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10.08.2009 · IWW-Abrufnummer 092673

Bundesgerichtshof: Urteil vom 16.07.2009 – III ZR 21/09

Der in die Abwicklung eines Unfallschadens eingeschaltete Versicherungsmakler muss den Versicherungsnehmer regelmäßig auf die Frist zur ärztlichen Feststellung einer Invalidität und ihrer Geltendmachung gegenüber dem Versicherer nach § 7 I (1) AUB (1994) hinweisen, wenn für ihn erkennbar ist, dass Ansprüche wegen Invalidität gegen den Unfallversicherer ernsthaft in Betracht kommen.


Der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat

auf die mündliche Verhandlung vom 16. Juli 2009

durch

den Vizepräsidenten Schlick und

die Richter Wöstmann, Hucke, Seiters und Schilling

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe - 9. Zivilsenat in Freiburg - vom 18. Dezember 2008 wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Revisionsrechtszugs zu tragen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten als Versicherungsmakler geltend, weil dieser ihn auf die Ausschlussfrist zur Feststellung der Invalidität und deren Geltendmachung gegenüber der Unfallversicherung nicht hingewiesen habe und diese deshalb von der Leistung frei geworden sei.

Der Beklagte vermittelte dem als Maurermeister tätigen Kläger verschiedene Versicherungsverträge einschließlich einer Unfallversicherung. Letzterer lagen die Allgemeinen Unfallversicherungs-Bedingungen (AUB 1994) zugrunde. In § 7 I (1) ist bestimmt, dass Voraussetzung für die Invaliditätsleistung des Versicherers ist, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres nach dem Unfall eingetreten ist sowie spätestens vor Ablauf einer Frist von weiteren drei Monaten ärztlich festgestellt und geltend gemacht wird.

Der Kläger erlitt am 4. August 2002 einen Motorradunfall in der Schweiz. Er wurde zunächst dort und später in Deutschland weiter behandelt. Der Beklagte unterstützte den Kläger bei der Geltendmachung der Ansprüche gegen die verschiedenen Versicherer. Die "Unfall-Schaden-Anzeige" an den Unfallversicherer wurde vom Beklagten am 22. August 2002 erstellt, dem Kläger zur Unterschrift vorgelegt und sodann an den Versicherer gesandt. Der Unfallversicherer sandte eine Kopie dieser Anzeige mit Schreiben vom 27. August 2002 an den Kläger zurück und bat um Vervollständigung der dort gemachten Angaben und um Unterzeichnung an den in dem Schreiben farbig markierten Stellen. Der Beklagte erhielt von diesem Schreiben erst 2004 Kenntnis. Innerhalb von einem Jahr bzw. 15 Monaten nach dem Unfall gab keiner der behandelnden Ärzte eine schriftliche Erklärung über die unfallbedingte Invalidität des Klägers ab. In der zweiten Jahreshälfte 2004 wandte sich der Beklagte, nachdem er vom Kläger über den Stand der Angelegenheit unterrichtet worden war, zunächst telefonisch und später schriftlich an den Unfallversicherer. Dieser berief sich jedoch auf die Ausschlussfrist des § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen und lehnte eine Zahlung ab.

Hierauf nahm der Kläger den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch. Die Klage ist vom Landgericht abgewiesen worden. Die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers hat teilweise in Höhe von 12.499,38 EUR nebst Zinsen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat die Klage teilweise für begründet gehalten und ausgeführt, dass der Beklagte dem Kläger aufgrund einer Nebenpflichtverletzung nach § 280 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sei, da er auf die Ausschlussfrist in § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen hätte hinweisen müssen. Er habe die "Unfall-Schaden-Anzeige" für den Kläger bearbeitet und aufgrund der dort enthaltenen Angaben bezüglich der Verletzungen des Klägers von der ernsthaften Möglichkeit des Eintritts einer dauernden Invalidität ausgehen müssen. Die Verletzungsfolgen des Motorradunfalls hätten auch einem medizinischen Laien hinreichend Anlass gegeben, dauernde Funktionsbeeinträchtigungen für möglich zu halten. Die Fristenregelung in § 7 der Vertragsbedingungen sei auch so ausgestaltet, dass regelmäßig die Gefahr bestehe, ein durchschnittlicher Versicherungsnehmer könne die darin geregelten Voraussetzungen für seinen Versicherungsanspruch übersehen. Der Kläger müsse sich jedoch auf den Schadensersatz ein hälftiges Mitverschulden anrechnen lassen, da er erst im Mai 2004 dem Beklagten von der mangelnden Regulierung und dem Schreiben der Versicherung hinsichtlich der Ergänzung der "Unfall-Schaden-Anzeige" Mitteilung gemacht habe.

II.

Das Berufungsurteil hält den Angriffen der Revision stand. Der vom Oberlandesgericht ausgeurteilte Betrag steht dem Kläger nach § 280 Abs. 1 BGB zu.

1.

Zwischen den Parteien bestand ein Versicherungsmaklervertrag. Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit. Er wird regelmäßig vom Versicherungsnehmer beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlussvertreter angesehen. Wegen seiner umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich des Versicherungsverhältnisses des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderischer Sachwalter bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden (Senatsurteile vom 14. Juni 2007 - III ZR 269/06 - NJW-RR 2007, 1503, 1504 Rn. 10 und BGHZ 162, 67, 78 ; BGHZ 94, 356, 359) . Der Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers umfasst grundsätzlich auch die Hilfestellung bei der Regulierung eines Versicherungsschadens, insbesondere die Erstellung einer sachgerechten Schadensanzeige (OLG Hamm NJW-RR 2001, 602, 603 ; Prölss/Martin/ Kollhosser, VVG, 27. Aufl., nach § 48 Rn. 5). Dementsprechend hatte der Beklagte den Kläger auf sein Ersuchen bei der Erstellung der "Unfall-Schaden-Anzeige" und auch bei der weiteren Abwicklung der übrigen, ebenfalls von ihm vermittelten Versicherungen unterstützt.

2.

Ohne Rechtsfehler hat das Berufungsgericht im vorliegenden Fall angenommen, dass der Beklagte seine Pflicht zum Hinweis auf die Ausschlussfrist in § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen verletzt hat.

a)

Der Beklagte ist als Versicherungsmakler mit der Abwicklung von Schadensfällen gegenüber Versicherungen vertraut. Er ist deshalb auch besonders sachkundig im Hinblick auf den Inhalt der Versicherungsbedingungen, die dem Versicherungsnehmer regelmäßig nicht in vergleichbarer Weise geläufig sind. Deshalb darf der Versicherungsnehmer bei der Abwicklung von Schadensfällen einen Hinweis durch den Versicherungsmakler erwarten, der in seinem Interesse tätig wird, soweit ihm Schäden drohen, weil er z.B. wegen der mangelnden Beachtung ihm regelmäßig nicht geläufiger Formalitäten in Gefahr gerät, seinen gesamten Versicherungsschutz zu verlieren. Insofern stellt das mögliche Verstreichen der Ausschlussfrist nach § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen ein erhebliches Risiko für die Versicherungsnehmer einer Unfallversicherung dar. Deshalb kann von einem Versicherungsmakler ein Hinweis auf den drohenden Verlust des Versicherungsanspruchs wegen Nichteinhaltung der Frist zur ärztlichen Feststellung und Geltendmachung einer eingetretenen Invalidität erwartet werden. Eine Belehrungsbedürftigkeit des Versicherungsnehmers wird dabei regelmäßig dann anzunehmen sein, wenn für den Versicherungsmakler erkennbar ist, dass Ansprüche wegen Invalidität gegen die Unfallversicherung ernsthaft in Betracht kommen.

Dem stehen im Gegensatz zur Auffassung der Revision weder die Vorschriften noch die Wertungen des Rechtsberatungsgesetzes entgegen. Es geht hier nicht um eine umfassende Rechtsberatung, sondern um eine Hinweispflicht als Nebenpflicht des Versicherungsmaklervertrags.

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Revision, ein Versicherungsnehmer sei generell nicht im Hinblick auf die Ausschlussfrist in § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen belehrungsbedürftig, weil nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Wirksamkeit dieser Ausschlussfrist unter dem Blickwinkel des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGHZ 162, 210, 214 ff) die einzuhaltenden Fristen nach ihrer Bedeutung für den Versicherungsschutz aus sich heraus weder unklar noch schwer verständlich seien. Ebenso sei der Versicherungsnehmer zur Lektüre der Versicherungsbedingungen verpflichtet. Es gehöre deshalb zur Eigenverantwortung des Versicherungsnehmers, sich über diese Ausschlussfristen in den Versicherungsbedingungen zu informieren. Der Revision ist insoweit entgegenzuhalten, dass diese Rechtsprechung das Verhältnis des Versicherungsnehmers zum Versicherer betrifft. Hier ist jedoch im Blick zu behalten, dass der Kläger und Versicherungsnehmer sich gerade zu seiner Interessenwahrung gegenüber dem Unfallversicherer des Beklagten als Versicherungsmakler und sachkundiger Fachmann bedient, um seine Ansprüche zu wahren und durchzusetzen. Der Beklagte kann sich deshalb nicht gegenüber dem Kläger als seinem Vertragspartner darauf berufen, dass der Versicherer die Erfüllung gewisser Obliegenheiten erwarten darf. Im Übrigen ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anerkannt, dass selbst dem Versicherer seinerseits gleichwohl Aufklärungspflichten gegenüber dem Versicherungsnehmer hinsichtlich der Ausschlussfristen nach § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen (AUB 88/94) obliegen können, mit der Folge, dass er sich nach Treu und Glauben nicht auf deren Verstreichen berufen kann (vgl. BGHZ 165, 167, 169 ff ; 162, 210, 218) .

b)

In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender tatrichterlicher Würdigung hat das Berufungsgericht angenommen, dass der Beklagte aufgrund der Schwere des erlittenen Unfalls und der ihm aus der erstellten "Unfall-Schaden-Anzeige" bekannten Verletzungen auch als medizinischer Laie dauerhafte Funktionsbeeinträchtigungen beim Kläger für möglich halten und deshalb in Betracht ziehen musste, dass Ansprüche wegen Invalidität gegen den Unfallversicherer bestehen könnten, was jedoch die Einhaltung der Ausschlussfristen des § 7 I (1) der Versicherungsbedingungen voraussetzte. Mangels erkennbarer Fachkunde des Klägers insbesondere in der Situation wenige Tage nach dem Unfall musste der Beklagte deshalb annehmen, dass der Kläger hinsichtlich der Ausschlussfristen belehrungsbedürftig war.

3.

Aufgrund der mangelnden Aufklärung über die Ausschlussfristen nach § 7 I (1) der Vertragsbedingungen hat der Kläger es verabsäumt, die Invalidität ärztlich feststellen zu lassen und gegenüber der Versicherung geltend zu machen. Die Rüge der Revision, davon könne nicht ausgegangen werden, insbesondere weil der Kläger nicht einmal auf das Schreiben der Versicherung vom 27. August 2002, mit dem er zur Ergänzung seiner "Unfall-Schaden-Anzeige" aufgefordert worden sei, reagiert habe, greift nicht durch. Der Kläger war aufgrund der mangelnden Information durch den Beklagten nicht über den drohenden Verlust seiner Ansprüche wegen der nicht rechtzeitigen Geltendmachung bzw. ärztlichen Feststellung der Invalidität informiert. Deshalb musste er nicht zwingend die Vorstellung haben, allein durch Zeitablauf - unbeschadet der allgemeinen Verjährung - seinen Versicherungsschutz verlieren zu können. Es ist vielmehr nicht erkennbar, dass der Kläger bei entsprechender Belehrung darauf verzichtet hätte, seine Ansprüche rechtzeitig geltend zu machen.

Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand des Beklagten, im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts habe ein überwiegendes Mitverschulden des Klägers vorgelegen, das zu einem Anspruchsausschluss führe. Auch insoweit führt die Revision an, dass wegen der mangelnden Information des Beklagten über das Schreiben der Versicherung im Hinblick auf die Ergänzung der "Unfall-Schaden-Anzeige" ein besonders schwerer Verstoß gegen die eigenen Obliegenheiten vorliege, der dazu führe, dass im Verhältnis zum Beklagten der Kläger allein den eingetretenen Schaden tragen müsse.

Die vorzunehmende Abwägung der Verantwortlichkeit zwischen Schädiger und Geschädigtem gehört grundsätzlich in den Bereich tatrichterlicher Würdigung. Sie ist deshalb mit der Revision nur begrenzt angreifbar. Das Revisionsgericht kann lediglich nachprüfen, ob der Tatrichter alle in Betracht kommenden Umstände vollständig und richtig berücksichtigt und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (st. Rspr. vgl. Senatsurteil vom 11. Januar 2007 - III ZR 116/06 - NJW 2007, 1063 Rn. 7 m.w.N.).

Die hier vorgenommene Abwägung des Berufungsgerichts hält der rechtlichen Nachprüfung stand. Das Berufungsgericht hat den Umstand der mangelnden Reaktion des Klägers auf das Schreiben vom 27. August 2002 gegenüber der Versicherung und die unterbliebene Unterrichtung des Beklagten hierüber grundsätzlich in seine Abwägung einbezogen. Es ist nicht ersichtlich, dass diese in vollkommen unsachgemäßer Art und Weise erfolgt sei. Vielmehr ist - wie bereits ausgeführt - zu berücksichtigen, dass das Verhalten des Klägers auf das Schreiben der Versicherung vom 27. August 2002 gerade dadurch beeinflusst sein kann, dass ihm die nötige Information über die drohende Ausschlussfrist wegen der Pflichtverletzung des Beklagten fehlte und er deshalb hinsichtlich der damit verbunden Risiken im Unklaren war.

RechtsgebieteBGB, AUB 1994VorschriftenBGB § 280 Abs. 1, AUB 1994 § 7 Abs. 1

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