05.02.2010 · IWW-Abrufnummer 094189
Bundesfinanzhof: Beschluss vom 29.07.2009 – VI B 99/08
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
VI B 99/08
Gründe:
Die Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg, denn sie ist jedenfalls unbegründet.
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) trägt zur Begründung seines Begehrens, die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO) zuzulassen, vor, er hafte als ehemaliger Geschäftsführer einer GmbH nicht für gemäß § 39c Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nach Lohnsteuerklasse VI bemessene Lohnsteuer, denn der betreffende, sich illegal in Deutschland aufhaltende und ohne Vorlage einer Lohnsteuerkarte in den Jahren 1995 bis 2003 bei der GmbH beschäftigte Arbeitnehmer habe im Beschäftigungszeitraum Ehefrau und drei minderjährige Kinder im Ausland gehabt. Unter Berücksichtigung der Familienverhältnisse falle keine Einkommensteuerschuld des Arbeitnehmers an. Als Geschäftsführer hafte er --der Kläger-- nur für einen dem Fiskus tatsächlich entstandenen Schaden. Dieser Vortrag rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision.
a)
Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Die Rechtsfrage muss im konkreten Fall klärungsbedürftig und in einem künftigen Revisionsverfahren klärungsfähig sein (ständige Rechtsprechung, z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 10. Oktober 2007 VI B 33/07, BFH/NV 2008, 44; vom 12. Oktober 2007 VI B 161/06, BFH/NV 2008, 45; vom 24. Juli 2008 VI B 7/08, BFH/NV 2008, 1838). Eine Rechtsfrage ist nicht klärungsbedürftig, wenn sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH hinreichend geklärt ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung dieser Frage durch den BFH erforderlich machen (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 115 Rz 28).
Nach diesem Maßstab bedarf die Frage, ob § 39c Abs. 1 Satz 1 EStG auch nach Ablauf des Kalenderjahres, für das die Lohnsteuerkarte gilt, anzuwenden ist, keiner erneuten Klärung. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt) weist zutreffend darauf hin, dass der erkennende Senat mit Urteil vom 12. Januar 2001 VI R 102/98 (BFHE 194, 372, BStBl II 2003, 151) entschieden hat, dass der Arbeitgeber auch nach Ablauf des Kalenderjahres, für welches die bei beschränkt Steuerpflichtigen an Stelle der Lohnsteuerkarte tretende Bescheinigung nach § 39d Abs. 1 Satz 3 EStG gilt, grundsätzlich nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG in Haftung genommen werden kann, wenn der Arbeitgeber entgegen § 39c Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 39d Abs. 3 Satz 4 EStG den Lohnsteuerabzug trotz Nichtvorliegens einer Bescheinigung gemäß § 39d Abs. 1 Satz 3 EStG nicht nach der Steuerklasse VI, sondern nach der Steuerklasse I durchgeführt hat. In den Gründen jener Entscheidung hat der Senat u.a. ausgeführt, dass die Sicherung der ordnungsgemäßen Besteuerung eine Anwendung des § 39c Abs. 1 Satz 1 EStG auch nach Ablauf des Kalenderjahres gebiete, für das die Lohnsteuerkarte gilt. Auch bei unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern, bei denen entgegen § 39c Abs. 1 Satz 1 EStG trotz Nichtvorliegens einer Lohnsteuerkarte der Lohnsteuerabzug nach der Steuerklasse I statt nach der Steuerklasse VI erfolgt, wären dauernde Steuerausfälle zu besorgen. Denn ohne Vorlage einer Lohnsteuerkarte könne es sich um den Arbeitslohn aus einem zweiten Beschäftigungsverhältnis handeln. Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen ist die der Arbeitgeberhaftung nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 EStG zugrunde gelegte Lohnsteuer auch dann nach § 39c Abs. 1 Satz 1 EStG zu bemessen, wenn --wie im Streitfall-- weder eine Lohnsteuerkarte vorgelegt worden ist noch der Arbeitgeber überhaupt eine Lohnversteuerung vorgenommen hat. Soweit --gleichfalls wie im Streitfall-- nicht mehr der insolvente Arbeitgeber nach § 42d EStG, sondern dessen ehemaliger Geschäftsführer nach den §§ 69, 34 der Abgabenordnung in Haftung genommen werden soll, ergeben sich hinsichtlich der Bemessung der Lohnsteuer keine neuen Gesichtspunkte, die eine erneute Befassung des BFH mit der vom Kläger aufgeworfenen Rechtsfrage rechtfertigen könnten. Denn auch dann trägt der vom erkennenden Senat zur Rechtfertigung einer Besteuerung nach Lohnsteuerklasse VI hervorgehobene Gedanke der Sicherung einer ordnungsgemäßen Besteuerung.
b)
Nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 1. Alternative FGO ist die Revision zuzulassen, wenn die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des BFH erfordert. Davon ist auszugehen, wenn im Einzelfall Veranlassung besteht, Grundsätze und Leitlinien für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts aufzustellen oder Gesetzeslücken rechtsschöpferisch auszufüllen (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 7. September 2007 VI B 17/07, BFH/NV 2007, 2327; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz 41; jeweils m.w.N.). Auch eine solche Veranlassung gibt die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage angesichts der erwähnten Rechtsprechung des BFH zu § 39c EStG nicht.