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20.01.2010 · IWW-Abrufnummer 100055

Amtsgericht Königstein: Urteil vom 29.09.2009 – 50 Ds 437 Js 3291/09

1. Eine Einwilligung im Sinne des § 81 a StPO mit der Folge, dass der Richtervorbehalt entfällt, kann in der bloßen Hinnahme der Blutententnahme nicht gesehen werden.



2. Für den LG-Bezirk Frankfurt/Main ist ein nächtlicher richterlicher Bereitschaftsdienst erforderlich.


AG Königstein
AMTSGERICHT KÖNIGSTEIN IM TAUNUS
Urteil
Im Namen des Volkes
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Trunkenheit im Verkehr
hat das AMTSGERICHT KÖNIGSTEIN IM TAUNUS aufgrund der Hauptverhandlung vom 29.09.2009, an der teilgenommen haben:
Richterin am Amtsgericht als Strafrichterin
Oberamtsanwältin
als Beamtin der Amtsanwaltschaft
Rechtsanwalt als Verteidiger
Justizfachangestellte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Der Führerschein (Verwahrbuch-Nr. ) ist an den Angeklagten herauszugeben.
Die Kosten des Verfahrens sowie die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.
Gründe
Der Angeklagte ist 57 Jahre alt, verheiratet und selbständiger Gastwirt. Er erzielt ein monatliches Nettoeinkommen, so seine Angaben, von circa 1.500,-- EUR.
Die Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main legt dem Angeklagten nach der Anklage vom 04.08.2009 zur Last, eine fahrlässige Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 Absatz 1 und 2 StGB dadurch begangen zu haben, dass er am 17.06.2009 gegen 01:05 Uhr mit dem Pkw VW Touran mit dem amtlichen Kennzeichen XXXX unter anderem die X.gasse in B befahren habe.
Zum Zeitpunkt dieser Fahrt soll der Angeklagte eine BAK von mindestens 1,16 Promille gehabt haben, weshalb er fahruntüchtig gewesen sei.
II.
Nach der Beweisaufnahme war der Angeklagte von diesem Vorwurf aus rechtlichen Gründen freizusprechen.
Der Angeklagte hat sich in der Hauptverhandlung wie folgt eingelassen:
Nach Betriebsschluss habe er in seiner Gaststätte in H. noch aufgeräumt. Zuvor, in der Zeit von 23:00 Uhr bis 00:00 Uhr habe er ausschließlich Bier konsumiert. Zur Trinkmenge könne er keine konkreten Angaben mehr machen. Jedoch habe er sich, so der Angeklagte, bei Antritt der Fand mit seinem Pkw nach B. seinem Wohnort, nicht betrunken bzw. alkoholisiert gefühlt. Als Beifahrerin mit im Fahrzeug sei seine Ehefrau gewesen. Kurz vor Erreichen seiner Wohnanschrift (xxxxx) sei er von Polizeibeamten in der X.Gasse in B angehalten und einer allgemeinen Verkehrskontrolle unterzogen worden.
Ihm sei ein Atemalkoholtest vorgeschlagen worden. Hierin habe er eingewilligt.
Nach den Angaben des in der Hauptverhandlung gehörten Zeugen PK K wurden am Anhalteort mit einem mobilen Messgerät zwei Atemalkoholtests durchgeführt. Der um 01:10 Uhr durchgeführte habe einen Wert von 1,37 Promille, der um 01:20 Uhr durchgeführte Test einen Wert von 1,38 Promille ergeben.
Aufgrund dessen sei dem Angeklagten die Festnahme eröffnet worden, so der Zeuge PK K.
Er sei zur Dienststelle gebracht worden, wo um 01:53 Uhr von dem Arzt B eine Blutentnahme vorgenommen worden sei.
Auf die richterliche Anfrage vom 12.08.2009 hatte der Zeuge K. mit Datum vom 01.09.2009, in der Hauptverhandlung bestätigt, erklärt, der Angeklagte habe einer Blutentnahme zugestimmt. Eine richterliche Anordnung sei deshalb, so der Zeuge, nicht notwendig gewesen.
Der Angeklagte hat in der Hauptverhandlung bestritten, eine solche Zustimmung erklärt zu haben. Der Zeuge K. hat auf Vorhalt des Gerichts bestätigt, dass eine ausdrückliche Zustimmung vom Angeklagten auch nicht erklärt worden sei. Jedoch habe sich der Angeklagte, wie in seinem Bericht niedergelegt, „kooperativ und glaubhaft reumütig" gezeigt.
Eine Einwilligung im Sinne des § 81 a StPO mit der Folge, dass der Richtervorbehalt entfällt, kann in der bloßen Hinnahme der Blutententnahme nicht gesehen werden (vgl. dazu z. B. OLG Bamberg, BA 2009, 217 (218); OLG Dresden, BA 2009, 344 (345)).
Der Angeklagte wurde nach seinen Angaben, die übereinstimmen mit den Aussagen des Zeuge PK K., über die Sachlage und sein Weigerungsrecht nicht aufgeklärt und auch nicht entsprechend darüber belehrt.
Somit lag eine wirksame Einwilligung nicht vor.
Der in der Hauptverhandlung gehörte Zeuge POK P. hat glaubhaft bekundet, von einer Einwilligung bzw. Zustimmung des Ange- klagten nichts gewusst zu haben. Die am Tattag vor Ort tätigen Beamten K. und W. hätten ihm, ob telefonisch oder erst auf der Wache erinnere er nicht mehr, den Wert des Alkoholtests mitgeteilt. Er habe, so der Zeuge POK P weiter, allein aufgrund dieses Wertes als stellvertretender Dienstgruppenleiter die Blutentnahme durch einen Arzt angeordnet.
Der Zeuge P. hat sich demnach keine weiteren Gedanken zu den Voraussetzungen der Anordnung einer Blutentnahme gemacht.
Auf konkrete Nachfrage des Gerichts in der Hauptverhandlung hat er bekundet, Gefahr im Verzug liege in diesen Fällen immer vor wegen des Abbaus des Alkohols im Blut. Darüber hinaus hat er auf Nachfrage der Sitzungsvertreterin der Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main bestätigt, zu wissen, dass Nachts kein Ermittlungsrichter zu erreichen sei. Hierzu gebe es ein Rundschreiben.
Nach seinen Angaben hat der Zeuge POK P. nicht versucht, über die Staatsanwaltschaft bzw. Amtsanwaltschaft Frankfurt am Main einen Ermittlungsrichter zu erreichen.
Allerdings wäre dieser Versuch auch vergeblich gewesen, da nach den Feststellungen in der Hauptverhandlung für den gesamten Landgerichtsbezirk Frankfurt am Main kein Ermittlungsrichter zur Nachtzeit von 21:00 Uhr bis 04:00 Uhr erreichbar gewesen wäre.
Nach der gesetzlichen Regelung des § 81 a Abs. 2 StPO steht die Anordnungskompetenz für die Entnahme einer Blutprobe grundsätzlich dem Richter zu.
Somit begegnet das Fehlen eines richterlichen Bereitschaftsdienstes in der Zeit von 21:00 Uhr bis 04:00 Uhr grundlegenden verfassungsrechtlichen Bedenken.
Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (2 BVR 447/05 vom 13.12.2005) ist ein richterlicher Bereitschaftsdienst zur Nachtzeit von Verfassungs wegen zwar erst dann gefordert, wenn hierfür ein praktischer Bedarf besteht, der über den Ausnahmefall hinaus geht (vgl. dazu bezogen auf die Durchsuchungen von Wohnungen zur Nachtzeit OLG Hamm, Urt. v. 18.08.2009, 3 Ss 298/08). Ein solcher Bedarf besteht schon aufgrund der Größe des Bezirkes gerade im Landgerichtsbezirk Frankfurt am Main. Aufgrund der Häufigkeit der zur Nachtzeit anfallenden, dem Richtervorbehalt unterliegenden Zwangsmaßnahmen besteht regelmäßig ein über einen Ausnahmefall hinausgehender Bedarf an der Erreichbarkeit eines Ermittlungsrichters. Dies gilt besonders unter Berücksichtigung der Zuständigkeitskonzentration für die ermittlungsrichterliche Tätigkeit seit dem 1. Januar 2009 durch die Neufassung des § 162 StPO.
Dass die bisherige rechtswidrige Praxis ohne Weiteres fortgesetzt wird, drückt sich auch darin aus, dass die angenommene Eilkompetenz von dem die Blutentnahme anordnenden Beamten entgegen der Anforderungen der Rechtsprechung des BVerfG nicht aktenmäßig dokumentiert worden ist.
Da der Zeuge POK P. wie er in der Hauptverhandlung bekundet hat. eine auf den Einzelfall bezogene mit Tatsachen belegte zeitlichen Verzögerung von zwei Stunden nicht zu einem erschwerten Nachweis geführt.
Da Trinkmengen nicht ermittelt sind, ist die Prüfung einer relativen Fahruntüchtigkeit nicht möglich. Insoweit hat die Beweisaufnahme ergeben, dass beim Angeklagten auch keine groben Ausfallerscheinungen beobachtet werden konnten.
Der Angeklagte hat auch keine Ordnungswidrigkeit gemäß § 24 a StVG begangen.
Die gemessenen Atemalkoholwerte wurden nicht mit einem Bauart zugelassen geeichtem Gerät gemessen, so dass auch insoweit ein Verwertungsverbot der Ergebnisse gegeben ist.
Danach war der Angeklagte aus rechtlichen Gründen freizusprechen mit der Folge, dass ihm der Führerschein herauszugeben war.
Über eine Entschädigung für die Zeit der vorläufigen Sicherstellung der Fahrerlaubnis war nicht zu entscheiden, da der Angeklagte hierauf in der Hauptverhandlung wirksam verzichtet hat.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO.

RechtsgebieteVerkehrsrecht, BlutentnahmeVorschriften§ 81a StPO

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