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29.11.2007 · IWW-Abrufnummer 073649

Amtsgericht Celle: Urteil vom 04.07.2007 – 13a C 1283/06 (8a)


Im Namen des Volkes

Urteil

XXX
Klägerin

Gegen

XXX
Beklagter

hat das Amtsgericht Celle auf die mündliche Verhandlung vom 30.05.2007 durch den Richter am Amtsgericht Liekefett für Recht erkannt:

1.) Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 691,76 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 25.02.2003 zu zahlen.

2.) Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Beklagte.
3.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Abrechnungsfähigkeit von Leistungen nach der GOÄ nach einer operativen Behandlung.

Die Klägerin ist Ärztin.

Der Beklagte ließ sich im Rahmen eines Krankenhausaufenthalts im Friederikenstift Hannover in der Zeit vom 12.11.2001 bis 16.11.2001 durch die Klägerin privatärztlich auf der Grundlage einer Wahlleistungsvereinbarung behandeln.

Bei dem Beklagten wurde von der Klägerin die Operation einer Dupuytrenschen Kontraktur und des Karpaltunnelsyndroms durchgeführt. Die Klägerin präparierte und entfernte Dupuytrengewebe im Bereich des Daumens und im Bereich des Ringfingers. Die Klägerin präparierte das ulnare Gefäß-/Nervenbündel am Ringfinger, das in Narbengewebe eingemauert war, frei.

Die Klägerin führte eine Dekompression durch Spaltung des Karpaltunneldaches und eine Tenosynovialektomie der oberflächlichen Beugesehnen durch, nachdem diese entzündlich verändert waren.

Mit der ärztlichen Liquidation vom 06.05.2002 rechnete die Klägerin die wegen der Operation erbrachten Leistungen über 1.676,71 € ab. Wegen der Einzelheiten der Abrechnung wird auf Bl. 15 - 18d. A. Bezug genommen. Darauf zahlte die Krankenversicherung des Beklagten 984,63 €. Mit Schreiben vom 25.03.2003 lehnte sie weitere Zahlungen ab.

Die Klägerin verlangt die Zahlung der Restsumme aus der Rechnung vom 06.05.2002, und zwar für die Ziffer 2087 GOÄ 141,37 €, für die Ziffer 2583 GOÄ 141,37 €, für die Ziffer 2592 GOÄ 275,41 € und für die Ziffer 2091 GOÄ 141,37 €.

Die Klägerin behauptet, im Bereich des Daumens und des Ringfingers des Beklagten hätten zwei unabhängig voneinander bestehende Erkrankungsherde bestanden, die in keinem Zusammenhang zueinander gestanden hätten.

Das schrittweise Freipräparieren des ulnaren Gefäß-/Nervenbündels am Ringfinger sei eigenständig indiziert gewesen, um die Funktion des Gefäß-/Nervenbündels zu erhalten.

Die durchgeführte Tenosynovialektomie der oberflächlichen Beugesehnen sei eigenständig medizinisch indiziert gewesen. Das Abpräparieren der Vorderwand des Epineuriums von den einzelnen Faszikeln des Nervens sei ebenfalls eigenständig medizinisch indiziert gewesen, um diese freizulegen und so für zusätzliche Entlastung zu sorgen.

Die Klägerin beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, 671,96 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz der EZB hierauf seit dem 25.02.2003 an die Klägerin zu zahlen

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er behauptet, es habe nur eine Dupuytrensche Kontraktur der rechten Hand vorgelegen. Eine Erschwernis der Operation sei durch den Höchstsatz bei der Berechnung berücksichtigt worden.

Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen diesen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Gericht hat aufgrund des Beweisbeschlusses vom 13.12.2006 (BI. 94, 95 d. A.) Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens.

Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen Dr. Krause-Bergmann vom 16.04.2007 (BI. 107, 108 d. A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Der Klägerin steht die geltend gemachte Restforderung gemäß §§ 611, 612 BGB i. V. m. der zwischen den Parteien geschlossenen Wahlleistungsvereinbarung zu. Die Wahlleistungsvereinbarung ist ein Arztzusatzvertrag gemäß § 611 BGB, nachdem der liquidationsberechtigte Arzt die erbrachte Leistung in Rechnung stellen kann (Palandt/Weidenkaff, BGB, 65. Aufl., Einf. v. § 611 BGB Rdziff. 19). Rechtsgrundlage für den ärztlichen Vergütungsanspruch ist § 611 Abs. 1 BGB. Für die Berechnung wahlärztlicher Leistungen finden die Vorschriften der GOÄ Anwendung (Uleer/Miebach/Patt, Abrechnung von Arzt- und Krankenhausleistungen, 3. Auf!., § 4 GOÄ Rdziff. 57).

1. Der Klägerin steht die gemäß Ziffer 2087 GOÄ in Höhe von 141,37 € geltend gemachte Forderung zu. Die Klägerin kann wegen der von ihr durchgeführten Operation der Dupuytrenschen Kontraktur das Honorar gemäß Ziffer 2087 GOÄ zweifach verlangen. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Beweisaufnahme steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass zwei unabhängig voneinander bestehende Erkrankungsherde vorlagen, die in keinem Zusammenhang standen. Davon ist das Gericht aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Dr. Krause-Bergmann in seinem Gutachten vom 16.04.2007 überzeugt. Der Sachverständige hat ausgeführt, bei dem Beklagten habe es sich um eine zugrunde liegende Erkrankung mit Manifestation an zwei getrennten Lokalisationen gehandelt. Diese Differenzierung sei vergleichbar mit dem Auftreten der Erkrankung an zwei Händen. Auch hierbei handele es sich um eine zugrunde liegende Erkrankung, jedoch zwei unabhängig voneinander bestehende Erkrankungsherde, die in keinem Zusammenhang stünden.

2. Der Klägerin steht ferner die geltend gemachte Restforderung in Höhe von 141,37 € gemäß Ziffer 2583 GOÄ zu. Das schrittweise Freipräparieren des ulnaren Gefäß/Nervenbündels am Ringfinger, das in Narbengewebe eingemauert war, war eigenständig medizinisch indiziert. Das steht aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Krause-Bergmann zur Überzeugung des Gerichts fest. Dieser führte in seinem Gutachten vom 16.04.2007 aus, dass Ziel der Operation sei die Resektion der pathologisch veränderten Bindegewebsstränge (Dupuytren-Gewebe) aus der Hand mit dem Zweck gewesen, den Finger wieder in voller Länge zu strecken. Die Neurolyse der Nerven sei ein eigenständiges Operationsziel gewesen, da es bei Unterlassung der Neurolyse zu einem Verdämmern des Nerven mit der Folge einer Taubheit komme. Somit handele es sich um ein eigenständig medizinisch indiziertes operatives Vorgehen.

3. Der Klägerin steht ferner die geltend gemachte Vergütung gemäß Ziffer 2091 GOÄ in Höhe von 141,37 € zu. Die von der Klägerin durchgeführte Tenosynovialektomie der oberflächlichen Beugesehnen war eigenständig indiziert und damit gesondert abrechnungsfähig. Das steht nach dem Ergebnis des eingeholten Gutachtens des Sachverständigen Dr. Krause-Bergmann zur Überzeugung des Gerichts fest. Der Sachverständige führte diesbezüglich in seinem Gutachten vom 16.04.2007 aus, die Behandlung des Karpaltunnelsyndroms bestehe in der Spaltung des Handgelenkbandes. Die Tenosynovialektomie sei kein obligater Bestandteil der Operation. Es gebe Behandlungstechniken des Nervenkompressionssyndroms des Nervus medianus (Karpaltunnelsyndrom), die aufgrund der operationstechnischen Gegebenheiten ausschließlich auf die Durchtrennung des Handgelenkbandes abzielten. Es seien die endoskopischen Verfahren nach Agee und Chow zu nennen. Das Ziel der Synovialektiomie sei es, die Beugesehnen von dem vermehrten synovialen Überzug zu befreien, um die Funktionsfähigkeit der Beugesehnen zu verbessern.

Das Zielleistungsprinzip steht der Abrechnungsfähigkeit der Ziffer 2091 GOÄ neben der Ziffer 2070 GOÄ vorliegend nicht entgegen. Das Zielleistungsprinzip findet immer dann Anwendung, wenn es keine konkreten Bestimmungen zur nebeneinander Abrechnungsfähigkeit von Gebührenpositionen gibt (Uleer/Miebach/Patt, a. a. 0., § 4 GOÄ Rdziff. 15). Die Tenosynovialektomie ist nach den Ausführungen des Sachverständigen Kraus-Bergmann jedoch gerade kein obligater Bestandteil der operativen Behandlung des Karpaltunnelsyndroms. Ziel der Synovialektomie ist es vielmehr, die Beugesehnen von dem vermehrten synovialen Überzug zu befreien, um deren Funktionsfähigkeit zu verbessern. Mit ihr wird daher ein eigenständiges Ziel verfolgt.

4. Der Klägerin steht darüber hinaus die gemäß Ziffer 2592 GOÄ in Höhe von 275,41 € zu. Das damit abgerechnete Abpräparieren der Vorderwand des Epineuriums von den Nervenfaszikeln war gesondert abrechnungsfähig und nicht Bestandteil des Leistungsinhalts der Ziffer 2070 GOÄ. Das steht aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen Krause-Bergmann zur Überzeugung des Gerichts fest. Die Maßnahme war danach eigenständig indiziert. Der Sachverständige hat ausgeführt, die Folge des vermehrten Druckes im Bereich des Karpaltunnels könne sich in einer fibrotischen Umscheidung der Nerven niederschlagen. In diesen Fällen, und nur dann, bestehe eine eigenständige Indikation zur Beseitigung des sekundären Schadens des ursprünglichen Kompressionssyndroms, also der mikrochirurgischen Epineurotomie. Das Ziel der Neurolyse sei es, die Blutversorgung des Nerven zu verbessern und damit die Nervenleitungsfähigkeit zu regenerieren, mit der Folge eines Verschwindens der teilweise quälenden Schmerzen. Da davon auszugehen sei, dass die Schilderung in dem Operationsbericht als wahrheitsgemäßer Tatsachenbericht zugrunde gelegt werde, habe vorliegend eine eigenständige Indikation zur mikrochirurgischen Neurolyse bestanden.

Das Gericht folgt in vollem Umfang den Ausführungen des Sachverständigen. Der Sachverständige hat die an ihn gerichteten Fragen klar und eindeutig beantwortet. Die Ausführungen in seinem Gutachten sind nachvollziehbar und in sich schlüssig. Der Sachverständige war als leitender Arzt im Bereich der plastischen und ästhetischen Chirurgie und Handchirurgie besonders geeignet, um die vorliegend streitgegenständlichen Fragen zu beantworten.

Die Addition der zuerkannten Beträge (3 x 141,37 € + 275,41 €) führt zu dem Gesamtbetrag von 699,52 €. Wenn man davon mit der Klägerin den Betrag von 27,56 € abzieht, ergibt sich die geltend gemachte Forderung in Höhe von 671,96 €.

Die Zinsforderung ist gemäß §§ 280 Abs. 2, 286, 287, 288 Abs. 1 BGB begründet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

RechtsgebieteBürgerliches Recht, Medizinrecht, Gebührenordnung für Ärzte Vorschriften§§ 611, 612 BGB i. V. m. GOÄ

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