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14.12.2009 · IWW-Abrufnummer 094053

Sozialgericht Würzburg: Urteil vom 03.11.2009 – S 4 KR 137/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


S 4 KR 137/08

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegenüber der Beklagten im Rahmen der gesetzlichen Härtefallregelung Anspruch auf Zahlung eines weiteren Zuschussbetrages zu ihrem Zahnersatz hat. Die 1950 geborene Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert.

In einen Heil- und Kostenplan für die Erstellung von Zahnersatz vom 12.07.2007 wurde durch den behandelnden Zahnarzt Dr. W. am 14.09.2007 als Schätzung der Behandlungskosten einschließlich Material- und Laborkosten der Betrag von 2.110,99 Euro eingetragen. Für den entsprechenden Behandlungsvorgang wurde sodann durch die Beklagte ein Festzuschuss in Höhe von 1.073,94 Euro ermittelt und zugesagt.

Am 21.01.2008 führte der Zahnarzt die Behandlung abschließend durch und kam auf Gesamtkosten in Höhe von 1.937,73 Euro. Den Festzuschuss rechnete er mit der Beklagten direkt bzw. auf dem dafür vorgesehenen Weg ab, über den Restbetrag von 863,79 Euro stellte er eine Rechnung an die Klägerin.

Die Klägerin reichte ihrerseits diese Rechnung bei der Beklagten ein und beantragte, ihr den dort genannten Betrag im Rahmen der gesetzlichen Härtefallregelung zu erstatten.

Mit Bescheid vom 06.02.2008 kam die Beklagte zum Ergebnis, dass die Klägerin auf-grund der nachgewiesenen Einkommensverhältnisse einen weiteren Festzuschuss in Höhe von 718,30 Euro erhalte und der Gesamtzuschuss sich somit auf den doppelten Festzuschuss belaufe.

Mit Schreiben vom 07.02.2008 legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein und machte geltend, dass sie als Härtefallpatient einen gesetzlichen Anspruch auf den doppelten Festzuschuss habe. Deshalb seien ihr noch weitere 145,49 Euro auf ihr Konto zu überweisen.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28.04.2008 zurück. Die Klägerin sei als Empfängerin von Arbeitslosengeld II bei der Beklagten krankenversichert und habe aufgrund ihrer finanziellen Verhältnisse auch Anspruch auf die beantragte Härtefallregelung. Bei den gesetzlichen Vorschriften sei jedoch zu beachten, dass unterschieden werde zwischen der Regelversorgung und der Wahl gleichartigen Zahnersatzes. Im Fall der Klägerin seien zu der Regelversorgung hinzu als zusätzliche Versorgungselemente vollständige keramische Verblendungen zum Einsatz gekommen. Die Regelversorgung beinhalte Kronen, die an der Außenseite des Zahnes jeweils verblendet sind, während die Klägerin voll verblendete Keramikkronen und Brückenglieder erhalten habe. Bei einer entsprechenden Regelversorgung wären Gesamtkosten in Höhe von 1.792,24 Euro entstanden. Diese Summe stelle aus Sicht der Beklagten den Höchstbetrag für die Zahlung dar. Die darüber hinausgehenden Mehrkosten seien von der Klägerin zu tragen. Die Beklagte könne im Rahmen der Härtefallregelung für den Zahnersatz die über die Festzuschüsse hinausgehenden Leistungen nur bis zur Höhe der Regelversorgung über-nehmen.

Hiergegen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 06.05.2008 Klage zum Sozialgericht Würzburg. Sie selbst und ihr Zahnarzt verwiesen darauf, dass in § 55 Abs. 2 des 5. Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) ein Anspruch auf einen zusätzlichen Betrag in Höhe des einfachen Zuschusses (doppelter Festzuschuss) - begrenzt jedoch auf die Höhe der tatsächlich anfallenden Kosten gezahlt werde. Bei einem gleich- oder andersartigen Zahnersatz leiste die Krankenkasse nur den doppelten Festzuschuss, es sei denn die Gesamtkosten wären weniger als der doppelte Festzuschuss. Durch die Regelung sei klargestellt, dass ein Patient, der einen höherwertigen Zahnersatz wähle, auf jeden Fall Anspruch auf den doppelten Festzuschuss habe. Die Regelung verfolge nicht den Zweck den doppelten Festzuschuss durch die Kassen zu kürzen. Es liege sonst eine Benachteiligung derjenigen Patienten vor, die monatelang sparen würden, um sich gut sitzenden und funktionalen Zahnersatz leisten zu können.

Die Klägerin beantragt, die Beklagte dazu zu verurteilen, ihr unter Aufhebung des Bescheides vom 06.02.2008 und des Widerspruchsbescheides vom 28.04.2008 einen weiteren Zuschuss zum Zahnersatz in Höhe des noch ausstehenden Rechnungsbetrages von 145,49 Euro zu zahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zustän-digen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57, 87, 90 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist jedoch nicht begründet, weil es an einer Anspruchsgrundlage für die begehrte weitere Zahlung fehlt.

Dabei ist zwischen den Beteiligten unstrittig, dass die Klägerin grundsätzlich einen Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten auf Zahlungen für Zahnersatz im Rahmen des §§ 55 SGB V hat und hierbei auch die dort geregelte Härtefallregelung auf die Klägerin Anwendung zu finden hat. Die Klägerin gehört als Bezieherin von Arbeitslosengeld II zu dem von § 55 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 SGB V genannten Personenkreis. Für sie stellt es also eine unzumutbare Belastung dar, die Kosten der Regelversorgung, die durch den Festzuschuss nicht abgedeckt werden, selbst tragen zu müssen, weshalb ihrem Antrag auf einen weiteren Zuschuss auch von der Beklagten dem Grunde nach entsprochen wurde. Strittig ist allein die Höhe dieses Zuschusses im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen.

Die konkreten Kostenansätze werden von den Beteiligten dabei – übereinstimmend - nicht in Frage gestellt: Der Zahnersatz hat insgesamt 1.937,73 Euro gekostet. Für die Regelversorgung wären Kosten in Höhe von 1.792,24 Euro angefallen.

Die bisherigen Zahlungen, die von der Beklagten indirekt oder direkt für den Zahnersatz der Klägerin erbracht wurden, summieren sich auf genau diesen Betrag von 1.792,24 Euro.

Für einen weiteren Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von nochmals 145,49 Euro fehlt es aus Sicht des Gerichtes an einer entsprechenden gesetzlichen Anspruchsgrundlage. Im Zentrum der Regelung steht hierbei aus Sicht des Gerichtes § 55 Abs. 4 SGB V, in dem festgelegt ist, dass Versicherte, die einen über die Regelversorgung hinausgehen den gleichartigen Zahnersatz wählen, die Mehrkosten gegenüber den als Regelversorgung vorgesehenen Leistungen selbst zu tragen haben, wobei die Regelversorgung im einzelnen in § 56 SGB V näher bestimmt ist. Im vorliegenden Fall hat die Klägerin anstelle von nur einseitig verblendeten Kronen sich voll verblendete Kronen einsetzen lassen, wodurch Mehrkosten in Höhe von 145,49 Euro entstanden sind. Entsprechend der klaren gesetzlichen Regelung in § 56 Abs. 4 SGB V hat die Klägerin diese Kosten selbst zu tragen.

Daran ändert sich zur Überzeugung des Gerichts auch nichts dadurch, dass in § 55 Abs. 2 SGB V eine Härtefallregelung geschaffen wurde. Diese geht § 55 Abs. 4 SGB V nicht vor. Es ist an keiner Stelle erkennbar, dass für die vom Versicherten selbst zu tragenden Mehrkosten irgendein Härteausgleich durch den Gesetzgeber begründet werden wollte.

Soweit in der Härtefallregelung ausdrücklich eine Bezugnahme auf § 55 Abs. 4 SGB V erfolgt, wird damit aus Sicht des Gerichtes nur die Vergleichsberechnung vereinfacht. Der Festzuschuss ist regelmäßig zwar auf etwa 50 % der Kosten der Regelversorgung ausgelegt, trifft diesen Betrag aber nicht genau. Deshalb ist der weitere Festzuschuss ggf. auf die tatsächliche Rechnungshöhe zu kürzen. In Ausnahmefällen sind aber auch Zahlun-gen, die den doppelten Festbetrag übersteigen, erforderlich und nach entsprechender Prüfung durch die Krankenkasse zu übernehmen.

Die Regelung des § 55 Abs. 2 S. 1 2. Hs., die den Wortlaut "Wählen Versicherte, die un-zumutbar belastet würden, nach Abs. 4 oder 5 einen über die Regelversorgung hinausge-henden gleich- oder andersartigen Zahnersatz, leisten die Krankenkassen nur den doppelten Festzuschuss" aufweist, schließt für diese Fälle eine Zahlung über den doppelten Festbetrag hinaus aus. Eine Prüfung, ob solche erhöhten Kosten tatsächlich erforderlich sind, wäre bei dem in solchen Fällen nötigen Vergleich mit der hypothetischen Regelver-sorgung, kaum oder nur mit erheblichem Aufwand durchführbar. In solchen Fällen erschien es dem Gesetzgeber offensichtlich vertretbar, denjenigen, der aus freien Stücken eine höherwertige Versorgung wählt, nicht nur mit den tatsächlichen Mehrkosten nach § 55 Abs 4 SGB V, sondern auch mit den im – hier nicht vorliegenden – Einzelfall anfallenden Kostenanteil der Regelversorgung zu belasten, der den doppelten Festzuschuss übersteigt.

Für das Gericht ergibt sich, dass bereits der Wortlaut der Bestimmung keine zusätzliche Leistung garantieren will, sondern eine einschränkende Regelung enthält. Ansonsten hätte der Gesetzestext ohne weiteres auf das Wörtchen "nur" verzichtet und dann eine zielgerichtete Garantie dargestellt: "leisten die Krankenkassen den doppelten Festzuschuss".

Noch klarer wird der Wille des Gesetzgebers bei einer an der Systematik des Gesetzes orientierten Betrachtung. Der Gesetzgeber wollte sicherstellen, dass in Härtefällen eine Regelversorgung ohne jede Zuzahlung möglich ist, damit ein Versicherter nicht auf den notwendigen Zahnersatz verzichten muss (vgl. hierzu auch Beschl. des SG Berlin v. 21.08.2007, Az. S 119 AS 16141/07 ER). Er hat weiter regeln wollen, dass in Fällen, in denen ein über die Regelversorgung hinausgehender Zahnersatz eingesetzt wird, die Härteregelung nicht gänzlich wegfällt. Allerdings sollte – wie bereits ausgeführt - in solchen Fällen die Berechnung nicht übermäßig aufwändig werden. Fälle, in denen anscheinend bereits die Regelversorgung teurer als der doppelte Festzuschuss gewesen wäre, diese Sachlage jedoch aufgrund der Wahl einer höherwertigen Versorgung tatsächlich so nicht zum Tragen gekommen ist, sollen auf jeden Fall eine Zahlgrenze im doppelten Fest-zuschuss haben und nicht einen hypothetischen Grenzwert bilden müssen.

Dass in die Vorschrift des § 55 Abs. 2 S. 1 2. Hs. SGB V andere Vorschriften hineinzulesen sind und hierdurch eben keine absolute Garantie auf Zahlung des doppelten Festzu-schusses gegeben wird, akzeptiert anscheinend sogar die Klägerseite selbst, jedenfalls insoweit als sie nicht den Betrag von zweimal 1.073,94 Euro (= 2.147,88 Euro) als An-spruchshöhe annimmt und damit noch eine Restzahlung in Höhe von 355,64 Euro geltend macht, sondern eine Begrenzung auf die tatsächlich aufgewendeten Kosten vornimmt.

Es fehlt zur Überzeugung des Gerichts also an einer Rechtsgrundlage für weitere Zahlungen der Beklagten an die Klägerin und die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind im Ergebnis nicht zu beanstanden. Dass im Ausgangsbescheid vom 06.02.2008 eine so nicht zutreffende Formulierung zum Festzuschuss enthalten war, betraf nur die Begründung der Entscheidung und musste somit nicht durch eine Teilaufhebung korrigiert wer-den; darüberhinaus hat erst der Widerspruchsbescheid die Verwaltungsentscheidung abschließend gestaltet und dieser wurde vom Gericht insgesamt als zutreffend angesehen.

Die Klage war somit abzuweisen.

Aus der Klageabweisung ergibt sich, dass der Klägerin außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind (§ 193 SGG).

Die im Streit stehende Summe erreicht nicht den Berufungsstreitwert des § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGG (750 Euro). Das Gericht sah sich auch nicht veranlasst, im vorliegenden Rechtsstreit die Berufung zuzulassen. Abgesehen davon, dass dies nicht ausdrücklich beantragt worden war, liegt hier weder eine Abweichung von obergerichtlicher Rechtspre-chung, noch eine Streitfrage von grundsätzlicher Bedeutung vor, da die Auslegung des § 55 SGB V hinreichend klar möglich ist und nicht über Einzelfälle hinaus Probleme aufge-treten sind.

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