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14.11.2007 · IWW-Abrufnummer 073449

Landgericht Marburg: Urteil vom 17.01.2006 – 2 O 80/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Geschäfts-Nr. 2 O 80/05
Verkündet am 17.1.2006

Landgericht Marburg
Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Marburg/L durch Richterin am Landgericht XXX als Einzelrichterin aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 17. Januar 2006 für Recht erkannt:

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Versicherungsleistung aus einem Vollkaskoversicherungsvertrag.

Der Kläger schloss für den Pkw Mercedes-Benz S 500 L mit dem amtlichen Kennzeichen XXX bei der Beklagten unter der Versicherungsscheinnummer XXX eine Vollkaskoversicherung ab. Das zulässige Gesamtgewicht des versicherten Pkw beträgt 2.400 kg, dessen Leergewicht 1.875'kg.

Der Kläger behauptet, er habe mit dem streitgegenständlichen Fahrzeug, dessen Eigentümer er sei, am 21.04.2004 gegen 21.55 Uhr die XXX aus Richtung XXX kommend in Richtung XXX befahren. In Höhe. des km 1,200 sei vor ihm ein Fuchs von rechts nach links über die Fahrbahn gelaufen. Er sei dem Tier ausgewichen und mit seinem Pkw gegen die rechte Leitplanke geprallt; an der ein Sachschaden in Höhe von 200,--.Euro entstanden sei. Eine Berührung mit dem Tier habe nicht stattgefunden. Aufgrund des Anpralls an die Leitplanke sei das Fahrzeug insbesondere auch im Bereich der Fahrzeugunterseite erheblich beschädigt worden, wobei sich die entstandenen Schäden im einzelnen aus dem Gutachten der XXX vom 28.04.2004 ergäben. Für die Reparatur der Schäden fielen Kosten in Höhe von 18.318,97 Euro an.

Von angeblichen Vorschäden des Fahrzeuges habe er nur insoweit Kenntnis gehabt, als der Verkäufer angegeben habe, dass die Front gewechselt, beide Scheinwerfer ausgetauscht und ein Innenlicht eingebaut worden seien. Sein Vater habe das Fahrzeug im reparierten Zustand für ihn erworben.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 18.318,97 Euro nebst 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie bestreitet, dass der Kläger die XXX zur behaupteten Zeit mit dem versicherten Fahrzeug befahren und sich der behauptete Wildwechsel; in dessen Folge der Kläger verunfallt sei, ereignet habe. Sie meint, ein etwaiges Unfallereignis sei auf eine überhöhte Geschwindigkeit und das völlig sorglose Verkehrsverhalten des Klägers zurückzuführen. Zudem sei bei der Begegnung mit einem die Straße von rechts nach links überquerenden Fuchs mit einer Lenkbewegung nach links zu rechnen und nicht mit einem Ausweichen nach rechts, wie es der Kläger behauptet habe. Dieser habe darüber hinaus weder den genauen Standort des Fuchses noch die Stelle des Erstkontaktes mit der Leitplanke noch die Ausgangsgeschwindigkeit angeben können. Der von ihr mit der Erstattung eines Ergänzungsgutachtens beauftragte Sachverständige der XXX sei in seinem Gutachten vom 08.07.2004 zudem zu dem Ergebnis gekommen, die Beschädigungen an der Unterseite des Fahrzeuges seien mit dem geschilderten Erlebnis nicht in Einklang zu bringen. Der Kläger habe darüber hinaus zunächst von einem bewussten, dann jedoch von einem, instinktiven Ausweichmanöver gesprochen. Insgesamt sei der vom Kläger geschilderte Unfallverlauf widersprüchlich.

Die Beklagte hält einen etwa vom Kläger infolge Wildwechsels erlittenen Schaden unter dem Gesichtspunkt des Ausgleichs von Rettungskosten nicht für erstattungsfähig.

Sie weist darüber hinaus daraufhin, der Kläger habe sie über Vorschäden und deren Reparatur falsch informiert, mit der Folge, dass sie wegen einer Obliegenheitspflichtverletzung von ihrer Leistungspflicht frei geworden sei.

Die Beklagte hält die Abrechnung des Klägers auf der Basis von Reparaturkosten nicht für gerechtfertigt. Sie bestreitet, dass der Kläger Eigentümer des Pkw sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist nicht begründet.

Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf die Versicherungsleistung aus dem mit der Beklagten abgeschlossenen Vollkaskoversicherungsvertrag nicht zu.

Ein derartiger Anspruch auf Zahlung von 18.318,97 Euro ergibt sich nicht aus § 12 Abs.1 Nr. 1d AKB, da es danach zu einem Zusammenstoß mit Haarwild im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 2 Bundesjagdgesetz gekommen sein muss. Die demnach erforderliche Voraussetzung, dass es zu einer Berührung mit dem Wild gekommen ist, die Ursache für den Unfallschaden geworden ist, ist vorliegend nicht gegeben, da der Kläger selbst nicht vorgetragen hat, dass anlässlich des von ihm behaupteten Unfallgeschehens eine Berührung mit dem Fuchs stattgefunden habe.

Dem Kläger steht die geltend gemachte Entschädigungsleistung auch nicht unter dem Gesichtspunkt von Rettungskosten im Sinne von §§ 62 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 1 S. 1 VVG i.V.m. § 12 Abs. 1 Nr.1 AKB gegen die Beklagte zu.

Nach diesen Vorschriften fallen dem Versicherer Aufwendungen zur Last, die der Versicherungsnehmer bei Eintritt eines Versicherungsfalles zur Abwendung und Minderung des Schadens gemacht hat, soweit er sie den Umständen nach für geboten halten durfte. Diese Voraussetzungen liegen hier indes nicht vor. Zwar setzt die in § 62 VVG normierte Rettungspflicht nicht voraus, dass der Versicherungsfall bereits eingetreten ist,. sondern es genügt, dass er unmittelbar bevorstand. Das bedeutet, dass es bereits ausreicht, wenn das Wild zu dem Fahrzeug in eine so enge zeitliche und räumliche Beziehung.kommt, dass ein Zusammenstoß sicher erwartet werden .kann.

Vorliegend kann offen bleiben, ob die im April 2004 an dem versicherten Fahrzeug festgestellten Schäden tatsächlich auf das vom Kläger behauptete Unfallereignis auf der XXX zurückzuführen sind, wobei der Kläger hinsichtlich des von ihm behaupteten Unfallherganges keinen Beweis angeboten hat, was angesichts des Bestreitens der Beklagten indes erforderlich gewesen wäre.

Ein Anspruch des Klägers besteht jedoch schon deshalb nicht, weil sein angebliches Ausweichmanöver wegen eines Fuchses objektiv nicht geboten war, um einen Schaden an dem Fahrzeug zu vermeiden. Erforderlich wäre die Rettungsmaßnahme nämlich nur gewesen, um anderenfalls entstehende höhere Kosten für die Beseitigung von Schäden abzuwenden. Dabei ist die Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Maßnahme objektiv aus der Sicht des Versicherungsnehmers zum Zeitpunkt seiner Reaktion zu beurteilen. Die Gefahr, die jedoch von einem so kleinen und verhältnismäßig leichten Tier wie einem Fuchs ausgeht, ist so gering, dass es unverhältnismäßig ist, das hohe Risiko eines ungleich höheren Schadens durch eine plötzliche Fahrtrichtungsänderung in Kauf zu nehmen (vgl. BGH in: VersR 1997, S. 351). Diesem Risiko, das sich letztlich im vorliegenden Fall durch die erheblichen Beschädigungen an dem Pkw durch den Aufprall auf die Leitplanke verwirklicht hat, hätte die Möglichkeit eines kleinen Schadens am Fahrzeug gegenübergestanden, wenn der Kläger mit dem Pkw Mercedes-Benz S 500 L, dessen Leergewicht allein schon 1.875 kg beträgt, bei einer Geschwindigkeit von 80 bis 1 00 km/h dem Fuchs nicht ausgewichen wäre. Insbesondere bestand unter diesen Umständen mit Sicherheit nicht die Gefahr, dass das Fahrzeug des Klägers durch einen Zusammenstoß mit dem Fuchs von der Fahrbahn abkommen würde oder dass der Fuchs in Richtung Windschutzscheibe hätte hoch geschleudert werden können.

Auch Tierschutzaspekte können eine Gebotenheit nach § 63 VVG nicht begründen, da der Versicherer nur für Schäden einzustehen hat, die dem Versicherungsnehmer entstanden sind, weil er anderen, unter Umständen größeren, jedenfalls aber versicherten Schaden vermeiden wollte. Mit der Kaskoversicherung ist jedoch nicht das Leben eines Tieres versichert.

Allerdings gewährt § 63 Abs. 1 S. 1 VVG Ersatz der Aufwendungen des Versicherungsnehmers auch bei objektiv nicht gebotenen Rettungsmaßnahmen dann, wenn der Versicherungsnehmer die Aufwendungen nach den Umständen ohne grobe Fahrlässigkeit für geboten halten durfte.

Grob fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt nach den gesamten Umständen in ungewöhnlich hohem Maße verletzt und unbeachtet lässt, was im gegebenem Fall jedem hätte einleuchten müssen. Im Gegensatz zur einfachen Fahrlässigkeit muss es sich bei einem grob fahrlässigen Verhalten um ein auch in subjektiver Hinsicht unentschuldbares Fehlverhalten handeln, das ein gewöhnliches Maß erheblich übersteigt. Fehlreaktionen und Fehleinschätzungen sind also nur bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit unschädlich und stehen einem Ersatzanspruch nicht entgegen. In der Rechtsprechung ist grobe Fahrlässigkeit bejaht worden bei einem Pkw-Fahrer, der aufgrund Auftauchens eines Fuchses ein Ausweichmanöver durchführt (vgl. OLG Köln, Urteil vom 16.06.1998 m. w. N. zitiert nach Juris). In einem solchen Fall steht regelmäßig der zu vermeidende Schaden in keinerlei Verhältnis zu dem durch das Fahrmanöver drohenden Schaden, so dass der Versicherungsnehmer mit der Einleitung eines riskanten Ausweichmanövers sowohl objektiv als auch subjektiv grob fahrlässig handelt. Ein Pkw-Fahrer, der bei einer Geschwindigkeit von 80 bis 100 km/h einem Kleintier wie einem Fuchs auszuweichen versucht und das damit verbundene hohe Risiko in Kauf nimmt, verletzt seine Sorgfaltspflichten in ungewöhnlich hohem Maße. In der Regel kann man bei einer so hohen Geschwindigkeit ohne ein besonderes Fahrtraining die Folgen einer plötzlichen Fahrtrichtungsänderung kaum beeinflussen. Lenkt der Pkw-Führer seinen Pkw dennoch unvermittelt zur Seite, lässt er sowohl ein hohes Risiko für sein Fahrzeug, als auch für sein Leben und seine Gesundheit, unbeachtet. Es muss daher jedem Kraftfahrer einleuchten, dass er dieses hohe Risiko nicht ohne Not eingehen darf, auch wenn es darum geht, einem. Tier auszuweichen, mit dem ein Zusammenstoß anderenfalls unmittelbar bevorstünde. Vom äußeren Geschehensablauf und vom Ausmaß des objektiven Pflichtverstoßes kann auf die inneren Vorgänge und deren gesteigerte Vorwerfbarkeit geschlossen werden (vgl. BGH a. a. O.). Demgegenüber hat der Kläger vorliegend keine entlastenden Umstände vorgetragen. Vielmehr kann von einem Kraftfahrer, der bei Dunkelheit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Straße in waldreichem Gebiet befährt, verlangt werden, dass er auch dann - selbst wenn er erschrocken ist -, wenn ein kleines Tier plötzlich auf der Fahrbahn auftaucht, noch eine hinreichende Konzentration aufbringt, um darauf sachgerecht zu reagieren. Dass nämlich unter diesen äußeren Umständen ein Fuchs die Fahrbahn kreuzt, ist kein so ungewöhnliches Ereignis, dass ein objektiv grob fahrlässiges Ausweichmanöver subjektiv eine mildere Beurteilung verdiente.

Nach alIedem konnte die Klage keinen Erfolg haben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.

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