungen in Betracht, die gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden.

a) Eine Entschädigung liegt vor, wenn die bisherige Grundlage für den Erfüllungsanspruch weggefallen ist und der an die Stelle der bisherigen Einnahmen getretene Ersatzanspruch auf einer neuen Rechts- oder Billigkeitsgrundlage beruht (Urteil des Bundesfinanzhofs – BFH – vom 10. September 2003 XI R 9/02, BFHE 204, 65, BStBl 2004 II S. 349 m.w.N.).

b) Außerordentliche Einkünfte i.S. des § 34 Abs. 1 und 2 EStG werden in ständiger Rechtsprechung grundsätzlich nur bejaht, wenn die zu begünstigenden Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum zu erfassen sind und durch die Zusammenballung von Einkünften erhöhte steuerliche Belastungen entstehen (BFH-Urteil vom 9. Oktober 2008 IX R 85/07, BFH/NV 2009, 558). Keine Zusammenballung in diesem Sinne liegt typischerweise vor, wenn eine Entschädigung in zwei oder mehreren verschiedenen Veranlagungszeiträumen gezahlt wird, auch wenn die Zahlungen jeweils mit anderen laufenden Einkünften zusammentreffen und sich ein Progressionsnachteil ergibt (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl 2006 II S. 835 m.w.N.).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz ist nach der BFH-Rechtsprechung nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich. Sie ist in solchen Fällen geboten, in denen – neben der Hauptentschädigungsleistung – in späteren Veranlagungszeiträumen aus Gründen der sozialen Fürsorge für eine gewisse Übergangszeit Entschädigungszusatzleistungen gewährt werden (vgl. BFH-Urteile vom 03.07.2002 XI R 80/00, BStBl II 2004, 447; vom 21.01.2004 XI R 33/02, BStBl II 2004, 715 m.w.N. und XI R 22/03, BFH/NV 2004, 1226; vom 14.04.2005 XI R 11/04, BFH/NV 2005, 1772).

c) Allerdings ist der Zufluss in einem Veranlagungszeitraum nach dem Wortlaut von § 34 EStG kein gesetzliches Tatbestandsmerkmal. Der Zweck des § 34 Abs. 1 EStG wird trotz Zuflusses in zwei Veranlagungszeiträumen nicht verfehlt, wenn der Steuerpflichtige nur eine geringfügige Teilleistung erhalten hat und die ganz überwiegende Hauptentschädigungsleistung in einem Betrag ausgezahlt wird (Mellinghoff in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 34 Rz 18). Hielte man in derartigen Fällen ausnahmslos an dem Erfordernis eines zusammengeballten Zuflusses der außerordentlichen Einkünfte in einem Veranlagungszeitraum fest, würden über den Gesetzeswortlaut des § 34 Abs. 1 EStG hinaus die Voraussetzungen der Tarifermäßigung ohne sachlichen Grund verschärft und die ratio legis verfehlt (BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 11/09, BFH/NV 2009, 2034).

2. Nach diesen Grundsätzen ist die von dem Kläger im Streitjahr bezogene Entschädigung i.S. von § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gemäß § 34 Abs. 1 EStG tarifbegünstigt zu besteuern.

Der Kläger erhielt eine Abfindung in Höhe von insgesamt 77.788 EUR gemäß § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG als Ersatz für den weiteren Bezug seiner Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses bei der Firma K-AG.

Eine für die ermäßigte Besteuerung nach § 34 EStG erforderliche Zusammenballung der Entschädigungszahlung liegt in Gestalt der im Streitjahr bezogenen Hauptentschädigungsleistung in Höhe von 67.788 EUR unabhängig davon vor, dass der Kläger im Vorjahr eine Teilleistung in Höhe von 10.000,– EUR erhalten hat.

Dabei geht der Senat in Übereinstimmung mit den Beteiligten davon aus, dass die im Jahr 2005 zugeflossene Teilleistung keine aus Gründen der sozialen Fürsorge oder Existenzbedrohung des Klägers oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten der K erfolgte Entschädigungszusatzleistung ist.

Zur Beurteilung, ob die im Jahr 2005 ausgezahlte Teilleistung geringfügig ist, lässt der Senat im Anschluss an das BFH-Urteil vom 28. Juni 2006 (XI R 58/05, BFHE 214, 319, BStBl II 2006, 835 unter II. 2. c)) den nach § 3 Nr. 9 EStG steuerfreien Betrag der im Jahr 2005 zur Auszahlung gekommenen Teilleistung von insgesamt 10.000,– EUR in Höhe von 7.200,– EUR außer Betracht.

Die Zahlung des restlichen steuerpflichtigen Betrages von 2.800,– EUR im Jahr 2005 hält der Senat wegen ihrer geringen Höhe für unschädlich und sieht durch sie das Erfordernis des von § 34 EStG bezweckten Härteausgleichs für die Hauptleistung im Streitjahr nicht berührt. Denn der Senat bejaht im Rahmen des § 34 Abs. 1 EStG eine der ratio legis der Vorschrift und dem Bedürfnis nach Rechtssicherheit Rechnung tragende Bagatellgrenze von 5 %, bis zu der eine steuerpflichtige Teilleistung in einem Veranlagungszeitraum im Verhältnis zur steuerpflichtigen Gesamtleistung für die Steuerbegünstigung der in einem weiteren Veranlagungszeitraum zufließenden steuerpflichtigen Hauptleistung unbeachtlich ist (vgl. auch FG Nürnberg, Urteil vom 26. Februar 2009, 4 K 1370/2008, EFG 2009, 1386 unter 3.; FG Köln, Urteil vom 17.11. 2004, 7 K 2006/03, EFG 2005, 446 unter 2. b)).

Der steuerpflichtige, dem Kläger im Jahr 2005 zugeflossene Betrag von 2.800,– EUR erreicht lediglich 4 % der dem Kläger insgesamt zugeflossenen steuerpflichtigen Abfindung in Höhe von 70.588 EUR (67.788 EUR plus 2.800,– EUR) und steht demzufolge der Tarifermäßigung der dem Kläger im Streitjahr 2006 zugeflossenen Abfindung nicht entgegen.

3.

Dem Beklagten wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO aufgegeben, die Einkommensteuer 2006 der Kläger nach Maßgabe der Entscheidungsgründe zu berechnen.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

III.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Der BFH hat zwar bereits entschieden, dass eine geringe Teilleistung hinsichtlich der Zusammenballung auch dann für die Tarifermäßigung der Hauptleistung gemäß § 34 Abs. 1 EStG unschädlich ist, wenn die Teilleistung nicht aus Gründen der sozialen Fürsorge oder Existenzbedrohung des Empfängers oder wirtschaftlicher Schwierigkeiten des Zahlungsverpflichteten geleistet wird (BFH-Urteil vom 25. August 2009 IX R 11/09, BFH/NV 2009, 2034); es besteht aber Unsicherheit darüber, wann eine Teilleistung als gering einzustufen ist.

RechtsgebietEStGVorschriftenEStG § 34 Abs 2 Nr 2 EStG § 34 Abs 1

Sprechen Sie uns an!

Kundenservice
Max-Planck-Str. 7/9
97082 Würzburg
Tel. 0931 4170-472
kontakt@iww.de

Garantierte Erreichbarkeit

Montag - Donnerstag: 8 - 17 Uhr
Freitag: 8 - 16 Uhr