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08.03.2007 · IWW-Abrufnummer 070773

Amtsgericht Hamburg: Urteil vom 12.06.2006 – 644 C 618/05

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Amtsgericht Hamburg-Harburg

URTEIL

Im Namen des Volkes
Geschäfts-Nr.: 644C 618/05

In dem Rechtsstreit XXX

erkennt das Amtsgericht Hamburg-Harburg, Abteilung 644, durch den Richter XXX aufgrund der am 26.5.2006 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht:

Es wird festgestellt, dass sich der Rechtsstreit in der Hauptsache hinsichtlich des Klagantrags zu 1. erledigt hat. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Das Urteil ist für den Kläger hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten darum, ob sich die Hauptsache dadurch erledigt hat, dass der Beklagte dem Kläger Kopien seiner hautärztlichen Behandlungsunterlagen, deren Herausgabe mit der Klage zunächst geltend gemacht wurden, überlassen hat; weiter macht der Kläger die außergerichtlich entstandenen Rechtsverfolgungskosten geltend.

Der Kläger befand sich über mehrere Jahre. lang bei dem Beklagten in hautärztlicher Behandlung. Der Beklagte entfernte dem Kläger dabei Basaliome aus dem Nasenbereich. Anfang 2005 befand sich der Kläger zunächst zur Behandlung im Allgemeinen Krankenhaus St. Georg. Zur Zeit befindet sich der Kläger im Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in ärztlicher Behandlung. Dort wurde zuletzt eine umfangreiche Nachresektion der Nasenspitze und eine Defektabdeckung mit Stirnlappen und Septumknorpeltransplantat vorgenommen.

Am 4.7.2005 beauftragte der Kläger seine jetzigen Prozessbevollmächtigten mit der Prüfung etwaiger Haftpflichtansprüchen gegen den Beklagten. Mit Schreiben vom 1.8., 30.8. und 6.10.2005 wurde der Beklagte durch die Prozessbevollmächtigten des Klägers aufgefordert, eine Kopie der bei dem Beklagten geführten Behandlungsakte zur Verfügung zu stellen, wobei der Kläger darauf hinwies, dass er die Unterlagen für die Prüfung etwaiger Fehlbehandlungen durch den Beklagten benötige. Wegen der Einzelheiten über den Inhalt der Schreiben wird auf die zur Akte gereichten Kopien Bezug genommen (Anlagen K 2-K 4, BI. 6-10 d.A.).

Der Kläger behauptet, er habe Anfang 2005 Unterlagen über die ärztliche Behandlung von dem Beklagten abgeholt; dabei habe es sich um zwei histologische Befunde vom 4.5.2000 sowie vom 6.9.2001 gehandelt, die das AK St. Georg für die weitere Behandlung des Beklagten benötigt habe.

Der Kläger hat mit seiner am 30.11.2005 zugestellten Klage zunächst beantragt,

1. den Beklagten zu verurteilen, ihm zu Händen seiner Prozessbevollmächtigten eine Kopie der Behandlungsunterlagen, die hautärztliche Behandlung des Klägers in der Praxis des Beklagten betreffend, Zug um Zug gegen Erstattung der Kopierkosten herauszugeben.

Weiter beantragt er,
2. den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger EUR 87,29 als Verzugsschaden zu zahlen.

Mit Schreiben vom 20.3.2006 stellte der Beklagte den Prozessbevollmächtigten des Klägers Kopien der Behandlungsunterlagen zur Verfügung, Mit Schriftsatz vom 21.3 .2006 hat der Kläger daraufhin den Rechtsstreit für erledigt erklärt. Der Beklagte hat der Erledigungserklärung mit Schriftsatz vom 7.4.2006 widersprochen.

Er beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat zunächst behauptet, er habe dem Beklagten bereits. drei Mal, zuletzt im September 2005 die vollständigen Behandlungsunterlagen in Kopie überlassen. Der Kläger habe am 9.12.2004 alle Behandlungsunterlagen, die das Basalzellkarzinom betreffen, in Kopie erhalten. Weiter habe er am 3. oder 8.2.2005 diese Unterlagen nochmals erhalten. Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 27.2.2006 richtig gestellt, dass der Kläger im September 2005 keine Unterlagen zur Verfügung gestellt bekommen habe. Der Beklagte meint, er habe damit den Anspruch des Klägers auf Überlassung von Kopien erfüllt, so dass ein Anspruch auf nochmalige Überlassung der Unterlagen nur dann bestehen könne, wenn der Kläger hierfür ein berechtigtes Interesse darlege.

Das Gericht ,hat im Einverständnis mit den Parteien das schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO angeordnet.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet. Hinsichtlich des ursprünglich mit der Klage geltend gemachten Anspruch auf Herausgabe von Kopien hat sich der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt (unten I.); dagegen steht dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung der Kosten für die außergerichtliche Rechtsverfolgung nicht zu (unten II.).

I.

1. Die einseitig gebliebene Erledigungserklärung des Klägers ist dahingehend zu verstehen, dass der Kläger seinen ursprünglich auf Herausgabe gerichteten Leistungsantrag auf einen Feststellungsantrag gemäß § 256 Ars. 1 ZPO umgestellt wissen will. Hierbei handelt es sich nicht um eine Klagänderung (§ 264 Nr. 3 ZPO).

2. Der Feststellungsantrag ist begründet. Die Klage war zunächst zulässig und begründet (unten a). Durch die Überlassung der Kopien ist die Klage unbegründet geworden (unten b.).

a) Die Klage war zunächst zulässig und auch begründet.

aa. Es entspricht inzwischen herrschender Ansicht - und wird auch von dem Beklagten nicht in Abrede gestellt -, dass der Patient ein Recht auf Einsicht in die Krankenunterlagen hat, soweit sie Aufzeichnungen über objektive physische Befunde und Berichte über Behandlungsmaßnahmen betreffen (grundlegend BGH, Urt. v. 23.11.1982 - VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327 ff.; eingehend Bender, Das postmortale Einsichtsrecht in Krankenunterlagen, Diss. Nümberg 1998, S. 23 ff.; Lenkaitis, Krankenunterlagen aus juristischer, insbesondere zivilrechtlicher Sicht, Diss. Bochum 1979, S. 132 ff. jew. m.w.Nachw.; weitergehend BVerfG, Beschl. v. 16.9.1998 - 1 BvR 1130/98, NJW 1999, 1777; Hinne,.NJW 2005, 2270, 2272 f.; offenlassend BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 - 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116, 1117 ff.).

Der Bundesgerichtshof hat dieses Recht auf Akteneinsicht nicht aus den §§ 810 f. BGB, sondern aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht i.V. mit §§ 242, 611 BGB hergeleitet (BGH, Urt. v. 23.11.1982 - VI ZR 222/79; BGHZ 85, 327, 332; ebenso OLG München, Urt. v. 19.4.2001 - 1 U 6107/00, NJW 2001, 2806; Lenkaitis, Krankenunterlagen aus juristischer, insbesondere zivilrechtlicher Sicht, Diss. Bochum 1979, S. 185 ff.; ferner BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 - 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116, 1117 ff. [Selbstbestimmungsrecht des Patienten]; BVerfG, Beschl. v. 16.9.1998 -1 BvR 1130/98, NJW 1999,1777; Hinne, NJW 2005,2270,2272 f.).

Die zutreffende rechtliche Einordnung dieses Patientenrechts ist nicht von sekundärer Bedeutung. Vielmehr werden durch die richtige Zuordnung des Akteneinsichtsrechts maßgeblich Inhalt und Umfang des Einsichtsrechts des Patienten bestimmt (hierzu HansOLG Hamburg, Beschl. v.20.11.1984 - 1 W 39/84, MDR 1985, 232).

Ebenfalls herrschend und von dem Beklagten ebenfalls nicht in Abrede gestellt ist die Auffassung, dass der Patient die Übersendung von Kopien gegen Kostenübernahme verlangen kann (s. hierzu nur HansOLG Hamburg, Beseht v. 20.11.1984 -1 W 39/84, MDR 1985,232; OLG Köln, Urt. v. 12.11.1981 -7 U 96/81, NJW 1982,704,705 f.;MünchKomm-BGB/Hüffer, 4. Aufl. 2004, § 810 Rn. 16; Lenkaitis, Krankenunterlagen aus juristischer, insbesondere zivilrechtlicher Sicht; Diss. Bochum 1979, S. 227 m.w.Nachw.; a.A. [lediglich Recht des Patienten auf Anfertigung von Kopien und Duldungspflicht des Arztes] Gehrlein, NJW 2001, 2773; Peter, Das Recht auf Einsicht in Krankenunterlagen, Diss. Frankfurt 1989, S. 246; einschränkend LG Dortmund, Beschl. v. 7.4.2000 - 17 T 31/00, NJW 2001, 2806 [nur Bereitstellung von Kopien zur Abholung durch den Patienten]).

bb. Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte keine durchgreifenden Einwände gegen die Begründetheit der Klage erhoben.

(1) Soweit der Beklagte meint, der Kläger habe kein berechtigtes Interesse an den Kopien gehabt bzw. ein solches nicht substantiiert dargelegt, vermag das Gericht dem nicht zu folgen. Das Vorliegen eines berechtigten Interesses i.S. des § 810 BGB ist nach dem oben Gesagten gerade nicht erforderlich (so ausdrücklich auch BGH, Urt. v. 6.12.1988 - VI ZR 76/88, BGHZ 106,146,148; BGH, Urt. v. 31.5.1984 - VI ZR 259/81, NJW 1983,2627 f.; MünchKomm-BGB/Hüffer, 4. Aufl. 2004, § 810 Rn. 16),

jedenfalls aber bei Krankenunterlagen schon aufgrund des Selbstbestimmungsrechts des Patienten (vgl. BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 - 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116, 1117 ff.)

oder dem Interesse an der Vorbereitung eines Haftpflichtprozesses (MünchKomm-BGB/Hüffer, 4. Aufl. 2004/§ 810 Rn. 16)

ohne weiteres zu bejahen.

Soweit der Beklagte behauptet, er habe dem Kläger die Unterlagen in der Vergangenheit bereits vollständig überlassen, ändert sich an den genannten Grundsätzen entgegen der Auffassung des Beklagten nichts. Mit diesem Einwand beruft sich der Beklagte in der Sache darauf, dass, er den Anspruch des Klägers bereits erfüllt habe i.S. des § 362 Abs. 1 BGB. Insoweit ist der Beklagte darlegungs- und beweispflichtig. Wollte man den Kläger für verpflichtet halten, ein besonderes Interesse an der erneuten Herausgabe von Kopien der Behandlungsunterlagen darzulegen und zu beweisen, hätte es der behandelnde Arzt in der Hand, durch die Behauptung, die Unterlagen seien dem Patienten bereits in der Vergangenheit überlassen worden, dem Patienten die Darlegungs- lind Beweislast dafür aufzubürden, dass dies nicht der Fall gewesen ist. Da sich der Beklagte - wie dargelegt - mit diesem Einwand in der Sache auf eine Einrede im prozessualen Sinne beruft, muss ihn hierfür auch nach den allgemeinen Grundsätzen die Darlegungs- und Beweislast treffen.

Selbst wenn man mit dem Beklagten davon ausgehen wollte, dass der Kläger bei einer vorherigen Herausgabe von Kopien ein besonderes Interesse an einer erneuten Herausgabe von Kopien bzw. der Einsichtnahme darlegen müsste, wäre der Kläger dieser Darlegungslast jedenfalls nachgekommen. Der Kläger hat dargelegt, dass er Einblick in die Krankenunterlagen für die Prüfung eines etwaigen Haftpflichtanspruchs gegen den Beklagten benötige. Damit hat er die Übersendung von Kopien zu eigenen Zwecken verlangt. Dass der Kläger dies bereits in der Vergangenheit begehrt hat, hat der Beklagte nicht behauptet.

(2) Soweit sich der Beklagte darauf beruft, er habe dem Kläger die vollständigen Unterlagen bereits zwei Mal überlassen, stellt dies. ebenfalls keine rechtserhebliche Einwendung gegen den ursprünglich mit der Klage geltend gemachten Herausgabeanspruch dar. Der Beklagte kann sich insoweit weder auf Erfüllung gemäß § 362 Abs. 1 BGB noch auf ein treuwidriges Verhalten des Klägers gemäß § 242 BGB berufen.

(a) Hinsichtlich einer möglichen Erfüllung des Herausgabeanspruchs durch die von dem Beklagten behauptete zweimalige Überlassung der Behandlungsunterlagen ist nach Auffassung des Gerichts schon zweifelhaft, ob insoweit ein hinreichend substantiierter Sachvortrag des Beklagten vorliegt.

Der Beklagte hat zwar mit Schriftsatz vom 27.2.2006 im Einzelnen dargelegt, dass dem Kläger am 9.12.2004 sowie am 3. oder 8.2.2005 die Behandlungsunterlagen überlassen worden seien. Der Beklagte hat insoweit aber auch behauptet, es habe sich um die das Basalzellkarzinom betreffenden Unterlagen gehandelt. Danach lässt sich dem Vortrag des Beklagten zum einen nicht zu entnehmen, dass es sich hierbei um die vollständigen Unterlagen gehandelt hat. Zum anderen hätte der Beklagte aber nach Auffassung des Gerichts auch darlegen müssen, dass der Kläger explizit mit dem Wunsch an ihn herangetreten ist, die Unterlagen für einen möglichen Regressanspruch herauszugeben. Die Herausgabe der Behandlungsunterlagen mit dem Zweck, diese an Dritte weiter zu geben, stellt in keinem Fall eine Erfüllung des Herausgabeanspruchs des Patienten dar. Denn in einem solchen Fall erfolgt zum einen regelmäßig keine Herausgabe der vollständigen Unterlagen, zum anderen behält der Patient die Unterlagen nicht, kann also gerade nicht zur Vorbereitung eines etwaigen Haftpflichtprozesses Einblick in die Unterlagen nehmen.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Herausgabeanspruch des Patienten auch nicht schon dann ausgeschlossen, wenn der Patient die Unterlagen möglicherweise von einem oder mehreren Dritten herausverlangen könnte. Der Beklagte übersieht dabei, dass ein solcher Herausgabeanspruch gegen Dritte nicht ohne weiteres besteht. Der Herausgabeanspruch folgt - wie dargelegt - im Verhältnis zu dem behandelnden Arzt aus dem Behandlungsvertrag i.V. mit dem grundrechtlich geschützten Persönlichkeitsrecht des Patienten. Ein solcher Anspruch besteht gegenüber Dritten nicht notwendigerweise, etwa gegenüber der . Krankenkasse. Auch gegenüber einem anderen Arzt, der die Unterlagen für seine Weiterbehandlung benötigt, besteht ein solcher Herausgabeanspruch jedenfalls nicht primär, weil dieser Arzt die Behandlungsunterlagen insoweit nicht selbst erstellt hat. Ein den Patienten behandelnder dritter Arzt ist diesem lediglich hinsichtlich der selbst erstellten Befundunterlagen dokumentationspflichtig. Hinsichtlich der von dem Beklagten erstellten Behandlungsunterlagen ist ausschließlich dieser gegenüber dem Kläger dokumentationspflichtig und daher als primärer Anspruchsgegner anzusehen.

Der Patient ist auch nicht gehalten, ggf. bei mehreren Dritten Behandlungsunterlagen zusammenzutragen. Soweit der Beklagte meint, es gehöre zur Selbstverantwortung des Patienten, sich um seine Angelegenheiten zu kümmern, verkennt der Beklagte, dass der Kläger nicht ohne weiteres als verpflichtet angesehen werden kann, den Beklagten von seinen behandlungsvertraglichen Pflichten zu entlasten.

Letztlich kann nach Auffassung des Gerichts aber letztlich auch deshalb offen bleiben, ob der Beklagte dem Kläger tatsächlich die vollständigen BehandlungsunterIagen in der Vergangenheit bereits überlassen hat, weil hierdurch eine Erfüllung i.S. des § 362 Abs. I BGB nicht eintreten würde. Hierbei ist nach Auffassung des Gerichts auch zu berücksichtigen, welche Grundlage der Anspruch auf Herausgabe von Kopien der Behandlungsunterlagen hat. Auszugehen ist davon, dass der Patient zunächst ein Recht hat, Einsicht in die Krankenunterlagen zu nehmen. Dieses Einsichtsrecht ist deshalb von herausragender Bedeutung, weil der Patient nur so weiß, ob er tatsächlich Kenntnis der vollständigen Unterlagen hat. Bei der Übersendung von Fotokopien weiß der Patient dagegen in der Regel nicht, ob der Arzt Teile der Behandlungsakte nicht mit übersandt hat, zumal nach Auffassung des Bundesgerichtshofs der Arzt sogar u.U, berechtigt sein kann, dem Patienten Einsicht in rein subjektiv beeinflusste Teile der Behandlungsakte zu verwehren. Hieraus folgt zugleich, dass der Arzt mit der Herausgabe von Fotokopien den Einsichtsanspruch des Patienten nicht zur Erfüllung bringen kann (hierzu nur MünchKomm-BGB/Hüffer, 4; Aufl. 2004, § 810 Rn. 13).

Entgegen der Auffassung des. Beklagten verliert das Gericht dabei nicht aus den Augen, dass der Kläger mit seiner Klage von vorneherein nur die Herausgabe von Fotokopien und nicht die Einsichtnahme geltend gemacht hat. Gleichwohl ist die Bedeutung der Herausgabe von Fotokopien für den Anspruch. auf Einsichtnahme nach Auffassung des Gerichts zu berücksichtigen. Denn der Anspruch auf Herausgabe von Fotokopien ist als Minus in dem Anspruch auf Einsichtnahme enthalten. Die Herausgabe von Fotokopien stellt für den Arzt regelmäßig das weniger belastende Mittel dar (HansOLG Hamburg, Beschl, v. 20.11.1984 - 1 W 39/84, MDR 1985, 232).

Hieraus folgt jedoch, dass der. Kläger selbst dann einen Anspruch auf Einsichtnahme in die Behandlungsunterlagen gehabt hätte, wenn der Beklagte diesem tatsächlich in der Vergangenheit die Behandlungsunterlagen vollständig in Kopie überlassen hätte. Es kann dem Kläger aber nicht zum Nachteil gereichen, dass er - sei es auch erneut - von seinem Recht Gebrauch .macht, lediglich seinen den Beklagten weniger belastenden Anspruch auf Herausgabe von Kopien Gebrauch macht. Vor diesem Hintergrund existiert nach Auffassung des Gerichts kein von dem Hauptanspruch auf Einsichtnahme losgelöster und selbstständiger Anspruch, der durch Erfüllung erlöschen könnte.

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist auch nicht zu erkennen, weshalb der Anspruch des Klägers auf Einsicht in die Behandlungsunterlagen nicht uneingeschränkt erhalten .geblieben sein soll. Wie dargelegt, hat die Übersendung von Kopien auf den grundsätzlichen Anspruch auf Einsichtnahme keinen Einfluss, insbesondere führt er nicht zu einer Erfüllung.

(b) Aus dem eben Gesagten folgt jedoch nicht, .dass der Patient von seinem .Recht auf Übersendung von Krankenunterlagen beliebig oft Gebrauch machen kann. Auch wenn insoweit ein Erfüllungseinwand nicht durchgreift, steht dem Anspruch doch die allgemeine Rechtsausübungsschranke von Treu und Glauben entgegen (§ 242 BGB). Danach kann der Anspruch auf Übersendung von Kopien dort seine Grenze finden, wo sich die Rechtsausübung des Patienten als missbräuchlich i.S. des § 242 BGB darstellt oder die Rechtsausübung für den Arzt mit einem unverhältnismäßigen oder unzumutbaren Aufwand verbunden ist (vgl. BGH, Urt. v. 23.11.1982 - VI ZR 222/79, BGHZ 85, 327, 334; LG Karlsruhe, Beschl. v. 7.12.1999 -120 53/99,NJW-RR 2001,236).

Auf der Grundlage des Vortrages des Beklagten ergeben sich keine ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass die Rechtsausübung des Klägers missbräuchlich sein könnte. Allein der Umstand, dass der Kläger die Unterlagen mehrfach angefordert haben soll, genügt nicht. Es ist durchaus vorstellbar, dass der Kläger die Unterlagen mehrfach benötigt. Auch hier ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nicht darauf verwiesen werden kann, die Unterlagen bei Dritten einzufordern. Weiter ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass der Beklagte nicht vorgetragen hat, der Kläger habe die Herausgabe der Unterlagen in der Vergangenheit gerade für eigene Zwecke begehrt.

Auch soweit der Beklagte vorträgt, mit den Kopierkosten sei der anfallende Verwaltungsaufwand nicht abgegolten, genügt dies noch nicht, um eine Treuwidrigkeit zu begründen. Das Verlangen auf Herausgabe von Kopien stellt für den Arzt regelmäßig den weniger aufwendigen Weg dar (HansOLG Hamburg, Beschl. v, 20.11.1984 -1 W 39/84, MDR 1985, 232).

und dürfte daher nur in engen Ausnahmefallen mit einem nicht zumutbaren Aufwand für den Arzt verbunden sein (vgl. auch BVerfG, Beschl. v. 9.1.2006 - 2 BvR 443/02, NJW 2006, 1116, 1121 sub H. 2. b. ee. [54]).

Auf der Grundlage des Vortrags des Beklagten kann, hiervon nicht ausgegangen werden. Selbst wenn dem Beklagten die Unterlagen in der Vergangenheit bereits zwei Mal übergeben worden sein sollten, wäre dies auch nach dem Vortrag des Beklagten bereits letztmals im Februar 2005 geschehen. Abgesehen davon, dass sich der Kläger erst in diesem Zeitraum in die weitere Behandlung zum AK St. Georg begeben hat, wäre jedenfalls eine erneute Herausgabe von Kopien - auch angesichts des eher geringen Umfangs der Krankenakte - ein halbes Jahr später, nämlich im August 2005, nicht als eine übermäßige Belastung anzusehen. Hätte der Kläger statt dessen von seinem Anspruch auf Einsichtnahme Gebrauch gemacht, wäre dies für den Beklagten mit einem erheblich höheren logistischen Aufwand verbunden gewesen.

(3) Das Gericht vermag darüber hinaus der im Schrifttum zum Teil vertretenen Auffassung, der Patient sei hinsichtlich der Kopierkosten vorschusspflichtig (so Gehrlein, NJW 2001,2773,2774; Peter, Das Recht auf Einsicht in Krankenunterlagen, Diss. Frankfurt 1989, S. 250),

in dieser Allgemeinheit nicht zu folgen, Sofern der Patient nicht erkennbar zahlungsunfähig ist und auch keine hohen Kosten zu erwarten sind, wird dem berechtigten Interesse des Arztes am Ausgleich der ihm entstehenden Kosten bereits durch eine Zug-um-Zug-Einrede ausreichend Rechnung getragen. Insbesondere gilt dies deshalb, weil die Kosten für die Erstellung von Kopien regelmäßig eher gering sein dürften und es auch sonst im Vertragsrecht nur ausnahmsweise eine Vorschusspflicht gibt und, die Zug-um-Zug-Einrede die Regel darstellt. Auch § 811 Abs. 2 BGB greift hier nach Auffassung des Gerichts nicht ein. Wie bereits dargelegt, hat der Bundesgerichtshof das Einsichtsrecht des Patienten aus dessen Selbstbestimmungsrecht sowie dem Arztvertrag und nicht aus §§ 810 f BGB hergeleitet. In der Entscheidung vom 23.11.1982 (BGHZ 85, 327 sub IV. 1. a.) heißt es ausdrücklich, dass das Einsichtsrecht durch § 810 BGB nicht beeinflusst (hier: erweitert) wird, weil die Zielsetzung des Behandlungsvertrages entgegenstehe. Dies hat nach Auffassung des Gerichts auch für die Vorschusspflicht zu gelten, insbesondere lässt sich § 811 Abs. 2 BGB nicht auf das Einsichtsrecht des Patienten übertragen. Rechtsgrund und Interessenlage schließen es aus, die für andere Sachverhalte getroffenen Bestimmungen der §§ 810 f. BGB zur näheren Ausgestaltung des Informationsrechts des Patienten heranzuziehen (so ausdrücklich HansOLG Hamburg, Beschl. v. 20.11.1984 - I W 39/84, MDR 1985, 232; ferner MünchKomm-BGB/Hüffer, 4. Aufl. 2004, § 810 Rn. 15; Hinne, NJW 2005,2270,2272 f.).

b. Die Klage ist durch die Übersendung der Kopien der Behandlungsunterlagen im Laufe des Prozesses unzulässig geworden. Für die Klage ist mit der Überlassung der Kopien das Rechtschutzbedürfnis entfallen.

II.

Dem Kläger steht dagegen kein Anspruch auf Ersatz des nicht anrechenbaren Teils der Geschäftsgebühr zu. Zwar hat das Gericht keine Zweifel mehr daran, dass es sich insoweit nicht lediglich um ein einfaches Schreiben i.S. der Nr. 2402 VV-RVG gehandelt hat. Auch hält das Gericht den Ansatz einer 1,3-Geschäftsgebühr für zutreffend und angemessen. Ferner ist davon auszugehen, dass sich die Erledigungserklärung des Klägers lediglich auf den Klagantrag zu 1. beziehen sollte. Jedoch fehlt für einen Erstattungsanspruch gegenüber dem Beklagten die Rechtsgrundlage.

1. Der Kläger kann zunächst nicht unter dem Gesichtspunkt des Verzugs Zahlung verlangen. Ein Anspruch aus §§ 280 Abs. 2, 286 BGB würde voraussetzen, dass sich der Beklagte mit seiner Pflicht zur Herausgabe der Behandlungsunterlagen in Verzug befunden hat. Dies war aber nicht der Fall. Der Eintritt des Verzugs setzt eine entsprechende Mahnung i.S. des § 286 Abs. 1 BGB voraus. Der Kläger hat weder dargelegt, dass er den Beklagten vor der Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten zur Herausgabe der Kopien aufgefordert hat, noch ist eine Mahnung gemäß § 286 Abs. 2 BGB entbehrlich.

Der Beklagte ist vielmehr erst auf grund der außergerichtlichen Schreiben der Prozessbevollmächtigten des Klägers in Verzug gekommen. Zu diesem Zeitpunkt war die geltend gemachte Geschäftsgebühr jedoch bereits angefallen. Diese entsteht für das Betreiben des Geschäfts (Vorb. 2.4 Abs. 3 VV-RVG), also bereits für die Prüfung der Sach- und Rechtslage, der Einholung der Information und der Erstellung außergerichtlicher Schreiben. Es bedarf keiner weiteren Ausführungen dazu, dass die Kosten für das Inverzugsetzen selbst nicht als Teil des Verzugsschadens geltend gemachten werden können.

2. Dem Kläger stehen die außergerichtlich angefallenen Rechtsanwaltskosten auch unter keinem anderen rechtlichen Gesichtspunkt zu. Zwar könnten diese als Teil eines möglichen Schadensersatzanspruchs gegen den Beklagten geltend gemacht werden. Jedoch ist nicht erkennbar, dass ein solcher Anspruch tatsächlich gegen den Beklagten besteht. Die Herausgabe der Unterlagen diente gerade der Prüfung eines solchen Haftungsanspruchs.

Des Weiteren kann der Kläger die Rechtsverfolgungskosten auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 670,677, 683 BGB) ersetzt verlangen. Auch wenn die Herausgabe der Unterlagen auch dem Beklagten zum Vorteil gereichen könnten nämlich dann, wenn die Prüfung der Unterlagen ergäben, dass kein Haftungsanspruch gegen den Beklagten besteht - hat der Kläger mit der Herausgabe der Unterlagen ein Geschäft allein im eigenen Interesse geführt. Da die Herausgabe allein der Prüfung eines eigenen Regressanspruches dienen sollte, liegt ferner kein "auch-fremdes-Geschäft" vor.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die Zuvielforderung des Klägers ist verhältnismäßig geringfügig und hat im Hinblick auf § 43 Abs. 1 GKG keine Mehrkosten verursacht.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert wird auf EUR 1.000,00 (i.W. eintausend 00/100)

festgesetzt (§§ 63 Abs. 2 Satz 1, 48 Abs. 1 Satz 1 GKG,3 ZPO).

Maßgeblich für den Streitwert eines Herausgabeanspruchs ist das Interesse des Klägers an der Herausgabe der Behandlungsunterlagen (§ 3 ZPO). Da dieser mit Hilfe der Unterlagen die Prüfung eines möglichen Regressanspruchs gegen den Beklagten begehrt, schätzt das Gericht den Wert auf EUR 1.000,00. Ein Abschlag hiervon ist nicht zu machen. Zwar wird bei Feststellungsanträgen regelmäßig von einem Abschlag zwischen 20 und 50 % ausgegangen (hierzu Musielak/Heinrichs: ZPO, 4. Aufl. 2005, § 3 Rn. 26); etwas anderes gilt jedoch bei einer einseitigen Erledigungserklärung, weil in diesem Fall weiterhin der ursprüngliche Klagantrag gegenständlich ist und auch inziderit dessen Begründetheit nach wie vor zu prüfen ist.

Die ebenfalls klagweise geltend gemachten Rechtsanwaltskosten haben als Nebenforderungen außer Betracht zu bleiben (§ 43 Abs. 1 GKG).

RechtsgebietArzthaftung

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