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14.11.2007 · IWW-Abrufnummer 073482

Oberlandesgericht Brandenburg: Urteil vom 07.11.2006 – 6 U 23/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Brandenburgisches Oberlandesgericht
Im Namen des Volkes
Urteil

6 U 23/06 Brandenburgisches Oberlandesgericht

Anlage zum Protokoll vom 07.11.2006

Verkündet am 07.11.2006

In dem Rechtsstreit

hat der 6. Zivilsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch

den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. König und
die Richterinnen am Oberlandesgericht Eberhard und Dr. Schwonke

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Oktober 2006

für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 03. Februar 2006 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt (Oder) - 12 O 449/05 - abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Zwangsvollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteiles vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Es wird zunächst auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen.

Das Landgericht Frankfurt (Oder) hat mit dem am 3. Februar 2006 verkündeten Urteil der Klage stattgegeben.

Zur Begründung hat es aufgeführt, der Klägerin stehe gegen die Beklagte ein Anspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung der Pflichten des Steuerberatervertrages zu. Die Pflichtverletzung der Beklagten liege darin, dass diese die Versicherungspflicht der vermeintlichen Angestellten der Klägerin nicht geprüft, jedenfalls der Klägerin auch nicht geraten habe, diese von fachkundiger Seite prüfen zu lassen. Im Rahmen des Steuerberatervertrages sei die Beklagte zur Lohnbuchhaltung verpflichtet gewesen. Die Prüfung der Beitragspflicht von Angestellten sei dem mit der Lohnbuchhaltung betrauten Steuerberater rechtlich gestattet und müsse auch von ihm verlangt werden. Eine solche Prüfung und Belehrung sei ungeachtet der Rechtsauffassung des Mandanten zu leisten. Die Pflichtverletzung sei verschuldet. Die maßgeblichen Umstände seien der Beklagten aufgrund des umfassenden Mandates aus der Lohnbuchhaltung und dem Privatbereich der Geschäftsführerin der Klägerin hinreichend bekannt gewesen. Aufgrund bestandskräftiger Verwaltungsakte der Agentur für Arbeit stehe zwischen der Klägerin und der Verwaltungsbehörde fest, dass im gesamten fraglichen Zeitraum kein gesetzliches Versicherungsverhältnis bestanden habe. Im Verhältnis zur Verwaltungsbehörde sei entschieden, dass die Klägerin rechtsgrundlos gezahlt habe. Die Klägerin könne gegen den Bescheid der Verwaltungsbehörde auch nichts Erfolg versprechendes unternehmen. Im vorliegenden Rechtsstreit sei der Bescheid der Behörde nicht etwa seitens des Zivilgerichtes auf seine Rechtsmäßigkeit zu überprüfen, wie etwa bei einem Amtshaftungsprozess. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Klägerin ein Rechtsmittel gegen den Widerspruchsbescheid unterlassen habe.

Der Anspruch sei auch nicht verjährt. Auf Fragen der Verjährung der primären Pflichtverletzung komme es nicht an, da der Beklagten auch eine sekundäre Pflichtverletzung zur Last falle und jedenfalls dieser Anspruch unverjährt sei. Der Anspruch bestehe in der geltend gemachten Höhe. Die Anrechnung sog. "Sowieso-Ausgaben" komme nicht in Betracht.

Gegen dieses ihr am 14. Februar 2006 zugestellte Urteil richtet sich die am 9. März 2006 bei Gericht eingegangene Berufung der Beklagten, welches sie mit dem am 17. März 2006 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz begründet hat.

Die Beklagte meint, das angefochtene Urteil sei insofern rechtsfehlerhaft, als das Landgericht davon ausgehe, im vorliegenden Rechtsstreit sei der Verwaltungsakt der Behörde nicht mehr auf seine Rechtmäßigkeit zu prüfen. Zwar sei durch den Verwaltungsakt das Rechtsverhältnis zwischen Klägerin und Verwaltungsbehörde bestandskräftig geregelt worden. Dennoch müsse im Regressprozess die Rechtsmäßigkeit des ergangenen Verwaltungsaktes überprüft werden. Der auf Schadensersatz in Anspruch genommene Ersatzpflichtige habe nämlich nur für eigene Fehlhandlungen oder Pflichtverletzungen einzustehen, nicht jedoch für diejenige von Behörden.

Außerdem seien die geltend gemachten Ansprüche verjährt. Die streitgegenständlichen Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung seien monatlich abzuführen gewesen, nämlich jeweils zum 10. eines Folgemonates. Eben zu diesem Zeitpunkt sei auch ein Schaden bzw. eine Vermögensverschlechterung bei der Klägerin eingetreten mit der Folge, dass aufgrund der dreijährigen Verjährungsfrist des § 68 StBerG etwaige Ersatzansprüche jeweils verjährt seien nach Ablauf von drei Jahren zuzüglich zehn Tagen nach Ende des jeweiligen Beitragsmonates.

Ein sekundärer Regressanspruch sei nicht gegeben.

Dieser erfordere eine erneute Pflichtverletzung des ersatzpflichtigen Steuerberaters der Gestalt, dass dieser seinen Mandanten vor Eintritt der Verjährung des Primäranspruches auf die Möglichkeit einer eigenen Regresshaftung und deren drohende Verjährung nicht hinweise, wobei diese sekundäre Pflicht entstehe, wenn der Steuerberater nach seinem Fehler und vor Eintritt der Verjährung des Primäranspruches bis zum Ende seines Mandates begründeten Anlass habe zu prüfen, ob er durch eine Pflichtverletzung den Mandanten geschädigt habe. Diese Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben.

Ferner hätte die Klägerin ihren Schaden im Wege der sog. Differenzhypothese ermitteln müssen. Dabei wäre zu beachten gewesen, dass dann, wenn die Beteiligten das Dienstverhältnis zwischen Klägerin und Frau Z... als freies Dienstverhältnis angesehen hätten, zwischen diesen Parteien nach allgemeiner Lebenserfahrung eine höhere Dienstvergütung vereinbart worden wäre. Diese höhere Dienstvergütung sei als sog. "Sowieso-Ausgaben" anzusehen und vermindere den geltend gemachten Schaden.

Die Beklagte beantragt,

das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil.

Soweit die Beklagte nunmehr die inhaltliche Richtigkeit der behördlichen Bescheide bestreiten wolle, stelle dies ein "venire contra factum proprium" dar. Die Beklagte sei zum Zeitpunkt des Erlasses der Bescheide mit sämtlichen Vorgängen innerhalb der Lohnbuchhaltung bei der Klägerin betraut gewesen. Wenn sie danach die Einschätzung der LVA, wonach ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis nicht vorliege, nicht geteilt hätte, wäre es ihre Pflicht gewesen, umgehend den behördlichen Bescheid angreifen zu lassen. Jedenfalls hätte die Beklagte in Absprache mit der Klägerin externen Rechtsrat einfordern müssen. Die Beklagte habe stattdessen die Dinge einfach laufen lassen. Abgesehen davon seien die Verwaltungsakte inhaltlich offensichtlich richtig.

Die Ansprüche seien nicht verjährt. Die Verjährungsfrist beginne mit dem Entstehen des Anspruches zu laufen. Der Anspruch entstehe jedoch erst bei Eintritt eines Schadens. Bis zum Erlass des Bescheides der LVA vom 16. Oktober 2003 sei ungeklärt gewesen, ob das pflichtwidrige Verhalten der Beklagten einen Schaden bei der Klägerin herbeiführen würde. Soweit die Beklagte sich auf eine Schadenskompensation berufen wolle, obliege es ihr, substantiiert einen anrechenbaren Ausgleich darzulegen. Bei einer Familien-GmbH sei außerdem die typische Interessenlage regelmäßig so, dass das mit dem Familien-Geschäftsführer vereinbarte Entgelt nicht die ausschlaggebende Rolle spiele. Die Familien-GmbH habe vielmehr in der Regel den Gesamtertrag des Unternehmens im Auge. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Klägerin ihrer Geschäftsführerin bei Kenntnis eines nicht versicherungspflichtigen Anstellungsverhältnisses eine höhere Vergütung gezahlt hätte.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Berufung ist zulässig, §§ 511, 513, 517, 519, 520 ZPO.

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch kann wegen Verjährung nicht zugesprochen werden, § 68 StBerG (in der bis zum 14.12.2004 geltenden Fassung).

1.

Zwar fällt der Beklagten eine Pflichtverletzung des Steuerberatervertrages zur Last, § 280 Abs. 1 BGB.

Auf vor dem 1. Januar 2002 entstandene Dauerschuldverhältnisse ist seit dem 1. Januar 2003 das BGB in der Fassung vom 1. Januar 2002 anwendbar, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB. Die Pflichtverletzung der Beklagten beurteilte sich bis 31. Dezember 2002 als positive Vertragsverletzung eines Dienstvertrages/Geschäftsversorgungsbetrages, danach nach § 280 BGB iVm dem Steuerberatervertrag.

Von Mai 1984 bis April 2004 buchte die Beklagte die Geschäftsführerin der Klägerin als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin. Demzufolge führte die Klägerin seit Mai 1984 für ihre Geschäftsführerin Beiträge zur Arbeitslosenversicherung ab, ohne hierzu verpflichtet zu sein.

Die Pflichtverletzung der Beklagten besteht darin, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, im Rahmen der vereinbarten Lohnbuchhaltung nicht die erforderliche, nach § 57 Abs. 3 Nr. 2 und 3 StBerG erlaubnisfreie Prüfung zur Beitragspflicht bei Sozialversicherungsträgern bezüglich der Geschäftsführerin der Klägerin vorgenommen zu haben. Eine solche Verpflichtung hat der Beklagten oblegen (OLG Celle, VersR 2001, 1437). Zu einer solchen Prüfung hätte auch Anlass bestanden.

Der Steuerberater muss die einschlägige Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes kennen (Palandt/Heinrichs, BGB, 65. Auflage, § 280, Rn. 77). Dazu gehört im weitesten Sinne auch die Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes zur Sozialversicherungspflichtigkeit von Geschäftsführern einer GmbH.

So hat das Bundessozialgericht mehrfach entschieden (Urteil vom 13.12.1960, BSGE 13, 196 und Urteil vom 8. Dezember 1987, BB 1989, 72 ), dass die Frage der Sozialversicherungspflicht bei dem Geschäftsführer einer GmbH nicht davon abhängt, in welcher Höhe er an der Gesellschaft beteiligt ist. Maßgeblich sei vielmehr, ob er einem die persönliche Abhängigkeit begründenden Weisungsrecht unterliege. Es fehle an der für eine beitragspflichtige Beschäftigung unabdingbaren Voraussetzung der persönlichen Abhängigkeit, wenn aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen in einer Familien-GmbH der Geschäftsführer faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen könne, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten.

In den genannten Entscheidungen ging es um Fragen der persönlichen Abhängigkeit eines Arbeitnehmers und darauf gründende Beitragspflicht nach Vorschriften des AFG. Im vorliegenden Falle geht es in gleicher Weise um die Frage der persönlichen Abhängigkeit und damit verbundenen Beitragspflicht zur Arbeitsförderung (Arbeitslosenversicherung). Ver-sicherungspflichtig sind in abhängiger Tätigkeit beschäftigte Personen (§§ 25, 342 SGB III).

Sollte die Beklagte sich selbst außerstande gesehen haben, eine entsprechende Prüfung vorzunehmen, hätte sie die Klägerin an einen Anwalt verweisen müssen oder aber die Beitragspflicht bei dem Sozialversicherungsträger selbst prüfen lassen müssen. Nach § 28 h Abs. 2 SGB IV kann ein entsprechender Bescheid dort eingeholt werden.

Die Pflichtverletzung ist ursächlich dafür, dass die Klägerin in der Zeit vom 1. Mai 1984 bis 30. April 2004 Beiträge zur Arbeitsförderung in Höhe von gesamt 22.889,82 ¤ zu Unrecht entrichtet hat.

Die rechtsgrundlose Leistung steht fest aufgrund des Bescheides der LVA vom 16.10.2003; der hiergegen gerichtete Widerspruch ist mit Bescheid vom 27.04.2004 zurückgewiesen worden.

Ein Schaden ist der Klägerin insoweit entstanden, als die Bundesanstalt für Arbeit mit Bescheid vom 28.02.2005 Rückzahlungen der rechtsgrundlos geleisteten Beiträge nur für den Zeitraum 01.12.1999 - 30.04.2004 in Höhe von 4.640,66 ¤ anerkannt hat, hinsichtlich weiterer Beiträge in der Zeit vom 01.05.1984 - 30.11.1999 in Höhe der Klageforderung jedoch Verjährung eingewendet hat.

Der hiergegen gerichtete Widerspruch der Klägerin ist mit Bescheid der Bundesanstalt für Arbeit vom 23.05.2005 zurückgewiesen worden.

2.

Soweit sich die Beklagte auf die Fehlerhaftigkeit der Bescheide berufen will, ist die Frage der Rechtmäßigkeit der Verwaltungsakte nur bei der Frage des Mitverschuldens der Klägerin zu prüfen (§ 254 BGB.).

Ein Mitverschulden ist zu verneinen.

Zwar kann der Nichtgebrauch von Rechtsbehelfen gegen behördliche Entscheide gegen § 254 Abs. 2 BGB verstoßen. Bei gerichtlichen Entscheidungen darf ein Geschädigter grundsätzlich auf deren Richtigkeit vertrauen. Eine gerichtliche Entscheidung liegt hier nicht vor. Bei Verwaltungsakten kann ein Mitverschulden vorliegen, wenn die in ihren Rechten verletzte Person weder Widerspruch noch Anfechtungsklage erhebt (Palandt/Heinrichs, a. a. O., § 254 Rn. 46). In der Hinnahme eines der herrschenden Meinung entsprechenden Verwaltungsaktes ist in der Regel kein Verschulden im Sinne von § 254 BGB zu sehen. So liegt der Fall hier. Die Klägerin hat Rechtsmittel eingelegt gegen den die Beitragspflicht verneinenden Bescheid der LVA vom 16. Oktober 2003 sowie den die Rückforderung überwiegend versagenden Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 28.02.2005. Die Widerspruchsbescheide weisen das Begehren der Klägerin mit ausführlicher Darlegung der Rechtslage und unter Hinweis auf obergerichtliche Rechtsprechung zurück.

Es hätte nun der Beklagten oblegen, darzulegen, inwiefern die Ausführungen der Widerspruchsbehörden nicht der herrschenden Rechtsprechung entsprechen und demzufolge die Klägerin zur Klageerhebung verpflichtet gewesen wäre. Daran fehlt es.

3.

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist jedoch verjährt.

a.

Beginn und Dauer der Verjährung bestimmen sich nach § 68 StBerG in der bis zum 14.12.2004 geltenden Fassung.

Danach verjährte der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Auf Kenntnis von Anspruch oder Schaden kommt es nicht an.

Erst nach der ab 15. Dezember 2004 geltenden Rechtslage (§§ 195 BGB iVm 229 §§ 6, 12 Ziff. 13 EGBGB) ist ein subjektives Tatbestandsmerkmal maßgeblich. Der Gläubiger muss von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt haben, damit die Verjährungsfrist in Lauf gesetzt werden kann (§ 199 Abs. 1 BGB).

§ 68 StBerG kommt zur Anwendung, da der Schadensersatzanspruch bereits im Jahre 1984 entstanden ist, im Jahre 1984 die Verjährung in Lauf gesetzt worden und bereits vor Eintritt der neuen Rechtslage vollendet worden ist.

b.

Der Schadensersatzanspruch ist entstanden im Mai 1984 mit Anmeldung der Geschäftsführerin der Klägerin als sozialversicherungspflichtige Arbeitnehmerin bei der Einzugsstelle für die Sozialversicherungsbeiträge.

Durch die auf der Pflichtverletzung der Beklagten beruhende Einschätzung und Anmeldung der Geschäftsführerin der Klägerin bei den zuständigen Trägern ist die Geschäftsführerin fortlaufend als sozialversicherungpflichtige Arbeitnehmerin geführt worden mit der Folge einer entsprechenden monatlichen Beitragspflicht der Klägerin als Arbeitgeberin. Für den Zeitraum 01.05.1984 - 30.04.2004 hat die Klägerin fortlaufend diese Beiträge in Höhe von gesamt 22.889,82 ¤ entrichtet.

Erteilt ein Steuerberater zur Sozialversicherungspflicht von Mitarbeitern dem Arbeitgeber (seinem Mandanten) eine falsche Auskunft, so wächst der dem Mandanten entstehende Schaden jeden Monat mit Beitragszahlung an. Es entsteht nicht monatlich neu ein gesonderter Schaden. Alle Schadensfolgen werden nämlich durch die fehlerhafte Auskunft verursacht und sind auch vorhersehbar bei Anmeldung des Mitarbeiters bei den Trägern der Sozialversicherung. Dieser aus der Berufspflichtverletzung erwachsene Schaden ist als einheitliches Ganzes aufzufassen, so dass für den Anspruch auf Ersatz dieses Schadens eine einheitliche Verjährungsfrist zu laufen beginnt (BGH, NJW-RR 1990, 495). Die Verjährungsfrist umfasst alle voraussichtlichen Nachteile und beginnt mit Auftreten des ersten Schadens zu laufen (BGH, NJW 1993, 1320; Gräfe/Lenzen/Schmeer, Steuerberaterhaftung, 3. Aufl., S. 414). Der Schaden tritt ein, wenn sich die Vermögenslage des Betroffenen infolge des schädigenden Ereignisses objektiv verschlechtert hat. Das ist dann der Fall, wenn der Schaden wenigstens dem Grunde nach erwachsen ist, mag die Höhe auch noch nicht beziffert werden können, ferner, wenn durch die Verletzungshandlung eine als Schaden anzusehende Vermögenseinbuße eingetreten ist, ohne dass feststehen muss, ob sie bestehen bleibt und endgültig wird, oder wenn eine solche Verschlechterung der Vermögenslage oder auch ein endgültiger Teilschaden entstanden ist und mit der nicht fernliegenden Möglichkeit weiterer noch nicht erkennbarer, adäquat verursachter Nachteile bei verständiger Würdigung zu rechnen ist ( BGH, NJW 1993, 1320).

Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn offen wäre, ob ein pflichtwidriges, mit einem Risiko behaftetes Verhalten zu einem Schaden führt. Die Voraussetzung des Entstehens eines Anspruches im Sinne der hier einschlägigen Verjährungsvorschrift ist dann noch nicht erfüllt, so dass die Verjährung nicht in Lauf gesetzt wird, mag auch gemäß § 256 ZPO die Erhebung einer Klage möglich sein mit dem Ziel, die Verpflichtung zur Leistung künftigen Schadensersatzes festzustellen (BGHZ 100, 228).

So wird in Fällen fehlerhafter steuerlicher Beratung, in denen ein Bescheid ergehen muss, um die steuerlichen Folgen eines Gestaltungsgeschäftes zu regeln, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes die Verjährung erst mit dem Bescheid der Steuerbehörden in Gang gesetzt. Der Grund hierfür ist darin zu sehen, dass in Steuersachen die Entstehung eines Schadens von vielen ungewissen Umständen abhängt. Es kann unsicher sein, ob die Finanzbehörden einen steuerlich bedeutsamen Sachverhalt aufdecken, ob sie bestimmte Tatbestände aufgreifen und welche Rechtsfolgen sie ziehen.

Vor Abschluss des Entscheidungsprozesses bei den Steuerbehörden besteht daher nur das Risiko, dass infolge fehlerhafter steuerlicher Beratung ein Schaden eintritt. Diese Gefährdung schlägt erst mit Erlass des Steuerbescheides in eine Verschlechterung des Vermögens um (BGH, NJW 1992, 2766).

Der streitgegenständliche Fall unterfällt nicht der letztgenannten Variante. Der Lauf der Verjährungsfrist setzt keinen Bescheid der zuständigen Behörde voraus. Entgegen der Ansicht der Klägerin kommt es für den Beginn der Verjährung nicht auf den Bescheid der LVA an, mit dem die fehlende Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführerin der Klägerin konstatiert worden ist.

Die fehlende Sozialversicherungspflicht stand von Anfang an fest aufgrund der in der Geschäftsführertätigkeit in einem Familienunternehmen liegenden Umstände und der hierfür maßgeblichen Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes.

Nach dessen seit den 60-iger Jahren praktizierten Rechtsprechung fehlt es an der für die Sozialversicherungspflicht maßgeblichen persönlichen Abhängigkeit/Weisungsgebundenheit und damit an der Arbeitnehmereigenschaft bei einem Geschäftsführer, der über die Hälfte des Stammkapitales der GmbH verfügt (BSG, Urteil vom 25.05.1965, BSGE 23,83). Aber auch dort, wo die Kapitalbeteiligung des Geschäftsführers nicht ausreicht, um kraft Beteiligung die GmbH zu beherrschen, kann ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis zu verneinen sein, wenn der Geschäftsführer hinsichtlich Zeit, Dauer, Umfang und Ort seiner Tätigkeit im wesentlichen weisungsfrei ist und wirtschaftlich gesehen seine Tätigkeit nicht für ein fremdes, sondern für ein eigenes Unternehmen ausübt (BSG, Urteil vom 13.12.1960, BSGE 13, 196).

Mit Urteil vom 08.12.1987 hat das Bundessozialgericht schließlich entschieden (BB 1989, 72), dass, wenn ein Geschäftsführer, selbst wenn er nicht einmal an der Gesellschaft beteiligt ist, aber aufgrund der verwandtschaftlichen Beziehungen in einer Familien-GmbH faktisch wie ein Alleininhaber die Geschäfte der Gesellschaft nach eigenem Gutdünken führen kann, ohne dass ihn der oder die Gesellschafter daran hinderten, es an der für eine beitragspflichtige Beschäftigung unabdingbaren Voraussetzung der persönlichen Abhängigkeit fehle.

Bei Prüfung der Sozialversicherungspflicht der Geschäftsführerin der Klägerin vor Mai 1984 standen aufgrund vorstehend zitierter Rechtsprechung alle maßgeblichen Kriterien für die Begründung bzw. Verneinung der persönlichen Abhängigkeit fest. Die fehlerhafte Beratung war daher keine risikobehaftete, sondern unmittelbar zum Schadenseintritt führende Handlung.

Mit Zahlung des ersten Sozialversicherungsbeitrages, welche spätestens am 10. Juni 1984 für Mai 1984 erfolgte, ist die Verjährung des § 68 StBerG in Lauf gesetzt worden. Der Schadensersatzanspruch ist verjährt mit Ablauf des 09. Juni 1987.

c.

Entgegen der Ansicht der Klägerin hat die Ermessensausübung der Bundesagentur für Arbeit im Bescheid vom 28.02.2005 keinen Einfluss auf den Lauf der Verjährungsfrist. Es liegt im pflichtgemäßen Ermessen der Bundesanstalt für Arbeit, ob sie wegen der Rückforderungsansprüche der Klägerin die Einrede der Verjährung erheben will. Die Ausübung dieses Ermessens ist jedoch nicht Voraussetzung für den Eintritt des Schadens und damit des Schadensersatzanspruches mit der Folge, dass die Klägerin in der Zeit vor Erlass des Bescheides vom 28. Februar 2005 lediglich einem Schadensrisiko unterlegen wäre. Der Schaden war bereits eingetreten mit erster rechtsgrundloser Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen durch die Klägerin.

Die Ermessensentscheidung konnte daher nur noch dazu führen, einen bereits eingetretenen Schaden (teilweise) in Wegfall zu bringen.

4.

Auf Fragen einer sekundären Pflichtverletzung durch die Beklagte kommt es entgegen der Ansicht des Landgerichtes nicht an.

Der Schadensersatzanspruch wegen sekundärer Pflichtverletzung, der es dem Steuerberater verwehren kann, sich auf die eingetretene Verjährung des Primäranspruches zu berufen, setzt voraus, dass der Steuerberater innerhalb nicht verjährter Frist des Primäranspruches von seinem früheren Fehler Kenntnis erlangt und es unterlässt, seinen Mandanten darüber zu belehren. Ist die Verletzung der Belehrungspflicht ursächlich dafür, dass der Mandant den Primäranspruch hat verjähren lassen, so entsteht zugunsten des Mandanten dieser sog. Sekundäranspruch.

Die zitierten Voraussetzungen sind im vorliegenden Falle nicht erfüllt. Erst nach Eintritt der Verjährung des Primäranspruches hat die Beklagte Kenntnis von ihrer Pflichtverletzung erlangt, nämlich mit Bescheid vom 16.10.2003 betreffend die fehlende Sozialversicherungspflicht.

Dass sie in unverjährter Zeit diesen Fehler hätte erkennen können und müssen, ist nicht anzunehmen, zumal sowohl die Betriebsprüfung in 1996 als auch diejenige in 1999 keinerlei Beanstandungen ergeben hat hinsichtlich des als abhängiges Beschäftigungsverhältnis abgerechneten Anstellungsverhältnisses der Geschäftsführerin der Klägerin.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, diejenige betreffend die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision ist zuzulassen, § 543 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO.

Der Rechtssache kommt grundsätzliche Bedeutung zu. Unter welchen Voraussetzungen die Verjährungsfrist zu laufen beginnt bei Steuerberaterhaftung für Fehler bei Lohnabrechnungen im weitesten Sinne hat der Bundesgerichtshof bislang nur für "umgekehrte" Fälle entschieden. Die Entscheidungen vom 12.02.2004 (NJW-RR 2004, 1358) und 23.09.2004 (NJW-RR 2005, 1223) betreffen Fälle, in denen die fehlerhafte Beratung dazu geführt hat, dass Arbeitnehmer als versicherungspflichtfrei geführt und für diese keine Beiträge zur Rentenversicherung bzw. Krankenversicherung abgeführt worden sind.

RechtsgebieteStBerG, ZPO, BGB, EGBGB, SGB IVVorschriftenStBerG § 57 Abs. 3 Nr. 2 StBerG § 57 Abs. 3 Nr. 3 StBerG § 68 ZPO § 256 ZPO § 511 ZPO § 513 ZPO § 517 ZPO § 519 ZPO § 520 BGB § 254 BGB § 254 Abs. 2 BGB § 280 BGB § 280 Abs. 1 EGBGB Art. 229 § 5 Satz 2 SGB IV § 28 h Abs. 2

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