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24.08.2007 · IWW-Abrufnummer 072659

Oberlandesgericht München: Urteil vom 16.01.2007 – 27 W 3/07


Beschluss
des 27. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München, Zivilsenate in Augsburg
vom 16. Januar 2007

In dem Rechtsstreit

A…………………..

- Verfügungsklägerin und Beschwerdeführerin -

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte S…………..

gegen

P……………………..

- Verfügungsbeklagte -

Prozessbevollmächtigte: A………………

wegen einstweiliger Verfügung



I. Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin gegen den Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 19. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

II. Die Verfügungsklägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Beschwerdewert wird auf EUR 3.200,00 festgesetzt.

G r ü n d e :

Die sofortige Beschwerde der Verfügungsklägerin erweist sich als unbegründet.

Das Landgericht hat zu Recht den Antrag auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache zurückgewiesen und die Kosten des Verfahrens der Verfügungsklägerin auferlegt. Auf die zutreffenden Gründe der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen.

Das Beschwerdevorbringen gibt keinen Anlass für eine andere Sicht der Rechtslage.

1. Bei seiner Entscheidung hat das Landgericht erschöpfend über die Anträge der Verfügungsklägerin entschieden, nämlich über die Frage, ob die Verfügungsbeklagte berechtigt war, die Urkalkulation der Verfügungsklägerin zu öffnen und zu vervielfältigen. Es hat dazu die in Ziffer 6.3 auf S. 22 des GU-Vertrages vom 07.02.2005 (Bl. 33 d.A.) zwischen den Parteien getroffene Regelung bezüglich der Öffnung der verschlossenen Urkalkulation einer inhaltlichen Prüfung unterzogen und ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der geltend gemachte Unterlassungsanspruch von Anfang an nicht bestand.

Die in der Beschwerdebegründung unter Ziffer 1. thematisierte Übergabe einer Kopie an einen Dritten findet in den ursprünglichen Anträgen keinen Niederschlag. Aus dem dort begehrten Verbot einer Vervielfältigung der Urkalkulation in Verbindung mit der Begründung, man müsse befürchten, dass "aufgrund der Kopie der Urkalkulation die gewinnträchtigen Teile aus dem Vertrag herausgenommen werden können", mag zwar auch das Begehren entnommen werden, der Verfügungsbeklagten damit auch die Weitergabe an Dritte zu verbieten. Jedoch könnte sich ein solches Verbot jedenfalls nicht auf Personen und Institutionen erstrecken, deren Hilfe sich die Verfügungsbeklagte für die Prüfung der Nachtragsvergütungen bediente.

2. Das Landgericht hat unter Hinweis auf das bereits laufende schiedsgerichtliche Verfahren (s. Einleitungsverfügung vom 31.05.2006 - Anl. AG 3 = Bl. 103 d.A.) zutreffend bemerkt, dass bezüglich der Höhe der Nachtragsforderungen, die die Verfügungsklägerin mit EUR 3.266.444,36 beziffert, Auseinandersetzungen im Raume stehen. Wenn nach dem Wortlaut von Ziffer 6.3 des GU-Vertrages im Falle einer fehlenden Einigung über die Berechtigung einer Nachtragsvergütung dem Grunde oder der Höhe nach die Verfügungsbeklagte zur Öffnung der Urkalkulation berechtigt sein sollte, so kann sich dies nicht auf eine bloße Einsichtnahme beschränken, die angesichts der Komplexität des Zahlenwerks für eine sachgerechte Klärung mit Sicherheit unzureichend wäre.

3. Wenn auch das Fertigen von Kopien in der Vereinbarung nicht ausdrücklich genannt ist, so ergibt sich dieses Recht doch unzweifelhaft aus Sinn und Zweck der getroffenen Regelung. Denn streitige Verhandlungen über Grund und Höhe von Nachtragsforderungen erfordern Kenntnisse über die Urkalkulation, wovon offensichtlich bei Abschluss auch ausgegangen wurde. Sie erfordern auch eine Auseinandersetzung mit den eigenen Vorgaben der Auftraggeberseite, d. h. mit der eigenen Ausgabenkalkulation. Dies alles kann nicht in einem zeitlich beschränkten Termin in einer Notarkanzlei durchgeführt werden. Vielmehr umfasst die Regelung zum einen die Fertigung einer Kopie, aber auch die Möglichkeit, Dritten insofern Einblick zu geben, als sich die Verfügungsbeklagte bei der Überprüfung der Nachtragsforderungen ihrer Hilfe bedient. Dementsprechend hat diese auch mit Schreiben vom 11.08.2006 (Anlh. KlV) die entsprechenden Personen aus dem Büro I….., einer Ingenieurgesellschaft, die sich ausweislich des Schreibens vom 31.08.2006 (Anlh. KV) mit der Prüfung der Nachträge befasst, genannt.

4. Soweit die Verfügungsklägerin unter Ziffer 4. der Beschwerdebegründung auf das ihr zu ermöglichende Beisein bei der Öffnung der Urkalkulation hinweist und die Meinung vertritt, es werde im Falle einer Vervielfältigung ausgehebelt, so lässt die Regelung in Ziffer 6.3 keinen zwingenden Schluss auf das enge Verständnis der Verfügungsklägerin zu. Dort ist lediglich die Berechtigung des Auftraggebers geregelt, "die verschlossene Urkalkulation zu öffnen, wobei er dem AN zuvor rechtzeitig Gelegenheit zur Teilnahme zu geben hat. Die Nachtragsvergütung ist sodann so bald als möglich unter Saldierung von Mehr- und Minderauswand zu bestimmen."

Wie das aufgenommene Protokoll von der Eröffnung der Urkalkulation am 11.08.2006 (Anlh. KlV) zeigt, war von Seiten der Verfügungsklägerin niemand erschienen, obwohl Ankündigung mit Schreiben vom 09.08.2006 (Anl. AG 5 = Bl. 109 ff. d.A.) erfolgt und dort auch das diesbezügliche Vorgehen aufgezeigt worden war. Mehr als das - somit auch nicht wahrgenommene - Teilnahmerecht an der Öffnung der Urkalkulation lässt sich der Vereinbarung nicht entnehmen. Dass im Hinblick auf ein solches Teilnahmerecht die Fertigung einer Kopie ausgeschlossen sein sollte, kann hieraus nicht geschlossen werden. Denn die Teilnahme an der Öffnung kann z. B. den Sinn haben, die Identität der eröffneten Urkalkulation zu prüfen, sogleich in Gespräche einzutreten oder Erläuterungen vorzunehmen. Wenn die Verfügungsklägerin jede Fertigung einer Kopie hätte ausschließen wollen, hätte sie dies in der Vereinbarung hinreichend deutlich zum Ausdruck bringen müssen.

5. Gleiches gilt für die Ausführungen unter Ziffer 5. der Beschwerdebegründung. Zwar wurde die Urkalkulation in einem verschlossenen Umschlag übergeben. Dies dokumentiert sicher eine gewisse Vertraulichkeit der dort enthaltenen Angaben. Diese wird allerdings durch die Vereinbarung selbst modifiziert, d. h. für den Fall aufgehoben, dass keine Einigung über die Berechtigung einer Nachtragsvergütung dem Grunde oder der Höhe nach gefunden wird. Wenn in diesem Fall auf die Urkalkulation zurückgegriffen werden soll, wie dies die Vereinbarung vorsieht, dann handelt es sich insoweit um eine Durchbrechung der ursprünglichen Geheimhaltung.

Darauf ist die Verfügungsklägerin bei Abschluss des Generalunternehmervertrages eingegangen, in dem auf 51 Seiten (Bl. 12 - 62 d.A.) die Regelungen über die Fortführung des ursprünglich von der in der Insolvenz befindlichen "W………" durchgeführten Bauvorhabens "Hamburg, W……………….." festgeschrieben wurden. In dieser Gestaltung hat sie den Großauftrag erhalten. Dabei ist es auch nachvollziehbar, dass die Verfügungsbeklagte im Streitfall über die Einsichtnahme in die Urkalkulation Erkenntnisse über die Preisgestaltung gewinnen wollte, wenn die Verfügungsklägerin Nachtragsforderungen erhebt, die sich lt. Schreiben ihrer Anwälte vom 16.08.2006 (Anl. AG 6 = Bl. 116 ff. d.A.) auf EUR 3.266.444,36 belaufen sollen. Auf diese Weise konnte sie sich vertraglich eine Kontrollmöglichkeit verschaffen.

6. Da sich die Verfügungsklägerin mit dieser Handhabung einverstanden erklärt hat, geht auch ihre Argumentation unter Ziffer 6. der Beschwerdebegründung ins Leere. Denn es macht durchaus Sinn, die Urkalkulation geschlossen zu halten, solange ein Bauvorhaben störungsfrei verläuft. Die Öffnung sollte ja auch nur dann möglich sein, wenn im Zusammenhang mit Nachträgen keine Einigung erzielbar wäre. Dies ist jetzt der Fall.

Mögen sich auch im Falle einer Kündigung aus einer offenen Urkalkulation die von der Verfügungsklägerin im Schriftsatz vom 09.10.2006, S. 13/14 dargestellten Konsequenzen ergeben, so ist doch zum einen zu berücksichtigen, dass die in Ziffer 6.3 des GU-Vertrages enthaltene Regelung auf einer vertraglichen Einigung der Parteien beruht. Zum anderen ist darauf hinzuweisen, dass die Offenlegung der Urkalkulation an bestimmte Voraussetzungen geknüpft ist, deren Eintreten auch von der Verfügungsklägerin mitbeeinflusst werden kann. Wollte sie die Offenlegung vermeiden, so konnte sie auf eine Einigung mit dem Vertragspartner bezüglich der Nachtragsvergütung hinwirken.

Unter diesen Gesichtspunkten bestand von Anfang an kein Anspruch der Verfügungsklägerin auf Unterlassung der von ihr beanstandeten Handlungen der Verfügungsbeklagten. Der einseitige Antrag auf Feststellung der Erledigung wurde deshalb zu Recht zurückgewiesen mit der aus § 91 Abs. 1 ZPO resultierenden Kostenfolge.

Die Kostenentscheidung des Beschwerdeverfahrens ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

Der Beschwerdewert richtet sich nach der Höhe der in erster Instanz entstandenen Kosten.

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