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27.04.2010 · IWW-Abrufnummer 101222

Landgericht Leipzig: Beschluss vom 01.10.2009 – 04 T 549/08

Der notariell beurkundete Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem
gemeinschaftlichen Testament gegenüber einem geschäftsunfähigen Ehepartner wird durch die
Aushändigung der Widerrufserklärung an einen von diesem mit umfassender und
uneingeschränkter General- bzw. Vorsorgevollmacht bestellten rechtsgeschäftlichen Vertreter
wirksam. Die Bestellung eines Betreuers als gesetzlichen Vertreter ist nicht erforderlich. Das
Fehlen der Bezeichnung als Vorsorgevollmacht ist unerheblich, wenn es sich sachlich um eine
umfassende Generalvollmacht oder eine die Entgegennahme einer solchen Widerrufserklärung
erfassenden Einzel- oder Spezialvollmacht handelt.


Landgericht Leipzig
04 T 549/08
BESCHLUSS
vom 01.10.2009
506 VI 0632/06 AG Leipzig
In dem Nachlassverfahren XXX
wegen Beschwerde (Erbscheinerteilung)
hat das Landgericht Leipzig - 4. Zivilkammer - durch XXX beschlossen:
1. Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Amtsgerichts Leipzig - Nachlassgericht - vom 22.05.2008 (Az.: 506 VI 632/06) aufgehoben.
2. Das Amtsgericht Leipzig - Nachlassgericht - wird angewiesen, dem Beteiligten zu 1) folgenden Erbschein zu erteilen:
Der am ... 2006 in L. verstorbene H. G. H., geb. am ... zuletzt wohnhaft in L., ist
- von seinem Sohn ... geb. am ... zu 73/100
- von seiner Tochter ... geb. am ... zu 27/100
beerbt worden.
... ist nur befreite Vorerbin. Für die Vorerbin ist Dauertestamentsvollstreckung angeordnet. Nacherbe ist ... Das Nacherbrecht ist vererblich.
3. Eine Kostenentscheidung ist mangels Beschwerdegegner nicht veranlasst.
4. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis zu 2.000,- EUR festgesetzt.
Gründe:
I.
Der Beteiligte zu 1) wendet sich mit seiner Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 22.05.2008, mit dem sein Antrag vom 22.01.2007 i. d. F. des Schreibens vom 02.02.2007 auf Erteilung eines Erbscheins zurückgewiesen wurde.
Am ... 2006 verstarb der Erblasser ... am ... seine Ehefrau ... Beide hinterließen gemeinsame Abkömmlinge, die Beteiligten zu 1) und 2). Die Beteiligte zu 2) ist geistig schwerstbehindert und steht unter Betreuung. Betreuer ist der Beteiligte zu 1), Ergänzungsbetreuer mit dem Aufgabenkreis „Erbschaftsangelegenheiten“ ist Rechtsanwalt ...
Mit notarieller Urkunde vom 16.10.1996 erteilte ... ihrem Ehemann (dem Erblasser) sowie ihrem Sohn (dem Beteiligten zu 1) eine Generalvollmacht, die durch ihren Tod nicht erlöschen sollte. Der Beteiligte zu 1) und der Erblasser hatten jeweils das Recht zur alleinigen Vertretung. Insbesondere ist in der Vollmacht geregelt:
„Die Bevollmächtigten haben insbesondere das Recht, in meinem Namen Erklärungen aller Art vor Gerichten und Behörden sowie gegenüber juristischen und natürlichen Personen abzugeben und solche Erklärungen für mich entgegenzunehmen.“
Wegen des weiteren Inhalts der Generalvollmacht wird auf die Bl. 27, 28 d. A. verwiesen.
Am 09.03.1998 errichteten der Erblasser und seine Ehefrau ein privatschriftliches Ehegattentestament, wonach sich beide gegenseitig zu Alleinerben, ihren Sohn zu 3/4 als „Enderbe“und ihre Tochter zu 1/4 als befreite Vorerbin einsetzten. Den Nachlass zugunsten der Tochter sowie ein Geldvermächtnis in Höhe des gesetzlichen Erbteils stellten die Eheleute unter Dauertestamentsvollstreckung, womit ihr Sohn betraut werden sollte. Wegen des weiteren Inhalts des Testamentes wird auf die Bl. 17, 18 d. A. Bezug genommen.
Am 15.06.2000 wurde für die Ehefrau des Erblassers, die an Alzheimer erkrankt war, Betreuung angeordnet.
Am 19.07.2004 widerrief der Erblasser zur notariellen Urkunde des Notars ... in L. das gemeinschaftliche Ehegattentestament vom 09.03.1998. Am 25.07.2004 errichtete der Erblasser eine privatschriftliche letztwillige Verfügung von Todes wegen. Danach bestimmte er, weil er seine Ehefrau als versorgt ansah, seine Tochter ... als befreite Vorerbin zu 27% und seinen Sohn zum Erben zu 73% des Nachlasses. Nacherbe des Nachlassanteils der Tochter sollte ebenso der Sohn ... sein.
Mit notarieller Urkunde vom 02.08.2004 wurde dem Beteiligten zu 1), als Generalbevollmächtigtem für die Ehefrau des Erblassers, der Testamentswiderruf in Ausfertigung der notariellen Urkunde vom 19.07.2004 zugestellt.
Der am 19.07.2004 erklärte Widerruf des Erblassers lautet nach Ziff. II wie folgt:
„Ich widerrufe meine Verfügung in dem gemeinschaftlichen Testament vom 09.03.1998 gemäß § 2271 BGB nach den für den Rücktritt von einem Erbvertrag geltenden Vorschriften des § 2296 BGB.
Der Widerruf soll sich auf alle meine dort getroffenen testamentarischen Verfügungen, also die wechselbezüglichen und die einseitigen, erstrecken.“
Nach Ziff. III der notariellen Erklärung war zunächst vorgesehen, dass für die Entgegennahme der Widerrufserklärung durch das Vormundschaftsgericht ein (weiterer) Betreuer/Pfleger zu bestellen ist.
Das Vormundschaftsgericht hat mit Schreiben vom 29.07.2004 die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers zur Entgegennahme des Widerrufs des gemeinschaftlichen Testaments abgelehnt. Hintergrund der Ablehnung ist nach dem Schreiben, dass das Vormundschaftsgericht Kenntnis von der notariellen Generalvollmacht vom 16.10.1996 erlangt hatte. Es hat für die Einsetzung eines Ergänzungsbetreuers keine Notwendigkeit mehr gesehen.
Der Beteiligte zu 1) vertritt die Auffassung, dass mit der am 02.08.2004 erfolgten Entgegennahme des Testamentswiderrufs des Erblassers die Widerrufserklärung wirksam geworden sei. Die Erbfolge richtet sich daher nach dem vom Erblasser am 25.07.2004 privatschriftlich errichteten Testament.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt, ihm einen Erbschein folgenden Inhalts zu erteilen:
„Es wird bezeugt, dass der am ... 2006 in L verstorbene ... geb. am ... zuletzt wohnhaft in L. von
1. seinem Sohn ..., geb. am ... zu 73/100
2. seiner Tochter ..., geb. am ... zu 73/100
beerbt wurde.
... ist nur befreite Vorerbin. Für die Vorerbin ist Dauertestamentsvollstreckung angeordnet.
Nacherbe ist ... Der Nacherbfall tritt mit dem Tode der Vorerbin ein. Das Nacherbrecht ist vererblich.“
Das Amtsgericht hat ein fachärztliches Sachverständigengutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dipl.-Med. U. ... vom 11.04.2007 beigezogen. Das Gutachten schließt mit der Feststellung, dass Frau ... am 16.10.1996 geschäftsfähig gewesen sei. Am 02.08.2004 sei der Krankheitsprozess jedoch schon so weit fortgeschritten gewesen, dass Frau ... geschäftsunfähig gewesen sei. Wegen des näheren Inhalts des Gutachtens wird auf die Bl. 132, 133 d. A. verwiesen.
Das Nachlassgericht hat mit Beschluss vom 22.05.2008 den Antrag des Beteiligten zu 1) zurückgewiesen. Es hat zusammenfassend vertreten:
Die Widerrufserklärung des Erblassers sei der geschäftsunfähig gewordenen Ehefrau nicht wirksam zugegangen. Es hätte des Zugangs bei einem gesetzlichen Vertreter bedurft. Die Zustellung an den rechtsgeschäftlich bevollmächtigten Beteiligten zu 1) ersetze den Zugang beim gesetzlichen Vertreter nicht. Wegen der weiteren Gründe der Entscheidung wird auf den Beschlussinhalt verwiesen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten zu 1). Dieser vertritt auch im Beschwerdeverfahren, dass mit Zugang der Widerrufserklärung an ihn als Generalbevollmächtigten der Widerruf wirksam geworden sei.
Eine Wechselbezüglichkeit der Erbeinsetzung der Eheleute ... und ... im Testament vom 09.03.1998 liege zudem nicht vor. Der Erblasser habe damit neu verfügen können. Wegen der weiteren Einzelheiten des Beschwerdevorbringens wird auf den Beschwerdeschriftsatz vom 10.06.2008 verwiesen.
Die Beteiligte zu 2), vertreten durch den Ergänzungsbetreuer, teilt die Auffassung der Beschwerde.
II.
Die nach den §§ 19, 20 FGG eingelegte Beschwerde ist zulässig. Der Antragsteller auf Erteilung eines Erbscheines ist bei Abweisung seines Antrags beschwerdeberechtigt (Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl., § 20, Rdnr. 73).
Die Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Dem Beteiligten zu 1) ist der beantragte Erbschein zu erteilen.
Der Erblasser hat seine Verfügung im gemeinsamlichen Testament vom 09.03.1998 gemäß den §§ 2271, 2296 BGB wirksam widerrufen (1.). Die Erbfolge richtet sich nach dem privatschriftlichen Testament des Erblassers vom 25.07.2004 (2.).
1. Die Widerruf des Erblassers vom 19.07.2004 war wirksam. Gemäß § 2271 I BGB hat der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen in einem gemeinschaftlichen Testament zu Lebzeiten der Ehegatten nach der für den Rücktritt vom Erbvertrag geltenden Vorschrift des § 2296 BGB erfolgen.
a) Das Nachlassgericht hat zutreffend vertreten, dass der Erblasser und seine Ehefrau im gemeinschaftlichen Testament vom 09.03.1998 wechselbezüglich i. S. v. § 2270 BGB verfügt haben. Der Erblasser und seine Ehefrau haben sich im Ehegattentestament vom 09.03.1998 gegenseitig als Alleinerben unter Ausschluss der gemeinsamen Abkömmlinge eingesetzt. Die Wechselbezüglichkeit ergibt sich schon aus dem Wortlaut des Testaments. Auch spricht die Vermutung nach § 2270 II BGB dafür, dass die Alleinerbeneinsetzung des einen Ehegatten durch den anderen Ehegatten in wechselbezüglicher Abhängigkeit zu dessen entsprechender Verfügung steht. Über das Vorliegen einer wechselbezüglichen Verfügung der Ehegatten muss das Gericht aber nicht abschließend entscheiden und insbesondere auch nicht über die Frage, ob sämtliche Verfügungen der Ehegatten im gemeinschaftlichen Testament vom 09.03.1998 wechselbezüglich sind. Hätten die Ehegatten nicht wechselbezüglich verfügt, dann durfte der Erblasser ohnehin - wie im Testament vom 25.07.2004 geschehen - abweichend letztwillig neu verfügen. Lagen wechselbezügliche Verfügungen der Ehegatten vor, so hat der Erblasser jedenfalls (wird ausgeführt) seine Verfügung wirksam widerrufen.
Der Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen erfolgt durch einseitige empfangsbedürftige Willenserklärung des Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten, die der notariellen Beurkundung bedarf und dem anderen Ehegatten zugehen muss.
Der Erblasser hat nach Eintritt der Geschäftsunfähigkeit seiner Ehefrau mit notarieller Erklärung vom 19.07.2004 seine Verfügungen im gemeinschaftlichen Testament widerrufen. Die in Abwesenheit des anderen Ehepartners notariell beurkundete Widerrufserklärung muss diesem bzw. wenn der andere Ehegatte geschäftsunfähig ist, dem gesetzlichen Vertreter zugehen (§ 131 I BGB).
Die Ehefrau des Erblassers war zum Zeitpunkt des Zugangs der Widerrufserklärung am 02.08.2004 geschäftsunfähig. Dies ergibt sich aus dem überzeugenden fachärztlichen Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie Dipl.-Med. U. ... vom 11.04.2007. Danach litt die Ehefrau des Erblassers seit Oktober 1996 bereits unter einem beginnenden Demenzprozess. Sie war zum damaligen Zeitpunkt jedoch noch in der Lage, ihren Willen frei zu bestimmen, ihre eigene Lebenssituation zu überblicken und die Folgen ihrer Willenserklärung abzuschätzen. Allerdings war sie nach der Einschätzung der Sachverständigen, die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie ist und an deren Fachkompetenz das Gericht keine Zweifel hat, jedenfalls am 02.08.2004 infolge des fortschreitenden Krankheitsprozesses nicht mehr geschäftsfähig i. S. v. § 104 Nr. 2 BGB.
Gegenüber der geschäftsunfähigen Ehefrau des Erblassers konnte daher ein wirksamer Zugang des Widerrufs nicht mehr erfolgen.
c) Das Gericht hat daher zu entscheiden, ob der notarielle Widerruf des Erblassers gegenüber seiner geschäftsunfähigen Ehefrau auch wirksam wurde durch die Aushändigung des Widerrufs an den generalbevollmächtigten Beteiligten zu 1) oder ob es hierzu der Bestellung eines gesetzlichen Vertreters (Betreuers) bedurfte. Entgegen der Auffassung des Nachlassgerichts war die Aushändigung an den bevollmächtigten Beteiligten zu 1) am 02.08.2004 wirksam. Das ergibt sich aus folgenden Erwägungen des Beschwerdegerichts:
aa) § 2296 I BGB legt zunächst nur fest, dass der Widerruf nicht durch einen Vertreter erfolgen kann. Da der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung seinem Wesen nach eine Verfügung von Todes wegen ist, kann die Willenserklärung nicht von einem Vertreter ausgesprochen werden, selbst von einem gesetzlichen Vertreter nicht (OLG München, DNotZ 1944, 114).
Für die Frage, ob der Widerruf gegenüber einem geschäftsunfähigen Ehegatten dem gesetzlichen Vertreter zugehen raus, enthält § 2296 BGB keine Regelung. In Literatur und Rechtsprechung wird aber überwiegend die Meinung vertreten, dass wegen § 131 I BGB eine solche Widerrufserklärung nur dann wirksam wird, wenn sie dem gesetzlichen Vertreter zugeht.
Der Zugang der Widerrufserklärung am 02.08.2004 erfolgte an den Beteiligten zu 1), der unstreitig nicht gesetzlicher Vertreter der Ehefrau des Erblassers war. Nach vorstehender Meinung lag damit formell gesehen kein Zugang bei dem gesetzlichen Vertreter vor. Der Beteiligte zu 1) war nicht zum Betreuer seiner Mutter bestellt.
Die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters für einen Geschäftsunfähigen geschieht im Wege der Betreuung. Der bestellte Betreuer ist im Umfang des angeordneten Aufgabenkreises gesetzlicher Vertreter des Geschäftsunfähigen. Danach wäre der Zugang der Widerrufserklärung an einen Betreuer wirksam gewesen, wenn dieser mit einem entsprechenden Aufgabenkreis bestellt worden wäre. Vorliegend hätte der Ehefrau des Erblassers ein Ergänzungsbetreuer (§ 1899 IV BGB) mit dem Aufgabenkreis „Empfang der Widerrufserklärung“ bestellt werden müssen. Dies war nach Auffassung der Kammer unter den gegebenen Umständen jedoch nicht erforderlich. Eine Betreuung erübrigt sich dann, wenn der Betroffene durch eine Vorsorgevollmacht entsprechende Vorsorge getroffen hat. Die Betreuung ist nur subsidiär. Die Subsidiarität der Betreuung ergibt sich daraus, dass eine Vorsorgevollmacht dem jeweils Bevollmächtigten die Stellung eines gesetzlichen Vertreters verschafft. Wenn der Bevollmächtigte auch formell nicht gesetzlicher Vertreter des Geschäftsunfähigen ist, so ist seine Stellung jedoch dem eines gesetzlichen Vertreters stark angenähert. Der Vorrang der Vollmacht vor der Betreuung greift nur dann, wenn die Vollmacht wirksam erteilt und im Zeitpunkt einer erforderlichen Betreuung noch nicht erloschen ist.
Die Generalvollmacht vom 16.10.1996 enthält ihrem Inhalt nach eine Vorsorgevollmacht für die Ehefrau des Erblassers zur Entgegennahme einseitig empfangsbedürftiger Willenserklärungen. Die Vollmacht sollte über den Tod der Vollmachtgeberin hinaus Wirksamkeit behalten. Der Beteiligte zu 1) ist nach dem Wortlaut der Vollmacht bevollmächtigt, im Namen seiner Mutter Erklärungen aller Art von natürlichen Personen entgegenzunehmen. Dazu gehört auch die Entgegennahme des Widerrufs des Erblassers. Eine Einschränkung ist der Vollmacht nicht zu entnehmen.
Dass die Generalvollmacht nicht als Vorsorgevollmacht benannt ist, ist unerheblich. Bei den als
Vorsorgevollmacht in Betracht kommenden Vollmachten kann es sich um eine Einzel- oder Spezialvollmacht oder um eine Generalvollmacht handeln.
Der Vorrang der Vorsorgevollmacht gegenüber einer anzuordnenden Betreuung entfällt dann, wenn sie qualitativ nicht geeignet ist, das Wohl des Betreuten ebenso gut zu gewährleisten wie die Wahrnehmung der betreffenden Angelegenheiten durch einen Betreuer. Auch dann, wenn ein nichthandelnder oder untauglicher Bevollmächtigter auftritt, ist der Vorrang zu verneinen. Dafür, dass der Beteiligte zu 1) nicht geeignet gewesen wäre Betreuungsaufgaben gegenüber seiner Mutter zu übernehmen, liegen keine Anhaltshaltspunkte vor. Die vormundschaftsgerichtliche Bestellung des Beteiligte zu 1) zum Betreuer seiner geistig schwerstbehinderten Schwester spricht gerade für dessen Eignung.
Der Beteiligte zu 1) gehört nicht zu dem in § 1897 III BGB genannten Personenkreis, für den eine Betreuerbestellung wegen Zweifeln an deren Unvoreingenommenheit ausscheidet.
Schließlich wäre der Vorrang des durch eine Vorsorgevollmacht Bevollmächtigten gegenüber einem Betreuer auch dann zu verneinen, wenn sich unter den konkreten Umständen Missbrauchsmöglichkeiten auftun. Auch hierfür sieht die Kammer keine Anhaltspunkte.
Zwar verweist das Nachlassgericht unter Bezug auf Zimmermann, ZEV 2007, 159 darauf, dass die Regelung in § 51 III ZPO im materiellen Recht bislang keinen adäquaten Niederschlag gefunden hat. Die Vorschrift, eingefügt durch das 2. Betreuungsänderungsgesetz v. 21.04.2005, zeigt aber, dass die Gleichstellung eines Bevollmächtigten mit einem gesetzlichen Vertreter einem praktischen Bedürfnis entspricht, nämlich dann, wenn der Bevollmächtigte geeignet ist, gemäß § 1896 II Satz 2 BGB die Erforderlichkeit eines Betreuers entfallen zu lassen. Wie gerade der vorliegende Fall zeigt,hatte sich Rechtsanwältin ... an das Vormundschaftsgericht mit dem Ersuchen gewandt, einen Ergänzungsbetreuer zur Entgegennahme des Widerrufs des gemeinschaftlichen Testamentes zu bestellen. Das Vormundschaftsgericht hat, offensichtlich aus gleichen Erwägungen wie das Beschwerdegericht, im Hinblick auf die dem Beteiligten zu 1) erteilte Generalvollmacht vom 16.10.1996 keine Notwendigkeit für die Bestellung eines Ergänzungsbetreuers gesehen.
Das Gericht vermag sich im Ergebnis nicht den dogmatischen Erwägungen von Zimmermann (a.a. O) anzuschließen, da sie im Einzelfall den wirksamen Widerruf wechselbezüglicher Verfügungen gegenüber dem geschäftsunfähigen anderen Vertragsteil verhindern. Bei einer endgültigen Verweigerung der Bestellung eines Betreuers durch das Vormundschaftsgericht aus Gründen einer bestehenden Vorsorgevollmacht gibt es keinen gesetzlichen Vertreter. Den von ... geäußerten Bedenken, bei Anerkennung des Zugang des Widerrufs beim rechtsgeschäftlichen Vertreter könnten sich erhebliche (negative) Folgen für den anderen Vertragsteil ergeben, ist entgegen zu halten, dass bei Bestellung eines Betreuers durch das Vormundschaftsgericht eine bestehende Interessenkollision zu berücksichtigen ist. Diese kann zur Versagung der Betreuerbestellung führen. Ebenso kann aber auch das Nachlassgericht beurteilen, ob eine erteilte Vollmacht nach ihrem Inhalt und nach der Person des Bevollmächtigten geeignet ist, die Bestellung eines Betreuers entfallen zu lassen. Für die Beurteilung dieser Frage muss, wie § 51 III ZPO zeigt, nicht das Vormundschaftsgericht angerufen werden.
2. Der Widerruf der Verfügung des Erblassers im Ehegattentestament vom 09.03.1998 ist nach alledem wirksam und hat zur Folge, dass der Erblasser neu testamentarisch verfügen konnte. Dies ist mit dem privatschriftlich errichteten Testament des Erblassers vom 25.07.2004 geschehen. Das Testament ist formgültig. Anhaltspunkte für die Unwirksamkeit des Testaments aus anderen Gründen sind nicht ersichtlich. Aus dem Wortlaut des Testaments ergibt sich, dass der Erblasser beerbt worden ist vom Beteiligten zu 1) mit 73/100 und von der Beteiligten zu 2) mit 27/100, wobei der Beteiligte zu 1) Nacherbe sein soll und die Beteiligte zu 2) nur befreite Vorerbin. Zugleich ist Testamentsvollstreckung anzuordnen.
Die Entscheidung des Amtsgerichts ist aufzuheben. Das Beschwerdegericht darf sich nicht darauf beschränken, dem Nachlassgericht aufzutragen, über einen ordnungsgemäß gestellten Erbscheinantrag unter Beachtung der Rechtsauffassung des Beschwerdegerichts zu entscheiden. Deshalb hat die Entscheidung dahin zu ergehen, ob dem Antragsteller der beantragte Erbschein zu erteilen ist oder nicht. Lediglich die erforderliche Ausführungshandlung, wie die Erteilung des Erbscheins, darf dem Nachlassgericht überlassen werden. Das ist vorliegend geschehen (siehe Tenor).
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, da es im vorliegenden Verfahren keinen Antragsgegner gibt.
Bei der Festsetzung des Geschäftswerts der Beschwerde hatte das Gericht zu berücksichtigen, dass nicht der Wert des reinen Nachlasses heranzuziehen ist. Da zwischenzeitlich auch die Ehefrau des Erblassers verstorben ist und zwischen der Erbeneinsetzung nach dem Testament des Erblassers bzw. nach dem gemeinschaftlichen Testament nur marginale Unterschiede bestehen, hat das Gericht den Beschwerdewert auf bis zu 2.000,- EUR geschätzt

RechtsgebietBGBVorschriftenBGB §§ 1896 Abs. 2, 131, 2271, 2296

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