13.07.2009 · IWW-Abrufnummer 092192
Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 18.05.2009 – 5 K 2144/08
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Verkündet am: 18.05.2009
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
5 K 2144/08
In dem Finanzrechtsstreit XXX
wegen Kindergeld
hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz - 5. Senat - aufgrund mündlicher Verhandlung vom 18. Mai 2009 durch XXX
für Recht erkannt:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2008 und die Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2008 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2008, mit dem die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn des Klägers P, geboren am 20. Juli 1986, ab Oktober 2007 aufgehoben und das für die Zeit von Oktober 2007 bis April 2008 gezahlte Kindergeld i.H.v. 1.078,00 € zurückgefordert wurde.
Auf den Hinweis der Beklagten mit Schreiben vom 05. Juni 2008, dass beabsichtigt sei, die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn des Klägers P für die Zeit ab Oktober 2007 aufzuheben, da der Kindergeldanspruch für diesen Zeitraum nicht nachgewiesen sei, erwiderte der Kläger mit Schreiben vom 10. Juni 2008, dass sein Sohn Pr in der Zeit vom 01. Juli 2006 bis 31. März 2007 seinen Grundwehrdienst absolviert habe. Am 12. August 2007 habe sich sein Sohn um eine Stelle als Zeitsoldat beworben. Daraufhin sei er zu einem Vorstellungsgespräch am 05. Dezember 2007 beim Zentrum für Nachwuchsgewinnung eingeladen worden. Mit Schreiben vom 09. März 2008 sei durch das Personalamt der Bundeswehr eine weitere Einladung zur fliegerpsychologischen und flugmedizinischen Erstuntersuchung zum 01. April 2008 in F erfolgt. Nach dem Ergebnis dieser Untersuchungen sei allerdings ein Einsatz im fliegerischen Dienst nicht in Betracht gekommen. Deshalb habe sich sein Sohn am 24. April 2008 für 12 Jahre bei der Bundeswehr verpflichtet (beabsichtigter Eintrittstermin 01. Oktober 2008). Eine Bestätigung bzw. Aufforderung zum Diensteintritt liege noch nicht vor.
Der Kläger legte dazu folgende Unterlagen vor:
- Das Schreiben des Zentrums für Nachwuchsgewinnung an den Sohn des Klägers vom 06. November 2007, in dem u.a. ausgeführt wird, der Sohn des Klägers möge sich am 05. Dezember 2007 vorstellen, um über seine Bewerbung für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr entscheiden zu können.
- Das Schreiben des Personalamtes der Bundeswehr vom 09. März 2008 an seinen Sohn, in dem Bezug nehmend auf die Bewerbung vom 12. August 2007, die Eignungsprüfung vom 06. Dezember 2007 und das Schreiben des Zentrums für Nachwuchsgewinnung vom 10. März 2007 ausgeführt wird, der Sohn des Klägers habe sich für eine fliegerische Verwendung beworben. Zur Feststellung der Wehrfliegerverwendungsfähigkeit (WFV) bedürfe es einer fliegerpsychologischen und einer flugmedizinischen Erstuntersuchung am flugmedizinischen Institut der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck. Die Untersuchungen begännen am 01. April 2008.
- Das Schreiben des Zentrums für Nachwuchsgewinnung an den Sohn des Klägers vom 24. April 2008, in dem ihm mitgeteilt wurde, dass er aufgrund der Ergebnisse im Annahmeverfahren in Verbindung mit der Bedarfslage ab 01. Oktober 2008 mit dem Einstellungsdienstgrad Hauptgefreiter (FA) im Organisationsbereich SKB und einer Verpflichtungszeit von 12 Jahren mit dem Anforderungssymbol Feldjäger vorgesehen sei.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2008 wurde die Festsetzung des Kindergeldes für den Sohn des Klägers P für die Zeit ab Oktober 2007 unter Berufung auf § 70 Abs. 2 EStG aufgehoben und das für die Zeit von Oktober 2007 bis April 2008 i.H.v. 1078,00 € gezahlte Kindergeld unter Berufung auf § 37 Abs. 2 Abgabenordnung - AO - zurückgefordert.
Dagegen legte der Kläger Einspruch ein und machte geltend, sein Sohn sei von der Beklagten zuletzt mit Schreiben vom 11. September 2007 um Vorsprache am 18. September 2007 gebeten worden, um mit ihm über die Frage seiner „beruflichen Weiterbildung“ zu sprechen. Bereits zum 12. August 2007 habe sich sein Sohn um eine Stelle als Zeitsoldat in der Unteroffizierslaufbahn beworben, wobei die Vorstellung am 05. Dezember 2007 habe erfolgen sollen. Die 12-jährige Verpflichtungszeit sei eine Ausbildung i.S.d. § 32 Abs. 4 EStG, im Übrigen bestehe während der Verpflichtungszeit die Möglichkeit der Absolvierung einer „zivilen“ Berufsausbildung. Sein Sohn habe sich zunächst um eine Ausbildung zum Verwaltungsfachangestellten und nunmehr zum Bürokaufmann beworben.
Der Kläger legte das Schreiben des Zentrums für Nachwuchsgewinnung vom 19. Juni 2008 an seinen Sohn vor, in dem ausgeführt wird, es sei beabsichtigt, ihn - den Sohn des Klägers - als Soldat auf Zeit in die Bundeswehr einzustellen. Die Einstellung erfolge mit dem Dienstgrad Hauptgefreiter (FA) nach § 15 Abs. 1 u. 2 Soldatenlaufbahnverordnung - SLV -. Er werde gebeten, sich am 01. Oktober 2008 zum Dienstantritt zu melden. Unter „vorgesehene Anschlussverwendung“ heißt es: „FJG FW“.
Mit Schreiben vom 18. Juli 2008 führte der Kläger auf Anfrage der Beklagten ergänzend aus, sein Sohn habe sich am 12. August 2007 um eine Stelle als Zeitsoldat beworben, wobei eine fliegerische Verwendung vorgesehen gewesen sei. Der Einsatz als Heeresflieger setze eine Ausbildung zum Piloten voraus, die ihrerseits die Anforderungen des § 32 EStG erfülle. Nachdem die flugmedizinische Erstuntersuchung am 01. April 2008 nicht habe erfolgreich absolviert werden können, sei am 24. April 2008 die Verpflichtung als Feldwebelanwärter (Feldjäger) erfolgt. Die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Offizier oder Unteroffizier des Truppendienstes sei eine Berufsausbildung, da sie der Vorbereitung auf ein Berufsziel diene, denn sie umfasse Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handle, die als Grundlagen für die Ausbildung des angestrebten Berufs geeignet seien. Bis zum 01. April 2008 sei die Ausbildung zum Piloten angestrebt worden, danach die Ausbildung zum Feldjäger - Feldwebel. Der Feldwebel-Anwärter habe nach seiner mindestens 3 Jahre dauernden Ausbildung die Befähigung des Bestehens einer Feldwebelprüfung nachzuweisen. Die angestrebte Verwendung stelle mithin eine Ausbildung i.S.d. Einkommensteuergesetzes dar, zumal auch eine spätere Tätigkeit als Berufssoldat denkbar und möglich sei.
Mit Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2008 wurde der Einspruch zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Sohn des Klägers habe seinen Grundwehrdienst geleistet und sei deshalb grundsätzlich über das 21. Lebensjahr hinaus nach § 32 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG berücksichtigungsfähig. Er sei hingegen im Streitzeitraum nicht arbeitslos/arbeitsuchend gemeldet gewesen. Auch nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 c EStG (Kind ohne Ausbildungsplatz) könne er nicht berücksichtigt werden, da sich der Sohn des Klägers nicht um eine Ausbildungsstelle beworben habe. Die Bewerbung um eine Stelle als Zeitsoldat stelle keine Bewerbung um einen Ausbildungsplatz in diesem Sinne dar. Das Zentrum für Nachwuchsgewinnung habe telefonisch mitgeteilt, dass es sich bei einer Bewerbung um Einstellung in die Bundeswehr nicht unbedingt um eine Bewerbung für eine Ausbildungsstelle handle. Falls sich der Sohn des Klägers um eine Ausbildung in der Bundeswehr beworben habe, würde ihm eine entsprechende Bescheinigung auf Anforderung zugesandt. Diese Bescheinigung habe der Kläger trotz Aufforderung nicht vorgelegt.
Am 21. August 2008 hat der Kläger Klage erhoben.
Das Gericht forderte den Kläger mit Schreiben vom 24. Oktober 2008 auf, eine Bestätigung der Bundeswehr vorzulegen, da sich sein Sohn schon in seinem Schreiben vom 12. August 2007 um eine Verwendung im fliegerischen Dienst beworben habe und dass es sich dabei - wenn er tauglich gewesen wäre - um eine Berufsausbildung gehandelt hätte. Des Weiteren wurde der Kläger gebeten, mitzuteilen, um welche Bewerbungen (zum Verwaltungsfachangstellten/Bürokaufmann) es sich in seinem Schreiben vom 27. Juni 2008 handle.
Der Kläger übersandte ein Schreiben des Zentrums für Nachwuchsgewinnung an seinen Sohn vom 06. Dezember 2007 in dem ausgeführt wird, unter Berücksichtigung des Ergebnisses der Eignungsfeststellung und der mit dem Sohn des Klägers besprochenen Verwendungsvorschläge bestehe die Planung, ihn zum April 2008 bzw. Juli 2008 mit dem ersten Verwendungswunsch „Flugschüler“, dem zweiten Verwendungswunsch „Feldjäger“ und mit dem dritten Verwendungswunsch „Stabsdienstsoldat“ zu verwenden.
Mit Schreiben vom 17. Dezember 2008 legte der Kläger ein Schreiben der Stammdienststelle der Bundeswehr Dezernat II 1 vom 08. Dezember 2008 vor, in dem ausgeführt wird, der Sohn des Klägers habe auf dem Bewerbungsbogen vom 12. August 2007 für den freiwilligen Dienst in der Bundeswehr u.a. den Verwendungswunsch „Flugschüler“ angegeben. Flugschüler würden während ihrer Ausbildung zum Hubschrauberführer ausgebildet. Ob diese Ausbildung zivil verwertbar sei, sei nicht bekannt. Die Anfrage, ob bei Bewerbungsgesprächen mit dem Wehrdienstberater eine zivilberufliche Ausbildung angesprochen worden sei, könne ebenfalls nicht beantwortet werden. In der Grundakte des Soldaten seien diesbezüglich keine schriftlichen Äußerungen festgehalten.
Der Kläger führte dazu aus, die in seinem Einspruchsschreiben bezeichneten Zivilberufe seien entgegen der ihm zunächst erteilten Information nicht als Bewerbung schriftlich fixiert worden, sondern lediglich als Möglichkeit anlässlich der Beratung angesprochen worden. Wenngleich die Eigenschaft „Zeitsoldat“ für sich alleine keine oder keine angestrebte Berufsausbildung belegen möge, tue sie dies in Verbindung mit einer 12-jährigen Verpflichtungszeit und der Eigenschaft als Feldwebelanwärter, sei es als Hubschrauberpilot oder aber als Feldjäger. Auch die denkbare Möglichkeit einer Übernahme als Berufssoldat stütze diese Auffassung. Erkenne man die streitgegenständliche Zeit nicht als Berufsausübung an, führe das zu einer nicht mehr hinnehmbaren Disqualifizierung der Offiziere und Unteroffiziere der Bundeswehr.
Das Gericht wies den Kläger und die Beklagte mit Schreiben vom 23. Dezember 2008 darauf hin, dass es nach der Entscheidung des Bundesfinanzhofes – BFH - vom 15. Juli 2003 (VIII R 19/02; BFHE 2003, 417; BStBl. II 2007, 247) wohl entscheidend sei, ob der Sohn des Klägers zum Fachunteroffizier ausgebildet werde, was nicht der Fall zu sein scheine. Ob allein die Bewerbung zum Flugschüler einen Berücksichtigungstatbestand erfülle, werde zu entscheiden sein.
Das Gericht wandte sich mit Schreiben vom 07. Januar 2009 an die Stammdienststelle der Bundeswehr in K und bat um Mitteilung, ob und ggfs. welche Ausbildung der Sohn des Klägers während seiner 12-jährigen Zeit bei der Bundeswehr absolvieren werde oder ob er lediglich im Mannschaftsdienstgrad Dienst tue.
Der Kläger erwiderte, sein Sohn habe zum Fachunteroffizier ausgebildet werden sollen bzw. werde dies. Sein Sohn habe sich für die Laufbahngruppe der Unteroffiziere als Feldwebelanwärter beworben - zunächst als Pilot und dann als Feldjäger - und für 12 Jahre verpflichtet. Zwischenzeitlich sei er zum Unteroffizier befördert worden. Die Laufbahngruppe der Unteroffiziere untergliedere sich in die Laufbahnen der Feldwebel einerseits und die der Fachunteroffiziere andererseits (§ 3 Abs. 3 SLV). Mithin sei entweder nur die Ausbildung zum Fachunteroffizier und/oder die zum Feldwebel möglich, wobei letzterer ausbildungs- und anforderungsmäßig „über“ dem Fachunteroffizier stehe. Dass ein Berücksichtigungstatbestand im vorliegenden Fall erfüllt sei, ergebe sich auch aus Ziffer 32.5 der Einkommensteuerhinweise 2008, denn dort werde unter Hinweis auf die Urteile des BFH vom 16. April 2002 und vom 15. Juli 2003 ausgeführt, dass sich ein Soldat auf Zeit (12 Jahre), der zum Offizier oder zum Unteroffizier ausgebildet werde, in Berufsausbildung befinde.
Mit Schreiben vom 15. Januar 2009 teilte die Stammdienststelle der Bundeswehr Folgendes mit:
Der Sohn des Klägers sei für eine Dienstzeit von 12 Jahren in die Laufbahn der Feldwebel des Truppendienstes mit dem Ziel der Verwendung als Feldjägerfeldwebel übernommen worden. Für die vorgesehene Verwendung seien folgende, rein militärischen Ausbildungsabschnitte notwendig: Vollausbildung Feldjägertruppe, Feldwebelanwärterlehrgang Teil 1 Feldjägertruppe, Feldwebelanwärterlehrgang Teil 2 Feldjägertruppe, Feldwebellehrgang allgemeinmilitärischer Teil, Lehrgang „Überleben im Einsatz“, Lehrgang „MP-Aufgaben im Einsatz“. Die Ausbildungsdauer der zuvor genannten Ausbildungsabschnitte betrage ca. 3 Jahre.
Das Gericht wandte sich erneut an die Stammdienststelle der Bundeswehr (Schreiben vom 27. Januar 2009) und bat um weitere Auskunft, und zwar, ob die Ausbildung zum Feldwebel des Truppendienstes „untechnisch“ gesprochen als „Berufsausbildung zum Zeit- bzw. Berufssoldat“ bezeichnet werden könnte und ob man auch noch während oder nach Ablauf der Verpflichtungszeit Berufssoldat werden könne.
Die Stammdienststelle der Bundeswehr erwiderte (Bl. 38 der Gerichtsakte), dass die Ausbildung zum Feldwebel des Truppendienstes nicht als „Berufsausbildung zum Zeit- bzw. Berufssoldaten“ bezeichnet werden könne, vielmehr sei die Eigenschaft des Soldaten auf Zeit unabdingbare Voraussetzung für die Ausbildung zum Feldwebel des Truppendienstes, die ca. 3 Jahre in Anspruch nehme. Die Zugehörigkeit zur Bundeswehr über 23 Monate hinaus setze die Eigenschaft eines Soldaten auf Zeit voraus. Während der Verpflichtungszeit sei gem. § 21 der Soldatenlaufbahnverordnung die Übernahme in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten möglich. Nach Ablauf der Verpflichtungszeit sei eine Berufung in das Dienstverhältnis eines Berufssoldaten nach § 22 Abs. 3 Soldatenlaufbahnverordnung möglich, werde jedoch kaum praktiziert.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2008 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen,
hilfsweise, die Revision zuzulassen.
Sie ist der Auffassung, dass die vom Kläger zitierten Urteile des BFH vom 15. Juli 2003 und vom 16. April 2002 nicht einschlägig und zu einem anderen Sachverhalt ergangen seien. Der Sohn des Klägers durchlaufe keine Berufsausbildung, die in Vorbereitung auf das Ende des Dienstes bei der Bundeswehr befähige, einen auf eine abgeschlossene Berufsausbildung basierenden Zivilberuf zu ergreifen. Demzufolge beinhalte die vorgesehene Verwendung als Feldjägerfeldwebel keine zivile, sondern - wie auch die Stammdienststelle der Bundeswehr bestätigt habe - eine rein militärische Ausbildung.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 16. Juni 2008 in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22. Juli 2008 ist rechtswidrig, verletzt den Kläger in seinen Rechten und ist deshalb aufzuheben (§ 100 Absatz 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung – FGO), weil der Kläger für die streitbefangene Zeit (Oktober 2007 bis April 2008) einen Anspruch auf Kindergeld für seinen Sohn P hat.
Nach § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes i.d.F. für die Jahre 2007 und 2008 (EStG) besteht für ein über 18 Jahre altes Kind, das – wie der Sohn des Klägers im streitigen Zeitraum - das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, Anspruch auf Kindergeld, wenn es eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatzes nicht beginnen oder fortsetzen kann.
Dies ist hier der Fall. Die Auffassung der Beklagten, der Sohn des Klägers könne nicht nach § 32 Abs. 4 Nr. 2 c EStG (Kind ohne Ausbildungsplatz) berücksichtigt werden, weil die Bewerbung um eine Stelle als Zeitsoldat bei der Bundeswehr keine Bewerbung um einen Ausbildungsplatz in diesem Sinne darstelle, ist nämlich aus folgenden Gründen unzutreffend:
In seinem Urteil vom 16. April 2002 (VIII R 58/01, BFHE 199, 111; BStBl. II 2002, 523) hat der BFH ausgeführt, dass die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Offizier des Truppendienstes nach den §§ 18 u. 19 Soldatenlaufbahnverordnung „Berufsausbildung“ sei. Der Offizieranwärter durchlaufe eine zumindest 3-jährige Ausbildung, die - im entschiedenen Fall - u.a. technische und seemännische Ausbildung sowie einen Offizierlehrgang (Ausbildung zum Vorgesetzten) umfasse. Am Ende sei eine Offizierprüfung abzulegen (§ 19 Abs. 2 SLV). Die Ausbildung ende entweder mit der Ernennung zum Leutnant oder im Falle des Nichtbestehens der Prüfung. Auch der für den Offizieranwärter vorgesehene Ausbildungsgang sei somit als eine Maßnahme zu qualifizieren, die als Grundlage für den angestrebten Beruf (Offizier im Truppendienst) geeignet sei.
Danach ist auch die Ausbildung des Sohnes des Klägers als Soldat auf Zeit zum Feldwebel des Truppendienstes mit dem Ziel der Verwendung als Feldjägerfeldwebel nach den §§ 3 Abs. 3, 16 Soldatenlaufbahnverordnung – SLV - als „Berufsausbildung“ zu qualifizieren. Denn auch der Sohn des Klägers hat als Feldwebelanwärter eine zumindest 3-jährige Ausbildung zu absolvieren, die im vorliegenden Fall eine allgemeinmilitärische und eine militärfachliche Ausbildung (mehrmonatig und lehrgangsgebunden) umfasst und mit einer Unteroffizierprüfung (Feldwebelprüfung) endet (§ 16 SLV). Auch der für den Feldwebelanwärter vorgesehene Ausbildungsgang ist danach als eine Maßnahme zu qualifizieren, die als Grundlage für den angestrebten Beruf (Feldwebel im Truppendienst) geeignet ist.
Auch die Ausführungen des BFH in seinem Urteil vom 15. Juli 2003 (VIII R 19/02, BFHE 203, 417; BStBl. II 2007, 247) führen zu keinem anderen Ergebnis. Dieses Urteil ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts nämlich nicht – wie die Beklagte wohl annimmt - so zu verstehen, dass eine „Berufsausbildung“ bei der Bundeswehr nur dann vorliegt, wenn der Soldat nicht nur militärisch, sondern auch für einen zivilen Beruf ausgebildet wird. Der BFH führt in diesem Urteil Folgendes aus:
„Die Verpflichtung als Soldat auf Zeit auf 12 Jahre steht der Annahme eines Ausbildungsverhältnisses jedenfalls zu Beginn der Verpflichtungszeit nicht entgegen (...). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 32 EStG a.F. ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem künftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet. Der Vorbereitung auf ein Berufsziel dienen alle Maßnahmen, bei denen es sich um den Erwerb von Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen handelt, die als Grundlagen für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (...). Dementsprechend hat der BFH sowohl das Referendariat im Anschluss an die erste juristische Staatsprüfung (BFH-Beschluss vom 10. Februar 2000 VI B 108/99, BFHE 191, 54, BStBl II 2000, 398) als auch die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Offizier des Truppendienstes nach §§ 18, 19 SLV (BFH-Urteil in BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523) als Ausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG qualifiziert. Nichts anderes gilt für die Ausbildung eines Soldaten auf Zeit zum Fachunteroffizier, wenn --wie hier-- feststeht, dass der Soldat tatsächlich Lehrgänge belegt und somit nicht lediglich im Mannschaftsdienstgrad Dienst tut, sondern tatsächlich eine Ausbildung erhält. Dies ist der Familienkasse gegebenenfalls durch eine Bestätigung der Bundeswehr, dass eine Ausbildung beabsichtigt wird, nachzuweisen. Der Unteroffizieranwärter hat in diesem Fall sein Berufsziel noch nicht erreicht, sondern er wird sowohl militärisch als auch für einen zivilen Beruf (hier: zum Telekommunikationselektroniker) ausgebildet und hat im Rahmen der Ausbildung Prüfungen (hier: die Fachunteroffizierprüfung gemäß § 12 SLV) abzulegen. Er strebt damit eine Tätigkeit bei der Bundeswehr als Spezialist in einer berufsausbildungsbezogenen Verwendung (hier: Wartungsfeldwebel Roland) an. Die im Rahmen der Verpflichtung als Soldat auf Zeit zu durchlaufende Ausbildung stellt sich sowohl mit ihrem militärischen als auch mit ihrem zivilen Teil als Maßnahme dar, die als Grundlage für den angestrebten Beruf geeignet ist. Der dienstrechtliche Status des Unteroffizieranwärters als Soldat auf Zeit steht dieser Beurteilung nicht entgegen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 199, 111, BStBl II 2002, 523). (...) Die Rechtsprechung des BFH, nach der Kinder, die ihren Grundwehrdienst leisten, nicht für das Kindergeld zu berücksichtigen sind (BFH-Beschluss vom 4. Juli 2001 VI B 176/00, BFHE 196, 98, BStBl II 2001, 675), steht dem hier gefundenen Ergebnis ebenfalls nicht entgegen. Wer seinen Grundwehrdienst leistet, bereitet sich damit gerade nicht auf eine Laufbahn innerhalb der Bundeswehr vor, sondern erfüllt eine gesetzliche Verpflichtung gemäß § 1 des Wehrpflichtgesetzes. Der Grundwehrdienst eines Wehrpflichtigen ist daher nicht als Ausbildung anzusehen.“
In diesem Urteil wird zwar darauf hingewiesen, dass sich die im Rahmen der Verpflichtung als Soldat auf Zeit zu durchlaufende Ausbildung im entschiedenen Fall „sowohl mit ihrem militärischen als auch mit ihrem zivilen Teil“ als Maßnahme darstelle, die als Grundlage für den angestrebten Beruf geeignet sei. Daraus kann – entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten – hingegen nicht gefolgert werden, dass eine Ausbildung bei der Bundeswehr nur dann eine „Berufsausbildung“ i.S. des § 32 Abs. 4 Nr. 2 a EStG darstellt, wenn der Soldat nicht nur militärisch, sondern auch für einen zivilen Beruf ausgebildet wird. Denn in dem vorgenannten Urteil vom 15. Juli 2003 (a.a.O.) verweist der BFH auf sein zuvor ergangenes und eine militärische Ausbildung für ausreichend erachtendes Urteil vom 16. April 2002 (a.a.O.), was bereits gegen die Annahme spricht, der BFH könnte seine Rechtsauffassung geändert haben. Zudem weist der BFH in seinem Urteil vom 15. Juli 2003 darauf hin, dass ein Soldat auf Zeit nur dann keine „Berufsausbildung“ bei der Bundeswehr absolviere, wenn er lediglich im Mannschaftsdienstgrad Dienst tue. Da der BFH zudem auch in seinem Beschluss vom 28. Januar 2009 (III B 183/08, www.juris.de) darauf hingewiesen hat, dass Eltern eines Kindes, das als Soldat auf Zeit zum Fachunteroffizier oder zum Offizier (Hervorhebung durch das erkennende Gericht) ausgebildet werde, kindergeldberechtigt sein können, ist nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht nur die Ausbildung zum Fachunteroffizier, sondern auch die Ausbildung zum Feldwebel des Truppendienstes „Berufsausbildung“ i.S. des § 32 Abs. 4 Nr. 2 a EStG.
Im Übrigen wäre nach Auffassung des Senats der Berücksichtigungstatbestand des § 32 Abs. 4 Nr. 2 c EStG (Kind ohne Ausbildungsplatz) zumindest bis April 2008 auch deshalb erfüllt, weil sich der Sohn des Klägers im August 2007 bei der Bundeswehr um einen Ausbildungsplatz als Hubschrauberpilot (erster Verwendungswunsch) beworben hat und erst im April 2008 erfahren hat, dass er dafür nicht die Eignungsvoraussetzungen erfüllt. Bis zu diesem Zeitpunkt wartete er mithin auf einen Ausbildungsplatz bei der Bundeswehr, der auch eine „zivile“ Ausbildung beinhaltet hätte, denn nach § 27 Luftverkehrs-Zulassungs-Ordnung ist eine Umschreibung des Militärluftfahrtführerscheins „Hubschrauber“ während der Dienstzeit möglich.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der vom Beklagten zu tragenden Kosten beruht auf §§ 151 Abs.2 und 3, 155 FGO i.V.m. §§ 708 Nr.10, 711 ZPO.
Die Revision ist zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 115 Abs. 2 FGO (grunds ätzliche Bedeutung) vorliegen.
Rechtsmittelbelehrung XXX