16.10.2007 · IWW-Abrufnummer 073140
Oberlandesgericht München: Beschluss vom 09.03.2007 – 32 Wx 177/06
1. Der Anspruch des einzelnen Wohnungseigentümers auf Abrechnung beinhaltet ein Recht auf Einsichtnahme in fremde Einzelabrechnungen.
2. Das Verlangen nach Erstellung von Kopien der Einzelabrechnungen ist in der Regel nicht rechtsmissbräuchlich.
32 Wx 177/06
Gründe:
I.
Die Antragsteller sind Mitglieder einer größeren Wohnungseigentümergemeinschaft, die von der Antragsgegnerin verwaltet wird. Die Anlage umfasst insgesamt 62 Wohn- und Gewerbeeinheiten.
Die Antragsteller haben beantragt, die Verwalterin zu verpflichten, ihnen gegen Erstattung der Kosten Kopien der Einzelabrechnungen des Abrechnungsjahres 1.1.2004 bis 31.12.2004 für sämtliche Wohn- und Gewerbeeinheiten zu erstellen. Mit Beschluss vom 18.5.2006 hat das Amtsgericht den Antrag abgewiesen. Auf die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde der Antragsteller hat das Landgericht mit Beschluss vom 27.10.2006 die amtsgerichtliche Entscheidung aufgehoben und die Antragsgegnerin antragsgemäß verpflichtet. Mit ihrer sofortigen weiteren Beschwerde verfolgt die Antragsgegnerin das Ziel, die Entscheidung des Amtsgerichts wieder herzustellen.
II.
Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist zulässig, in der Sache aber nicht begründet.
1. Das Landgericht hat ausgeführt:
Jeder Wohnungseigentümer habe als Kontrollrecht ein Recht auf Einsicht in sämtliche Verwaltungsunterlagen einschließlich der Einzelabrechnungen aller Wohnungseigentümer, ohne dass hierfür datenschutzrechtliche Einschränkungen zu beachten seien. Die Art und Weise der Einsichtnahme sei dabei nach den Wünschen des Wohnungseigentümers zu gestalten, weshalb ihm auch auf sein Verlangen gegen Kostenerstattung entsprechende Kopien auszuhändigen seien.
2. Die Ausführungen des Landgerichts halten im Ergebnis der rechtlichen Nachprüfung stand.
a) Die Antragsteller haben als Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft gegen die Verwalterin einen Anspruch auf Abrechnung nach § 28 Abs. 3 WEG. Diese dient zum Einen der Rechnungslegung, und damit der Kontrolle der Geschäftsführung durch den Verwalter, zum Anderen der Aufteilung der Kosten und Erträge der Wohnungseigentümergemeinschaft auf die Wohnungseigentümer (Happ KK-WEG § 28 Rn. 6). Um die Richtigkeit der Abrechnung wirksam überprüfen zu können, ist es erforderlich, dass ein Wohnungseigentümer Einsicht in Buchungsunterlagen und Belege, insbesondere Rechnungen, Angebote, Stellungnahmen in juristischen Angelegenheiten und Gutachten nehmen kann. Die entsprechende Verpflichtung des Verwalters, Einsicht in die genannten Unterlagen zu gewähren, ergibt sich aus § 28 Abs. 3 WEG, §§ 675, 666 BGB i.V.m. § 259 BGB und dem Verwaltervertrag.
Durch die jeweiligen Eigentümerbeschlüsse wird nicht nur die Rechnungslegung durch den Verwalter gebilligt, sondern auch im Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander bindend festgelegt, welche Einnahmen zu verbuchen sind und welche Ausgaben als Lasten und Kosten nach welchem Verteilungsschlüssel auf die einzelnen Wohnungseigentümer umzulegen sind. Erst durch die Genehmigungsbeschlüsse wird im Rahmen der allgemeinen Beitragspflicht eine konkrete Verbindlichkeit der Wohnungseigentümer begründet (BGHZ 104, 197/202 f; 108, 44/51). Nachdem sich die Stimmabgabe jedes einzelnen Wohnungseigentümers bei der Beschlussfassung auch auf die Genehmigungen der fremden Einzelabrechnungen mit den oben beschriebenen Rechtsfolgen bezieht, muss auch für diese Abrechnungen eine Kontrollmöglichkeit der einzelnen Wohnungseigentümer, und damit ein Anspruch auf Einsichtnahme, bejaht werden.
Diesem Anspruch steht das Bundesdatenschutzgesetz nicht entgegen, da die Wohnungseigentümergemeinschaft keine anonyme Gemeinschaft ist und die Einsichtnahme dem Zweck des Gemeinschaftsverhältnisses dient, § 28 BDSG (Vgl. OLG Frankfurt OLGZ 1984, 258/259; Bärmann/Pick/Merle WEG 9. Aufl. § 28 Rn. 92).
b) Gewöhnlich wird die Einsichtnahme durch Vorlage der Dokumente in den Geschäftsräumen des Verwalters erfolgen. Ein Anspruch auf Herausgabe der Originalunterlagen besteht grundsätzlich nicht (BayObLGZ 2003, 318/323 f.). Im Rahmen der Einsichtnahme hat ein Wohnungseigentümer aber Anspruch auf Fertigung und Aushändigung von Kopien, da es ihm, auch wegen des unterschiedlichen Beweiswertes, in der Regel nicht zugemutet werden kann, handschriftliche Abschriften zu erstellen (BayObLG NJW-RR 2000, 1466/1467 m.w.N.). Dies gilt sowohl für die Belege zu den Abrechnungen, als auch, aus den genannten Gründen, für die Abrechnungen selbst.
c) Seine Grenzen finden der Anspruch auf Fertigung von Kopien gegen Kostenerstattung im Schikane- und Missbrauchsverbot der §§ 226, 242 BGB (OLG Hamm NZM 1998, 724). Das Ersuchen der Wohnungseigentümer muss sich demnach auf vorhandene und hinreichend genau bezeichnete Unterlagen beziehen, die ohne nennenswerten Vorbereitungsaufwand und ohne Störungen des Betriebsablaufs der Verwaltung eingesehen und fotokopiert werden können (OLG Hamm aaO).
Zu diesen Fragen hat das Landgericht zwar keine Feststellungen getroffen, aufgrund der sich aber unzweideutig aus dem Akteninhalt ergebenden Tatsachen (BayObLG NZM 1998, 1010/1011) kann der Senat in der Sache selbst entscheiden.
Anhaltspunkte für einen Rechtsmißbrauch der Antragstellerin liegen nicht vor.
Zu berücksichtigen ist hier einerseits die Größe der Wohnanlage mit 62 Wohn- und Gewerbeeinheiten, andererseits die Tatsache, dass die Erstellung von weiteren Kopien der Einzelabrechnungen weit weniger Mühe macht als das Ablichten oder Ein-scannen und Drucken von Belegen. Bereits aus der Abwägung der genannten Umstände ergibt sich, dass die Bereitstellung von Abschriften durch die Verwalterin keinen unzumutbaren Aufwand erfordert. Auf die behauptete altersbedingte gesundheitliche Einschränkung der Antragsteller kommt es daher nicht mehr an.
d) Die Höhe der vom Landgericht veranschlagten Kosten von 0,30 EUR pro Kopie, die von den Antragstellern zu erstatten sind, ist angemessen und im Übrigen von der Antragsgegnerin auch nicht beanstandet.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 47 WEG. Der Senat hält es für angemessen, der unterlegenen Antragsgegnerin die Gerichtskosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen, wegen der unterschiedlichen Instanzentscheidungen aber von einer Erstattungsordnung abzusehen.
Der Geschäftswert wurde gemäß § 48 Abs. 3 Satz 1 WEG in Übereinstimmung mit den nicht angegriffenen Schätzungen der Vorinstanzen festgesetzt.