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18.03.2008 · IWW-Abrufnummer 080833

Bundesfinanzhof: Urteil vom 06.09.2007 – V R 14/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


V R 14/06

Gründe:

I. Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) --eine Finanzservicegesellschaft-- vermittelte in den Jahren 1995 bis 1998 eine kreditfinanzierte Kombirente, die aus den Einzelmodulen Rentenversicherung gegen Einmalzahlung, Darlehensgewährung zur Finanzierung der Einmalzahlung, Aktien-Investmentsparplan zur Rückführung des Darlehens und Risikolebensversicherung zur Absicherung des Darlehensgebers bestand. Die Inanspruchnahme der Module Investmentsparplan und Risikolebensversicherung konnte im Einzelfall unterbleiben.

Der Vertrieb der kreditfinanzierten Kombirente erfolgte im Auftrag der Klägerin durch Untervermittler. Ausgangspunkt für den Vertrieb der Kombirente war die Anforderung einer sog. Computeranalyse durch den Untervermittler für potentielle Kunden. Aufgrund der durch den Untervermittler erhobenen Kundendaten erstellte die Klägerin eine Computeranalyse, aus der sich ergab, ob der Abschluss der Kombirente für den Kunden sinnvoll war. Hierfür kam es entscheidend auf Einkommen und Steuerbelastung des Kunden an. Konnte der Kunde z.B. Tilgungs- und Sparleistungen nicht mit hinreichender Sicherheit erbringen, kam ein Abschluss der Kombirente nicht in Betracht. Der Untervermittler erläuterte dem Interessenten das Ergebnis der Computeranalyse und die Bedingungen der finanzierenden Banken für die Kreditvergabe. Entschied sich der Kunde für die Kombirente, hatte er Anträge für die einzelnen Module sowie darüber hinaus einen Kreditvermittlungsantrag auszufüllen, mit dem der Kunde die Klägerin zu einer Nachweis- oder Vermittlungstätigkeit zum Abschluss eines Kreditvertrages beauftragte.

Nach Übersendung der vom Kunden unterzeichneten Unterlagen durch den Untervermittler an die Klägerin prüfte diese die Unterlagen und entschied, welche Bank aufgrund der angebotenen Kreditkonditionen für die Übernahme der Finanzierung in Betracht kam. Die von der Klägerin ausgewählte Bank entschied dann über den Abschluss des Darlehensvertrages. Benötigte die Bank für die Kreditentscheidung weitere Unterlagen, forderte sie diese bei der Klägerin an, die das Auskunftsverlangen über den Untervermittler an den Kunden weiterleitete. Die Unterlagen wurden bei der Bank wiederum über den Untervermittler und die Klägerin eingereicht. Im Fall einer positiven Kreditentscheidung erhielt der Kunde die Kreditunterlagen direkt von der Bank. Die Bank informierte die Klägerin über die Krediterteilung. Lehnte die Bank die Kreditgewährung ab, gab die Bank die Kreditunterlagen an die Klägerin zurück, die dann ggf. eine andere Bank ansprach.

Im Erfolgsfall hatte der Kunde die Vermittlung des Darlehens mit einer Provision von 6 v.H. der Darlehensvaluta zu vergüten. Die Zahlung der Vermittlungsgebühr erfolgte bei Auszahlung des Darlehens über die finanzierende Bank. Weitere Gebühren wie z.B. Beratungshonorare entstanden für den Kunden nicht. Die Klägerin erteilte dem Kunden unter Bezugnahme auf die Zeichnung der Kombirente eine Rechnung für eine Kreditvermittlung.

Die kreditgebende Bank leistete keine Provisionszahlungen an die Klägerin. Von den Versicherungsgesellschaften erhielt die Klägerin demgegenüber Provisionen für die Vermittlung der Versicherungsverträge. Die Klägerin leitete einen Großteil der von ihr bezogenen Kreditvermittlungs- und Versicherungsprovisionen an die Untervermittler weiter.

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) davon aus, dass die Leistungen der Klägerin gegenüber den Kunden umsatzsteuerpflichtig seien und erließ am 7. Februar 2003 geänderte Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1995 bis 1998.

Hiergegen erhob die Klägerin ohne Vorverfahren gemäß § 45 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Sprungklage zum Finanzgericht (FG), der das FA zustimmte. Mit Beschluss vom 3. März 2005 trennte das FG auf übereinstimmenden Antrag der Beteiligten das Verfahren für die Streitjahre 1996 bis 1998 gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 FGO ab und ordnete insoweit das Ruhen des Verfahrens an.

Mit Urteil vom 10. November 2005 gab das FG der Klage wegen Umsatzsteuer 1995 statt. Es führte aus, die Leistungen, die die Klägerin bei der Vermittlung der vier Module der Kombirente erbringe, seien bei isolierter Betrachtung umsatzsteuerfrei. Die Computeranalyse sei keine eigenständige Leistung, sondern nur eine unselbständige Nebenleistung zur Vermittlung der bis zu vier Module. Ohne Abschluss des Vertrages über die Kombirente sei die Computeranalyse wertlos. Die Computeranalyse diene ausschließlich der Prüfung, ob sich das Konzept der Kombirente für den Kunden wirtschaftlich rechnet. Es bestehe insoweit kein Unterschied zu sonstigen Liquiditätsrechnungen, wie sie z.B. auch bei Immobilienfinanzierungen erfolgten. Die Klägerin erbringe keine einheitliche Leistung, die auf Verschaffung von Steuervorteilen ausgerichtet sei. Denn der Kunde habe nur für die Kreditvermittlung ein Entgelt zu entrichten. Die übrigen Vermittlungsleistungen erfolgten im Verhältnis zum Kunden unentgeltlich und würden durch die Verkäufer der Finanzprodukte, insbesondere durch die Versicherungen vergütet. Darüber hinaus spreche die Wahlmöglichkeit zwischen den Modulen gegen das Vorliegen einer einheitlichen Leistung. Die Klägerin sei im Übrigen als Privatunternehmen nicht in der Lage, Steuervorteile zu verschaffen, sondern könne allenfalls die Chance vermitteln, dass die Finanzbehörden die Darlehenszahlungen ertragsteuerlich als Werbungskosten anerkennen. Auch insoweit handele es sich aber nur um einen Nebenaspekt zur Hauptleistung der Darlehensvermittlung.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Entgegen dem FG-Urteil gehe die Leistung weit über eine Kreditvermittlung hinaus und sei daher steuerpflichtig. Eine steuerfreie Kreditvermittlung bestehe im Kern darin, auf den Abschluss eines Kreditgeschäfts hinzuwirken. Auf die Bezeichnung des Entgelts als Kreditvermittlungsgebühr komme es bei der Bestimmung des Leistungsinhalts nicht an. Bei der Tätigkeit der Klägerin handele es sich dem Wesen nach um eine ganzheitliche Finanzplanung. Die Klägerin informiere und berate über das von ihr zusammengestellte Gesamtkonzept der Kombirente. Aufgrund des von der Klägerin entwickelten Gesamtkonzepts werde die Klägerin im eigenen Interesse tätig und handele nicht als Mittelsperson. Die Computeranalyse sei nicht vergleichbar mit einer bei Darlehenszusagen üblicherweise erforderlichen Bonitätsprüfung sondern diene dazu, unter Berücksichtigung der angestrebten Steuervorteile die Rendite des Gesamtprodukts Kombirente zu ermitteln. Die Kreditvermittlungsgebühr von 6 v.H. stehe in einem auffälligen Missverhältnis zu einem marktüblichen Kreditvermittlungsentgelt. Diese Gebühr sei nur zu rechtfertigen, wenn sich die Leistung der Klägerin nicht auf eine bloße Kreditvermittlung beschränke.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin tritt der Revision entgegen.

Die Klägerin und das FA haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

II. Die zulässige Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Die Würdigung des FG, dass die Leistungen der Klägerin als Vermittlungsleistungen steuerfrei sind, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Steuerfrei ist nach § 4 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) die Gewährung und Vermittlung von Krediten. Die Vorschrift setzt Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) um, nach der gleichfalls die Gewährung und Vermittlung von Krediten steuerfrei ist. Nach dem Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 21. Juni 2007 C-453/05, Ludwig (Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 617) definiert sich der Begriff der steuerfreien Vermittlung nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG weder durch die Person des Erbringers noch durch die Person des Empfängers der Leistung. Es muss sich vielmehr um eine Leistung handeln, die ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes ist, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer Vermittlungsleistung erfüllt. Diese bestehen bei einer Vermittlungsleistung darin, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, an dessen Inhalt der Vermittler kein Eigeninteresse hat. Die Mittlertätigkeit kann darin bestehen, einer Vertragspartei Gelegenheiten zum Abschluss eines Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln. Auf das Bestehen eines Vertragsverhältnisses zwischen dem Vermittler und einer der Parteien des Kreditvertrages kommt es nicht unbedingt an (EuGH-Urteil Ludwig in UR 2007, 617 Randnr. 25 ff.). Steuerfreie Vermittlungsleistungen können auch arbeitsteilig dadurch erbracht werden, dass ein Hauptvertreter mit dem Kreditgeber und ein Untervertreter mit dem Kreditnehmer verhandelt. Es muss kein unmittelbarer Kontakt zu beiden Parteien des zu vermittelnden Kreditvertrages bestehen. Da auch reine Nachweistätigkeiten steuerlich zu einer Vermittlung führen, steht es der Steuerfreiheit nicht entgegen, wenn die Klauseln des Kreditvertrages nicht verhandelbar sind (EuGH-Urteil Ludwig in UR 2007, 617 Randnr. 34 ff.).

Ist der Vermittler zugleich vermögensberatend tätig, kann nach der EuGH-Rechtsprechung die Gesamtleistung steuerfrei sein, wenn sich die Vermögensberatung als Nebenleistung zu der Kreditvermittlung darstellt. Hierfür kann sprechen, dass der Vermittler nur für den Fall eines erfolgreichen Abschlusses des Kreditvertrags vergütet wird, die Vermögensberatung nur in einem vorbereitenden Stadium geleistet wird und sich im Übrigen darauf beschränkt, den Kunden bei der Auswahl des Finanzprodukts zu unterstützen, das seiner Situation und seinen Bedürfnissen am besten entspricht (EuGH-Urteil Ludwig in UR 2007, 617 Randnr. 19).

2. Für die Abgrenzung, ob nur eine einheitliche oder mehrere selbständige Leistungen vorliegen, sind im Wesentlichen folgende gemeinschaftsrechtlich geklärten Grundsätze zu berücksichtigen (vgl. z.B. Urteile des EuGH vom 25. Februar 1999 C-349/96, Card Protection Plan Ltd., CPP, Slg. 1999, I-973 Randnr. 28 ff.; vom 27. Oktober 2005 C-41/04, Levob, Slg. 2005, I-9433 Randnr. 19 ff., und Ludwig in UR 2007, 617 Randnr. 17 f.; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98, m.w.N.): Zum einen ist jede Leistung in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten, zum anderen darf eine wirtschaftlich einheitliche Leistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Daher ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt. Dabei ist auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Eine einheitliche Leistung liegt insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen darstellen, die das steuerliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Darüber hinaus ist eine Leistung als Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für die Kundschaft keinen eigenen Zweck, sondern das Mittel darstellt, um die Hauptleistung des Leistungserbringers unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen. Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt (z.B. BFH-Urteil in BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98, m.w.N.). Deshalb rechtfertigt allein der Umstand, dass Leistungen aufgrund einer einzigen Vertragsgrundlage erbracht werden, nicht die Annahme einer einheitlichen Leistung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 31. Juli 1987 V R 148/78, BFHE 150, 473, BStBl II 1987, 754, und vom 3. März 1988 V R 183/83, BFHE 153, 90, BStBl II 1989, 205). Eine einheitliche Leistung liegt auch nicht schon deshalb vor, weil mehrere Leistungen demselben wirtschaftlichen Ziel dienen (z.B. BFH-Urteil in BFHE 150, 473, BStBl II 1987, 754).

3. Das FG ist von diesen Grundsätzen ausgegangen. Die Würdigung durch das FG, dass die Computeranalyse keine selbständige Leistung, sondern eine unselbständige Nebenleistung zur Vermittlung des Kredits sei, weil sie für den Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck habe, sondern ähnlich einer "Kaufberatung" das Mittel darstelle, um die Hauptleistung Kreditvermittlung unter optimalen Bedingungen in Anspruch zu nehmen, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Auf der Grundlage der durch das FG getroffenen Feststellungen war es das Ziel der Computeranalyse, den Kunden zu beraten, ob die zu vermittelnde Leistung für ihn sinnvoll ist. Die Beratung durch Computeranalyse wurde nur in einem vorbereitenden Stadium geleistet und beschränkte sich darauf, den Kunden bei der Auswahl des Finanzprodukts zu unterstützen, das seiner Situation und seinen Bedürfnissen am besten entspricht (vgl. hierzu EuGH-Urteil Ludwig in UR 2007, 617 Randnr. 19). Dass zu den zu vermittelnden Finanzprodukten neben einem Kredit auch eine Versicherung gehörte, ist unbeachtlich, da die Versicherungsvermittlung nach § 4 Nr. 11 UStG (ebenfalls) steuerfrei ist. Im Übrigen ist auch die Würdigung des FG zutreffend, dass die Klägerin nicht in der Lage war, Steuervorteile einzuräumen, sondern die mögliche Erlangung derartiger Vorteile nur Teil der als Nebenleistung anzusehenden Beratung ist. Zu berücksichtigen ist schließlich auch, dass entsprechend dem EuGH-Urteil Ludwig in UR 2007, 617 eine Vergütung nur im Erfolgsfall geschuldet war.

Gegen die Steuerfreiheit der Kreditvermittlung spricht nicht, dass die Klägerin zusammen mit ihren Untervermittlern im Rahmen eines zweistufigen Provisionsmodells tätig geworden ist. Denn nach dem EuGH-Urteil Ludwig in UR 2007, 617 können steuerfreie Vermittlungsleistungen auch arbeitsteilig dadurch erbracht werden, dass ein Hauptvertreter mit dem Kreditgeber und ein Untervertreter mit dem Kreditnehmer verhandelt. Es muss kein unmittelbarer Kontakt zu beiden Parteien des zu vermittelnden Kreditvertrages bestehen. Da auch reine Nachweistätigkeiten steuerlich zu einer Vermittlung führen können, steht es der Steuerfreiheit nicht entgegen, wenn die Klauseln des Kreditvertrages nicht verhandelbar sind (EuGH-Urteil Ludwig in UR 2007, 617 Randnr. 34 ff.). Über die Steuerfreiheit der durch die Untervermittler an die Klägerin erbrachten Leistungen (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 9. Oktober 2003 V R 5/03, BFHE 203, 395, BStBl II 2003, 958) braucht der Senat im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden.

RechtsgebieteFGO, UStGVorschriftenFGO § 45 FGO § 73 Abs. 1 Satz 2 UStG § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG § 4 Nr. 11

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