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27.02.2009 · IWW-Abrufnummer 090704

Landgericht Bonn: Beschluss vom 15.04.2008 – 4 T 291/08

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Bonn

4 T 291/08

Tenor:

In Abänderung des angefochtenen Beschlusses vom 11.04.2008 (34a M 0548-08 BII) wird der monatliche pfändungsfreie Betrag auf 4.320,05 € festgesetzt.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Schuldnerin.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Die Gläubigerin vollstreckt gegen die Schuldnerin aus einem Vergleich des Landgerichts L vom 11.12.2007 (## O ###/07). Auf ihren Antrag hin erließ das Amtsgericht Siegburg am 04.03.2008 einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss bezüglich der angeblichen Forderungen der Schuldnerin an die D AG.

Die Schuldnerin führt bei der D ein Geschäftskonto mit der Nummer #####/#### sowie ein Privatkonto mit der Nummer #####/####.

Am 18.03.2008 beantragte die Schuldnerin bezüglich des Geschäftskontos mit der Endnummer 0, die Pfändung der Forderung gemäß § 765 a ZPO in Höhe von monatlich 7320,05 € aufzuheben sowie ein Guthaben von 851,57 € sofort freizugeben. Zudem wurde die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt.

Zur Begründung führte die Schuldnerin an, dass sie im Rahmen ihres Speditionsbetriebes feste monatliche Zahlungsverpflichtungen habe:

Miete für die Geschäftsräume 2.366,31 €
Telefonkosten 383,75 €
Löhne und Gehälter 3.000,00 €
Persönlicher bedarf der Schuldnerin 1.569,99 €

Mit Beschluss vom 11.04.2008 hob das Amtsgericht Siegburg antragsgemäß die Pfändung des Geschäftskontos mit der Nummer #####/#### in einer Höhe von monatlich 7320,05 € auf. Begründet wurde die Aufhebung damit, dass die Pfändung eine besondere Härte darstelle, weil die Schuldnerin ohne die Gelder ihren Gewerbebetrieb nicht fortsetzen könne. Deswegen verstoße die Pfändung gegen die guten Sitten.

Gegen diesen Beschluss wendet sich die Gläubigerin mit der sofortigen Beschwerde. Wegen des Beschwerdevorbringens wird auf den Schriftsatz vom 16.04.2008, Bl. 39 f. d.A., Bezug genommen.

Die Gläubigerin beantragt, den pfändungsfreien Betrag um 3.000,00 € auf 4.320,05 € zu ermäßigen. Der Aufwand für die zwei Angestellten des Betriebes sei in keiner Weise belegt. Außerdem stelle sich die Frage, ob überhaupt zwei Arbeitskräfte benötigt würden.

Das Amtsgericht hat dem Rechtsbehelf nicht abgeholfen und die Beschwerde der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Die sofortige Beschwerde des Schuldners ist gemäß § 793 ZPO statthaft. Sie ist auch im übrigen zulässig.

Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Aufhebung der Pfändung in einer Höhe von 7320,05 € kann nicht auf eine besondere Härte wegen ganz besonderer Umstände im Sinne des § 765 a ZPO gestützt werden.

§ 765 a ZPO gilt zwar für alle Zwangsvollstreckungsarten, mithin auch für die Forderungspfändung, er ist als Ausnahmevorschrift jedoch eng auszulegen. Für die Anwendung der Norm genügen weder allgemeine wirtschaftliche Erwägungen noch soziale Gesichtspunkte. Anzuwenden ist § 765 a ZPO nur in besonders gelagerten Fällen, nämlich nur dann, wenn im Einzelfall das Vorgehen des Gläubigers zu einem ganz untragbaren Ergebnis führen würde (BGHZ 44, 138 (143); Thomas/Putzo, 26. A., § 765 a Rn. 1; Zöller, 23. A., § 765 a Rn. 5). Im Bereich der Forderungspfändung ist der Anwendungsbereich des § 765 a ZPO sogar noch weiter eingeschränkt, da die Spezialvorschriften zum Arbeitseinkommen, Sozialrenten und ähnlichem in der Regel vorgehen. Greifen sie nicht ein, so können nur absolute Ausnahmefälle die Anwendung des § 765 a ZPO rechtfertigen (Musielak, ZPO, 6. A., § 765 a Rn. 14).

Die Vollstreckung in das Firmenkonto der Schuldnerin als Einzelkauffrau stellt aber keinen solchen absoluten Ausnahmefall dar, da sie insbesondere nicht als vollkommen untragbar erscheint. Bei der Prüfung ist auf die betreffende Vollstreckungsmaßnahme und die Umstände des Einzelfalls abzustellen.

Die Härte ist zudem mit dem Schutzbedürfnis des Gläubigers abzuwägen. Schuldnerschutz kann daher nur bei einem absolut unerträglichen Missverhältnis der für und gegen die Vollstreckung sprechenden Interessen gewährt werden.

Die mögliche Folge der Geschäftsaufgabe wegen Insolvenz mit all ihren Folgen begründet jedenfalls kein solches absolut unerträgliches Missverhältnis im Vergleich zum Vollstreckungsinteresse des Gläubigers.

So ist die Pfändung des Girokontos eines erwerbstätig Selbstständigen, selbst wenn ihn dies an seiner gewerblichen Tätigkeit hindert, keine unzumutbare Härte und begründen kein unerträgliches Missverhältnis zum Vollstreckungsinteresse. Denn selbst die schwerwiegenden Folgen der Kontenpfändung rechtfertigen kein Absehen von der Vollstreckungsmaßnahme, da es sonst zu unvertretbaren Einschränkungen der Zwangsvollstreckung kommen würde (FG Baden-Würtemberg, B. v. 02.10.2001, 2 V 25/01). Insbesondere erscheint es auch nicht Sinn des Vollstreckungsschutzes zu sein, am Rande der Insolvenz arbeitende Unternehmen am Leben zu erhalten und so die Eröffnung des Insolvenzverfahrens zu verzögern (BGH, U. v. 29.03.2001, IX ZR 34/2000).

Auch die wahrscheinliche Folge, dass die Schuldnerin infolge der Vollstreckung der Sozialhilfe anheim fällt, begründet keine sittenwidrige Härte (BGH, B. v. 21.12.2004, IXa ZB 228/03; Zöller, ZPO, 23 A., § 765 a Rn. 9). Das Gleiche gilt für die drohende Arbeitslosigkeit der Mitarbeiter; die Gefahr das der Arbeitgeber durch Vollstreckungen zahlungsunfähig wird und den Betrieb einstellt, gehört insoweit zum normalen Risiko in der Privatwirtschaft. Jedenfalls kann es nicht Aufgabe des Vollstreckungsrechts sein, Härten des Arbeitsmarktes abzufedern.

Trotz der fehlenden Anwendbarkeit des § 765 a ZPO ist der Beschluss vom 11.04.2008 nicht im vollen Umfang aufzuheben, da die Gläubigerin lediglich eine Herabsetzung in Höhe von 3.000,- € beantragt hat.

III.

Ein Anlass zur Zulassung der Rechtsbeschwerde besteht nicht.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO (Zöller/Herget, ZPO, 23. A., § 97 Rn. 10).

Wert des Gegenstandes der Beschwerde: 18.000,- Euro

RechtsgebietZPOVorschriften§ 765 a ZPO

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