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01.06.2007 · IWW-Abrufnummer 071781

Kammergericht Berlin: Urteil vom 27.02.2007 – 27 U 116/06

1. Eine Vereinbarung über das - rechnerisch nicht streitige - Architektenhonorar unter Einbeziehung von Gegenansprüchen des Auftraggebers (z.B. wegen Mängeln) vor Beendigung der Architektentätigkeit stellt keine unzulässige Honorarvereinbarung im Sinne eines Verstoßes gegen die Mindestsatzfiktion des § 4 Abs. 4 HOAI dar (kein unwirksamer Teilverzicht).



2. Alleine der Umstand einer Freundschaft eines Richters zu einem Prozessbevollmächtigten rechtfertigt nicht die Annahme einer Voreingenommenheit oder Parteilichkeit.


Kammergericht
Im Namen des Volkes

Geschäftsnummer:
27 U 116/06

verkündet am :
27. Februar 2007

hat der 27. Zivilsenat des Kammergerichts in Berlin-Schöneberg, Elßholzstr. 30-33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2007 durch den Richter am Kammergericht Schneider als Einzelrichter

für Recht erkannt:

Tenor:

1.) Die Berufung des Klägers gegen das am 20. März 2006 verkündete Urteil des Landgerichts Berlin, 11 O 319/05, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

2.) Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

3.) Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der Kläger begehrt von den Beklagten die Zahlung restlichen Architektenhonorars.

Der Beklagte zu 1. erwarb im Jahre 2003 eine sanierungsbedürftige Villa in der Gnnnnnn n nnnnnnnn . Der Kläger begleitete die Beklagten bereits vor dem Erwerb zu verschiedenen Besichtigungen zum Zwecke der Einschätzung der voraussichtlichen Kosten für die Renovierungs- und Instandsetzungsmaßnahmen. Die Beklagten teilten dem Kläger dabei mit, dass zusätzlich zum Kaufpreis lediglich ein Budget von 80.000,00 bis maximal 100.000,00 EUR zur Verfügung stehe.

Noch vor dem Erwerb des Objektes fertigte der Kläger verschiedene Kostenschätzungen. Die erste Kostenschätzung vom 19. Oktober 2003 unterteilte die Sanierungsmaßnahmen in solche von erster und zweiter Priorität und bezifferte die voraussichtlichen Kosten für die Maßnahmen erster Priorität auf 100.000,00 EUR und diejenigen der zweiten Priorität auf weitere 46.000,00 EUR. Die weitere Kostenschätzung vom 20. Oktober 2003, die der Beklagte zu 1. der finanzierenden Bank vorlegte, belief sich auf 85.000,00 EUR. Darin wurde eine Unterteilung der Sanierungsmaßnahmen nach Prioritäten nicht vorgenommen, einige Maßnahmen waren gänzlich entfallen und andere mit geringeren Kosten ausgewiesen.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2003 übermittelte der Kläger den Beklagten Kostenangebote verschiedener Handwerksbetriebe auf der Basis von Einheitspreisen, die sich auf einen Gesamtbetrag von mehr als 100.000,00 EUR beliefen, aber nicht sämtliche Gewerke erfassten. Zugleich teilte der Kläger mit, dass die tatsächlichen Abrechnungssummen deutlich geringer ausfallen würden.

Noch vor Abschluss der Ausführung der Sanierungsmaßnahmen fragten die Beklagten den Kläger im Januar 2004, mit welchen Kosten noch zu rechnen sei, da die Obergrenze von 100.000,00 EUR inzwischen erreicht war. Der Beklagte erklärte, dass maximal weitere 20.000,00 EUR erforderlich seien, um die Sanierung abzuschließen. Ende Februar 2004 erfuhren die Beklagten, dass sich die Gesamtkosten der Sanierung auf 163.466,67 EUR beliefen. Ein Teilbetrag von 117.888,86 EUR entfiel dabei auf diejenigen Bauverträge, deren zu Grunde liegende Angebote der Kläger mit Schreiben vom 11. Dezember 2003 übersandt hatte.

Der Kläger stellte am 13. März 2005 seine Schlussrechnung über 10.832,94 EUR. Unter Berücksichtigung erhaltener Abschlagszahlungen von 4.800,00 EUR macht der Kläger den Restbetrag von 6.032,94 EUR im Klagewege geltend.

Das Landgericht hat die Klage nach durchgeführter Beweisaufnahme mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe auf seine restliche Vergütung verzichtet, um seinen Beitrag zur Verminderung der finanziellen Belastungen der Beklagten infolge der Sanierung zu leisten. Es handele sich dabei um einen abstrakten Verfügungsvertrag, der formlos gültig sei, so dass sich der Kläger nicht darauf berufen könne, dass der Erlass wegen Verstoßes gegen § 4 HOAI unwirksam sei.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Berufung und verfolgt die Klageforderung weiter.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils sowie auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat in der Sache keinen Erfolg.

Dem Kläger steht kein Anspruch auf weiteres Architektenhonorar gemäß § 631 BGB gegen die Beklagten zu. Der Senat teilt die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts im angefochtenen Urteil uneingeschränkt. Auf sie kann zunächst verwiesen werden. Der rechtlichen Würdigung des Landgerichts folgt der Senat jedenfalls im Ergebnis. Im Einzelnen ist folgendes auszuführen.

Die Parteien sind in einem ersten Gespräch am 24. Februar 2004 übereingekommen, dass der Kläger kein weiteres Honorar -über die bereits erhaltenen Abschlagszahlungen- für seine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Sanierung des Hauses des Beklagten zu 1. erhalten sollte.

Das Landgericht hat zu Recht diesen bestrittenen Vortrag der Beklagten nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme als erwiesen erachtet und den uneidlich als Zeugen vernommenen Prozessbevollmächtigten der Beklagten als glaubwürdig und seine Angaben als glaubhaft erachtet. Der Senat teilt die im angefochtenen Urteil gemachten Ausführungen hierzu gleichfalls. Die vom Kläger in der Berufung hiergegen vorgebrachten Argumente überzeugen dagegen nicht.

Der Einwand, er habe keine Motivation gehabt, die Hälfte seines Honorars "kampflos" aufzugeben, trifft schon von der Ausgangslage nicht zu.

Der Zeuge, Rechtsanwalt Dr. Dnn , hat bekundet, er habe den Kläger darauf hingewiesen, dass die Beklagten erwogen hätten, Schadensersatzansprüche gegen ihn zu stellen. Dies habe bei dem Gespräch im Raum gestanden. Er, der Zeuge, habe versucht, die Wogen zu glätten und davon abgeraten, und zwar auch deshalb, weil er die rechtliche Durchsetzung der Schadensersatzansprüche als schwierig bewertet habe. Er sei damals mit den Beklagten befreundet und auch mit dem Kläger gut bekannt gewesen. Er habe seine Rolle als Vermittler gesehen und eine einvernehmliche Regelung durch die Parteien angestrebt. Dem Kläger sei die ganze Situation unangenehm gewesen und er habe gesagt, er würde keine Rechnungen mehr stellen. Dies sei sein -des Klägers- Beitrag zur Sanierung der Finanzen der Beklagten.

Unter Berücksichtigung dieser Angaben und des Umstandes, dass die Beklagten dem Kläger schon damals -wie auch heute- eine mangelhafte Erfüllung des Architektenvertrages durch Überschreitung des vorgegebenen Kostenrahmens der Sanierungsarbeiten von 100.000 EUR auf ca. 163.000 EUR vorwerfen und sie sich deshalb als Gläubiger eines Schadensersatzanspruchs gegen den Kläger wähnten, kann von einer "kampflosen" Aufgabe keine Rede sein. Die Schadensersatzansprüche waren angesprochen und in diesem Kontext ist dann das weitere Verhalten des Klägers zu sehen. Der vom Zeugen wiedergegebene Inhalt des Gesprächs zwischen den Parteien ist dahin auszulegen, dass zwar einerseits dem Kläger kein weiteres Honorar gezahlt werden, damit zugleich aber auch andererseits etwaige Schadensersatzansprüche der Beklagten erledigt sein sollten.

Unbegründet ist auch der weitere gegen die Beweiswürdigung vom Kläger vorgetragene Einwand, der wahre Grund, weshalb das Landgericht der Aussage des Zeugen Dr. Dnn gefolgt sei, läge darin, dass zwischen der Richterin am Landgericht Nnnn und dem Zeugen eine über den beruflichen Kontakt hinausgehende Bekanntschaft oder Freundschaft bestünde. Der Kläger behauptet zur Rechtfertigung dieser Annahme lediglich, er habe am Tage der mündlichen Verhandlung -vor Eintreffen seines Prozessbevollmächtigten- festgestellt, die Richterin und der Zeuge hätten sich angeregt unterhalten und geduzt. Alleine diese -ohnehin bestrittene und vom Kläger nur mit dem Angebot der Einholung einer dienstlichen Äußerung der betroffenen Richterin nicht ordnungsgemäß unter Beweis gestellte- Behauptung rechtfertigt jedoch nicht die Annahme einer Voreingenommenheit oder Parteilichkeit der amtierenden Richterin. Alleine der Umstand einer Freundschaft eines Richters zu einem Prozessbevollmächtigten ist hierfür nicht ausreichend [vgl.: KG, Beschluss vom 09.03.2006, 21 U/05 = KG-Report 2006, 545ff.; insoweit bestätigt durch BGH, Beschluss vom 21.12.2006, IX ZB 60/06, Rz. 8, veröffentlicht in "juris" sowie: NSW ZPO § 44 (BGH-intern)]. Näheres zum Inhalt der angeblichen angeregten Unterhaltung, der eine andere Sichtweise rechtfertigen könnte, hat der Kläger ohnehin nicht behauptet.

Somit ist eine Wiederholung der Beweisaufnahme nicht gerechtfertigt. Ebensowenig ist die erst im Berufungsverfahren vom Kläger benannte Ehefrau zu der gegenteiligen Behauptung als Zeugin zu vernehmen, der Kläger habe eine entsprechende Verzichtserklärung in dem -weiteren- Gespräch am 02.03.2004 nicht abgegeben. Zum einen geht der Senat aufgrund der Bekundungen des Zeugen Dr. Dnn davon aus, dass eine entsprechende Übereinkunft -wie von den Beklagten behauptet- bereits in dem ersten Gespräch am 24.02.2004 erfolgt ist, so dass die Ehefrau als Gegenzeugin nicht in Betracht kommt. Zum anderen ist die Benennung der Ehefrau als Zeugin erst im Berufungsverfahren als nachlässig im Sinne von § 531 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zu erachten, so dass dieses neue Beweismittel auch deshalb nicht zuzulassen wäre. Dem Kläger war es ohne weiteres zuzumuten, seine Ehefrau vor Beendigung der mündlichen Verhandlung als Zeugin zu benennen, denn der Zeuge Dr. Dnn hatte selbst in seiner Vernehmung bekundet, dass die Ehefrau des Klägers bei dem zweiten Gespräch dabei gewesen sei. Im Übrigen hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht abschließend noch angekündigt, eventuell seine Ehefrau als Zeugin zu benennen. Warum er sie nicht sogleich als Zeugin benannt hat, ist nicht plausibel.

Schließlich teilt der Senat die Auffassung des Klägers nicht, dass die erwiesene Vereinbarung der Parteien vom 24.02.2004 einen Verstoß gegen die Regelung des § 4 Abs. 4 HOAI darstelle und deshalb unwirksam sei. Zutreffend weist der Kläger darauf hin, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, die der Senat teilt, die Parteien während der Laufzeit eines Architektenvertrages an das gemäß § 4 Abs. 4 HOAI fingierte Honorar gebunden sind und eine neue, abweichende Honorarvereinbarung nicht wirksam treffen können. Um einen solchen Fall handelt es sich vorliegend indessen nicht. Während nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes alleine solche Vertragsänderungen ausgeschlossen sind, die nur die Höhe des Honorars für einen noch nicht erledigten Auftrag betreffen und die insoweit die Fiktion des § 4 Abs. 4 HOAI außer Kraft setzen sollen (vgl. BGH, Urteil vom 25.09.1986 Rz. 11, = BauR 1987, 112f.), gilt dies nicht für vergleichsweise Regelungen, die sowohl das Honorar des Architekten als auch die Gegenforderungen des Auftraggebers betreffen oder betreffen können (so ausdrücklich: BGH, aaO., Rz. 14). Dieser letztgenannte Fall ist vorliegend gegeben. Nach dem zu beurteilenden Sachstand war die Berechnung des Honorars des Klägers der Höhe nach zwischen den Parteien nie streitig. Allerdings waren Gegenansprüche der Beklagten auf Schadensersatz wegen behaupteter mangelhafter Leistung streitig bzw. wurde der Kläger mit solchen konfrontiert. Wenn in einer solchen Situation dann vergleichsweise eine Regelung wie vorliegend geschlossen wird, dann handelt es sich um eine auch nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zulässige und wirksame "Abrechnung" der Honoraransprüche mit den möglichen Gegenansprüchen des Auftraggebers. Ob eine solche Vereinbarung noch vor Beendigung des Architektenvertrages -wie vorliegend- getroffen wird, ist ohne Belang.

Die vom Kläger vertretene abweichende Auffassung wird durch die veröffentlichte Rechtsprechung nicht gestützt. Soweit ersichtlich wird eine -insbesondere § 4 Abs. 4 HOAI unterlaufende- unwirksame nachträgliche Honorarvereinbarung immer nur dann angenommen, wenn sich die Vereinbarung alleine und ausschließlich auf die Höhe des sich errechnenden Honorars bezieht (vgl. z.B.: BGH, Urteil vom 09.07.1987, VII ZR 282/86 = BauR 1987, 706ff., zu Rz. 17: "Umbauzuschlag heruntergehandelt"; ferner: Urteil vom 27.02.2003, VII ZR 169/02 = BauR 2003, 748ff.: nachträglicher Vertrag, der über den Mindestsätzen liegendes Honorar vorsieht). Solche Sachverhalte sind von dem vorliegenden strikt zu unterscheiden.

Die vor dem Senat geäußerte Auffassung des Klägers, dass vorliegend eine unzulässige Umgehung der Vorschrift des § 4 Abs. 4 HOAI vorliege, da die ohnehin nur unsubstantiiert behaupteten Gegenansprüche vollkommen unberechtigt, also gleichsam aus der Luft gegriffen gewesen seien, wird gleichfalls nicht geteilt. Zwar weist der Kläger im vorliegenden Prozess jegliche Verantwortung für die Überschreitung der vorgegebenen Kosten von sich und verweist als Ursache auf eine im Laufe der Durchführung der Bauarbeiten von den Beklagten veranlasste umfangreichere und qualitativ aufwendigere Sanierung. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme aber ist davon auszugehen, dass die Beklagten sich damals solcher Gegenansprüche berühmten und der Kläger damit konfrontiert wurde. Als Reaktion hat der Kläger diese auch nicht prompt zurückgewiesen. Vielmehr war ihm die Situation unangenehm und vor diesem Hintergrund hat er die genannte Erklärung abgegeben. Dies ist ausreichend für die Annahme, dass damals jedenfalls ernsthaft Gegenansprüche in Betracht kamen, so dass eine vergleichsweise Regelung unter Einbeziehung dieser Gegenansprüche möglich war. Die Wirksamkeit der damals getroffenen Regelung kann vom Kläger heute nicht dadurch in Zweifel gestellt werden, dass er im Prozess seine Verantwortlichkeit der Kostenüberschreitung in Abrede stellt und auf eine unzureichende Darlegung der behaupteten Gegenansprüche durch die Beklagten im vorliegenden Prozess verweist. Nach dem aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme anzunehmenden Sachverhalt konnten zur Zeit der fraglichen Vereinbarung sehr wohl die behaupteten Schadensersatzansprüche betroffen sein im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. Urteil vom 25.09.1986, Rz. 14). Dies ist für die Annahme eines "Abrechnungsverhältnisses" für einen zulässigen Vergleich ausreichend, ohne dass ein Verstoß gegen die Regelung des § 4 Abs. 4 HOAI dann noch in Betracht käme.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

Die Revision war nicht gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Voraussetzungen dafür nicht vorliegen. Entgegen der Auffassung des Klägers ist die vorliegend zu beantwortende Frage, ob bzw. unter welchen Umständen ein vor Beendigung der Architektentätigkeit über die Honorarforderung abgeschlossener Vergleich unter die Regelung des § 4 Abs. 4 HOAI fällt, höchstrichterlich entschieden und damit geklärt. Insoweit wird auf die vorangehenden Ausführungen verwiesen.

RechtsgebietHOAIVorschriftenHOAI § 4 Abs. 4

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