05.10.2009 · IWW-Abrufnummer 092273
Sozialgericht Würzburg: Urteil vom 04.05.2009 – S 4 EG 18/08
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
S 4 EG 18/08
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte weitere Einkommensanteile bei der Berechnung von Elterngeld für die Klägerin zu berücksichtigen hat.
Die Klägerin ist die Mutter des 2007 geborenen Kindes P. M. Sie hat einen Antrag auf Elterngeld gestellt, der am 17.01.2008 beim Zentrum Bayern Familie und Soziales – Region U. – eingegangen ist. Beigefügt hat sie eine Erklärung zum Einkommen und die Lohn- und Gehaltsabrechnungen aus ihrer Tätigkeit als Außendienstmitarbeiterin der Firma Qu. GmbH. In den vorgelegten Lohn- und Gehaltsabrechnungen für Januar, April, Juli und September 2007 sind Zahlungen aus Provision ausgewiesen. Sie sind als "sonstiger Bezug" versteuert worden.
Mit Bescheid vom 29.01.2008 hat der Beklagte der Klägerin Elterngeld bewilligt und hierbei für den 1. Lebensmonat des Kindes keine Zahlung, für den 2. Lebensmonat einen Betrag von 152,16 Euro und für den 3. bis 12. Lebensmonat einen Betrag von jeweils 1.179,11 Euro als Elterngeld festgesetzt. Aus der beigefügten Berechnung ist zu ersehen, dass der Beklagte die fixen Gehaltszahlungen und als Sachbezug die private Nutzung des Dienstfahrzeugs berücksichtigt hat; die Einmalzahlungen, zu denen er auch die Provisionszahlungen rechnete, hat er jedoch außer Ansatz gelassen.
Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 02.02.2008 Widerspruch ein und machte geltend, dass es sich bei den Provisionszahlungen nicht um Einmalzahlungen, sondern um einen Bestandteil des normalen Gehaltes gehandelt habe. Beigefügt wurde ein Auszug aus dem Arbeitsvertrag der Klägerin, in dem festgehalten ist, dass die Kl ägerin ein fixes Jahresgehalt erhält, das in zwölf gleichen Raten jeweils am Monatsende zu zahlen ist, und dass sie außerdem einen erfolgsabhängigen Bonus in Abhängigkeit vom Gesamtumsatz erhält.
Der Beklagte kam aufgrund einer internen Dienstanweisung zum Ergebnis, dass für ihn generell maßgeblich sei, wie die Provisionen seitens des Arbeitgebers eingeordnet worden seien, und deshalb entsprechend den Lohn- und Gehaltsabrechnungen im Fall der Klägerin die Provisionen als Einmalzahlungen anzusehen seien: Die Provisionen seien eindeutig als "sonstige Bezüge" ausgewiesen worden. Nach dem Bundeselternzeit- und Elterngeldgesetz (BEEG) würden jedoch diese Einmalzahlungen [als "sonstige Bezüge" im Sinne von § 38 a Abs. 1 Satz 3 des Einkommenssteuergesetzes (EStG)] nicht als Einnahmen berücksichtigt werden können (§ 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG). Dementsprechend hat der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 07.04.2008 den Widerspruch zurückgewiesen.
Die Klägerin hat durch ihre Bevollmächtigten mit Schreiben vom 30.04.2008 am 05.05.2008 Klage zum Sozialgericht Würzburg erhoben. Sie hat geltend gemacht, dass es fehlerhaft gewesen sei, die in den Monaten April, Juli und September 2007 abgerechneten Provisionen nicht als Einkommen zu berücksichtigen. Um ein Gehaltsbestandteil im Sinne von § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG zu sein, müsse es sich nicht nur um einen "sonstigen Bezug" handeln, sondern müsse dieser auch in einem anderen Kalenderjahr als dem, für den der Bezug gelte, gezahlt worden sein. Deshalb werde in den steuerrechtlichen Kommentierungen auch explizit ausgeführt, dass regelmäßig angefallene Provisionszahlungen nur dann als "sonstige Bezüge" qualifiziert werden könnten, wenn diese für das vorangegangene Jahr im laufenden Jahr, also vereinfachend kalenderjahrübergreifend, gezahlt worden seien. Dementsprechend sei das Elterngeld aus einem Einkommen ermittelt worden, das zu Unrecht um einen Betrag von aufsummiert 14.581,06 Euro zu niedrig gewesen sei. In der mündlichen Verhandlung legte die Klägerin ergänzend noch eine Lohnsteuerbescheinigung und den Arbeitsvertrag in vollem Umfang vor.
Die Klägerin beantragt:
1. Den Bescheid vom 29.01.2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.04.2008 aufzuheben.
2. Den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin Elterngeld gemäß § 2 BEEG in gesetzlicher Höhe zu zahlen und hierbei die von der Klägerin für die Monate Januar, April, Juli und September 2007 erhaltenen Provisionen nach dem BEEG für die Berechnung des Elterngeldes als Einkommen in Ansatz zu bringen, insgesamt ei-nen Betrag in Höhe von 17.999,64 Euro zu berücksichtigen.
Der Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.
Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akte des Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig. Sie wurde form- und fristgerecht beim örtlich und sachlich zuständigen Sozialgericht erhoben (§§ 51, 54, 57, 87, 90 Sozialgerichtsgesetz – SGG).
Die Klage ist nicht begründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf höhere Elterngeldzahlungen hat.
Zwischen den Beteiligten ist unstrittig, dass der Klägerin für den 1. bis 12. Lebensmonat des Kindes P., geboren 2007, Elterngeld in gesetzlicher Höhe zustand (§ 1 und § 4 BEEG).
Strittig ist allein, ob bei der Berechnung des Einkommens aus nichtselbständiger Tätigkeit weitere Gehaltsbestandteile zu berücksichtigen sind. Konkret geht es darum, ob die im Arbeitsvertrag genannten, erfolgsabhängigen Gehaltsbestandteile, die in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen als Provisionen ausgewiesen wurden, zu berücksichtigen sind. § 2 Abs. 7 Satz 1 BEEG bestimmt hierzu allgemein, dass als Einkommen aus nichtselbständiger Arbeit die entsprechenden Einnahmen in Geld oder Geldeswert nach Abzug der darauf entfallenden Steuern und Sozialversicherungsbeiträge sowie der pauschalierten Werbungskosten zu berücksichtigen sind. § 2 Abs. 7 Satz 2 BEEG legt im Detail fest, dass "sonstige Bezüge" im Sinne von § 38 a Abs. 1 Satz 3 EStG nicht als Einnahmen berücksichtigt werden.
Das Bundesministerium der Finanzen hat in den Lohnsteuerrichtlinien unter R 39b.2 ergänzend eine Aufteilung in "laufenden Arbeitslohn" und "sonstige Bezüge" anhand folgen-der Merkmale vorgenommen: Demnach ist "laufender Arbeitslohn" der Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließt. Ein "sonstiger Bezug" ist der Arbeitslohn, der nicht als "laufender Arbeitslohn" gezahlt wird. Zu den sonstigen Bezügen gehören demnach insbesondere einmalige Arbeitslohnzahlungen, die neben dem laufenden Arbeitslohn gezahlt werden, namentlich 13./14. Monatsgehälter, einmalige Abfindungen und Entschädigungen, Jubiläumszuwendungen, Vergütungen für Erfindungen und Weihnachtszuwendungen, ferner Urlaubsentschädigungen und Urlaubsgelder, die nicht fortlaufend gezahlt werden. Schließlich sind auch aufgeführt: "Gratifikationen und Tantiemen, die nicht fortlaufend gezahlt werden".
Eine regelmäßig fortlaufende Zahlung im Sinne dieser Regelungen liegt aus Sicht des Gerichtes nur dann vor, wenn diese Zahlungen in jedem Lohnzahlungszeitpunkt anfallen. Ansonsten handelt es sich entweder um unregelmäßige oder um zwar regelmäßige, aber zumindest nicht fortlaufende Zahlungen.
Aus den Gesetzesmaterialien (Bundestagsdrucksache 16/1889) sind diesbezüglich keine eindeutigen weiteren Erkenntnisse zu entnehmen, weil seinerzeit in der Gesetzesplanung noch auf dem Einkommensbegriff des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II) abgestellt wurde. Gleichwohl findet sich dort bereits ein Hinweis darauf, dass einmalige Einnahmen, zu denen z.B. Erfolgsbeteiligungen zählen würden, die für das Elterngeld als monatliche Leistung maßgeblichen Verhältnisse im Bezugsmonat nicht mit der gleichen Nachhaltigkeit prägen würden wie laufende Zahlungen.
Das Landessozialgericht für das Land Nordrhein-Westfalen hat in seiner – aus Sicht des Gerichtes überzeugenden - Entscheidung vom 12.12.2008 (L 13 EG 32/08) ausgeführt, dass sich der Einkommensbegriff des Elterngeldes anstatt am Einkommensbegriff des Sozialrechtes an demjenigen des Steuerrechts orientiere. Dies bewirke beispielsweise, dass steuerfreie Einnahmen nach § 3 EStG für das Elterngeld nicht zu berücksichtigen seien; auch die als Einmalzahlungen zu qualifizierenden Einkünfte würden nicht Berücksichtigung finden können. Das BEEG sei nicht auf den ausnahmslosen und vollständigen Ersatz aller finanziellen Einbußen für Eltern angelegt. Somit würden auch die genannten Ausschlüsse die Vorschriften des Grundgesetzes (GG) insbesondere Artikel 3 Abs. 1 GG und Artikel 6 Abs. 1 GG nicht verletzen.
Das Gericht folgt nicht der Auffassung der Klägerseite, dass der Verweis auf § 38 a EStG dazu führen würde, dass nur kalenderjahrübergreifende Zahlungen von dieser Vorschrift des § 2 Abs. 7 S. 2 BEEG erfasst würden. Vielmehr geht es in der Verweisung auf § 38 EStG um die Differenzierung zwischen laufenden Bezügen und sonstigen Bezügen, wie schon in der Distanzierung "im Sinne von" im Wortlaut aufscheint. Auf den Fall der Klägerin übertragen bedeutet dies, dass entweder alle Provisionszahlungen aus dem entsprechenden Zeitraum für das Elterngeld zu berücksichtigen sind oder gar keine.
Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat in seiner Entscheidung vom 20.01.2009, die zwischenzeitlich beim Bundessozialgericht im Revisionsverfahren anhängig ist (Az.: B 10 EG 3/09 R), die vom Beklagten angenommene Bindung an die Kennzeichnung in den Gehaltsabrechnungen des Arbeitgebers als nicht zwingend angesehen. Vielmehr sei eigenständig zu prüfen, ob es sich um "sonstige Bezüge" handele. Nach Auffassung des LSG Berlin-Brandenburg seien nur einmal jährlich geleistete Zahlungen mit Sicherheit ausgeschlossen, während Zahlungen, die regelmäßig, wenn auch nicht monatlich geleistet würden und auf die im Grunde, wenn auch nicht unbedingt der Höhe nach, ein Rechtsanspruch bestehe, für die Ermittlung des anfallenden Einkommens heranzuziehen seien. Dass die Zahlungen in unterschiedlicher Höhe erbracht würden, sei unerheblich, da dies auch für andere variable Vergütungsbestandteile gelten würde, wie etwa im Falle von Akkordentlohnung. Die Gesichtspunkte der Zufälligkeit von Leistungszeitpunkten würden jedenfalls bei regelmäßig alle zwei Monate zu leistenden Zahlungen nicht in gleicher Weise anfallen. Auch wenn der Gesetzgeber den Vorschlag einer Durchschnittsbildung für das Einkommen, wie sie im Gesetzgebungsverfahren diskutiert worden sei, so nicht gefolgt sei, schließe dies nicht aus, auch mehrmals im Jahr aufgrund des Arbeitsverhältnisses erbrachte Vergütungszahlungen nicht als "sonstige Bezüge" anzusehen und sie dementsprechend bei der Einkommensermittlung zu berücksichtigen.
Das erkennende Gericht sieht jedoch das Vorliegen einer "laufenden Leistung "nur dann als gegeben an, wenn in jedem Lohnzahlungszeitraum auch diese Positionen angefallen sind. Dies war im Fall der Klägerin tatsächlich nicht gegeben. Der vorgelegte Arbeitsvertrag lässt offen, zu welchen Zeitpunkten die Provisionszahlungen erfolgen sollten. An-scheinend hat sich in der betrieblichen Praxis eine vierteljährliche Berechnung eingebürgert; unklar bleibt, warum für die Provisionszahlungen nicht ebenfalls ein Abschlags- und Ratensystem wie für das Fixum erwogen wurde.
Da aus Sicht des Gerichtes der Beklagte die gesetzlichen Regelungen zutreffend umgesetzt hat und der Klägerin somit keine weiteren Zahlungen zustanden, sind die angefochtenen Bescheide des Beklagten im Ergebnis nicht zu beanstanden und die Klage war ab-zuweisen.
Aus der Klageabweisung ergibt sich, dass der Klägerin außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten sind (§ 193 SGG).