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29.04.2010 · IWW-Abrufnummer 101266

Landgericht Dortmund: Urteil vom 26.11.2009 – 2 O 320/09

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Dortmund
2 O 320/09
Tenor:
Die Beklagte wird verurteilt,
- an die Klägerin 853,17 € (i. W. achthundertdreiundfünfzig 17/100 Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 15.09.2009 zu zahlen,
-die Klägerin von Darlehensverbindlichkeiten für das Darlehen vom 24.05.2007 der T-Bank T-Platz #, #### N, Kontonummer ########## in Höhe von 28.194,00 € freizustellen,
-die Klägerin von den vorgerichtlich entstandenen Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.196,43 € freizustellen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits tragen 1/20stel die Klägerin und 19/20stel die Beklagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
T a t b e s t a n d
Die Klägerin hat gemeinsam mit ihrem am ##.10.2008 verstorbenen Ehemann im Mai 2007 ein Darlehen über 35.567,66 € inkl. aller Kosten bei der T- Bank aufgenommen und zur Absicherung ihrer Ratenzahlungsverpflichtung (46 x 773,21 €) bei der Beklagten eine Restschuldlebensversicherung abgeschlossen, der die Allgemeinen Bedingungen für die Restschuldlebensversicherung zugrunde liegen. Bei Abschluss der Versicherung hat eine Risikoprüfung nicht stattgefunden. In § 7 der Versicherungsbedingungen ist stattdessen ein Leistungsausschluss für die der versicherten Person bekannten ernstlichen Erkrankungen, wegen derer sie in den letzten 12 Monaten vor Beginn des Versicherungsschutzes ärztlich beraten oder behandelt wurde, vereinbart.
Zum Zeitpunkt von Kreditaufnahme und Versicherungsabschluss litt der Ehemann der Klägerin unter einer ärztlich behandelten chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD). Im Juli 2007 begab er sich wegen Schluckbeschwerden in ärztliche Behandlung. Es wurde Speiseröhrenkrebs diagnostiziert und mittels Radio-Chemotherapie behandelt. Am 24.10.2008 verstarb der Ehemann der Klägerin aus zwischen den Parteien streitigen Ursachen.
Die Klägerin behauptet, ihr Ehemann sei infolge des metastasierenden Karzinoms gestorben, ohne dass der Tod in einem Zusammenhang mit der COPD gestanden habe. Sie hält § 7 der Versicherungsbedingungen für unwirksam. Mit der Klage begehrt sie Erstattung derjenigen Raten, die sie aufgrund einer Ratenzahlungsvereinbarung mit der kreditierenden Bank bereits an diese gezahlt hat sowie die Freistellung von der weiteren Darlehensverbindlichkeit einschließlich der Kosten für den Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung sowie der vorgerichtlich entstandenen Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen,
1. an die Klägerin 853,17 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 2. die Klägerin von Darlehensverbindlichkeiten für das Darlehen vom 24.05.2007 der T- Bank, T- Platz #, ##### N, Kontonummer ########## in Höhe von 29.000,00 € freizustellen, 3. die Klägerin von den vorgerichtlich entstandenen Kosten ihres Prozessbevollmächtigten in Höhe von 1.295,91 € freizustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie bestreitet eine von der Klägerin behauptete Alleinerbenstellung nach deren Ehemann. Sie behauptet, der Tod des Ehemannes sei Folge der ausgeschlossenen Lungenerkrankung und deshalb vom Versicherungsschutz ausgeschlossen. Sie hat deshalb mit Schreiben vom 18.02.2009 Versicherungsschutz aus der abgeschlossenen Restschuldversicherung abgelehnt.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :
Die Klage ist im Wesentlichen begründet.
I.
Die Klägerin kann aus der von ihr und ihrem verstorbenen Ehemann abgeschlossenen Restschuldversicherung für die gemeinsam eingegangene Darlehensverbindlichkeit bei der T- Bank die vereinbarte Übernahme der nach dem Tod ihres Ehemannes noch ausstehenden Kreditraten aus eigenem Recht verlangen. Soweit sie bereits Leistungen an die Bank erbracht hat, steht ihr ein Anspruch aus § 812 BGB zu, da die Beklagte insoweit von einer Verbindlichkeit befreit worden ist. Im Übrigen kann die Klägerin Freistellung von den noch ausstehenden Raten verlangen, allerdings ohne Einrechnung der Kosten für den Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung, die sie im eigenen Interesse als Darlehensnehmerin geschlossen hat. Ferner kann sie Freistellung von den vorgerichtlichen Kosten, die ihr gegenüber ihren Prozessbevollmächtigten entstanden sind, verlangen, wobei allerdings der Gegenstandswert unter Ausklammerung der Kosten für den Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung mit einem Wert von bis zu 30.000,00 € zu bestimmen war.
Der Anspruch der Klägerin auf Versicherungsleistungen aus der abgeschlossenen Restschuldversicherung aus Anlass des Todes ihres Ehemannes ist begründet, ohne dass es auf die Ursache für den Tod des Ehemannes der Klägerin ankäme. Denn § 7 der vereinbarten Versicherungsbedingung, durch die ein Risikoausschluss vereinbart worden ist, ist unwirksam. Denn die statt einer Risikoprüfung vereinbarte Risikoausschlussklausel vorstößt gegen halbzwingendes Recht. Mit § 7 der Versicherungsbedingungen weicht die Beklagte zu Ungunsten des Versicherungsnehmers von der gesetzlichen Regelung in den §§ 16 ff. VVG a.F. ab. Gemäß § 34 a VVG kann sie sich nicht auf die für die Klägerin und deren Ehemann ungünstige Abweichung berufen. Der Gesetzgeber hat die §§ 16 ff. VVG a.F. geschaffen, um eine Ausgewogenheit zwischen den Parteien bei der für beide wichtigen Abschätzung der jeweiligen Gefahrenlage vor Vertragsabschluss zu gewährleisten. Der Versicherungsnehmer soll gegen den Willen des Versicherers keinen Wissensvorsprung bezüglich derjenigen Umstände behalten dürfen, die für die Abschätzung von Bedeutung sind, ob sich ein Versicherungsfall im Laufe der Versicherung ereignen wird oder nicht. Die zwischen den Parteien vereinbarte Ausschlussklausel knüpft an das Vorliegen gefahrrelevanter Umstände im Zeitpunkt des Vertragsschlusses an und unterfällt damit dem Regelungsbereich der §§ 16 ff. VVG a.F.. Durch die Einfügung eines Risikoausschlusses wird der Bedeutung der Risikoprüfung zu wenig Rechnung getragen. Es ist Sache des Versicherers, sich nach Einholung der notwendigen Informationen darüber klar zu werden, zu welchen Bedingungen er das Risiko tragen will. Das mit der Einschätzung verbundene Risiko kann er nicht dem Versicherungsnehmer durch die Einfügung eines Risikoausschlusses auferlegen. Damit verstößt die Ersetzung der gesetzlich vorgesehenen Risikoprüfung durch die Einfügung eines Risikoausschlusses gegen die §§ 16 ff. VVG a.F.. Dass nicht einzelne Regelungen der §§ 16 ff. VVG a.F. abgeändert werden, sondern weitergehend das ganze Regelungssystem außer Kraft gesetzt wird, hindert die Anwendung von § 34 a Satz 1 VVG a.F. nicht. Aus diesen Gründen hat die Kammer in ständiger Rechtsprechung und in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des ihr übergeordneten Versicherungssenats beim OLG Hamm Versicherungsbedingungen in Restschuldversicherungen insoweit für unwirksam erklärt, als sie durch die Einfügung eines Risikoausschlusses die an sich gebotene Risikoprüfung des Versicherers ersetzen sollen (BGH NJW 1996, 1409; OLG Hamm NVersZ 1999, 164; VersR 2009, 1482; OLG Saarbrücken NJW-RR 2008, 281 für die Einfügung eines Risikoausschlusses statt einer Gesundheitsprüfung bei vorläufiger Deckung in der Lebensversicherung; Landgericht Koblenz Urteil vom 02.12.1999 – 1 O 45/99; Amtsgericht Bochum NJWE-VHR 1998, 2; Präve VW 2009, 68; Berliner Kommentar/Voit, §16, 109 ff., 114/116; Bruck/Möller/Wriede, VVG Band VI 2 Anmerkung F 37; Knops VersR 2006, 1455, 1459; Knappmann in Beckmann/Matusche-Beckmann Versicherungsrechts-Handbuch 2. Aufl. § 14 Rdnr. 120; derselbe VersR 2006, 495; a.A: OLG Koblenz VersR 2008, 383; OLG Brandenburg VersR 2007, 1071; OLG Dresden VersR 2006, 61; Landgericht Köln VersR 2009, 490; Landgericht Düsseldorf Urteil vom 10.05.2006 – 11 O 350/04; Römer/Langheit VVG 2. Aufl. §§ 16, 17 Rdnrn. 53 ff.; Prölss/Martin VVG 27. Aufl. §§ 16, 17 Rdnrn. 45 ff.; Krämer VersR 2004, 713). Damit kann dahinstehen, ob § 7 der vereinbarten Versicherungsbedingungen auch wegen Intransparenz unwirksam ist (so Marlow/Spuhl r+s 2009, 177).
Mithin ist die Beklagte wegen Unwirksamkeit der den Versicherungsschutz vermeintlich ausschließenden Risikoklausel aus der abgeschlossenen Restschuldlebensversicherung leistungspflichtig und muss die Darlehensraten übernehmen, zu deren Zahlung der Ehemann der Klägerin nach seinem Tod noch verpflichtet gewesen ist. Die Klägerin selbst ist aktivlegitimiert, da sie als Mitdarlehensnehmerin ein eigenes Interesse daran hat, dass die Leistungspflicht der Beklagten festgestellt wird.
Soweit die Klägerin selbst Raten an die kreditgebende Bank gezahlt hat, die nach dem Tode ihres Ehemannes fällig waren (853,17 €), ist die Beklagte von einer Verbindlichkeit befreit worden, so dass der Klägerin insoweit ein Anspruch aus § 812 BGB zusteht. Im Übrigen ist die Beklagte verpflichtet, die Klägerin von den Ratenzahlungen freizustellen. Die Darlehensverbindlichkeit betrug gemäß Standmitteilung der T- Bank vom 27.06.2009 (A 12) 28.747,17 €. Danach hat die Klägerin zwei Raten in Höhe von 251,17 € und 302,00 € gezahlt, so dass die Darlehensverbindlichkeit, von der die Beklagte die Klägerin freizustellen hat, noch 28.194,00 € beträgt.
II.
Freistellung von den Kosten der Ratenzahlungsvereinbarung kann die Klägerin hingegen nicht verlangen. Sie war selbst Darlehensschuldnerin und hat mithin die Ratenzahlungsvereinbarung in eigenem Interesse geschlossen. Dass diese Vereinbarung Folge eines Verzuges der Beklagten gewesen wäre, hat die Klägerin nicht dargetan. Die zeitlichen Abläufe sprechen vielmehr dafür, dass die Ratenzahlungsvereinbarung bereits vor Deckungsablehnung der Beklagten getroffen worden ist.
III.
Freistellung von den vorgerichtlichen Anwaltskosten kann die Klägerin nur insoweit verlangen, als der Gegenstandswert durch die Herausrechnung der Kosten für die Ratenzahlungsvereinbarung mit bis zu 30.000,00 € anzunehmen ist. Die danach berechneten Gebühren machen den Betrag von 1.196,43 € aus. Insoweit war der Klage ebenfalls stattzugeben.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 709 und 711 ZPO.

RechtsgebieteVersicherungsrecht, RestschuldlebensversicherungVorschriften§ 812 BGB, § 34a VVG

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