15.06.2007 · IWW-Abrufnummer 071929
Landesarbeitsgericht Köln: Urteil vom 09.05.1996 – 10 Sa 22/96
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Geschäfts-Nr.: 10 Sa 22/96
5 Ca 1814/95 ArbG .Bonn
Verkündet am 9.5.96
LANDESARBEITSGERICHT KÖLN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
In dem Rechtsstreit XXX
hat die 10. Kammer des Landesarbeitsgerichts Köln
auf die mündliche Verhandlung vom.25. April 1996
durch XXX für Recht erkannt: ..
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Bonn vom -10.10.1995~5 Ca 1814/95 .- wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Streitwert: DM 17.000,00
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses.
Die 46-jährige Klägerin war bei der Beklagten zunächst von 1970 bis 1986 und dann nach mehrjähriger Unterbrechung ab 1990 als Schreibkraft tätig. Ihr Gehalt beträgt DM 3.400,- brutto monatlich.
Der Abschluß des Arbeitsvertrages vom 17.2.1992 steht unter dem Vorbehalt, daß die eingeleitete Sicherheitsüberprüfung keine Sicherheitsbedenken gegenüber der Klägerin ergebe.
Mit Bescheid des Geheimschutzbeauftragten des Bundesministers für Verteidigung vom 9.6.1995 wurde mitgeteilt, daß die erweiterte Sicherheitsüberprüfung (Ü 2) Umstände ergeben habe, die im Hinblick auf eine sicherheitsempfindliche Tätigkeit nach ZDv2/30 Nr. 2503 ein Sicherheitsrisiko nach Nr. 2414 derselben Regelung darstellten (Kopie des Bescheides vom 9.6.1995 Bl. 26 d.A.). Mit Strafbefehl des. Amtsgerichts Koblenz vom 17.6.1994 - AZ 2101 Js 19239/94 - wurde gegen die Klägerin wegen fünf tatmehrheitlich begangener Straftaten gemäß den §§ 242 Abs.1,' 53 StGB eine Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen a DM 30,- festgesetzt. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Koblenz vom 20.9.1994 - AZ 2101 Js 29986/94 - wurde gegen die Klägerin wegen Diebstahls gemäß §242 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen a DM 30;- festgesetzt. Mit Strafbefehl des Amtsgerichts Koblenz vom 26.9.1994, AZ 2101 Js 9397/94 - wurde gegen die Klägerin wegen Betruges gemäß § 262 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von 35 Tagessätzen a DM 30,- festgesetzt. Ausweislich der Mitteilung des zuständigen Wehrbereichsgebührnisamtes III in Düsseldorf vom 18.8.1995 beläuft sich der Gesamtbetrag der gegenüber der Klägerin laufenden Pfändungen auf DM 7.270,93 und der Gesamtbetrag der Abtretungen auf DM 57.081,77:
Mit Schreiben vom 19.6.1995 wurde der örtliche Personalrat zur beabsichtigten Kündigung gegenüber der Klägerin angehört: Dieser widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 23.6.1995 (Kopie des Anhörungsschreibens vom 19.6.1995 BI. 35 d.A.; Stellungnahme des Personalrates vom 23.6.1995 BI. 38 d.A.).
Mit Schreiben vom 26.6.1995 kündigte die Beklagtenseite das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin fristgerecht zum 30.9.1995.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt, und sie hat die vorliegende Feststellungsklage am 6.7.1995 bei dem Arbeitsgericht eingereicht.
Zur Begründung hat sie angeführt: Das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung stehe ihrem weiteren Einsatz im Verteidigungsministerium nicht entgegen, da sie nur mit Tätigkeiten betraut war, die eine einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü 1) erforderlich machten. Bei den mit Strafbefehl sanktionierten Straftaten bestände kein Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis. Bezüglich der Verbindlichkeiten der Klägerin sei ein Tilgungsplan mit den Gläubigern erstellt worden, den die Klägerin auch regelmäßig bediene.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 26.6. nicht aufgelöst wird. Sondern darüber hinaus fortbesteht;
2. die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den 30.9.1995 hinaus zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.. . .
Sie hat die Auffassung vertreten, die Kündigung- sei wegen Sicherheitsbedenken sozial gerechtfertigt wegen des festgestellten Sicherheitsrisikos. Auch eine Weiterbeschäftigung in dem dem Bundesministerium nachgeordneten Bereich in Bonn einschließlich des Einzugsgebietes sei nicht möglich, weil freie und besetzbare Dienstposten für Schreibkräfte nicht vorhanden seien.
Das Arbeitsgericht Bonn hat mit dem am 10.10.1995 verkündeten Urteil die Klage auf Kosten der Klägerin abgewiesen und den Streitwert auf DM 17.000,- festgesetzt. In den Entscheidungsgründen des Urteils wird festgestellt, die Beklagte habe mit dem Hinweis auf die negative Sicherheitsüberprüfung greifbare Umstände vorgetragen, die relevante Sicherheitsbedenken begründeten, so daß die Kündigung personenbedingt sozial gerechtfertigt sei. Die Klägerin sei nach dem Arbeitsvertrag für einen Einsatz im Referat P I 5 beim inneren Dienst des Bundesministerium der Verteidigung eingestellt worden und werde im Führungsstab des Heeres beschäftigt. Die gegen die Klägerin ergangenen Strafbefehle und die erheblichen Verbindlichkeiten der Klägerin kennzeichneten deutlich die potentielle Beeinflußbarkeit der Klägerin und die daraus resultierenden Sicherheitsrisiken für die Beklagtenseite. Auf den weiteren Inhalt des Urteils (BI. 50-55 d.A.) wird verwiesen.
Die Klägerin hat gegen das am 18.12.1995 ihrem Prozeßbevollmächtigten zugestellte Urteil die vorliegende Berufung am 18.1.1996 eingelegt und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 2.3.1996 das Rechtsmittel am 1.3.1996 schriftsätzlich begründet. Sie wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz und insbesondere ihre Auffassung, die Erklärung der zuständigen, Dienststelle zur Sicherheitsüberprüfung reiche für eine Kündigung wegen Sicherheitsbedenken nicht aus. Zusätzliche konkrete tatsächliche Umst ände habe die Beklagte nicht hinreichend vorgetragen. Es sei nicht nachvollziehbar, inwieweit die im Vermögensbereich liegenden Aspekte deutlich die potentielle Beeinflußbarkeit der Klägerin und daraus resultierende Sicherheitsrisiken kennzeichnen sollten. Die Sicherheitsbedenken der Beklagten erschöpften sich in der rein subjektiven Wertung, daß ein Sicherheitsrisiko gegeben sein könnte. Verbindlichkeiten der Klägerin könnten den Schluß auf ein Sicherheitsrisiko nicht zwingend belegen, weil eine Vielzahl von Beschäftigten und Bediensteten der Beklagten aus den verschiedensten Gründen finanzielle Verbindlichkeiten eingegangen seien, ohne daß daraus ein Sicherheitsrisiko abgeleitet werde. Die Tätigkeit der Klägerin erstrecke sich auf das Schreiben von normalem Schriftverkehr und von Tabellen. Die Klägerin komme nicht mit geheimer oder vergleichbar eingestuften Verschlußsachen in Berührung und habe keinen Zugang zu solchen Dokumenten. Die Beklagte habe auch nicht vorgetragen,inwieweit eine Sicherheitsprüfung (Ü 2) erforderlich gewesen sei. Außerdem habe die Beklagte frühzeitig Kenntnis über alle sicherheitsrelevanten Daten gehabt, insoweit verstoße die Kündigung gegen Treu und Glauben. Es werde bestritten, daß die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung die Möglichkeit einer anderweitigen Beschäftigung ernsthaft überprüft habe. Die Klägerin habe, wie bereits früher bei der Standortverwaltung in Koblenz oder beim Heeresführungskommando des BWB, beschäftigt werden können.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil abzuändern und nach ihren erstinstanzlichen Anträgen zu erkennen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholt ihr Vorbringen erster Instanz und verteidigt die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils. Sie behauptet, eine erweiterte Sicherheitsprüfung, (Ü 2) werde wie auch in dem Fall der Klägerin, immer dann durchgeführt, wenn man die Möglichkeit einer erweiterten Einsetzbarkeit, insbesondere also auch im Zusammenhang mit Verschlußsachen, in Betracht ziehe. Der Unterschied zwischen der einfachen Sicherheitsüberprüfung (Ü 1) und der erweiterten Sicherheitsprüfung (Ü 2) besteht, wie auch zwischen den Parteien unstreitig ist, allein darin, daß bei einer erweiterten Sicherheitsüberprüfung auch die Angehörigen des Mitarbeiters In diese Überprüfung mit einbezogen werden. Die Beklagte behauptet, außerhalb des Ministeriums habe sie sich umfassend um eine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit für die Klägerin bemüht. Weder im Bereich des Bundesamts für Wehrverwaltung noch in dem der Standortverwaltung Wahn, Bonn, Bad Neuenahr-Ahrweiler oder Koblenz seien freie und besetzbare Dienstposten für Schreibkräfte vorhanden gewesen. Dasselbe Ergebnis habe eine Nachfrage beim BWB in Koblenz gehabt. Erschwerend komme hinzu, daß in der Bundeswehr und in der Bundeswehrverwaltung ein hoher Personalabbau vorgenommen werde.
Wegen des Sach- und Streitstandes im übrige wird auf den Inhalt der beiderseitigen . Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist an sich statthaft und auch im übrigen zulässig; sie ist jedoch in der Sache selbst erfolglos.
Die Klage ist unbegründet, weil die angegriffene Kündigung gemäß § 1 Abs. 2 KSchG aus personenbedingten Gründen sozial gerechtfertigt ist. Dies hat das angefochtene Urteil mit zutreffenden Erwägungen zu Recht festgestellt. Wegen der wesentlichen Entscheidungsgründe wird auch unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (§ 543 Abs. 1 ZPO).
Das angefochtene Urteil hat die Voraussetzungen einer personenbedingten Kündigung wegen Sicherheitsbedenken unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zutreffend gewürdigt und angewandt, Das BAG hat festgestellt, die Erklärung der Dienststelle; es bestünden gegen einen Mitarbeiter Sicherheitsbedenken stelle für sich allein noch keinen Grund für eine personenbedingte sozial gerechtfertigte Kündigung wegen Sicherheitsbedenken dar. Es sei vielmehr erforderlich, tatsächliche Umstände vorzutragen, aus denen sich die Sicherheitsbedenken ergeben. Der Vortrag des Arbeitgebers, den insoweit die Darlegungs- und Beweislast trifft, müsse vielmehr greifbare Umstände ergeben, welche im konkreten Fall relevante Sicherheitsbedenken begründen würden (BAG, Urteil vom 27.9.1960 - 3 AZR 171/58 - = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG ? Sicherheitsbedenken -; Urteil vom 28.2.1963 - 2AZR 342/62 - = APNr.3 aaÖ; Urteil vom 26.10.1978 -2 AZR 24/77 - = AP Nr. 1 zu § 1 KSchG 1969 - Sicherheitsbedenken -, Urteil vom 20.7.1989 -2 AZR 114/87-=AP Nr. 2 aaÖ).
Entgegen den Hinweisen der Berufung sind die Schlußfolgerungen der Beklagten und des angefochtenen Urteils auch überzeugend und lebensnah. Das Sicherheitsrisiko, welches mit der Weiterbeschäftigung der Klägerin auf Dauer bestehen würde, beruht nicht allein auf der Stellungnahme des Geheimschutzbeauftragten im Rahmen der Sicherheitsüberprüfung sondern zusätzlich und ganz konkret bezogen auf den vorliegenden Fall auf den Umstände, welche im Hinblick auf die Person und die charakterliche Eignung der Klägerin ganz konkret bekannt geworden sind. Die Klägerin hat ihre Belastung durch hohe finanzielle Verbindlichkeiten nicht im Rahmen der üblichen Konsumentscheidungen·herbeigeführt, sondern ganz wesentlich auch durch Verhaltensweisen, die seitens der Gerichte rechtskräftig als Straftaten beurteilt worden sind. Auch der Umstand, daß die Klägerin eine diesbezügliche Rückfrage des Arbeitgebers nach "geordneten Verhältnissen" möglicherweise zu ihren Gunsten mißverstanden und deshalb bejaht hat, läßt die durch objektive Tatsachen veranlaßten Zweifel an ihrer Zuverlässigkeit nicht geringer erscheinen. Auch der Umstand., daß die Beklagtenseite das Ergebnis der Sicherheitsüberprüfung, die von vornherein eingeleitet wurde, geduldig abgewartet hat, kann nicht zum Nachteil der Kündigungsbefugnis der Beklagten gereichen. Zutreffend hat das angefochtene Urteil insofern festgestellt, daß die Beklagtenseite ein wichtiges Interesse daran haben muß, die Klägerin jederzeit nach personalwirtschaftlichen Gesichtspunkten vernünftig einzusetzen und nicht für alle Zukunft nur nach Maßgabe ihrer sicherheitsrelevanten Verfügbarkeit.
Auch der Hinweis der Klägerin, daß die Beklagte für die bisherige Einsatzmöglichkeit der Klägerin und für eine bloß allgemeine Beschäftigungsmöglichkeit im Bundesverteidigungsministerium lediglich die einfache Sicherheitsüberprüfung (Ü 1) benötigt hätte, kann nicht zugunsten der Klägerin das Kündigungsrecht in Frage stellen. Einmal besteht der Unterschied zwischen den beiden Prüfungsstufen lediglich darin, daß in die erweiterte Sicherheitsüberprüfung auch die Angehörigen des Mitarbeiters einbezogen werden, während die einfache Sicherheitsüberprüfung sich auf die Person des Mitarbeiters beschränkt. Zum anderen liegen im vorliegenden Fall die relevanten Sicherheitsbedenken bereits dann vor, wenn die Überprüfung, wie es auch tatsächlich geschehen ist, allein auf die Person der Klägerin beschränkt wurde. Die Feststellung des Geheimschutzbeauftragten, auch im Fall einer Ü 1 hätten sich die gleichen Sicherheitsbedenken ergeben, ist daher eindeutig richtig. Entscheidend bleibt mithin die Feststellung des angefochtenen Urteils, daß die im Vermögensbereich liegenden Aspekte für den Fall der Klägerin Sicherheitsrisiken ergeben, welche für die soziale Rechtfertigung der Kündigung auch bei Abwägung der beiderseitigen Interessen ausreichen.
Die Berufung war nach alledem mit eier Kostenfolge aus § 97Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Für eine Zulassung der Revision hat keine gesetzliche Veranlassung bestanden (§ 72 Abs. 2 ArbGG); auf die Vorschriften über die Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG wird hingewiesen.
Rechtsmittelbelehrung
Gegen dieses Urteil ist kein Rechtsmittel gegeben.