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30.03.2009 · IWW-Abrufnummer 090896

Oberlandesgericht Oldenburg: Urteil vom 06.11.2008 – 8 U 151/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


OBERLANDESGERICHT OLDENBURG

Im Namen des Volkes

Urteil

8 U 151/08
13 O 321/08 Landgericht Oldenburg

Verkündet am 6. November 2008

In dem Rechtsstreit XXX

hat der 8. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Oldenburg durch den Richter am Oberlandesgericht …als Vorsitzenden, den Richter am Oberlandesgericht …und den Richter am Landgericht …auf die mündliche Verhandlung vom 23. Oktober 2008 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 04.07.2008 geändert und die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.


Tatbestand

Die Klägerin fordert von der Beklagten Schadensersatz aus übergegangenem Recht ihrer Versicherungsnehmerin, der Fa. S… GmbH wegen der Beschädigung eines Leihwagens.

Die Beklagte nutzt neben ihrem Vater und ihrer Mutter, die auch Versicherungsnehmerin ist, den im Eigentum des Vaters stehenden PKW Opel Corsa. Für diesen besteht bei der I… Versicherung ein Vollkaskovertrag, der unter anderem vorsieht, dass neben der Versicherungsnehmerin auch die beiden genannten Angehörigen nutzungsberechtigt sind. Ferner wird dort vereinbart, dass im Falle eines Kaskoschadens die Fa. N…, ein bundesweit tätiges Schadensmanagementunternehmen die Reparaturabwicklung übernimmt und für ein Ersatzfahrzeug sorgt.

Nachdem Anfang März 2007 der Opel Corsa der Familie K… bei einem Wildunfall beschädigt wurde, beauftragte die Fa. N… die Fa. S… mit der Reparatur und der Gestellung eines Ersatzfahrzeuges. Diese tauschte das Unfallfahrzeug sodann gegen ein in ihrem Eigentum stehendes und bei der Klägerin kaskoversichertes Ersatzfahrzeug, ebenfalls einen Opel Corsa, aus. Einen schriftlichen Leih- oder Mietvertrag gibt es nicht. Die Beklagte verunfallte mit dem Austauschfahrzeug am 12.03.2007 in D…, wobei an dem Fahrzeug ein Totalschaden entstand.

Die Klage ist am 10.01.2008 bei dem Amtsgericht Vechta eingegangen und wurde der Beklagten am 23.01.2008 zugestellt. Das Amtsgericht Vechta hat den Rechtsstreit am 04.02.2008 an das sachlich zuständige Landgericht Oldenburg verwiesen.

Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die Beklagte sei ihr zum Schadensersatz des an die Fa. S… gezahlten Reparaturbetrages von 5.341,22 € verpflichtet, weil sie grob fahrlässig ein Rotlicht übersehen und dadurch den Unfall verursacht habe.

Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 5.341,22 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.01.2008 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat sich auf eine Verjährung etwaiger Ansprüche berufen und ist der Ansicht gewesen, nur bei vorsätzlicher Schadensverursachung haften zu müssen.

Das Landgericht hat der Klage voll stattgegeben und dazu ausgeführt, dass die Beklagte aufgrund grob fahrlässiger Herbeiführung des Unfalls aus § 823 Abs. 1 BGB zum Schadensersatz verpflichtet sei. Da zwischen der Beklagten und der Fa. S… kein vertragliches Verhältnis begründet worden sei, greife die Verjährungseinrede nicht.

Gegen ihre Verurteilung wendet sich die Beklagte mit ihrer frist- und formgerechten Berufung. Sie bekräftigt ihre Ansicht, dass sie in die vertragliche Beziehung zwischen ihrer Mutter (der Versicherungsnehmerin) und der Fa. S… eingebunden sei und insofern Verjährung eingetreten sei.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 04.07.2008 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil und behauptet dazu, dass die Fa. S… allein der Versicherungsnehmerin ein Nutzungsrecht an dem Ersatzfahrzeug einräumen wollte.


Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet.

Ein möglicher Schadensersatzanspruch der Klägerin ist entgegen der Auffassung des Landgerichts verjährt.

Es kann offen bleiben, ob zwischen der Fa. S… (Versicherungsnehmerin der Klägerin) und der Mutter der Beklagten ein Leih- oder ein Mietvertrag (letzteres für den Fall, dass die Überlassung entgeltlich gegen Kostenübernahme durch den Vollkaskoversicherer erfolgt ist) zustande gekommen ist, denn die Beklagte kann dem Anspruch der Klägerin die entweder auf § 606 oder auf § 548 BGB gestützte Verjährungseinrede entgegenhalten. Die in beiden Vorschriften maßgebende Sechsmonatsfrist, gerechnet von der Rückgabe des Fahrzeugs an, war zur Zeit der Zustellung der Klage längst abgelaufen. Der Klägerin war es auch durchaus möglich, ihre Ansprüche innerhalb unverjährter Zeit geltend zu machen. Schon bald nach Beginn der Verjährung (Rückgabe wenige Tage nach dem Unfall vom 12.03.2007) meldete die Klägerin am 10.05.07 ihre Ansprüche bei der Beklagten an. Obwohl diese mit anwaltlichem Schriftsatz vom 23.05.2007 die Ansprüche zurückwies, wurde erst am 10.01.2008 eine Klage erhoben.

Die Vorschriften der §§ 548, 606 BGB sind vorliegend anwendbar, obwohl das Unfallfahrzeug einen Totalschaden erlitten hat. Nach ständiger Rechtssprechung genügt der wirtschaftlich geprägte Begriff des Totalschadens im Verkehrsunfallrecht nicht, um einen Untergang der geliehenen Sache anzunehmen (BGH NJW-RR 1988, 1358 mwN; BGH NJW 1994, 1788). Auch vorliegend ist eine Reparatur noch möglich, wenn auch wirtschaftlich sinnlos.

Ebenso entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass auch für Ansprüche aus unerlaubter Handlung die Verjährungsfrist der §§ 548, 606 BGB gelten, wenn auf das Verhältnis zwischen den Parteien die Vorschriften über die Miete oder die Leihe anwendbar sind (BGH NJW-RR 1988, 1358 mwN).

Es kann dahinstehen, ob –wie die Berufung meint- zwischen der Fa. S… und der Beklagten vertragliche Beziehungen begründet wurden.

Denn die Beklagte ist jedenfalls in die Schutzwirkungen des zwischen der Fa. S… und ihrer Mutter zustande gekommenen Miet- oder Leihvertrages einzubeziehen.

Nach ständiger Rechtsprechung und gestützt auf allgemeine Grundsätze der Vertragshaftung können am Vertrag nicht beteiligte Personen unter dem Gesichtspunkt eines Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte Ansprüche wegen Verletzung einer vertraglichen Sorgfaltspflicht dann zugebilligt werden, wenn sie als schutzbedürftig anzusehen sind (BGH NJW 2006, 2399 für Familienangehörige des Mieters).

Dieser Rechtsgrundsatz ist auch auf Einreden und Einwendungen übertragbar, die ein Dritter dem Vertrag entnimmt und einer Partei entgegenhalten will. Insofern besteht die Möglichkeit eines vertraglichen Haftungsausschlusses mit Wirkung für Dritte (BGH WM 1968, 435; BGH NJW 1973, 2059; BGH NJW 1994, 1788; OLG München ZfSch 2000, 258). Dies folgt daraus, dass es nicht einzusehen wäre, warum dem Dritten zwar das Recht zustehen soll, vom Vermieter Schadenersatz zu verlangen, dass er aber für den Fall, dass er den Vermieter schädigt, nicht wie der Mieter sich auf die kurze Verjährung soll berufen können. Die Zubilligung des Schadensersatzanspruches des Dritten beruht letzten Endes auf dem Gedanken, dass es mit der Gerechtigkeit nicht vereinbar wäre, dem Dritten, der bestimmungsgemäß die Mietsache gebraucht und durch sie oder in ihr zu Schaden kommt, einen vertraglichen Ersatzanspruch zu versagen, der dem Mieter ohne weiteres zusteht. Dann aber kann es ebenso wenig Rechtens sein, der Hilfsperson des Mieters, die vertragsgemäß mit ihm oder an seiner Stelle den Mietgebrauch ausübt und dabei Schäden verursacht, die Berufung auf § 548 BGB zu versagen.

Auch der hier zu beurteilende Sachverhalt rechtfertigt die Anwendung dieses Rechtsgedankens. Die Beklagte fällt auch bei der gebotenen einschränkenden Beurteilung in den Schutzbereich des zwischen der Fa. S… und ihrer Mutter geschlossenen Miet- oder Leihvertrages. Ob dieser Schutz auf die Hilfsperson eines Mieters oder Entleihers ausgedehnt werden kann, hängt in erster Linie von dem Inhalt des abgeschlossenen Vertrages ab. Eine ausdrückliche Regelung haben die Mietparteien hierzu nicht getroffen.

Ließe der Vertrag die Ausübung der Benutzung der gemieteten oder entliehenen Sache durch eine Hilfsperson nicht zu, so erscheint es grundsätzlich ausgeschlossen, dass die vom Vermieter oder Verleiher in Anspruch genommene Hilfsperson sich darauf berufen kann, auch sie genieße den Schutz des Vertrages. Ein solcher Sachverhalt ist hier jedoch nicht gegeben. Eine ausdrückliche schriftlich oder mündlich erklärte Beschränkung des Nutzungsrechtes auf die Mutter der Beklagten hat die Klägerin nicht behauptet.

Anders wäre es, wenn im Miet- oder Leihvertrag der Dritte als weiterer Benutzer ausdrücklich bezeichnet ist. Dann wäre ihm ohne weiteres die Rechtsposition des Mieters zuzubilligen (OLG Celle VersR 1993, 1493).

Nach den Feststellungen des Landgerichts ist vielmehr davon auszugehen, dass dem Verleiher, der Fa. S…, bei Abgabe seines Angebotes auf Abschluss eines Leih- oder Mietvertrages mit der Versicherungsnehmerin B… K…, welches konkludent durch Übergabe des Fahrzeuges an einen Familienangehörigen erfolgt ist, nicht bekannt war, welche Personen im Haushalt der Versicherungsnehmerin mit dem versicherten Fahrzeug fahren. Ob die Schutzwirkungen des Miet- oder Leihverhältnisses auch in diesem Fall auf Dritte auszudehnen sind, ist durch eine allgemeine Auslegung des Vertrages zu ermitteln.

Voraussetzung dafür ist, dass neben einer erkennbar gegebenen Leistungsnähe des Dritten und eines Einbeziehungsinteresses die Drittbezogenheit für den Leistenden (hier den Verleiher) erkennbar war, wobei Name und Anzahl der Dritten nicht bekannt sein müssen. Schließlich muss der Dritte schutzbedürftig sein (vgl. Palandt- Grüneberg, 67. Aufl. 2008, § 328, Rnr. 16 ff.).

Unproblematisch bestand vorliegend ein Interesse der Versicherungsnehmerin, dass auch ihre Familienangehörigen in gleichem Umfang das Ersatzfahrzeug nutzen können wie das Reparaturfahrzeug. Entgegen der Ansicht der Klägerin genügt dabei ein Interesse. Nicht erforderlich ist, dass auch der Dritte das Leistungsrecht (hier Gestellung eines Ersatzfahrzeuges) einfordern kann. Dieses Interesse war auch für den Verleiher erkennbar, obgleich ihm durch die Fa. N… nur die Personalien der Versicherungsnehmerin mitgeteilt wurden.

Die Fa. S… musste damit rechnen, dass das Fahrzeug jedenfalls in dem Umfang von der Versicherungsnehmerin ihres Auftraggebers (der N… bzw. der I… Versicherung) genutzt wird, wie der dortige Vollkaskoversicherungsvertrag es vorsieht. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ihr der Inhalt des Versicherungsvertrages positiv bekannt war. In der heutigen Zeit, in der oftmals mehrere Familienmitglieder Inhaber einer Fahrerlaubnis sind, erscheint eine andere Betrachtung alles andere als lebensnah. Hinzu kommt, dass das Ersatzfahrzeug unstreitig einem Familienangehörigen der Versicherungsnehmerin übergeben wurde. Damit lag es auf der Hand, dass außer der Versicherungsnehmerin auch weitere Personen aus dem nahen Umfeld der Vertragspartnerin Zugriff auf das Ersatzfahrzeug haben könnten. Will der Verleiher dies ausschließen, muss er nach Ansicht des Senats einen entsprechenden Willen kundtun.

Aus Sicht des Erklärungsempfängers (des Entleihers) enthält damit die Übergabe der Fahrzeugschlüssel ohne kundgetane Einschränkung ein mindestens stillschweigend erklärtes Einverständnis, auch die Beklagte als Fahrerin des Ersatzfahrzeuges in den Schutzbereich des Miet- oder Leihvertrages einzubeziehen und ihr keine schlechtere Rechtsposition einzuräumen, als sie die Versicherungsnehmerin hatte. Schließlich erscheint die Beklagte auch schutzbedürftig, denn es ist kein Grund ersichtlich, ihr die Rechtsposition eines Vertragspartners zu verweigern. Bei dieser Betrachtung ist ohne Belang, dass sie den Schaden möglicherweise grob fahrlässig verursacht hat, denn durch die Einbeziehung in den Vertrag erhält sie keine Haftungsfreistellung, sondern lediglich die Verjährungseinrede.

Im Ergebnis besteht das Recht der Beklagten, sich auf die kurze Verjährungsfrist zu berufen, weshalb die Klage abzuweisen ist. Über die Frage, ob die Beklagte grob fahrlässig gehandelt hat und ob die Klägerin in diesem Fall übergegangene Ersatzansprüche geltend machen kann, muss folglich nicht entschieden werden.

Der Schriftsatz der Klägerin vom 27.10.2008 lag dem Senat bei der Abfassung der Entscheidung vor. Sein Inhalt gibt dem Senat keine Veranlassung, die mündliche Verhandlung wiederzueröffnen. Dazu wird darauf hingewiesen, dass der Senat bei der Entscheidungsfindung keine im Schriftsatz der Beklagten vom 17.10.2008 enthaltenen neuen Tatsachen berücksichtigt hat.

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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