16.01.2002 · IWW-Abrufnummer 020065
Landgericht Konstanz: Beschluss vom 21.11.2001 – 1 Qs 108/01
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäftsnummer: 1. Qs 108/01
Landgericht Konstanz
- 1. Strafkammer -
Beschluss vom 21.11.2001
Ermittlungsverfahren gegen XXX
wegen Verdachts der Steuerhinterziehung u.a.
Hier: Beschwerde der Steuerberater und Rechtsanwälte A
Auf die Beschwerde der Steuerberater und Rechtsanwälte A und Kollegen wird die Beschlagnahme aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Konstanz vom 13.09.01 gegen die Steuerberater A und B für unzulässig erklärt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die insoweit entstandenen Auslagen der Beschwerdeführer trägt die Staatskasse.
Gründe:
Das Finanzamt Konstanz hat am 05.09.01 gegen H und H ein Steuerstrafverfahren eingeleitet.
Auf Antrag des Finanzamts Konstanz hat das Amtsgericht Konstanz sodann durch die Beschlüsse vom 13.09.01 die Durchsuchung der Wohn- und Geschäftsräume der Beschuldigten sowie verschiedener dritter Personen, u.a. auch der Steuerberater A und B angeordnet. Zugleich wurde in dem Beschluss gegen die Steuerberater A und B (Az: 10 Gs 630/01) die Beschlagnahme der Geschäfts- und Buchführungsunterlagen, aus denen die erzielten Umsätze und Gewinne der V AG ersichtlich sind sowie Unterlagen, die Aufschluss geben über die Eigentumsverhältnisse bei der V AG, Schweiz, sowie Steuererklärungen der V AG, Schweiz, angeordnet.
Bei den Beschuldigten und den dritten Personen, auch bei den Beschwerdeführern, den Steuerberatern A und B wurde die Durchsuchung zeitgleich am 26.09.01 durchgeführt. Hierbei wurden diverse Unterlagen sichergestellt. Bei den Beschwerdeführern wurde ein blauer Leitzordner mit Jahresabschlüssen, Steuererklärungen und Buchungsunterlagen beschlagnahmt. Aus dem blauen Leitzordner wurde diverser Schriftwechsel der Beschwerdeführer mit den Beschuldigten und mit der V AG entnommen und in einem versiegelten Umschlag ebenfalls beschlagnahmt.
Mit Schreiben vom 04.10.2001 haben die Steuerberater und Rechtsanwälte A und Kollegen gegen die Beschlagnahme der Unterlagen aufgrund des Durchsuchungsbeschlusses vom 13.09.01 Beschwerde eingelegt. Die Beschwerde wurde durch weiteres Schreiben vom 15.11.01 ergänzt. Das Amtsgericht Konstanz hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Das Finanzamt Konstanz hat zu der Beschwerde die schriftliche Stellungnahme vom 25.10.01 abgegeben. Auf die erwähnten Beschlüsse und Schreiben wird Bezug genommen.
Die Beschwerde ist begründet.
Die sichergestellten Unterlagen unterliegen der Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 StPO.
Bei den Jahresabschlüssen für 1996 und 1997 und bei den Umsatz- Gewerbe- und Körperschaftssteuererklärungen für die genannten Jahre handelt es sich um Aufzeichnungen gem. § 97 Abs. 1 Nr. 2 StPO, auf welche sich das Zeugnisverweigerungsrecht erstreckt.
Schon die Beweisfrage, ob der Steuerberater mit der Abgabe von Steuererklärungen beauftragt worden ist, unterliegt dem Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 StPO (vgl. Kleinknecht/Meyer-Gossner, 45. Auflage, Rdnr. 16 zu § 53 StPO). Bei den Buchungsunterlagen handelt es sich um andere Gegenstände gem. § 97 Abs. 1 Nr. 3 StPO, auf die sich das Zeugnisverweigerungsrecht gem. § 53 StPO ebenfalls erstreckt. In der Kommentarliteratur ist dies allenfalls für Fälle streitig, in denen der Steuerberater lediglich die Buchführung übernommen hat. Im vorliegenden Fall haben die Beschwerdeführer jedoch aufgrund der Belege Jahresabschlüsse erstellt und Steuererklärungen vorbereitet oder abgegeben (vgl. Kleinknecht/Meyer-Gossner, Rdnr. 40 zu § 97 StPO).
Hinzu kommt, dass es sich bei den in dem beschlagnahmten blauen Leitzordner enthaltenen Buchungsunterlagen überwiegend um Fotokopien oder Durchschläge handelt. Es ist aus den beschlagnahmten Unterlagen nicht ersichtlich und von Seiten des Finanzamtes Konstanz auch nicht vorgetragen, dass bei den durchsuchten Firmen keine oder nur geringfügige Geschäftsunterlagen aufgefunden werden konnten. Eine Umgehung der kaufmännischen Aufbewahrungspflichten und eine bewusste Ausnutzung der Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 StPO durch Aufbewahrung eines überwiegenden Teiles der gesamten Geschäftsunterlagen durch den Steuerberater kann deshalb nicht angenommen werden. Aus den beschlagnahmten Unterlagen ist weiter nicht ersichtlich und vom Finanzamt Konstanz auch nicht vorgetragen worden, dass bei den genannten Firmen keine Jahresabschlüsse sichergestellt werden konnten oder dass die von den Beschwerdeführern angefertigten Steuererklärungen überhaupt nicht abgegeben wurden. Vielmehr lässt der in dem blauen Leitzordner enthaltene Schriftverkehr darauf schließen, dass Steuererklärungen von den Beschwerdeführern direkt an das zuständige Finanzamt übersandt wurden.
Die Beschlagnahmefreiheit besteht insoweit fort. Der teilweise in der Rechtsprechung vertretenen Meinung, dass die Beschlagnahmefreiheit mit der Erledigung des Auftrages ende, kann nach Auffassung der Kammer nicht gefolgt werden. Die Meinung findet in den gesetzlichen Vorschriften zum Zeugnisverweigerungsrecht und zur Beschlagnahmefreiheit gem. §§ 53, 57 StPO keine Stütze; sie widerspricht den von der Rechtsprechung insoweit entwickelten Grundsätzen. Vielmehr ist davon auszugehen, dass das Zeugnisverweigerungsrecht und somit auch die Beschlagnahmefreiheit nicht mit der Erledigung des Auftrages endet. Das Beschlagnahmeverbot entfällt nur dann ,wenn ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht mehr besteht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Gossner Rdnr. 10 zu § 53 sowie Karlsruher Kommentar, 4. Auflage, Rdnr. 5 zu § 97 StPO).
Die aus dem blauen Leitzordner entnommenen und in einem gesonderten, versiegelten Umschlag beschlagnahmten Unterlagen unterliegen ebenfalls der Beschlagnahmefreiheit gem. § 97 Abs. 1 Nr. 1 und 2 StPO. Die Beschlagnahmefreiheit entfällt im vorliegenden Fall auch nicht gem. § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO. Ein Teilnahmeverdacht der Beschwerdeführer ist durch das Finanzamt Konstanz bisher inhaltlich nicht formuliert worden. Soweit das Finanzamt ausführt, die Unterlagen aus dem versiegelten Umschlag dienten zur Prüfung einer evtl. Beteiligung des Steuerberaters an den Steuerstraftaten der Beschuldigten, kann die Beschlagnahmefreiheit hierdurch nicht beseitigt werden. Der Verdacht, den § 97 Abs. 2 Satz 3 StPO voraussetzt, muss auf bestimmten Tatsachen beruhen; bloße Vermutungen genügen insoweit nicht. Außerdem muss der Teilnahmeverdacht bereits bei der Anordnung der Beschlagnahme bestehen (vgl. Kleinknecht/Meyer-Gossner, Rdnr. 20 zu § 97 StPO).
Aus den genannten Gründen war die Beschlagnahme der bei den Steuerberatern und Rechtsanwälten A und Kollegen sichergestellte Unterlagen aufzuheben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 StPO.