09.02.2010 · IWW-Abrufnummer 100467
Bundesgerichtshof: Beschluss vom 14.01.2010 – VII ZB 79/09
a)
Die dem Gläubiger in Vorbereitung eines nicht von vornherein aussichtslosen Drittschuldnerprozesses entstandenen notwendigen Kosten können, soweit sie bei dem Drittschuldner nicht beigetrieben werden können, im Verfahren nach § 788 ZPO festgesetzt werden (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2005 - VII ZB 57/05, NJW 2006, 1141).
b)
Ein Anspruch des Gläubigers gegen den Drittschuldner aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO kann nicht daraus abgeleitet werden, dass er die Forderung zu Unrecht nicht anerkennt.
c)
Anwaltskosten, die dadurch entstehen, dass der Drittschuldner, der nach Zustellung des Pfändungsbeschlusses die gemäß § 840 Abs. 1 ZPO geforderten Erklärungen nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist abgibt, ein weiteres Mal zur Abgabe dieser Erklärungen aufgefordert wird, sind nicht als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung gemäß § 788 ZPO festsetzungsfähig (im Anschluss an BGH, Urteil vom 4. Mai 2006 - IX ZR 189/04, NJW-RR 2006, 1566).
Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 14. Januar 2010
durch
den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Kniffka,
die Richter Dr. Kuffer und Bauner,
die Richterin Safari Chabestari und
den Richter Dr. Eick
beschlossen:
Tenor:
Auf die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin werden der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Tübingen vom 19. Juni 2009 und Ziffer 1 des Beschlusses des Amtsgerichts Bad Urach vom 9. Juli 2008 abgeändert.
Die von der Schuldnerin an den Gläubiger zu erstattenden Vollstreckungskosten werden auf 809,20 EUR nebst Jahreszinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 13. März 2008 festgesetzt.
Der weitergehende Antrag des Gläubigers und die Rechtsbeschwerde der Schuldnerin im Übrigen werden zurückgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
Gründe
I.
Der Gläubiger erwirkte am 5. September 2007 wegen einer Forderung von insgesamt 77.113,91 EUR einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen die Schuldnerin, mit dem deren angebliche Ansprüche aus Amtspflichtverletzungen gegen den Drittschuldner, einen Notar, gepfändet und ihm zur Einziehung überwiesen wurden. Nachdem der Drittschuldner die Erklärungen gemäß § 840 Abs. 1 ZPO nicht fristgerecht abgegeben hatte, wurde er mit Anwaltsschreiben vom 29. Oktober 2007 gemahnt. Mit Schreiben vom 7. November 2007 teilte der Drittschuldner mit, dass die Forderungen "nicht als begründet anerkannt" würden. Daraufhin beauftragte der Gläubiger seine Rechtsanwälte, die Ansprüche einzuklagen. Nachdem der Drittschuldner mit Schreiben vom 14. Dezember 2007 eine Bezahlung in Aussicht gestellt hatte, wurde zunächst von einer Klageerhebung abgesehen. Nach erfolgter Zahlung der gepfändeten Forderungen wurde das Klageverfahren nicht mehr durchgeführt.
Der Gläubiger hat beantragt, die ihm durch die Einschaltung eines Rechtsanwalts entstandenen Kosten in Höhe von 1.643,21 EUR gemäß § 788 ZPO gegen die Schuldnerin festzusetzen. Er hat für das Mahnschreiben eine Geschäftsgebühr und für die Vorbereitung der Klage eine Verfahrensgebühr angesetzt. Diesen Antrag hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Auf die sofortige Beschwerde des Gläubigers hat das Landgericht unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses und Zurückweisung des weitergehenden Antrags, die von der Schuldnerin an den Gläubiger nach § 788 Abs. 2 ZPO zu erstattenden Vollstreckungskosten auf 1.547,00 EUR zzgl. Zinsen festgesetzt. Dagegen wendet sich die Schuldnerin mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Sie erstrebt weiterhin die Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags.
II.
Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache teilweise Erfolg. Die von der Schuldnerin an den Gläubiger zu erstattenden Kosten sind auf 809,20 EUR zzgl. Zinsen festzusetzen.
1.
Das Beschwerdegericht ist der Auffassung, die gesamten noch zur Überprüfung gestellten Anwaltskosten seien gemäß § 788 ZPO von der Schuldnerin zu tragen. Die Schuldnerin habe Veranlassung zur Zwangsvollstreckung gegeben. Aus Sicht des Gläubigers habe Ende November/Anfang Dezember 2007 kein anderer Erfolg versprechender Weg als die vorbereitete Klage gegen den Drittschuldner bestanden, um das damals mehr als vier Monate rechtskräftige Urteil durchsetzen zu können. Die beabsichtigte Klage sei weder mutwillig noch von vornherein aussichtslos gewesen. Dem Gläubiger stehe gegen den Drittschuldner ein direkter, vorrangiger Erstattungsanspruch hinsichtlich der streitgegenständlichen Kosten nicht zu. Ein solcher ergebe sich nicht allein wegen der Säumnis des Drittschuldners bei der Erklärung nach § 840 ZPO. Dem Gläubiger stünden daher die geltend gemachten Gebühren aus einem Streitwert von 77.113,91 EUR zu.
2.
Das hält der rechtlichen Überprüfung stand, soweit die Kosten für die Vorbereitung der Klage betroffen sind. Hinsichtlich der für das Mahnschreiben entstandenen Kosten hat die Rechtsbeschwerde Erfolg.
a)
Die wegen des Klageauftrags angefallenen Kosten hat das Beschwerdegericht zu Recht gemäß § 788 ZPO festgesetzt.
aa)
Der Senat hat bereits entschieden (Beschluss vom 20. Dezember 2005 - VII ZB 57/05, NJW 2006, 1141), dass die Kosten eines Rechtsstreits zwischen dem Gläubiger und dem Drittschuldner über eine gepfändete und dem Gläubiger zur Einziehung überwiesene Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner als Kosten der Zwangsvollstreckung nach § 788 ZPO erstattungsfähig sein können. Dies gilt in gleicher Weise für die Kosten der Vorbereitung einer solchen Klage. Im einen wie im anderen Fall entstehen die Aufwendungen des Gläubigers aus Anlass der Zwangsvollstreckung (vgl. Zöller/Stöber, ZPO, 28. Aufl., § 788 Rdn. 3). Bei dem Drittschuldnerprozess und dessen Vorbereitung handelt es sich um Vollstreckungsmaßnahmen des Gläubigers, die unmittelbar dazu dienen, den die Forderung des Schuldners gegen den Drittschuldner betreffenden Pfändungs- und Überweisungsbeschluss zu vollziehen. Die insoweit entstandenen Kosten hat der Schuldner dadurch verursacht, dass er die Forderung des Gläubigers nicht freiwillig erfüllt hat.
bb)
Festsetzungsfähig sind diese Kosten gemäß § 788 Abs. 1 ZPO allerdings nur, soweit sie notwendig waren. Auch das Vorliegen dieser Voraussetzung hat das Beschwerdegericht zu Recht festgestellt.
(1)
Aus der maßgeblichen Sicht des Gläubigers gab es bei Erteilung des Klageauftrags keine andere Erfolg versprechende Möglichkeit, die titulierte Forderung durchzusetzen, als gerichtlich gegen den Drittschuldner vorzugehen. Denn dieser hatte erklärt, die gepfändete Forderung "als nicht begründet anzuerkennen". Im Hinblick darauf war die vorbereitete Klage nicht mutwillig. Sie war auch, wie sich bereits aus der späteren Erfüllung der Forderung ergibt, nicht von vornherein aussichtslos.
(2)
Dies allein rechtfertigt es jedoch nicht, die Kosten der Vorbereitung der Klage als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung anzusehen. Vielmehr sind die Kosten eines nicht von vornherein aussichtslosen Drittschuldnerprozesses oder dessen Vorbereitung nur dann als notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner anzusehen, wenn sie von dem Drittschuldner nicht beigetrieben werden können (BGH, Beschluss vom 20. Dezember 2005 - VII ZB 57/05, NJW 2006, 1141).
Auch diese Voraussetzungen hat das Beschwerdegericht zu Recht angenommen. Dem Gläubiger steht gegen den Drittschuldner ein Anspruch auf Ersatz der für die Vorbereitung der Klage angefallenen Kosten nicht zu. Ein solcher Anspruch ergibt sich entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde nicht aus § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Danach haftet der Drittschuldner nur, wenn er eine Auskunft gemäß § 840 Abs. 1 ZPO unvollständig, unrichtig, irreführend oder verspätet erteilt (Musielak/Becker, ZPO, 7. Aufl., § 840 Rdn. 12). Durch die in § 840 Abs. 1 ZPO getroffene gesetzliche Regelung soll die Entscheidung des Pfändungsgläubigers erleichtert werden, ob er aus der gepfändeten angeblichen Forderung seines Schuldners gegen den Drittschuldner vorgehen soll oder nicht. Nur zu diesem Zweck und in dem durch die Pfändung gezogenen Rahmen sind dem Drittschuldner die Auskunftspflichten und die Haftung aus der Nichterfüllung auferlegt (BGH, Urteil vom 25. September 1986 - IX ZR 46/86, BGHZ 98, 291, 294).
Der Drittschuldner hat seine Auskunftspflicht gemäß § 840 Abs. 1 Nr. 1 ZPO durch die abgegebene Erklärung nicht verletzt. Nach dieser Vorschrift hat er sich nur dazu zu erklären, ob er die Forderung als begründet anerkennt, nicht darüber, ob die Forderung begründet ist. Eine Haftung gemäß § 840 Abs. 2 Satz 2 ZPO wegen Nichtanerkennung der Forderung scheidet damit aus.
Wegen verspäteter Abgabe der gemäß § 840 Abs. 1 ZPO zu erteilenden Auskünfte kommt eine Haftung des Drittschuldners gemäß § 840 Abs. 2 ZPO hier nicht in Betracht. Die verspätete Auskunft ist für den dem Gläubiger entstandenen Schaden, die wegen der Vorbereitung der Klage angefallenen Anwaltskosten, nicht kausal geworden. Denn die Entscheidung, klageweise gegen den Drittschuldner vorzugehen, hat der Gläubiger erst nach Abgabe der Drittschuldnererklärung getroffen.
b)
Die im Zusammenhang mit dem Mahnschreiben vom 29. Oktober 2007 angefallenen Anwaltskosten können nicht gemäß § 788 ZPO gegen die Schuldnerin festgesetzt werden. Insoweit handelt es sich nicht um notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung. Wie bereits ausgeführt, soll dem Schuldner durch die in § 840 Abs. 1 ZPO getroffene gesetzliche Regelung nur die Entscheidung erleichtert werden, ob er aus der gepfändeten angeblichen Forderung seines Schuldners gegen den Drittschuldner vorgehen soll oder nicht. Erteilt der Drittschuldner nach Zugang der Aufforderung zur Erklärung nach § 840 Abs. 1 ZPO dem Gläubiger innerhalb der Zwei-Wochen-Frist keine Auskunft, kann dieser ohne weiteres davon ausgehen, dass hinsichtlich der Beitreibbarkeit der gepfändeten Forderung keine Hindernisse bestehen (BGH, Urteil vom 4. Mai 2006 - IX ZR 189/04, NJW-RR 2006, 1566). Eine nochmalige Aufforderung an den schweigenden Drittschuldner, sich nach § 840 Abs. 1 ZPO zu erklären, ist daher auch unter Berücksichtigung der berechtigten Interessen des Gläubigers nicht geboten. Damit verbundene Anwaltskosten sind nicht erstattungsfähig (BGH, Urteil vom 4. Mai 2006 - IX ZR 189/04, a.a.O.). Das gilt nicht nur im Verhältnis zwischen dem Gläubiger und dem Drittschuldner, sondern auch im Verhältnis des Gläubigers zum Schuldner.
c)
Der Gläubiger kann daher nur eine Verfahrensgebühr gemäß RVG-VV Nr. 3101 Nr. 1 aus einem Streitwert von 77.113,91 EUR erstattet verlangen. Die darüber hinaus für die Mahnung geltend gemachte Geschäftsgebühr ist nicht erstattungsfähig.
Die gemäß § 788 ZPO festzusetzenden Kosten der Zwangsvollstreckung ermitteln sich daher ausgehend von dem Kostenfestsetzungsantrag des Gläubigers wie folgt:
Verfahrensgebühr RVG-VV Nr. 3101|0,8|960,00 EUR
Anrechnung gemäß RVG-VV Vorbem. 3 Abs. 4|0,25|- 300,00 EUR
Pauschale gemäß RVG-VV Nr. 7002||20,00 EUR
19% Umsatzsteuer||129,20 EUR
Gesamtbetrag||809,20 EUR
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 Satz 1 ZPO.