05.01.2010 · IWW-Abrufnummer 094143
Landgericht Dresden: Urteil vom 15.10.2008 – 4 O 486/08
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
LG Dresden, Urteil vom 15.10.2008 - 4 O 486/08
In dem Rechtsstreit
....
wegen Werklohnforderung
erlässt d. 4. Zivilkammer d.
Landgericht Dresden
Durch
Richter am Landgericht #### - als Einzelrichter -
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 01.10.2008 am 15.10. 2008 folgendes
URTEIL
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 105.680,64 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz p.a. seit dem 27.12.2007 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.780,20 EUR (Kosten vorgerichtlicher Rechtsverfolgung) zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagten als Gesamtschuldner zu 73 % und die Klägerin zu 27 % zu tragen.
5. Das Urteil ist für beide Parteien vorläufig gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der wechselseitig vollstreckbaren Beträge vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten um restlichen Werklohn.
Der Auftraggeber schloss namens und in Vollmacht der Beklagten mit der Klägerin einen Einheitspreisvertrag über das ####. Wegen der Einzelheiten des Einheitspreisvertrages wird auf das Zuschlagsschreiben vom 15.06.2006 (K 1), das Angebot der Klägerin vom 22.05.2006 (K 2), die besonderen Vertragsbedingungen (K 3), die Baubeschreibung (K 4) sowie den Langtext des Leistungsverzeichnisses (K 5) verwiesen. Die Geltung der VOB/B war vereinbart. Die Arbeiten der Klägerin wurden am 02.05.2007 als mangelfrei abgenommen. Die Schlussrechnung endete abzüglich erfolgter Abschlagszahlungen mit einem offenen Saldo in Höhe von 311.902,60 EUR brutto (K 7). Im Rahmen der Schlussrechnungsprüfung gelangte der Auftraggeber zu einem offenen Saldo von lediglich 102.383,41 EUR brutto, der ausgeliehen wurde. Der noch offene Betrag besteht im Wesentlichen aus dem Nachtrag 7 (Fällen von 4.003 Bäumen ohne Wurzelrodung) und der Klageforderung aus der Position Rodungsarbeiten des Leistungsverzeichnisses.
Im Angebot der Klägerin, das nach Positionsbezeichnung, Ordnungsziffern und angegebenen Mengen den Vertragsbedingungen des Auftraggebers entspricht, heißt es insoweit
Ordnungsziffer Leistungsbeschreibung Menge Einheitspreis Gesamtbetrag
EUR EUR
3.25.1 Bäume (10-30
cm) fällen... 8.300 Stück 1,17 9.711,00
3.25.2 Bäume (30-50
cm) fällen... 700 Stück 1,17 819,00
3.25.3 Bäume (50-70
cm fällen... 170 Stück 11,69 1.987,30
3.25.4 Bäume (75-100
cm) fällen... 45 Stück 22,21 99,54
3.25.5 Bäume (über
100 cm) fällen... 10 Stück 45,58 455,80
3.25.6 mehrstämmige
Bäume fällen 1850 Stück 1,17 2.164,50
3.25.7 Wurzelstöcke ro-
den 50 Stück 30,52 1.526,00
Nach dem Vertragsinhalt war Leistungsbestandteil des Fällens (Ordnungsziffern 3.25.1 bis 3.25.6) auch das Roden der Wurzelstöcke. Diese Wurzelstöcke werden im Fortgang als Neuwurzelstöcke und die unter der Ordnungsziffer 3.25.7 aufgeführten Wurzelstöcke als Altwurzelstöcke bezeichnet.
Dass die Einheitspreise für die Rodung der Altwurzelstöcke erheblich über denen der Ordnungsziffern 3.25.1 bis 3.25.6 liegen, resultiert aus dem Umstand, dass die Klägerin das Holz der gefällten Bäume auf eigene Rechnung verwerten durfte. In der Urkalkulation des Subunternehmers der Klägerin ist für die Ordnungsziffern 3.25.1 und 3.25.6 ein Holzwert von 11,26 EUR, für die Ordnungsziffer 3.25.2 ein Holzwert von 49,25 EUR, für die Ordnungsziffer 3.25.3 ein Holzwert von 117,92 EUR und für die Ordnungsziffer 3.25.4 ein Holzwert von 237,35 EUR je Baum kalkuliert.
Statt der vorgesehenen 50 mussten 4.754 Altwurzelstöcke gerodet werden. Ebenso stieg die Zahl der zu fällenden Bäume um 4.003. Das Roden von Neuwurzelstöcken unterblieb teilweise auf Anweisung des Auftraggebers Mit Schreiben vom 22.03.2007 (B 4) forderte dieser die Klägerin auf, eine Neukalkulation für die Positionen 3.25.1- 3.25.4 wegen der Reduzierung der Zahl zu rodender Neuwurzelstöcke zu erstellen. Die Klägerin erstellte ein Nachtragsangebot vom 10.04.2007 (B 5), das der Auftraggeber ablehnte (B 6). Am 04,04.2007 (Besprechungsvermerk B 7) wurde die Klägerin weiterhin zur Bildung neuer Einheitspreise für die Position 3.25.7 wegen der Mengenmehrungen hinsichtlich der Altwurzelstöcke aufgefordert, nachdem der Auftraggeber bereits mit Schreiben vom 19.03.2007 die Klägerin aufgefordert hatte, das Roden der Altwurzelstöcke bis zur Klärung von Abrechnungsfragen auszusetzen (B 3). Die Bildung neuer Einheitspreise lehnte die Klägerin ab (B 8).
Der Auftraggeber und die Klägerin fertigten ein gemeinsames Aufmass über die Zahl gefällter Bäume, bei denen eine Rodung der Neuwurzelstöcke unterblieb, wobei in den Aufmassblättern 241 bis 250 (B 11 und B 18) zwischen Bäumen mit Stammdicken von "10 - 30", "30 - 50", "50 - 75", "75 - 100" und "mehrstämmige(n) Bäume(n)" unterschieden wurde. Der Auftraggeber vertrat vorprozessual die Auffassung, dass die Rodung von 3.993 Altwurzelstöcken kosten- neutral sei, weil die Klägerin nach den Aufmassblättern dieselbe Anzahl von Neuwurzelstöcken im Boden belassen sollte.
Bei der Schlussrechnungsprüfung zog der Auftraggeber von den gerodeten 4754 Altwurzelstöcken 3.993 ab und strich den Nachtrag 7 (Fällen von 4.003 Bäume ohne Wurzelrodung) und ordnete im Gegenzug die 4.003 (zusätzlich) gerodeten Bäume entsprechend der Stammdicken den Ordnungsziffern 3.251 bis 3.25.6 zu (Seite 3 und 18 d. Anlage K 17).
Mit Schreiben vom 15.10.2007 forderte die Klägerin die Beklagten zum Ausgleich der Klageforderung unter Fristsetzung zum 26.10.2007 auf (K 8).
Die Klägerin ist der Auffassung, dass es sich bei der Anordnung, Neuwurzelstöcke zu belassen, um eine einseitig ändernde Leistungsanordnung im Sinne von § 1 Nr. 3 VOB/B handele, die die Abrechnungsvereinbarung nicht berühre. Der Bauleiter der Klägerin sei nicht vertretungsberechtigt gewesen: im Übrigen belege der Schriftwechsel gerade das Gegenteil einer Vertragsänderung.
Auch eine Anpassung der Einheitspreise für die Rodung von Altwurzelstöcken wegen Mengenmehrungen komme in Ermangelung irgendwelcher Ersparnisse nicht in Frage. Deshalb sei auch die Behauptung der Beklagten unzutreffend, wonach die Klägerin einen Nachtrag zu den Altwurzelstöcken vorbereitet habe. Der Nachtrag habe vielmehr dem Umstand Rechnung getragen, dass zusätzlich 4.003 Baume minderer Holzqualität zusätzlich zu fällen waren, bei denen die Kalkulation wegen des geringeren Holzwertes neu hätte vorgenommen werden müssen.
Ebenso sei unzutreffend, dass 3.993 Neuwurzelstöcke stehengelassen worden seien Es existiere insoweit keine Erfassung. Eine Kürzung der Positionen 3.25.1 bis 3.25.6 nach § 2 Nr. 5 VOB/B sei allenfalls in Bezug auf die die Zahl der Bäume möglich, bei denen nach der Behauptung der Beklagten Neuwurzelstöcke im Boden belassen wurden. Die Positionen/Ordnungsziffern des Einheitspreisvertrages seien isoliert zu betrachten. "Gutschriften" wegen der Holzerlöse kämen ebenso wenig in Betracht wie eine Verrechnung solcher Erlöse mit der Position 3.25.7.
Auch die Annahme der Beklagten einer faktischen Preisneutralität des Belassens von Neuwurzelstöcken und des Entfernens zusätzlicher Altwurzelstöcke gehe fehl. Die Ursprungskalkulation belege, dass die Position Altwurzelstöcke wegen der unterschiedlichen räumlichen Bereiche und der Ungewissheit über den Rodungsaufwand im Hinblick auf Wurzelstärken völlig anders kalkuliert worden sei als die Entfernung von Neuwurzeln, bei denen anhand der Stammdicken der Aufwand abschätzbar und genau kalkulierbar sei.
Die Klageforderung bildet das Produkt der "gestrichenen" 3.993 Altwurzelstöcke mit dem vereinbarten Einheitspreis von 30,52 EUR zuzüglich 19 % Umsatzsteuer.
Die Klägerin beantragt,
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen Betrag in Höhe von 145.020,97 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gem. § 247 BGB p.a. seit dem 27.10.2007 zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 2.080,50 EUR als Erstattung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten zu zahlen.
Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie behaupten, dass mit dem Bauleiter der Klägerin vereinbart worden sei, dass "innerhalb der Ordnungsziffern 3.25.1 - 3.25.6" die Rodung von 3.993 Neuwurzelstöcken unterbleibe und stattdessen kostenneutral die Rodung der gleichen Zahl von Altwurzelstöcken erfolge. Der Bauleiter sei vorliegend zu entsprechenden vertragsändernden Absprachen vertretungsberechtigt gewesen. Er habe auch andere Nachträge verhandelt. Jedenfalls sei die getroffene Vereinbarung durch Vollzug konkludent genehmigt worden.
Unabhängig von dieser Vereinbarung seien tatsächlich 3.993 Neuwurzelstöcke im Boden verblieben. Die belassene Zahl der Neuwurzelstöcke und ihre Zuordnung zu den verschiedenen Stammdicken ergäbe sich aus dem gemeinsamen Aufmass, das hinsichtlich der Mengen lediglich in Bezug auf Bäume mit der Stammdicke 50 - 75 cm (5 bzw. 15 Bäume) umstritten sei. Die Rodung der gleichen Anzahl von Altwurzelstöcken an deren Stelle sei kostenneutral. Aus der ersparten Teilleistung der Neuwurzelrodung für 3.993 Bäume der Ordnungsziffern 3.25.1 bis 3.25.6 ergäben sich aus der Urkalkulation (B 14) Ersparnisse, die dem Aufwand für das Roden derselben Zahl von Altwurzelstöcken entspräche. Zusätzlicher Aufwand sei hiermit nicht verbunden gewesen. Nach 1.12. der Baubeschreibung könne sich die Klägerin insbesondere nicht darauf berufen, dass es aufgrund räumlicher oder zeitlicher Änderungen zu Mehrkosten gekommen sei. Jedenfalls reduziere sich der Einheitspreis für die Rodung der Altwurzelstöcke wegen der drastischen Mengenmehrung, da die Grundkosten gleich geblieben seien.
Den Nachtrag 7 sei zu Recht gestrichen und die dort abgerechnete Zahl von 4.003 Bäumen den Ordnungsziffern 3.25.1 - 6 zugeordnet worden, weil unterschiedliche Holzsorten keine Neukalkulation rechtfertigen könnten.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist im tenorierten Umfang begründet.
I.
Eine wirksame Vereinbarung, kostenneutral anstelle von 3.993 im Boden zu belassender Neuwurzelstöcke 3.993 zusätzliche Altwurzelstöcke zu roden, liegt nicht vor (1.). Eine Reduzierung der Einheitspreise für die Ordnungsziffer 3.25.7 (Roden von Altwurzelstöcken) nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B kommt unter Berücksichtigung des gewechselten Vortrages nicht in Betracht (2.). Allerdings liegt in der Anordnung des Auftraggebers, 3.993 Neuwurzelstöcke im Boden zu belassen, eine leistungsändernde Anordnung, die die Grundlagen des Preises der Leistung "Fällen" (Ordnungsziffer 3.25.1 bis 3.25.6), erheblich berührt. Dies führt für die insoweit einheitlich zu betrachtende Leistung der Ordnungsziffern 3.25.1 bis 3.25.6 zu einer Reduzierung der Einheitspreise nach § 2 Nr. 5 VOB/B auf Null (3.). Diese einheitliche Betrachtung erstreckt sich im Hinblick auf die Vergütungs- und Kalkulationsstruktur nicht auf die Leistung "Rodung von Altwurzelstöcken" (Ordnungsziffer 3.25.7), da der Preisanpassung nach § 2 VOB/B ein nachträglicher Ausgleich von Kalkulationsrisiken fremd ist. "Gutschriften" wegen über die Kürzung der Einheitspreise der Ordnungsziffern 3.25.1 bis 3.25.6 auf Null hinausgehender Holzgewinne, die mit der Ordnungsziffer 3.25.7 zu Verrechnen wären, kommen damit nicht in Betracht (4.) Dies gilt indes nicht für die Beträge, die der Auftraggeber vor dem Hintergrund der Annahme einer preisneutralen Ersetzung irrtümlich bei den Positionen 3.25.1 bis 3.25.6 in der Schlussrechnungsprüfung "anerkannt" hat und um die der vom Auftraggeber ermittelte Saldo zu hoch ist (5.).
1. Der Bauleiter des Auftragnehmers ist regelmäßig nur mit der technischen Abwicklung und Koordination betraut. Über eine aus seiner bloßen Stellung als Bauleiter folgende Vertretungsmacht, für und gegen den Auftragnehmer Rechtsgeschäfte zu schließen oder abzuändern, verfügt er nach der Verkehrsauffassung nicht. Ihm gegenüber können daher mit Rechtswirkung nur die in der VOB/B bestimmten einseitigen Leistungsbestimmungsrechte des Auftraggebers erklärt werden. Die daraus resultierenden Rechtsänderungen richten sich nach der VOB/B und führen nicht zu einer Änderung des Einheitspreisvertrages selbst oder der vereinbarten Vergütung und Vergütungsstruktur.
Soweit die Beklagten darauf hinweisen, dass der Bauleiter der Klägerin andere Nachträge "verhandelt" habe, mag dies zutreffen Es liegt in der Natur des Aufgabengebietes, dass der Bauleiter des Auftragnehmers diese Dinge mit dem Auftraggeber bespricht oder sogar "verhandelt", Aus dem Vortrag der Beklagten folgt indes nicht, dass der Bauleiter vorliegend darüber hinaus auch Vertragsänderungen mit Vollmacht abgeschlossen oder die Klägerin ein vollmachtloses Handeln zugelassen hätte. Damit kann der auf die Annahme einer Anscheins oder Duldungsvollmacht zielenden Argumentation der Beklagten nicht gefolgt werden.
Soweit die Beklagte argumentiert, dass in dem "Vollzug", also der Handhabung der aus den Mehrmengen resultierenden Änderungen, eine konkludente Genehmigung einer vollmachtslos getroffenen Vereinbarung liege, geht auch dies fehl. Die Beklagten verkennen insoweit die Bedeutung des einseitigen Leistungsbestimmungsrechts des Auftraggebers im VOB-Vertrag, die zwar Ansprüche auf Preisänderungen nach sich ziehen können, auf den Einheitspreisvertrag selbst aber zunächst keine Wirkung haben. Aus dem Fehlen einer Einigung über neue Einheitspreise mag ein Anspruch auf Preisänderung im Rahmen der VOB/B folgen: eine Genehmigung der vom Auftraggeber geäußerten Preisvorstellungen im Sinne einer Vertragsänderung folgt aus dem bloßen Anspruch auf Herbeiführung einer Preisänderung jedoch gerade nicht.
Völlig unabhängig davon belegen die von den Beklagten vorgelegten Schriftstücke gerade nicht die von ihr behauptete Vertragsänderung Im Gegenteil ist daraus ersichtlich, dass nahezu über jede Kleinigkeit verbindliche Absprachen in Gesprächs vermerken protokolliert werden. Über die Vorliegend streitgegenständlichen Punkte war man sich ausweislich dessen jedoch gerade nicht einig. Im Hinblick auf die ins Einzelne gehende Regelung von Nebenpunkten erscheint es wenig plausibel, dass in deren Auflistung durch den Auftraggeber eine konkrete Vereinbarung einer Vertragsänderung gerade nicht enthalten ist.
2. Eine Reduzierung der Einheitspreise für die Rodung von Altwurzelstöcken nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B kommt vorliegend nicht in Betracht. Die Beklagten haben trotz Vorlage der Urkalkulation insoweit lediglich pauschal vorgetragen, dass die Vorhaltekosten gleich geblieben seien und es deshalb insgesamt zu Einspareffekten gekommen sein müsse Dem ist die Klägerin substantiiert mit dem Vortrag entgegengetreten, dass sich für sie die Einheitspreise bereits deshalb nicht reduziert haben, weil sie ihrerseits mit dem Subunternehmer auf der Grundlage der Urkalkulation Festpreise vereinbart hatte. Nach dieser Urkalkulation spielte die Menge für den kalkulierten Einheitspreis keine Rolle. Auch auf den gerichtlichen Hinweis, wonach im Hinblick auf den schlüssigen Klägervortrag eine Herabsetzung des Einheitspreises nicht in Betracht komme, weil danach die Mehrmenge einen mindestens äquivalenten Mehraufwand nach sich gezogen hätte, ist der Vortrag der Beklagten nicht weiter substantiiert worden.
In Ermangelung ausreichenden Vortrages und der fehlenden Erkennbarkeit irgendwelcher Ersparnisse kam damit eine Herabsetzung des Einheitspreises für die Rodung der Altwurzelstöcke nach § 2 Nr. 3 Abs. 2 VOB/B nicht in Betracht.
3. Allerdings liegt in der Anordnung des Auftraggebers, 3.993 Neuwurzelstöcke im Boden zu belassen, eine leistungsändernde Anordnung im Sinne von § 3 Nr. 5 VOB/B, die zu einer Reduzierung der Einheitspreise der Ordnungsziffern 3.25.1 bis 3.25.6 auf Null führt.
a) Entgegen des Vortrages der Klägerin ist indes vorliegend davon auszugehen, dass bei den gefällten Bäumen 3.993 Altwurzelstöcke stehengelassen und diese auch erfasst wurden. Dies ergibt sich aus der folgenden Zusammenstellung der in den genannten Aufmassblättern erfassten Mengen und ihrer Zuordnung zu verschiedenen Stammdicken:
Blatt Ordnungsziffer * Fällungen Gesamtzahl Gesamtzahl
je (Klägerin) (Auftaggeber)
Fläche
241 1 2042 2042 2042
242 2 486 486 486
243 3 27 27 27
244 4 5 5 5
245 6 15 15 5
246 1 9 426 296 261 34 1026 1026
247 2 3 89 18 92 4 206 206
248 3 19 7 9 3 38 38
249 4 6 3 4 2 15 15
250 6 3 28 54 56 2 143 143
4003 3993
* Die Ziffern beziehen sich auf 3.25 bzw. Nachtrag 7 des Leistungsverzeichnisses.
Auf den Hinweis des Gerichtes, dass die Aufmassblätter die Zahl stehengelassener Neuwurzelstöcke belegen, hat die Klägerin nicht weiter vorgetragen. Das gemeinsame Aufmass belegt insoweit die Einigkeit über die Mengen mit der geringfügigen Abweichung um 10 mehrstämmige Bäume. Da der Auftraggeber die Ordnungsziffer 3.25.7 (nur) um die von der Klägerin festgestellte Zahl gekürzt hat, wirkt sich die Mengenabweichung nicht aus. Die Uneinigkeit erstreckte sich damit nur auf die Frage, ob die Mehrmengen unter der Position Roden oder über den Nachtrag 7 abzurechnen sind.
b) Das Stehenlassen von 3.993 Neuwurzeln stellt eine einseitige Leistungsbestimmung des Auftraggebers nach § 3 Nr. 5 VOB/B dar. "Andere Anordnungen" im Sinne der genannten Vorschrift kommen insbesondere bei Anordnungen hinsichtlich der Art und Weise der Bauausführung in Betracht, die das Bausoll verändern (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl. Rn. 1149), Eine solche Änderung liegt vor, wenn Einzelbestandteile (Rodung von Neuwurzelstöcken) einer vereinbarten Leistung (Fällen einschließlich Rodung von Neuwurzelstöcken) entfallen sollen.
Diese Anordnung des Auftraggebers hat vorliegend unmittelbaren Einfluss auf die "Grundlagen des Preises" im Sinne der Preisermittlungsgrundlagen (vgl. Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Aufl. § 2 Nr. 5 VOB/B Rn. 6). Bereits unmittelbar bei Vergleich der Einheitspreise der Ordnungsziffern 3.25.1 bis 3.25.6 (Fällen einschließlich Rodung von Neuwurzelstöcken) sowie 3.25.7 (nur Rodung von Altwurzelstöcken) springt ins Auge, dass die Preisermittlungsgrundlagen der Ordnungsziffern 3.251 bis 3.25.6 auf einer Mischkalkulation zwischen Kosten und Holzgewinn beruhen. Durch Vorlage der Ursprungskalkulation ist dies weiter unterlegt. Wenn man die Kosten der Ursprungskalkulation und die dort kalkulierten Holzgewinne heranzieht und die allein die Wurzelrodung kalkulierten Kostenanteile herausrechnet, gelangt man kalkulatorisch für die Bäume mit stehengelassenen Neuwurzelstöcken zu folgenden "Gewinnen":
* Zahl Gewinn für Bäume ohne Wurzeln
ohne Urkalkulation Gewinn Gesamtgewinn
Wurzeln Kosten ohne Wurzeln Holzwert pro Baum
Gesamt Fällen Rausfahren Schreddern Zusammenfahren
1 3068 5,64 3,22 0,2 1,16 1,06 11,62 17,26 52953,70
2 692 30,81 16,14 2,38 7,91 4,38 49,25 18,44 12760,50
3 65 76,95 39,97 7,31 19,95 9,72 117,92 40,97 7664,80
4 20 115,11 79,94 15,83 39,9 19,44 237,85 82,74 1654,80
5 0 0,00
6 158 5,64 3,22 0,2 1,16 1,06 11,62 5,98 944,84
4003 75978,60
* Die Ziffern beziehen sich auf 3.25 bzw. Nachtrag 7 der Schlussrechnung
c) Der nicht ausdrücklich streitgegenständliche Nachtrag 7 ist unbegründet. Das Risiko des kalkulierten Holzwertes fällt allein in die Sphäre des die Einheitspreise kalkulierenden Unternehmers und rechtfertigt keinen Nachtrag. Die zusätzlich gefällten Bäume sind daher entsprechend des gemeinsam gefertigten Aufmasses und den danach festgestellten Stammdicken den Ordnungsziffern 3.25.1 bis 3.25.6 zuzuordnen, wie es der Auftraggeber in seiner Schlussrechnungsprüfung vorgenommen hat:
Ordnungsziffer * Gesamtzahl (von Kläge- Gesamtzahl (von Auftragge- In der Schlussrechnung In der Schlussrechnungs-prü-
in ermittelt) ber ermittelt) unter 3.25.1 bis 3.25.6 fung unter 3.25.1 bis 3.25.6
von Klägerin eingestellt vom Auftraggeber eingestellt
1 3068 10656 13724
2 692 4093 4785
3 65 448 513
4 20 106 126
5 0 2 2
6 158 148 2036 2194
4003 3993 Differenz 4003
* Die Ziffern beziehen sich auf 3.25 bzw. Nachtrag 7 der Schlussrechnung
Da der Auftraggeber auch hier die für die Klägerin günstigere, diesmal höhere Zahl von 4.003 Bäumen in Ansatz gebracht hat, folgen aus der geringfügigen Uneinigkeit über die Mehrmengen auch hier keine Nachteile für die Klägerin.
d) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die Leistung "Fällen" Ordnungsziffern 3.25.1 bis 3.25.6) des Vertrages einer einheitlichen Betrachtung mit der Folge einer einheitlichen Preisneubildung unter Berücksichtigung des zusätzlichen Holzwertgewinnanteiles zugänglich. Der von der Klägerin postulierte Grundsatz, dass bei Preisanpassungen innerhalb eines Einheitspreisvertrages nur jeder Einheitspreis isoliert zu bewerten ist, gilt in dieser Rigorosität nicht.
Selbst nach dem von der Klägerin in Bezug genommenen Kommentar von Ingenstau/Korbion genügt für eine Änderung der Grundlagen des Preises die Änderung von Umständen im Rahmen eines Leistungsteils, der nach dem Vertrag zu einer Position zusammengefasst ist, wobei insoweit der Langtext der Leistungsbeschreibung maßgebend ist (Ingenstau/Korbion, VOB, 16. Aufl., § 2 Nr. 5 VOB/B, Rn. 6). Wenn für die Beteiligten erkennbar eine Verbundkalkulation vorliegt, gelten Preisgrundlagenänderungen für den für die Verbundkalkulation maßgeblichen Leistungsteil (Werner/Pastor, Der Bauprozess, 12. Aufl. Rn. 1150).
Da sich nach dem Langtext der Leistungsbeschreibung und den gebildeten Einzelpreisen für die Ordnungsziffern innerhalb der Position "Rodung" die Leistungen ersichtlich in einen mischkalkulierten Teil (Fällen einschließlich Rodung von Neuwurzelstöcken) und einen allein anhand der Kosten kalkulierten Teil (nur Rodung von Altwurzelstöcken) gliedert, ist vorliegend eine einheitliche Betrachtung des mischkalkulierten Teils geboten.
Dies führt vorliegend bei der von der Auftraggeberin vorgenommenen Zuordnung der insgesamt gefällten Bäume kalkulatorisch dazu, dass der Holzgewinn die Kosten übersteigt. Dies ergibt sich aus folgender Berechnung:
* Zahl Zahl Kosten für Bäume mit Wurzel- Vergütung nach LV/SR-Prüfung Zuviel
o. mit entfernung/ Urkalkulation
EHP Gesamt Saldo nach
Nach SR-
LV Prüfung
Wurzeln Kosten Holz- Diffe- Gesamt-
ohne wert renz gewinn
Wurzel je
Baum
1 3068 10656 5,64 11,62 17,26 52953,70 1,17 12467,52 -40486,16 16057,08 56543,24
2 692 4093 30,81 49,25 18,44 12760,50 1,17 4788,81 -7971,67 5598,45 13570,12
3 65 448 76,95 117,92 40,97 2663,05 11,69 5237,12 2574,07 5996,97 3422,90
4 20 106 115,11 237,85 82,74 1654,80 22,21 2354,26 699,46 2748,46 2049,00
5 0 2 0,00 45,58 91,16 91,16 91,16 0,00
6 158 2036 5,64 11,62 5,98 944,84 1,17 2382,12 1437,28 2566,98 1129,70
4003 70976,90 27320,99 -43655,86
33059,10 33059,10
*Die Ziffern beziehen sich auf 3.25 bzw. Nachtrag 7 des Leistungsverzeichnisses.
Zu keiner anderen Beurteilung führt es, dass hiernach in geringem Umfang bei einzelnen Positionen kein "Gewinn" verbleibt, da die genannten Ordnungsziffern zusammen betrachtet werden müssen.
4. In diese einheitliche Betrachtung kann die Ordnungsziffer 3.25.7 (Rodung von Altwurzelstöcken) nicht einbezogen werden, Dies folgt zum ersten daraus, dass insoweit keine Mischkalkulation vorliegt Zum zweiten ergibt sich dies daraus, dass - anders als bei den Ordnungsziffern 3.25.1 bis 3.25.6 - keine leistungsändernde Anordnung im Sinne von § 2 Nr. 5 VOB/B, sondern nur eine "normale" Mengenmehrung festzustellen ist. Zum Dritten würde die Verrechnung von "Gutschriften" aus den Ordnungsziffern 3.25.1 bis 3.25.6 (unter 3. mit 43.655,86 EUR ermittelt) auf die Ordnungsziffer 3.25.7 zu einem in § 2 VOB/B gerade nicht vorgesehenen nachträglichen Ausgleich von Kalkulationsrisiken und -chancen führen, die die Parteien mit ihrer Einheitspreisvereinbarung jeweils übernommen haben.
Die Klägerin hat insoweit in der mündlichen Verhandlung zu Recht darauf hingewiesen, dass hei der Kalkulation der Entfernung von Neuwurzelstöcken anhand der sichtbaren Stammdicken realistisch kalkuliert werden kann welcher Aufwand anfällt und dies bei Altwurzelstöcken nicht in gleicher Weise der Fall ist, weshalb diese wegen des Wagnisses höher kalkuliert werden müssen. Maßgeblich ist auch, dass vorliegend völlig offen ist, ob die zusätzlich gerodeten Altwurzelstöcke solche sind, die (fiktiven) Baumstammdicken in der Form zugeordnet werden können, wie es der Auftraggeber in der Schlussrechnungsprüfung getan hat. Da insoweit keine Erfassung erfolgte, kann gerade nicht davon ausgegangen werden, dass auch die zusätzlich gerodeten Altwurzelstöcke fiktiv überwiegend Bäumen mit Stammdicken im Bereich von 10 bis 50 cm mit ihrem vergleichweise geringen Wurzelrodungsaufwand gegenüber Altwurzelstöcken. dickerer Bäume zugeordnet werden können. Damit ist auch der Argumentation der faktischen Kostenneutralität der Boden entzogen.
5. Damit ergibt sich folgende Berechnung der Klageforderung:
* Zahl der gerodeten Einheitspreis Gesamt- Nach SR-Prüfung offen
Altwurzeln nach LV vergütung anerkannt
7 4754 30,52 145092,08 23225,72 ergibt
121.866,36
abzüglich
33.059,10
ergibt
88.807,26
(netto)
ergibt
105.680,64
(brutto)
* Die Ziffer bezieht sich auf 3.25 bzw. Nachtrag 7 der Schlussrechnung
Der unter 3. ermittelte Betrag von 33.059,10 EUR netto war deshalb abzuziehen, weil der Auftraggeber die 4.003 zusätzlich gefällten Bäume zutreffend bei den Positionen 3.25.1 bis 3.25.6 eingestellt hat ohne die zutreffende Preisanpassung auf Null vorzunehmen und im Gegenzug irrig meinte, die Mengen der Ordnungsziffer 3.25.7 kürzen zu dürfen.
II.
Der Zinsanspruch folgt aus § 286 i.V.m. § 288 Abs. 2 BGB, nachdem die Klägerin mit Schreiben vom 15.10.2007 ergebnislos zum Ausgleich der Klageforderung unter Fristsetzung zum 26.10.2007 aufgefordert hatte.
III.
Die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr von 1,3 zzgl. Auslagenpauschale berechnet sich aus dem Gegenstandswert von 105.680,64 EUR:
1,3 Geschäftsgebühr nach 2300 W RVG 1.760,20 EUR
Auslagenpauschale nach 7002 W RVG 20,00 EUR
Summe 1.780,20 EUR
Die Geschäftsgebühr ist nach dem eindeutigen Wortlaut der amtlichen Vorbemerkung 3 Abs. 4 W RVG zur Hälfte erst auf die Verfahrensgebühr anzurechnen und nicht umgekehrt. (so auch BGH NJW 2007, 2049).
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO. Die Regelung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich für beide Parteien aus § 709 ZPO.