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25.04.2007 · IWW-Abrufnummer 070675

Landgericht Bielefeld: Urteil vom 22.02.2007 – 25 O 105/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Landgericht Bielefeld

25 O 105/06

Tenor:

1) Es wird festgestellt, dass der bei der Beklagten unterhaltene Krankenversicherungsvertrag, Nr. 0039/07440749 E 00, mit der zum 01.03.2004 festgesetzten Versicherungsprämie in Höhe von monatlich 641,02 ? fortbesteht - zuzüglich für die ursprüngliche Versicherungstarifsgruppe seitdem erfolgter ordnungsgemäßer Erhöhungen - und der Rücktritt der Beklagten vom 26.07.2004 unwirksam ist.

2) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.420,46 ? zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 29.05.2006;

3) Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger weitere 205,94 ? zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.07.2004.

4) Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von der ZahIung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 305,95 ? freizustellen;

5) Im Übrigen wird die Klage im Hinblick auf den weitergehenden Zinsanspruch abgewiesen.

6) Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits nach einem Streitwert von 7.467,80 ? zu tragen.

7) Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu voll-streckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

T at b e s t a n d:

Die Parteien streiten im Wesentlichen um die Wirksamkeit des Rücktritts der Beklagten von einem Krankenversicherungsvertrag.

Der Kläger, der bereits seit dem 01.05.1999 eine private Krankenversicherung bei der Beklagten unterhielt, beschloss Anfang 2004, auch seine Ehefrau und die beiden gemeinsamen Kinder bei der Beklagten privat zu versichern. Am 23.02.2004 beantragte der Kläger daher bei der Beklagten den Abschluss einer entsprechenden, erweiterten privaten Krankenversicherung. Der Versicherungsantrag wurde vom Versicherungsagenten der Beklagten, Herrn T., aufgenommen, der mit dem Kläger und dessen Ehefrau gemeinsam den Antrag ausfüllte

In dem Antragsformular der Beklagten wurden u. a. folgende Gesundheitsfragen gestellt:

"3. Bestehen Krankheiten, Behinderungen, Beschwerden oder Folgen von Krankheiten bzw. Verletzungen? Besteht eine Schwangerschaft? [ ... ]
7. Haben in den letzten 5 Jahren ambulante Untersuchungen, Beratungen oder Behandlungen durch Ärzte, Heilpraktiker oder sonstige Therapeuten stattgefunden, oder bestanden Krankheiten, Behinderungen oder Beschwerden, die nicht behandelt worden sind?"

Die vorgenannten Fragen beantwortete der Kläger und die zu versichernde Ehefrau des Klägers - ausweislich des Antragsformulars - zu 3. und 7. mit "Nein". Angegeben wurde im Weiteren lediglich, die Schwangerschaft der Ehefrau des Klägers und die Geburt per Kaiserschnitt sowie eine Nasenkorrektur. Tatsächlich hatte die Ehefrau des Klägers zumindest im Oktober 1999 die Ärztin Dr. G aufgesucht. Bei der Ehefrau des Klägers besteht zudem eine Thalassämia Minor.

Die Beklagte nahm den Antrag des Klägers auf Abschluss der Krankenversicherung an und policierte unter dem 02.03.2004. Der monatlich vom Kläger zu zahlende Betrag wurde auf insgesamt 641,02 ? festgelegt.

Im April 2004 reichte der Kläger bei der Beklagten eine Rechnung der Ärztin Frau Dr. G. über 205,94 ? zwecks Übernahme ein. In dieser Rechnung werden Leistungen vom 08. und 26.03.2004 abgerechnet. Als Diagnose wurde auf der Rechnung unter anderem Thalassämia minor, Mineralstoffmangel und Eisenmangel vermerkt. Die Beklagte zog daraufhin bei Frau Dr. G. Erkundigungen ein.

Mit Schreiben vom 26.07.2004 erklärte die Beklagte sodann gegenüber dem Kläger den Rücktritt vom Vertrag. Diesen begründete sie damit, dass sie erst jetzt Kenntnis davon bekommen habe, dass bei der Ehefrau des Klägers eine Stoffwechselerkrankung (Thallasaemia) bestand und deshalb 1999 und 2003 entsprechende Untersuchungen durchgeführt worden seien. Außerdem sei auch erst jetzt bekannt geworden, dass die Ehefrau im anzeigepflichtigen Zeitraum wegen Eisenmangels behandelt worden sei.

Die Beklagte bot nach einer weiteren Prüfung dem Kläger an, den Versicherungsvertrag für eine um 115,26 ? erhöhte Prämienleistung weiter zu führen. Der Kläger, der aufgrund des Rücktritts derzeit mit seiner Familie über keinen Versicherungsschutz verfügte, akzeptierte dieses Angebot schließlich unter Vorbehalt mit Schreiben vom 16.09.2004.

Der Kläger behauptet, es habe wegen der Thalassaemia minor bei seiner Frau in den letzen 15 Jahren keinen Behandlungsbedarf gegeben. Auch der Eisenmangel seiner Frau sei nicht durch diese hervorgerufen worden. Im Hinblick auf den Eisenmangel habe Behandlungsbedarf ausschließlich aufgrund der Zwillingsschwangerschaft bestanden.

Der Kläger meint, der Rücktritt der Beklagten vom Krankenversicherungsvertrag sei unwirksam, da es an einem Rücktrittsgrund fehle. Weder bei der Thallassaemia minor noch bei dem Eisenmangel handele es sich um einen anzeigepflichtigen Umstand.

Der Kläger behauptet dazu, weder Thallassaemia minor noch Eisenmangel seien für die Übernahme der Gefahr durch die Beklagte erheblich gewesen. Dies gelte für die Thallassaemia minor schon deshalb, weil es sich um einen Gendefekt handele, und die Beklagte aufgrund der Selbstverpflichtungserklärung des Gesamtverbands der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. Gendefekte bei der Kalkulation nicht zu berücksichtigen. Schließlich hätten weder er noch seine Ehefrau bei der Antragsstellung irgendeine Erinnerung an eine ärztliche Behandlung außerhalb der Schwangerschaft gehabt.

Der Kläger beantragt,
1. festzustellen, dass der bei der Beklagten unterhaltene Krankenversicherungsvertrag, Nr. XXX, mit der zum 01.03.2004 festgesetzten Versicherungsprämie in Höhe von monatlich 641,02 ? fortbesteht - zuzüglich für die ursprüngliche Versicherungstarifsgruppe seitdem erfolgter ordnungsgemäßer Erhöhungen - und der Rücktritt der Beklagten vom 26.07.2004 unwirksam ist.

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.420,46 ? zu zahlen, nebst Zinsen aus 115,26 ? seit dem 01.09.2004, sowie aus monatlich jeweils weiteren 115,26 ? für den Zeitraum vom Oktober 2004 bis Mai 2006, fällig ab dem 01. eines jeden Monats;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 205,94 ? zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 19.05.2004;

4. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger von der Zahlung außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 305,95 ? freizustellen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, die Ehefrau des Klägers sei im anzeigepflichtigen Zeitraum mehrfach wegen Thalassmaemia minor und im September 1999, im Oktober 1999 im Dezember 2001, sowie im März 2003 wegen Eisenmangels von Frau Dr. XXX behandelt worden. Die gestellten Diagnosen seien der Ehefrau des Klägers auch bekannt. Sie meint, es handele sich jeweils um Krankheiten, die und deren Symptome sowie die Arztbesuche anzeigepflichtig gewesen seien. Dies gelte auch für die Thalassmaemia minor, da es sich nicht nur um einen Gendefekt, sondern um eine auf diesem beruhende Krankheit handele, die nicht nur durch einen Genomtest, sondern auch durch eine Blutuntersuchung festgestellt werden könne.

Zudem seien diese Angaben auch für die Übernahme der Gefahr durch die Beklagte erheblich gewesen. In Kenntnis der Diagnosen wären weitere Auskünfte eingeholt und wegen Eisenmangels der Vertrag nur bei einer Vereinbarung eines Beitragszuschlags in Höhe von 30% und wegen der Thalassmaemia minor nur bei Vereinbarung eines Zuschlags von 20% angenommen worden. Dies wäre das Ergebnis einer Einzelfallentscheidung gewesen, das sich bei der Bewertung der jeweiligen Erkrankung aufgrund der Erhöhung des Risikos ergeben hätte. Die Risikoerhöhung hätte für die Diagnose Eisenmangel ein um 29,2% und für die Thalassmaemia minor ein um 46,1% erhöhtes Risiko ergeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die zu den Akten gereichten Unterlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

I. Die Klage ist zulässig. Insbesondere fehlt es im Hinblick auf den Klageantrag zu 1.) nicht am gem. § 256 Abs. 1 ZPO erforderlichen Feststellungsinteresse, da der Kläger aufgrund des durch die Beklagte erklärten Rücktritts vom Krankenversicherungsvertrag ein schutzwürdiges Interesse an baldiger Feststellung des Fortbestehens dieses Vertrages hat. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Kläger sich zwischenzeitlich zu höheren Versicherungsprämien weiter bei der Beklagten krankenversichert hat.

II. Die Klage ist im erkannten Umfang auch begründet.

1.) Der vom Kläger bei der Beklagten unterhaltene Krankenversicherungsvertrag besteht fort, da der Rücktritt der Beklagten vom 26.07.2004 unwirksam ist. Zwar erfolgte die Rücktrittserklärung fristgerecht im Sinne des § 20 Abs. 1 VVG. Es fehlt jedoch an einem Rücktrittsgrund.

Ein Rücktrittsgrund folgt insbesondere auch nicht daraus, dass, was unstreitig ist, der Kläger und seine Ehefrau, deren Kenntnis gemäß § 178a Abs. 3 VVG ebenfalls maßgeblich ist, objektiv unrichtige Antworten auf die Gesundheitsfragen der Beklagten gemacht haben. Die Angaben im Antrag des Klägers waren zumindest insoweit objektiv unrichtig, als bei der Frage nach ärztlichen Behandlungen die Behandlungen der Ehefrau bei der Ärztin Dr. G. nicht angegeben wurden. Auch wurde weder der Eisenmangel - der zumindest während der Schwangerschaft bestand - noch die Thallassaemia minor angegeben.

Ein Recht zum Rücktritt setzt aber zudem voraus, dass es sich bei den pflichtwidrig nicht angegebenen Umständen um solche handelt, die für die Übernahme der Gefahr durch die Versicherung erheblich sind. Dies sind solche Umstände, die geeignet sind, auf den Entschluss des Versicherers, den Vertrag überhaupt oder zu dem vereinbarten Inhalt abzuschließen, Einfluss auszuüben (Langheid in: Römer/Langheid, VVG, 2. Aufl., 2003, §§ 16,17 Rn. 14 m.w.N.). Daran fehlt es hier.

a) Im Hinblick auf den von der Beklagten für den Rücktritt zum Anlass genommene Thalassaemia minor spricht bereits gegen eine Erheblichkeit dieses Umstandes, dass es sich um eine durch einen Gendefekt hervorgerufene Veränderung der roten Blutkörperchen handelt. Genetische Defekte werden indes derzeit nicht in die Kalkulation von Krankenversicherungen einbezogen (Prölls in: Prölls/Martin, VVG, 27. Aufl. , 2006, §§ 16, 17, Rn. 8a). Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V., dem auch die Beklagte angehört, hat vielmehr eine freiwillige Selbstverpflichtungserklärung der Mitgliedsunternehmen geschlossen, in der diese sich u.a. verpflichten, zumindest bis 2011 weder Gentests zur Voraussetzung eines Vertragsabschlusses zu machen, noch von ihren Kunden zu verlangen, freiwillige Gentests vorzulegen. Insoweit wird ausdrücklich auf die im VVG verankerte Anzeigepflicht verzichtet. Auch dennoch vorgelegte Befunde dürfen danach nicht verwertet werden. Dies gilt damit auch für die Thalassaemia minor.

Bei der grundsätzlichen Unverwertbarkeit des Befundes eines Gendefekts muss es nach dem Ziel und dem Inhalt dieser Vereinbarung auch dann bleiben, wenn der genetische Defekt und die dadurch hervorgerufenen genetischen Veränderungen, die ggf. zu späteren Lebensstadien zu einer Krankheit führen können, auch anders als durch einen Gentest, etwa durch eine Blutuntersuchung, feststellbar oder festgestellt worden sind. Allein die Diagnosemethode, durch die eine genetische Veränderung festgestellt wird, ändert nichts daran, dass. nach der Selbstverpflichtung auch der Beklagten, der Befund der genetischen Veränderung nicht bei der Risikobewertung verwertet werden darf. Der Beklagten ist es daher verwehrt, wie vorgetragen, allein aufgrund der genetisch bedingten Veränderung der Blutkörperchen den Gendefekt mit der Begründung zu berücksichtigen, dass der genetische Defekt im Laufe des Lebens das Risiko erhöhe, im Laufe des Lebens einer therapeutischen Maßnahme zu bedürfen, auch wenn aktuell keine Therapie erforderlich sein sollte.

Soweit die Beklagte das Bestehen der genetischen Veränderung in Form der Thalassaemia minor jedoch nicht bei der Kalkulation berücksichtigen darf, kann diese auch keinen gefahrerheblichen Umstand im Sinne des § 16 Abs. 1 VVG und die unterbliebene Anzeige auch nicht zum Rücktritt berechtigen.

b) Auch aus anderen Gründen ist jedoch nicht von einer Gefahrerheblichkeit der nicht angezeigten Umstände auszugehen. Zwar gilt ein Umstand, nach welchem der Versicherer ausdrücklich gefragt hat, im Zweifel als gefahrerheblich, § 16 I 3 VVG mit der Folge, dass den Versicherungsnehmer grundsätzlich die Darlegungs- und Beweislast dafür trägt, dass die erfragten und nicht mitgeteilten Umstände nicht gefahrerheblich sind (OLG Hamm R+S 1994, 281). Allerdings ist nicht jede frühere gesundheitliche Störung im Befinden des künftigen Versicherungsnehmers und nicht jede der Beschwerden, die Anlass zur Einschaltung von Ärzten gegeben hat, im Sinne dieser Zweifelsregel geeignet, einen Versicherer zu veranlassen, den Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages abzulehnen oder sich nur auf einen Vertrag mit erhöhten Prämien oder mit Versicherungsausschlüssen einzulassen (BGH NJW-RR 1988,1049,1050; BGH NJW-RR 2001,234,235; OLG Hamm R+S 1994,281). Maßgebend ist dafür, ob die Beklagte, hätte sie die gebotene umfassende Information über die den Eisenmangel und die Thallassaemia minor erhalten, Veranlassung gesehen hätte, entweder einen Vertragsschluss überhaupt abzulehnen oder zumindest mit anderen Bedingungen abzuschließen, als tatsächlich geschehen (vgl. auch BGH VersR 1984, 629).

Dem Versicherungsnehmer wird es in aller Regel nicht möglich sein, sich über die dafür maßgeblichen von seinem Vertragspartner beachteten Geschäftsgrundsätze zu erklären. Er genügt seiner Darlegungslast daher zunächst, wenn er - wie hier geschehen - global behauptet, der nicht mitgeteilte Umstand sei nicht gefahrerheblich. Liegt die Gefahrerheblichkeit des erfragten, aber nicht mitgeteilten Umstandes nicht auf der Hand - ist die Gesundheitsstörung also nicht als besonders leicht einzuordnen - so kann der Versicherer das geltend gemachte Fehlen von Gefahrerheblichkeit nur dadurch prozessual wirksam bestreiten, dass er sich dazu äußert, von welchen Grundsätzen er bei seiner Risikoprüfung ausgeht (st. Rspr. Vgl. BGH NJW-RR 1988,1049,1050; BGH NJW-RR 2001,324,325). Ein solcher Fall ist hier gegeben, da es sich bei den nicht angezeigten Umständen um nur leichte gesundheitliche Beeinträchtigungen mit geringem - und keinem akuten - Behandlungsbedarf handelt.

Dies steht im Hinblick auf den Eisenmangel nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme zur Überzeugung des Gerichts fest. Weder der zeitweise aufgetretene latente Eisenmangel noch der Eisenmangel während der Schwangerschaft 2003, auf den die Beklagte ihren Rücktritt auch nicht in erster Linie stützt, stellen Umstände dar, bei dem die Gefahrerheblichkeit auf der Hand liegt. Die Zeugin Dr. G., hat glaubhaft bekundet, dass die Ehefrau des Klägers nur zeitweise an einem latenten Eisenmangel litt. Die Ehefrau des Klägers habe sich im September 1999, Oktober 1999 und im Juni 2001 - und damit zuletzt mehr als zweieinhalb Jahre vor AntragsteIlung -wegen der Symptome Schlappheit, Müdigkeit, Kaputtsein und Hautblässe vorgestellt. Es sei ein latenter Eisenmangel diagnostiziert worden. Zu keinem Zeitpunkt wurde dabei aber ein Firitinwert bestimmt, der unterhalb des Normbereichs lag. Verschrieben wurde lediglich zweimal eine Packung mit 20 Eisenkapseln. Ein manifester Eisenmangel trat lediglich während der Schwangerschaft 2003 auf. Dies stellt aber insoweit nichts Ungewöhnliches dar. Weitere Behandlungen haben nicht stattgefunden. Auch die Thalassaemia minor, stellt - auch von den obigen Erwägungen abgesehen keinen Umstand dar, dessen Gefahrerheblichkeit auf der Hand liegt. Dies gilt auch deshalb, weil sie auch nach dem Vortrag der Beklagten allenfalls Symptome hervorrufen kann, die nicht eindeutig zu einer anderen Bewertung des Risikos führen würden.

Der Beklagten oblag es daher, dazulegen, von welchen Grundsätzen sie sich bei der dem Vertragsschluss vorausgehenden Risikoprüfung leiten lässt. Dazu muss der Versicherer seine Risikoprüfungsgrundsätze für Vertragsannahmen offen legen (vgl. OLG Hamm RuS 1994, 281; zu den Anforderungen vgl. auch OLG Saarbrücken NJOZ 2005,608,614). Darauf hat das Gericht auch hingewiesen. Dem ist die Beklagte nicht in hinreichendem Maße nachgekommen. Die unter Zeugenbeweis gestellte Behauptung der Beklagten, es handele sich um eine Einzelfallentscheidung, bei der der Abteilung Mathematik der Auftrag erteilt werde, die durchschnittliche Mehrbelastung, die das Vorliegen der Krankheit im Vergleich zu normalen Risiken verursacht, anhand der Daten der im Tarif versicherten Personen zu berechnen und dies hätte im vorliegenden Fall zu einer Risikoerhöhung für den Eisenmangel um 29,2 % und für die Thalassaernla minor um 46,1 % geführt, genügt den Anforderungen nicht. Damit werden nicht - wie erforderlich - im einzelnen nachprüfbar die Grundsätze der Risikoprüfung offengelegt sondern vielmehr die erhöhten Risiken lediglich behauptet. Der Beweisantritt ist daher unbeachtlich, da es insoweit bereits an einem hinreichend substantiierten Sachvortrag fehlt.

c) Schließlich ist der Rücktritt aufgrund der Nichtanzeige des Eisenmangels und der diesbezüglichen ärztlichen Behandlung aufgrund fehlender Kenntnis des Klägers und seiner Ehefrau von dem latenten Eisenmangel. Das Rücktrittsrecht nach § 16 Abs. 2 VVG setzt voraus, dass der Versicherungsnehmer den erheblichen Umstand kannte. Zwar dürfen an diese Kenntnis keine zu geringen Anforderungen gestellt werden, um reinen Schutzbehauptungen entgegen zu wirken. Allerdings setzt Kenntnis im Sinne des § 16 Abs. 1 VVG voraus, dass der Umstand dem Versicherungsnehmer im maßgeblichen Zeitpunkt der Antragsstellung bewusst ist. Gefordert wird nicht, dass der fragliche Umstand dem Versicherungsnehmer sogleich präsent ist; vielmehr wird von ihm verlangt, dass er sein Gedächtnis prüft. Es genügt nicht, dass der Versicherungsnehmer gerade nicht an den Umstand gedacht hat. Es wird unter Kenntnis im Sinne der Gefahrenanzeigevorschriften das jederzeit aktualisierbare Wissen des Versicherungsnehmers verstanden. Zu diesem gehören alle Umstände, deren er sich bei gehöriger Gedächtnisanspannung bewusst werden kann. Umstände hingegen, die der Versicherungsnehmer einmal gekannt hat, die seinem Gedächtnis inzwischen aber wieder entfallen sind, kennt er nicht mehr (OLG Oldenburg NJW-RR 1991, 1185).

Die Beweislast für die Kenntnis des Versicherungsnehmers von dem anzeigepflichtigen Umstand trägt die Beklagte. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme steht indes nicht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger oder die Zeugin C. bei der AntragsteIlung positive Kenntnis von dem latenten Eisenmangel und den diesbezüglichen Arztbesuchen hatten. Die Zeugin C. hat glaubhaft bekundet, dass sie sich auch heute noch nicht an die Eisenmangelbehandlung erinnern könne. Das "Vergessen" ist auch plausibel, da es sich um länger zurückliegende, geringe Beschwerden verursachende, nur mit geringer Medikation verbundene Beschwerden mit wenigen Arztbesuchen handelte.

2.) Der Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von 2.420,46 ? folgt als Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB. Mit dem unberechtigten Rücktritt hat die Beklagte eine Pflicht aus dem Versicherungsvertragsverhältnis verletzt. Ihr Verschulden wird gemäß § 280 Abs. 1 S. 2 BGB vermutet. Im Fall eines unberechtigten Rücktritts ist der Versicherer dem Versicherungsnehmer zum Schadensersatz verpflichtet (Langheid in: Römer/Langheid, 2. Aufl., 2003, § 17 VVG Rn. 72). Der Schaden des Klägers besteht darin, dass er aufgrund des Rücktritts und des damit verbundenen Wegfalls des Krankenversicherungsschutzes für sich und seine Familie den von der Beklagten allein angebotenen Vertrag zu den um monatlich 115,26 ? erhöhten Beitrag annehmen musste und diese Beitragserhöhung für die Zeit von 21 Monaten an die Beklagte zahlte. Insoweit kann nichts anderes gelten, als wenn der Kläger einen Vertrag bei einer anderen Versicherung abgeschlossen hätte.

Der diesbezüglich geltend gemachte Zinsanspruch besteht indes erst ab Rechtshängigkeit der Klage, § 291 BGB. Ein weitergehender Anspruch auf Verzugszinsen besteht insoweit nicht. Ein Anlageschaden wurde von der Klägerseite nicht vorgetragen.

3.) Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von 205,94 ? für die mit der Rechnung der Ärztin Frau Dr. G. geltend gemachten Kosten der ärztlichen Behandlung seiner Ehefrau zu. Dieser Anspruch folgt aus dem Versicherungsvertrag, da dieser aufgrund der Unwirksamkeit des Rücktritts noch fortbestand. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 11 VVG, 286 Abs. 1 Nr. 1 BGB, da die Leistung zumindest ab dem Zeitpunkt der Rücktrittserklärung durch die Beklagte fällig war und die Beklagte mit der Erklärung des Rücktritts am 26.07.2004 die Leistung ernsthaft und endgültig verweigert hat.

3.) Der Anspruch auf Freistellung von den außergerichtlich entstandenen Rechtsanwaltsgebühren folgt wegen der in der unberechtigten Rücktrittserklärung liegenden Pflichtverletzung als Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 BGB. Dieser umfasst auch die durch die Geltendmachung und Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs verursachten Kosten, insbesondere Rechtsanwaltskosten (Palandt, 65. Auf!., § 249 Rn. 38f.). Die Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts war aufgrund der Komplexität der Rechtslage auch erforderlich.

Die Entscheidung über die Kosten folgt aus §§ 91 abs. 1, 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

RechtsgebietVVGVorschriften§ 20 Abs. 1 VVG § 178a VVG

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