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14.10.2009 · IWW-Abrufnummer 093371

Finanzgericht Niedersachsen: Urteil vom 20.08.2008 – 9 K 352/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Niedersachsen

9 K 352/06

Steuerfestsetzung aus der strafbefreienden Erklärung nach dem StraBEG

Tatbestand:

Streitig ist, ob für den Veranlagungszeitraum 2002 eine strafbefreiende Erklärung nach dem Gesetz über die strafbefreiende Erklärung (Strafbefreiungserklärungsgesetz -StraBEG) wirksam ist.

Der Kläger, der im Bereich des Beklagten (Finanzamt - FA -) seinen Wohnsitz hat, war seit dem .... 1998 als Ingenieur selbständig tätig. Für die Veranlagungszeiträume 1998 bis 2002 reichte er weder Einkommensteuer- noch Umsatzsteuererklärungen beim FA ein.

Am 30. Dezember 2004, nachdem die Veranlagungsarbeiten 2002 beim FA am 1. November 2004 im Wesentlichen abgeschlossen waren, ging eine strafbefreiende Erklärung des Klägers nach dem StraBEG vom 23. Dezember 2003 beim FA ein. Hierin erklärte der Kläger Einnahmen für die Jahre 1998 bis 2002 gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG (§ 18 Einkommensteuergesetz - EStG -) und gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 StraBEG (§ 18 Umsatzsteuergesetz - UStG -). Für das hier streitige Jahr 2002 erklärte er Einnahmen gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 StraBEG in Höhe von XXXXX EUR, gemäß § 1 Abs. 4 Nr. 1 StraBEG in Höhe von XXXXX EUR. Den Betrag nach § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StraBEG entrichtete er am 30. Dezember 2004.

Das FA hielt die strafbefreiende Erklärung für das Jahr 2002 für nicht wirksam abgegeben. Der Einspruch gegen den Bescheid vom 21. Januar 2005, mit dem das FA die strafbefreiende Erklärung für das Jahr 2002 als nicht wirksam abgegeben ablehnte, blieb erfolglos. Zur Begründung seiner ablehnenden Entscheidung führte das FA im Wesentlichen aus, die strafbefreiende Erklärung für das Streitjahr 2002 habe der Kläger nicht wirksam abgeben können, weil die Tat i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG erst nach dem 17. Oktober 2003 begangen worden sei (§ 1 Abs. 7 StraBEG). In der verspäteten Abgabe einer Steuererklärung liege nur dann eine vollendete Verkürzung einer Veranlagungssteuer, wenn die verspätete Abgabe die verspätete Festsetzung der Steuer verursache. Eine vollendete Steuerhinterziehung liege erst dann vor, wenn die Festsetzung erfolgt, nachdem die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für den maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen seien. Im Bezirk des FA xxxxx seien die Veranlagungsarbeiten 2002 erst am 1. November 2004, mithin nach dem 17. Oktober 2003 abgeschlossen. Eine Steuerstraftat durch Nichtabgabe der Steuererklärungen habe deshalb bis zum 17. Oktober 2003 nicht begangen werden können.

Hiergegen richtet sich die Klage.

Der Kläger ist der Auffassung, er habe auch für das Jahr 2002 eine wirksame strafbefreiende Erklärung abgegeben. Er habe sich gegen Ende des Kalenderjahres 2004 entschlossen, unter Beachtung des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit sein bisheriges steuerliches Fehlverhalten zu korrigieren. Unter Einschaltung eines Angehörigen der steuerberatenden Berufe sei die steuerliche Vergangenheit aufbereitet und für die Besteuerungszeiträume 1998 bis 2002 die strafbefreiende Erklärung abgeben sowie die pauschalen Steuern entrichtet worden.

Die Strafbefreiung nach dem StraBEG erstrecke sich auf alle Taten i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG, die sich auf nach dem 31. Dezember 1992 und vor dem 1. Januar 2003 entstandene Ansprüche auf Einkommen- und Umsatzsteuer beziehen. Bis zum Dezember 2004 sei er steuerlich nicht von einem Vertreter der steuerberatenden Berufe vertreten gewesen. Ihn hätten die Aussagen des seinerzeitig amtierenden Bundeskanzlers sowie die Zielsetzung des Gesetzes zur Förderung der Steuerehrlichkeit überzeugt. Der Gesetzgeber habe verhindern wollen, dass eine "bestimmte Gruppe von Steuerbürgern" noch nach Kenntnis der bevorstehenden Sonderregelung eine Hinterziehung begehe, um in den Genuss der Amnestie zu gelangen. Die Tat sei zu der Zeit begangen, zu der der Täter gehandelt habe oder im Fall des Unterlassens hätte handeln müssen. Maßgeblich sei im Streitfall der Ablauf der gesetzlichen Erklärungsfrist gemäß § 149 Abs. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO). Hinzu komme, dass das FA keine Hinweise zur Umsatzsteuer, speziell zu den laufend hinterzogenen Umsatzsteuer-Vorauszahlungen des Kalenderjahres 2002 abgeben habe.

Der Kläger beantragt,

unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom ..... 2006 die am 30. Dezember 2004 auf amtlichem Vordruck eingereichte strafbefreiende Erklärung nach dem Strafbefreiungserklärungsgesetz für den Veranlagungszeitraum 2002 als zulässig anzuerkennen.

Das FA beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es verweist auf seine Ausführungen im Einspruchsbescheid und trägt ergänzend vor: Ziel des Gesetzgebers sei keine völlig schrankenlose Anwendung des StraBEG auf den Erklärungszeitraum 1993 bis 2002. Nach den Ausführungen in der Bundestags-Drucksache 15/ 1521 sollte verhindert werden, dass Steuerpflichtige für noch nicht abschließend bearbeitete Veranlagungszeiträume animiert werden, Steuern zu verkürzen. Vor diesem Hintergrund sei § 1 Abs. 7 StraBEG dahingehend auszulegen, dass Voraussetzung die Vollendung der Tat im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG vor dem 18. Oktober 2003 sei.

In der mündlichen Verhandlung hat die Vertreterin des Beklagten erklärt, dass sie bereit sei, den angefochtenen Bescheid in der Fassung des Einspruchsbescheides insoweit aufzuheben, als die strafbefreiende Erklärung für Umsatzsteuer 2002 betroffen sei.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.

Der angefochtene Bescheid vom 21. Januar 2005 ist insoweit rechtswidrig, als er die strafbefreiende Erklärung betreffend die Umsatzsteuer 2002 für unwirksam erklärt. Im Übrigen ist der Bescheid vom 21. Januar 2005 rechtmäßig.

1. Gemäß § 1 Abs. 1 StraBEG wird u.a. derjenige, der die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis gelassen hat und dadurch Einkommensteuer und Umsatzsteuer verkürzt hat, nicht nach §§ 370, 370 a AO oder § 26 c des Umsatzsteuergesetzes (UStG) bestraft, soweit er nach dem 31. Dezember 2003 und vor dem 1. Januar 2005 die aufgrund seiner unterlassenen Angaben zu Unrecht nicht besteuerten Einnahmen gegenüber der Finanzbehörde erklärt und innerhalb von 10 Tagen nach Abgabe der Erklärung, spätestens aber bis zum 31.Dezember 2004 25 v. H. der Summe der erklärten Beträge entrichtet werden. Nach § 1 Abs. 7 StraBEG ist die Abgabe einer strafbefreienden Erklärung ausgeschlossen, soweit die Tat i.S.d. § 1 Satz 1 StraBEG nach dem 17. Oktober 2003 begangen worden ist.

a) Gemäß § 10 Abs. 3 StraBEG ist die mit der Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung (§ 10 Abs. 2 StraBEG) aufzuheben oder zu ändern, soweit nach diesem Gesetz keine Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt. Zwar hat das FA im Bescheid vom 21. Januar 2005 die bewirkte Steuerfestsetzung nicht ausdrücklich aufgehoben. Der Senat legt den Bescheid des FA aber dahingehend aus, dass er konkludent die Aufhebung der bewirkten Steuerfestsetzung für das Veranlagungsjahr 2002 beinhaltet.

b) Dementsprechend legt der Senat den Klageantrag des Klägers dahingehend aus, dass er die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und des Einspruchsbescheides begehrt, mit der Folge, dass die strafbefreiende Erklärung als Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 10 Abs. 2 StraBEG wirkt.

2. Im Streitfall ist die strafbefreiende Erklärung, soweit sie die Umsatzsteuer 2002 betrifft, wirksam. Der Kläger hat entsprechend der Vorschrift des § 1 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 4 StraBEG die bislang nicht erklärten Einnahmen für 2002 erklärt und die gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 StraBEG zu zahlende Steuer entrichtet.

§ 1 Abs. 7 StraBEG steht der Wirksamkeit der strafbefreienden Erklärung nicht entgegen, da der Kläger bereits vor dem 18. Oktober 2003 eine vollendete Umsatzsteuerhinterziehung i.S.d. § 370 AO begangen hat.

Gemäß § 18 Abs. 1 UStG ist der Steuerpflichtige zur Abgabe monatlicher (bis zum 10. des Folgemonats) oder vierteljährlicher (bis zum 10. April, 10. Juli, 10. Oktober, 10. Januar) Umsatzsteuervoranmeldungen verpflichtet, nach Ablauf des Kalenderjahres zur Abgabe der Umsatzsteuerjahreserklärung. Die Anmeldungen stehen einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168 AO). Mit Verstreichen des Voranmeldungszeitraumes und des gleichzeitiges Fälligkeitszeitpunktes ist die Steuerverkürzung bewirkt. Da der Kläger im Streitfall entgegen der gesetzlichen Verpflichtung keine Umsatzsteuervoranmeldungen für 2002 abgeben hat und demzufolge die fälligen Umsatzsteuerbeträge nicht gezahlt hat, hat er bereits vor dem 18. Oktober 2003 eine vollendete Umsatzsteuerhinterziehung begangen.

Die Vertreterin des FA hat in der mündlichen Verhandlung diese Rechtsauffassung - entgegen der bisherigen - geteilt.

3. Mit dem FA hält der Senat die strafbefreiende Erklärung, soweit sie die Einkommensteuer 2002 betrifft, für unwirksam. Zu Recht hat daher das FA die strafbefreiende Erklärung insoweit mit Bescheid vom 21. Januar 2005 aufgehoben.

a) Der Kläger hat zwar gemäß § 1 Abs. 1 i.V.m. Abs. 2 Nr. 1 StraBEG die bislang nicht erklärten Einnahmen erklärt und gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 StraBEG die zu zahlende Steuer entrichtet. Jedoch ist insoweit die strafbefreiende Erklärung gemäß § 1 Abs. 7 StraBEG ausgeschlossen, da die Tat i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 StraBEG - die Einkommensteuerhinterziehung - nicht bis zum 17. Oktober 2003 begangen worden ist.

Das Gesetz über die strafbefreiende Erklärung hatte zum Ziel, bisher Steuerunehrlichen einen Anreiz zu geben, freiwillig in die Steuerehrlichkeit zurückzukehren und damit einen Beitrag zum Rechtsfrieden für die Vergangenheit zu leisten (vgl. Bundestags-Drucksache 15/1521, Seite 1). Der Gesetzgeber hat in § 1 Abs. 7 StraBEG als Schutz vor Missbräuchen eine Amnestie für Steuerhinterziehungen nach dem 17. Oktober 2003 ausgeschlossen. Es sollte verhindert werden, dass noch nach Ankündigung des Strafbefreiungserklärungsgesetzes eine Steuerhinterziehung begangen wird, um sich durch die günstige pauschale Abgeltung einer ordnungsgemäßen Besteuerung zu entziehen. Für denjenigen Steuerpflichtigen, der in der Vergangenheit Steuern verkürzt hat, sollte eine "Brücke in die Steuerehrlichkeit" gebaut werden. Nicht begünstigt werden sollten diejenigen Steuerpflichtigen, die noch gesetzestreu handeln können, d.h. ihre Erklärungspflicht nachkommen können, ohne sich einer Steuerhinterziehung strafbar zu machen.

b) Unter Berücksichtigung dieses Gesetzeszweckes stellt der Senat mit dem FA für die Frage, ob die Tat i.S.d. § 1 Abs. 1 StraBEG vor dem 18. Oktober 2003 begangen worden ist, im Streitfall darauf ab, ob bereits zu diesem Zeitpunkt Steuern verkürzt worden sind, d.h. die Tat vollendet ist.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. z.B. BGH-Urteil vom 19. März 1991 5 StR 516/90 BGHSt 37, 340 m.w.N.), der sich der erkennende Senat anschließt, tritt eine vollendete Verkürzung einer Veranlagungssteuer bei Nichtabgabe einer Steuererklärung erst dann ein, nachdem die Veranlagungsarbeiten in dem betreffenden Bezirk für den maßgeblichen Zeitraum allgemein abgeschlossen sind. Erst dann ist die rechtzeitige Festsetzung der Steuer vereitelt. Es wird demnach darauf abgestellt, wann der Täter bei ordnungsgemäßer Abgabe der Steuererklärung spätestens veranlagt worden wäre (vgl. Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 370 Rz. 448, 451; § 376 Rz. 43.2).

Nach den - unbestrittenen - Angaben des FA waren die Veranlagungsarbeiten in seinem Bezirk für 2002 zum 1. November 2004 im Wesentlichen abgeschlossen. Daher wäre eine Steuerverkürzung durch Unterlassen, d.h. durch Nichtabgabe einer Steuererklärung, erst nach diesem Zeitpunkt vollendet. Damit hat der Kläger vor dem 18. Oktober 2003 noch keine Einkommensteuerhinterziehung i.S.d. § 370 AO begangen, so dass gemäß § 1 Abs. 7 StraBEG die strafbefreiende Erklärung ausgeschlossen ist.

Ließe man es für die Wirksamkeit der strafbefreienden Erklärung, wie der Kläger meint, ausreichen, dass bis zum 17. Oktober 2003 keine Einkommensteuererklärung für 2002 beim FA abgeben worden ist, würde man denjenigen, der nach diesem Stichtag - sei es verspätet oder mit vom FA gewährter Fristverlängerung - seiner Erklärungspflicht noch nachkommt, schlechter stellen als denjenigen, der überhaupt keine Steuererklärung abgibt. Ersterer würde entsprechend seiner Erklärung veranlagt, letzterer hingegen würde durch eine strafbefreiende Erklärung i.S.d. StraBEG in den Genuss der günstigeren pauschalen Abgeltungssteuer kommen. Dies widerspräche dem Sinn und Zweck des Gesetzes.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 136 Finanzgerichtsordnung (FGO).

5. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 151 Abs. 1 und 3 FGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

6. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen.

RechtsgebieteStraBEG, AO, UStGVorschriftenStraBEG § 1 Abs. 1 Nr. 1 StraBEG § 1 Abs. 1 Nr. 2 StraBEG § 1 Abs. 4 StraBEG § 1 Abs. 7 StraBEG § 10 Abs. 2 StraBEG § 10 Abs. 3 AO § 370 AO § 370a UStG § 18 Abs. 1 UStG § 26c

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