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23.05.2025 · IWW-Abrufnummer 248296

Finanzgericht Schleswig-Holstein: Urteil vom 28.08.2023 – 3 K 25/22

Zur Schätzungsbefugnis bei Mängeln der Kassenführung (hier fehlende Organisationsunterlagen und Programmierprotokolle) und Schätzungsmethode (hier Richtsatzsammlung) bei einem Imbissbetrieb.


Finanzgericht Schleswig-Holstein, Urteil vom 28.08.2023, Az. 3 K 25/22

Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen für Zwecke der Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbeträge (Streitjahre 2015-2017) und für Zwecke der Umsatzsteuer (Streitjahre 2015-2018).

Die Klägerin, die gemeinsam mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt wird, betrieb zwischen März 2015 und Februar 2019 in A einen Imbiss mit mehreren Sitzgelegenheiten (Öffnungszeiten Mo-So 10-22 Uhr, inkl. Lieferdienst), in dem neben Dönergerichten auch weitere Speisen (Grillgerichte, Pide, Pizzen, Salate, Currywurst, Chicken Nuggets, Chicken Wings, Falafel, Pommes Frites und Baklava) angeboten wurden. Die Gewinnermittlung wurde nach § 4 Abs. 3 EStG vorgenommen.

Sie wurde zunächst entsprechend ihrer Einkommen- und Gewerbesteuererklärungen für 2015 und 2017 veranlagt, zudem ihre Umsatzsteuererklärungen für 2015-2018 der Besteuerung zugrunde gelegt.

Von Dezember 2018 bis Mai 2019 führte der Beklagte eine Betriebs- und Umsatzsteuersonderprüfung betreffend die Jahre 2015-2017 (bzw. 2018) im Betrieb der Klägerin durch. Dabei stellte die Betriebsprüfung - ihrer Ansicht nach schwere - Buchführungsmängel fest. Bedienungsanleitung und Programmierprotokolle der Registrierkasse seien nicht vorgelegt worden, die - technisch mögliche - automatische Speicherung der Einzeldaten der Kasse auf einer SD-Karte sei unterdrückt worden. Die vorgelegten Finanzberichte seien unvollständig, so fehlten für 2015 einzelne Finanzberichte (17.-19.April, 21.-22.April, Nr. 3-6, Nr. 8, Nr. 11-12, Nr. 152). Für den hinsichtlich der Umsatzsteuer exemplarischen Voranmeldungszeitraum I. Quartal 2018 fehlten Finanzberichte vom 3.Februar, 3.März und 3. April 2018 (Nr. 1082, 1111-1114, 1116 und 1117). Für den 24. März 2018 weise das Kassenkonto einen Negativbetrag aus (- 40,32 €). In den Finanzberichten würden regelmäßig Stornierungen ausgewiesen, Stornobelege und -begründungen seien nicht vorgelegt worden. Ein etwaiger Trainingskellner sei auf den Finanzberichten nicht ausgewiesen. Für 2015 und 2016 sei ein Kassenbuch als Excel-Tabelle geführt worden, die jederzeit änderbar sei. In 2017 sei auf ein elektronisches Kassenbuch beim Steuerberater umgestellt worden, auch dieses sei veränderbar. Es seien an 3 Tagen Kassenbestände über rund 11.000 € bzw. 21.000 € im Kassenbuch aufgezeichnet worden, in den ersten 3 Quartalen 2018 an einzelnen Tagen Beträge über 3.000 - 5.000 €. Auf Nachfrage habe die Klägerin eingeräumt, dass diese Beträge nicht tatsächlich in der Kasse vorgehalten worden seien. Es seien vielmehr täglich 360 € Wechselgeld in die Kasse eingelegt und die Tageseinnahmen entnommen, in die privaten Räumlichkeiten mitgenommen und unregelmäßig bei der Bank eingezahlt worden.

Nach Ansicht des Prüfers bestehe so keine Sturzfähigkeit der Kasse. Das Zustandekommen der Einnahmen sei wegen der Mängel in der Kassenbuchführung nicht nachvollziehbar, es handle sich um einen schweren Buchführungsmangel. Die Beweiskraft der Buchführung sei erschüttert, eine Schätzung geboten und unabdingbar.

Die Schätzung wurde sodann durch die Betriebsprüfung anhand des buchhalterisch erfassten Wareneinsatzes bzw. Kosten für Hilfs- bzw. Betriebsmittel vorgenommen. Diese seien zugunsten der Klägerin korrigiert worden, außerdem werde eine zeitliche Zuordnung vorgenommen, da das erfasste Rechnungsdatum teilweise nicht zum Lieferdatum passe. Der aufgezeichnete Wareneinsatz werde um Aufwendungen für Betriebsmittel (Frittieröl) und Eigenverbrauch gekürzt. Wieviel Ware aufgrund Verderbs habe weggeworfen werden müssen, ließe sich nicht ermitteln. Ebensowenig seien Preisänderungen im Angebot festgehalten. Aus einer Gegenüberstellung des so berichtigten Wareneinsatzes mit den von der Klägerin erklärten Umsatzerlösen bzw. Einnahmen ergäben sich Rohgewinnaufschlagssätze in folgender Höhe:


2015:    72%
2016:    109%
2017:    94%
Für Betriebe wie den der Klägerin sehe die amtliche Richtsatzsammlung indes eine Spanne von 144% bis 376% vor. Die Betriebsprüfung wandte sodann den mittleren Rohgewinnaufschlagsatz (223%) für Imbissbetriebe auf den (korrigierten) Wareneinsatz an. Hieraus ergaben sich gegenüber den erklärten folgende Mehrerlöse (jeweils netto):


2015:    ... €
2016:    ... €
2017:    ... €
Diese Beträge wurden sodann jeweils um die Umsatzsteuer erhöht, wobei der Prüfer für 2015 und 2016 von einem Anteil ermäßigt zu besteuernder Umsätze von 70%, für 2017 von 60% ausging. Dies begründete er damit, dass in 2017 ein überdachter Terrassenbereich mit vielen Sitzplätzen eingerichtet worden sei.

Mit Bescheiden vom 25. Juni 2019 bzw. vom 21. Juni 2019 erließ der Beklagte auf dieser Grundlage Festsetzungsbescheide für Einkommensteuer (2015-2017), Umsatzsteuer (2015-2018) und Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag (2015-2017). Mit Bescheiden vom 16. Dezember 2021 korrigierte der Beklagte die Bescheide für 2015 und legte für die Hinzuschätzung einen (niedrigeren)Rohgewinnaufschlagsatz von 144% zugrunde.

Begründet wurden die Bescheide u.a. mit den Ergebnissen der Betriebsprüfung und der Umsatzsteuersonderprüfung.

Hiergegen erhob die Klägerin am 12. Juli 2019 Einsprüche (und stellte Antrag auf Aussetzung der Vollziehung). Sie begründete dies damit, dass die Anforderungen an eine Einnahmenüberschussrechnung überspannt würden. Es bestehe keine Pflicht zur Führung eines Kassenbuchs, denn es gebe keine Bestandskonten und damit auch kein Kassenkonto. Vereinnahmtes Geld werde augenblicklich Privatvermögen. Ausreichend sei nach der Rechtsprechung eine geordnete Belegablage mit Einzelaufzeichnungen der Erlöse, Aufbewahrung der Ursprungsaufzeichnungen und Abgleich von Soll- und Ist-Beständen der Kasse in gewissen Abständen (so im Betrieb der Klägerin) oder tägliches tatsächliches Auszählen der Kasse mit Dokumentation in Kassenberichten. Die Klägerin habe eine Registrierkasse verwendet. Das System gewährleiste, dass jeder Umsatz gebongt und täglich in einem Z-Bon fortlaufend nummeriert zusammengefasst werde. Die Kasse sei täglich gezählt worden und damit sichergestellt, dass Soll- und Istbestände übereinstimmten.

Die behaupteten Mängel in der Kassenbuchführung bestünden nicht. Die Bedienungsanleitung habe der Betriebsprüfung vorgelegen, sie könne im Übrigen aus dem Internet ausgedruckt werden. Das Speichern der Daten auf einer SD-Karte sei eine Zusatzfunktion, ein ordnungsgemäßer Betrieb der Kasse auch ohne das Speichern möglich. Der fehlende Einsatz der SD-Karte bedinge daher keine Unregelmäßigkeit in der Kassennutzung. Soweit Finanzberichte vom 17.-19. und 21.-22. April 2015 fehlten, finde dies seinen Grund darin, dass dies die Eröffnungszeit des Imbisses gewesen sei, in welcher es Anlaufschwierigkeiten (auch in der Kasseneinrichtung und -nutzung) gegeben habe. In dieser Zeit sei Essen überwiegend umsonst herausgegeben worden. Im Übrigen enthielten die (als Anlage vorgelegten) zwei Bons alle Einnahmen aus diesem Zeitraum. Entgegen den Behauptungen der Betriebsprüfung würden Stornierungen im Einzelnen nachgewiesen. Ein Trainingskellner sei tatsächlich nicht eingerichtet gewesen. Schließlich sei die getrennte Aufbewahrung des Kassenbestandes kein Mangel der Kassenführung, sondern zum Zwecke der Diebstahlvorsorge üblich. Entscheidend sei, dass der privat verwahrte Kassenbestand nicht mit privatem Geld vermischt worden sei und damit separat zählbar gewesen sei. Die Ordnungsgemäßheit der Kasse werde schließlich durch die Führung eines Kassenbuchs mithilfe der Software des Steuerberaters belegt. Soweit gerügt werde, dass die hierfür gewählte Form jederzeit veränderbar sei, sei dies unerheblich, denn Veränderungen seien tatsächlich nicht vorgenommen worden. Die Originalaufzeichnungen in der Kasse seien ohnehin ordnungsgemäß. Z-Bons lägen vollständig und lückenlos vor, der angeblich fehlende Bon Nr. 152 sei ein versehentlich gezogener Nullbon. Gleiches gelte für die angeblich fehlenden Finanzberichte der Nr. 1111-1114 sowie 1115 und 1117. Die Kasse sei im Übrigen im originalen Programmierzustand, es seien lediglich Benutzereinstellungen geändert worden (Tastenbelegungen und Preise).

Weiter trägt die Klägerin im Einspruchsverfahren vor, dass die behaupteten Mängel zumindest nicht so erheblich seien, dass sie eine Verwerfung der Buchführung rechtfertigten. Die Betriebsprüfung habe keine Anhaltspunkte feststellen können, die zur Annahme einer unvollständigen Erfassung der Einnahmen geführt haben könnte. Eine fehlende Bedienungsanleitung etwa oder die fehlende Einrichtung eines Trainingskellners seien nicht geeignet, diese Annahme zu stützen. Eine GrandTotal Prüfung habeergeben, dass die Einnahmen vollständig aufgezeichnet worden seien. Ein Vergleich des Grand-Total mit den erfassten Umsätzen ergebe, dass bis auf geringste Unschärfen eine Übereinstimmung vorgelegen habe.

Soweit die Betriebsprüfung behaupte, die Stornos seien nicht belegt, sei dies unzutreffend. Sämtliche Belege zu größeren Stornos lägen vor, hinzu kämen weitere kleinere. Zwei größere Fehlbedienungen seien nicht in der Kasse, aber in der Finanzbuchung korrigiert worden (26.Juni 2016 und 15.September 2016). Diese beruhten auf Tippfehlern. Breche man die Gesamtstornosumme über den Streitzeitraum auf die einzelnen Tage herunter, verbliebe ein Stornobetrag von durchschnittlich 44 € pro Tag. Dies sei für einen Imbiss absolut plausibel, zumal der Imbiss neu gegründet und das Personal nicht hochqualifiziert sei. Ohnehin könnten nicht belegte Stornos keine Vollschätzung rechtfertigen, die Schätzung müsse sich auf die Höhe der unbelegten Stornos beschränken. Schließlich sei die Höhe der Schätzung insgesamt unplausibel.

Hierauf teilte der Beklagte mit, dass es (abgesehen von der Bedienungsanleitung) an einer ordnungsgemäßen Bareinnahmenaufzeichnung sowie Verfahrensdokumentation, Grundprogrammierung und Änderung in den Programmierungen der Kasse (insbes. auch Preis- oder Artikeländerungen mit Datum) fehle. Es fehlten weiterhin vollständige Preislisten für den gesamten Streitzeitraum. Aufgrund des vielfältigen Speisenangebots scheide daher auch ein interner Betriebsvergleich aus.

Der Beklagte lehnte die Aussetzung der Vollziehung der Bescheide ab.

Im gerichtlichen Verfahren auf Aussetzung der Vollziehung der angefochtenen Bescheide ordnete das Gericht mit Beschluss vom 16. Juli 2020 die Vollziehungsaussetzung an. Es begründete dies im Wesentlichen damit, dass nach summarischer Prüfung zwar die Schätzungsbefugnis dem Grunde nach gegeben sei (wegen fehlender Aufzeichnung der Barentnahmen), jedoch die Schätzungsmethode (externer Betriebsvergleich) u.U. nicht rechtmäßig gewesen sei.

Die Klägerin trug im gerichtlichen AdV-Verfahren u.a. noch vor, dass keine Änderungen an der Grundprogrammierung der Kasse vorgenommen worden seien. Die Kasse sei noch vorhanden und könne jederzeit begutachtet werden. In 2015 sei der Betrieb eröffnet worden, es habe zahlreiche Fehlmaßnahmen und Eröffnungsangebote gegeben, ein mittlerer Rohgewinnaufschlagsatz sei daher verfehlt. Für 2016 und 2017 hätte zunächst eine betriebsinterne Kalkulation durchgeführt werden können - hierzu überreichte die Klägerin eine Dönerpreiskalkulation. Hiernach errechnete die Klägerin Rohgewinnaufschlagsatz von 78% - 140% für den Döner, die übrigen Produkte seien schlechter kalkuliert; in 2015 habe in der Nachbarschaft ein Restaurant eröffnet, von April bis September 2017 habe sich im Imbiss wegen des Terrassenanbaus eine Baustelle befunden, im Juli 2017 hätten in der Nachbarschaft zwei Imbisse eröffnet.

Mit Einspruchsentscheidungen vom 15. Februar 2022 wies der Beklagte die Einsprüche jeweils zurück. Dies begründete er damit, dass eine ordnungsgemäße Einnahmeüberschussrechnung voraussetze, dass die Höhe der Betriebseinnahmen und -ausgaben durch Belege hinreichend klar nachgewiesen würden. Auch ohne Pflicht zur Führung eines Kassenbuches verbleibe das Risiko der fehlenden Nachvollziehbarkeit der Einnahmen und Ausgaben und damit fehlender Bestimmung der tatsächlichen Besteuerungsgrundlagen. Die Aufzeichnungen der Klägerin seien derart lückenhaft, dass kein Vertrauen in deren Richtigkeit bestehe. Das sich ergebende Missverhältnis von Wareneinsatz und Umsatzerlösen sei nicht erklärbar. Es lägen auch keine Programmierprotokolle für die Kasse vor. Daher bestehe die Schätzungsbefugnis. Die Wahl der konkreten Schätzungsmethode stehe im Ermessen der Behörde, es müsse allerdings das Ergebnis mit der größten Wahrscheinlichkeit ermittelt werden. Die vorgenommene Schätzung verließe diesen Rahmen nicht und bewege sich im mittleren Rohgewinnaufschlagsatz, in welchem ein typisches Preisniveau bei durchschnittlichem Imbissbetrieb und mit entsprechendem Warenverderb eingerechnet sei. Auch wegen des neu eingerichteten Terrassenbetriebes könne von einer zumindest durchschnittlichen Geschäftsentwicklung in 2016 und 2017 ausgegangen werden. Für 2015 bewege sich die Schätzung am unteren Rahmen der Werte aus der Richtsatzsammlung. Schließlich sei der Wareneinsatz noch zugunsten der Klägerin verringert worden.

Am 9. März 2022 hat die Klägerin Klage erhoben.

Zur Begründung bezieht sie sich auf ihr Vorbringen im Verfahren 3 V 95/19 und wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.

Die angeblichen Kassenführungsmängel hätten nicht bestanden, zumindest wäre keine Schätzung nach der Richtsatzsammlung vorzunehmen gewesen.

Sie ergänzt, dass eine Einzelaufzeichnung in der Kasse wegen der schieren Datenmenge aus technischen Gründen nicht möglich gewesen wäre. Da keine Pflicht zur Aufzeichnung der Entnahmen bestanden habe, müsse ermittelt werden, inwieweit eine Nichtaufzeichnung von Entnahmen zu einer fehlerhaften Gewinnermittlung führe, wobei zu berücksichtigen sei, dass sich Entnahmen ohnehin nicht auf den Gewinn auswirkten. Die Klägerin habe ihre formalen Aufzeichnungsanforderungen übererfüllt. Es seien auch keine "ungeklärten Lücken" in den Aufzeichnungen vorhanden. Das von dem Beklagten bemängelte Verhältnis von Wareneinsatz und Umsatzerlösen sei in einem Kassenbuch weder aufzuzeichnen noch zu erklären.

Programmierprotokolle gebe es nicht, weil die Kasse unverändert geblieben sei, es seien lediglich Artikelpreise eingepflegt und Tastenbelegungen geändert worden. Die Kasse weise keinerlei Manipulationsspuren auf. Es möge ein Sachverständigengutachten eingeholt werden, wonach Manipulationen an der Kasse nicht vorgenommen worden seien.

Es sei nach wie vor die Plausibilisierung der Kasseneinnahmen über den GrandTotal möglich und angeboten worden, ohne dass der Beklagte hiervon Gebrauch machen wolle.

Die - bestrittenen - Buchführungsmängel seien nicht unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalls gewichtet worden.

Der Beklagte habe in der Einspruchsentscheidung die Schätzungsbefugnis dem Grunde nach ausschließlich auf Aufzeichnungsfehler gestützt. Ein von der Richtsatzsammlung abweichender Rohgewinn sei nach der Einspruchsentscheidung nicht für die Schätzungsbefugnis herangezogen worden. Es ergebe sich unter Berücksichtigung des Umstandes, dass im Jahr 2015 erst eröffnet und im Jahr 2017 umgebaut worden sei, dass nur für das Jahr 2016 ein halbwegs normaler Geschäftsbetrieb vorgelegen habe. Der dort erzielte Rohgewinnaufschlagsatz liege deshalb auch nur knapp unterhalb der Richtsatzsammlung.

Bezüglich der Schätzungsmethode dürfe auf einen externen Betriebsvergleich schließlich nur zurückgegriffen werden, wenn interne Daten für eine Hinzuschätzung nicht verwertbar seien. Ausreichend sei ein Sicherheitszuschlag. Ohnehin sei der Wareneinsatz zu korrigieren um Eigenverbrauch, Personalabgaben und Umsonstgaben.

Im Übrigen sei nach dem Beschluss des Bundesfinanzhofes vom 14. Dezember 2022, X R 19/21, klar, dass die Richtsatzsammlung erhebliche Schwächen aufweise und ihre Verwendbarkeit als Schätzungsgrundlage ebenso in Frage stehe wie ihre Verwendbarkeit zur Begründung einer Schätzungsbefugnis dem Grunde nach. Hier vorliegende Umstände der Betriebseröffnung und des Umbaus würden in der Richtsatzsammlung nicht berücksichtigt. A sei als ehemaliges "Zonenrandgebiet" weit hinter der normalen wirtschaftlichen Entwicklung zurückgeblieben. Die Kaufkraft und Schwäche des Ortes spiegele sich im dortigen Warenangebot bekanntermaßen wider. Ebenso seien Daten von Verlustbetrieben in die Richtsatzsammlung nicht eingeflossen, was für den vorliegenden Fall ebenfalls gravierende Bedeutung habe. Von einem neu gegründeten Betrieb werde man in einer wirtschaftlich schwachen Zone nicht erwarten können, dass dieser den Richtsatzwert erreiche. Der unter Berücksichtigung eines Sicherheitszuschlages von 10% erzielte Rohgewinnaufschlagsatz von 130 % für 2016 erscheine daher unter keinem Gesichtspunkt ungewöhnlich. Die sich aus den Verkaufspreisen beim Döner ergebenden Rohgewinnaufschlagsätze lägen zwischen 78 % und 140 % (und seien anhand der vorgelegten Kalkulation verifiziert und bis zur mündlichen Verhandlung unstreitig gewesen). Die Höhe der Preise und Gültigkeit der Speisekarten sei durch Unterlagen belegt. Der Döner sei das ertragsstärkste Produkt.

Der Betrieb sei (auch) geführt worden, um die Immobilie "zu beleben" und attraktiver wirken zu lassen. Gleiches gelte für den Anbau der Terrasse.

Die Klägerin beantragt,

die Bescheide über Einkommensteuern, Solidaritätszuschlag und Zinsen 2015 bis 2017, sowie über den Gewerbesteuermessbetrag 2015 bis 2017 vom 25. Juni 2019 bzw. 16. Dezember 2021, jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2022 zu ändern und die Steuern unter Kürzung der aufgrund der Außenprüfung vorgenommenen Hinzuschätzung von Gewinnen neu festzusetzen und

die Bescheide über Umsatzsteuer und Zinsen 2015 bis 2018 vom 25. Juni 2019 bzw. 16. Dezember 2021 zu ändern und unter Kürzung der aufgrund der Außenprüfung vorgenommenen Hinzuschätzung von Umsätzen neu festzusetzen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf die Einspruchsentscheidung und wiederholt und vertieft ebenfalls sein bisheriges Vorbringen. Er ergänzt, dass auch ein 4/3-Rechner seine Betriebseinnahmen und -ausgaben so festhalten müsse, dass das Finanzamt diese auf Richtigkeit und Vollständigkeit überprüfen könne. Ob gewisse Angaben des Steuerpflichtigen plausibel seien, könne durch eine Verprobung nachgeprüft werden. Hierbei gelte auch die Richtsatzsammlung als wichtiges Indiz, um zu prüfen, ob das Verhältnis von Reingewinn und Umsatz im Vergleich zu anderen Betrieben gleicher Art im Normalbereich liege. Sei dies nicht der Fall, müsse der Steuerpflichtige nachvollziehbare Gründe aufführen, woraus eine solche Abweichung resultiere. Seien die Argumente des Steuerpflichtigen nicht glaubhaft, könnten und dürften die Angaben angezweifelt werden.

Richtig sei, dass formelle Buchführungsmängel nur insoweit zur Schätzung berechtigten, wie sie Anlass gäben, die sachliche Richtigkeit des Buchführungsergebnisses anzuzweifeln. Würden allerdings - wie bei Gaststätten oder Imbissbetrieben - überwiegend Bargeschäfte getätigt, könnten Mängel der Kassenbuchführung der gesamten Buchführung die Ordnungsmäßigkeit nehmen.

Weiter stelle bereits das Fehlen von Programmierprotokollen sowie der übrigen Organisationsunterlagen der Registrierkasse eines Gastwirtes einen formellen Mangel dar, wenn grundsätzlich die Möglichkeit bestehe, die Registrierkasse zu manipulieren. Seien Kasseneinnahmen bei einer Gaststätte täglich nur in einer Summe in das Kassenbuch eingetragen, müsse das Zustandekommen dieser Summe durch Aufbewahrung der angefallenen Kassenstreifen, Kassenzettel und Bons nachgewiesen werden; könnten keine derartigen Nachweise vorgelegt werden, stelle dies einen schwerwiegenden Mangel der Buchführung dar, weil die Barkasse bei Gaststätten von besonderer Bedeutung sei. In Konsequenz daraus genüge in Fällen wie dem Vorliegenden eine lediglich selbst angefertigte (z.B. handschriftliche) Liste der täglichen Umsätze ohne Aufbewahrung weiterer (Grund-) Belege grundsätzlich nicht als ordnungsgemäße Aufzeichnung der Betriebseinnahmen. Vielmehr müssten im Regelfall nach Geldeingang chronologisch geordnete Aufzeichnungen vorliegen, die über eine bloße Belegsammlung hinausgehen. Andernfalls liege regelmäßig ein formeller Mangel der Buchführung vor, der dem Grunde nach zu einer Hinzuschätzung berechtige.

Nachträgliche Programmierprotokolle, die auch die hier behaupteten nachträglichen Preisänderungen enthalten müssten, lägen unstreitig nicht vor. Hierbei handle es sich um einen gewichtigen Mangel. Das Fehlen einer lückenlosen Dokumentation zur Kassenprogrammierung stehe in seinen Auswirkungen auf die Beurteilung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Eröffnung der Schätzungsbefugnis dem Fehlen von Tagesendsummenbons (Z-Bons) bei einer Registrierkasse bzw. dem Fehlen täglicher Protokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse gleich. Die Behauptung der Klägerin, zur Aufzeichnung von Einzeldaten habe nicht die Möglichkeit bestanden, sei unrichtig. Die automatische Speicherung mittels SD-Karte sei - aus unbekannten Gründen - unterdrückt worden. Dass diese Möglichkeit bei der verwendeten Kasse bestehe, ergebe sich aus der von der Klägerin vorgelegten Bedienungsanleitung. Da die verwendete Registrierkasse grundsätzlich jede Art von Manipulation ermögliche und diese nicht ohne jeden Zweifel ausgeschlossen werden könne, wäre auch ein auf dieser Grundlage ermittelter GrandTotal beeinflussbar und folglich wertlos, um die Richtigkeit der Kassendaten im Nachhinein nachzuweisen.

Darüber hinaus sei anhand der vorliegenden Unterlagen nicht erklärbar, weshalb der vergleichsweise hohe Wareneinsatz zu verhältnismäßig geringen Ausgangsumsätzen geführt haben könnte. Die Klägerin selbst habe die Zutaten eines Döners auf 1,39 € kalkuliert, während der preisgünstigste Döner für 4,00 € angeboten wurde. Der niedrigste Rohgewinnaufschlagsatz für Imbissbetriebe liege für den Prüfungszeitraum bei 144%. Bei einer Veräußerung des o.g. Döners zum ermäßigten Steuersatz überschreite die Klägerin ihren durchschnittlichen Rohgewinnaufschlagsatz; denn es ergäbe sich ein Rohgewinnaufschlagsatz von 169%. Ergänzend werde darauf hingewiesen, dass die Rohgewinnaufschlagsätze für andere Produkte zum Teil noch über denen für Döner lägen, z. B. seien für Pizza höhere Aufschlagsätze erzielbar.

Die in den Streitjahren jeweils gültigen Preislisten mit Angaben zum jeweiligen Gültigkeitszeitpunkt lägen nicht vollständig vor. Lediglich für ein Produkt, den billigsten Döner, gebe es für die gesamten Streitjahre eine Übersicht der Klägerin darüber, zu welchem Zeitpunkt welcher Preis gegolten habe.

Schließlich sei keine Vollschätzung vorgenommen worden, denn die Schätzung sei auf Basis des - zugunsten der Klägerin reduzierten - Wareneinsatzes vorgenommen worden. Die Auswahl der Schätzungsmethode stehe im Übrigen im Ermessen des Finanzamtes. Sie dürfe sich an der oberen Grenze des Schätzungsrahmens orientieren und sei grundsätzlich erst dann als rechtswidrig anzusehen, wenn sie den durch die Umstände des Einzelfalles gezogenen Schätzungsrahmen verlässt. Die Heranziehung der Richtsatzsammlung stelle eine anerkannte Methode hierfür dar. Da die angewandte Schätzungsmethode auf dem von der Klägerin angegebenen Wareneinsatz beruhe, sei sie gegenüber einem Sicherheitszuschlag auf den fehlerbehafteten Gewinn vorzugswürdig. Die Schätzung könne auf einen externen Betriebsvergleich gestützt werden, wenn z.B. das Speisenangebot sehr vielfältig sei, die Relevanz der einzelnen Warengruppen schwer ermittelbar sei und die fehlenden Überprüfungsmöglichkeiten (z.B. keine Programmierprotokolle der elektronischen Registrierkasse für die Streitjahre) von der Klägerin zu vertreten seien.

Aufgrund der Eröffnung des Betriebes im Jahr 2015 seien die Gewinnerzielungsmöglichkeiten wahrscheinlich noch begrenzt gewesen, daher sei für dieses Jahr ein vergleichsweise niedriger Rohgewinnaufschlagsatz angesetzt worden. Das Speisenangebot der Klägerin sei in den Streitjahren reichhaltig. Die Bedeutung der einzelnen Warengruppen sei daher schwer zu ermitteln.

Auch wenn die Richtsätze künftig in einem ggf. modifizierten Verfahren gebildet werden sollten, erscheine die bisherige Richtsatzsammlung als Richtschnur im Rahmen einer Schätzung nicht generell ungeeignet.

Der Behauptung der Klägerin, dass ein "halbwegs normaler Geschäftsbetrieb" nur im Jahre 2016 möglich gewesen sei, widerspreche schon die Tatsache, dass der Aufwand für Personal in den Streitjahren entsprechend den EÜR-Daten kontinuierlich und erheblich angestiegen sei. Auch seien keine Umstände erkennbar, warum der anhaltend hohe Wareneinsatz zu den unverhältnismäßig geringen Ausgangsumsätzen geführt haben solle.

Im Jahr 2017 sei zusätzlich der Terrassenbereich mit Sitzplätzen erweitert worden, dies und das Vorhandensein entsprechender Investitionsmittel spreche für einen Betrieb, bei dem die Anwendung bzw. Zugrundelegung von Rohgewinnaufschlagsätzen nicht unverhältnismäßig erscheine.

Die Behauptung der Klägerin, A sei als ehemaliges Zonenrandgebiet - auch ca. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung - weit hinter der normalen wirtschaftlichen Entwicklung zurückgeblieben, sei nicht nachvollziehbar. A sei die größte Stadt des Kreises; im Einzugsbereich lebten weitere 10.000 Menschen. Die Gemeinde sei Mittelzentrum und äußerer Achsenschwerpunkt im Verdichtungsraum um C.

Die verbleibenden Unsicherheiten seien zu Lasten der Klägerin zu würdigen.

Mit Beschluss vom 22. Juni 2023 hat der Senat den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat der Beklagtenvertreter eine (interne) Kalkulation der Rohgewinnaufschlagssätze "anhand Döner-Verkauf" eingereicht. Die Klägerin wendet sich gegen diese Kalkulation.

Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.

A

Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten, das Gericht hat keinen Anlass die Festsetzungen zu ändern § 100 Abs. 1 und 2 FGO.

Die durch den Beklagten laut Betriebsprüfungsbericht vorgenommene (Hinzu-) Schätzung bei der Einkommensteuer für die Jahre 2015 bis 2017 ist ebenso wie die zugleich vorgenommene Berücksichtigung des sich daraus ergebenden und den Gewerbesteuermessbeträgen 2015 bis 2017 zugrunde gelegten Gewinns aus Gewerbetrieb zu Recht erfolgt. Gleiches gilt für die auf dieser Grundlage vorgenommene Umsatzsteuerkalkulation, infolge derer die angefochtenen Umsatzsteuerbescheide 2015 bis 2018 erlassen wurden.

Gemäß § 162 Abs. 1 der Abgabenordnung in der im Streitzeitraum maßgeblichen Fassung - AO - hat die Finanzbehörde unter Berücksichtigung aller maßgeblichen Umstände die Besteuerungsgrundlagen, die sie nicht ermitteln oder berechnen kann, zu schätzen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Nach Absatz 2 Satz 1 und 2 der Norm ist insbesondere dann zu schätzen, wenn der Steuerpflichtige über seine Angaben keine ausreichenden Aufklärungen zu geben vermag, weitere Auskunft oder Versicherung an Eides statt verweigert oder seine Mitwirkungspflicht nach § 90 Abs. 2 AO verletzt, ferner dann, wenn er Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Steuergesetzen zu führen hat, nicht vorlegen kann, wenn die Buchführung oder die Aufzeichnungen der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden oder wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit der vom Steuerpflichtigen gemachten Angaben zu steuerpflichtigen Einnahmen oder Betriebsvermögensmehrungen bestehen.

§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO i.V.m. § 162 AO gibt auch dem Finanzgericht eine entsprechende Schätzungsbefugnis. Dabei ist es grundsätzlich Sache der Tatsacheninstanz, welcher Schätzungsmethode sie sich bedienen will, wenn diese geeignet ist, ein vernünftiges und der Wirklichkeit entsprechendes Ergebnis zu erzielen (vgl. BFH-Urteile vom 19. Juni 1962 - 150/61-, HFR 1963, 60; und vom 24. November 1988 - IV R 150/86-, BFH/NV 1989, 416; BFH-Beschlüsse vom 03. September 1998 - XI B 209/95 -, BFH/NV 1999, 290; und vom 27. Januar 2009 - X B 28/08 -, BFH/NV 2009, 717). Es steht weiter im pflichtgemäßen Ermessen des Finanzgerichts, sich der vom Finanzamt angewendeten Schätzungsmethode anzuschließen oder eine andere Schätzungsart zu wählen (vgl. schon: BFH-Urteil vom 23. Januar 1964 - IV 448/60 -, HFR 1964, 393). Der Steuerpflichtige selbst hat keinen Anspruch auf die Anwendung einer bestimmten Schätzungsmethode (vgl. BFH-Beschlüsse vom 03. September 1998, a.a.O. und vom 27. Januar 2009, a.a.O.). Aus dieser Rechtsprechung, der sich die erkennende Einzelrichterin anschließt, ergibt sich schließlich, dass sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht grundsätzlich nicht verpflichtet sind, das aufgrund der von ihnen gewählten Schätzungsmethode erzielte Ergebnis noch durch die Anwendung einer weiteren Schätzungsmethode zu überprüfen oder zu untermauern (vgl. BFH, Beschluss vom 13. September 2016 - X B 146/15 -, BFH N/V 2016, 1747).

Diese Voraussetzungen liegen vor. Es bestand vorliegend eine Schätzungsbefugnis (siehe sogleich unter 1.), das Gericht schließt sich der von dem Beklagten gewählten Schätzungsmethode an (unter 2.).

1.

Dem Grunde nach besteht für den Beklagten im Streitfall eine Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 1 AO. Die tatsächlichen Einnahmen, die die Klägerin in den Streitjahren im Rahmen des Betriebs ihres Restaurants erzielt haben will, können nicht nachvollzogen werden, weil ihre Aufzeichnungen nicht ordnungsgemäß sind und Anlass besteht ihre sachliche Richtigkeit zu bezweifeln, weshalb sie nicht nach § 158 AO zugrunde zu legen sind.

Nach § 158 Abs. 1 und 2 AO sind Buchführungen und Aufzeichnungen des Steuerpflichtigen, die den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen, der Besteuerung zugrunde zu legen, wenn nach den Umständen des Einzelfalls kein Anlass besteht, ihre sachliche Richtigkeit zu beanstanden - der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und Aufzeichnung folgt also grundsätzlich die Vermutung ihrer sachlichen Richtigkeit.

Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn zulässigerweise nach § 4 Abs. 3 Einkommensteuergesetz (in der im Streitzeitraum jeweils maßgeblichen Fassung; EStG). Für diese Art der Gewinnermittlung wird vorausgesetzt, dass die Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben durch Belege nachgewiesen werden (vgl. BFH-Beschluss vom 07. Februar 2008 - X B 189/07 -, juris). Außerdem ergibt sich nicht nur für die Umsatzsteuer, sondern auch für Zwecke der Einkommensteuer eine Verpflichtung zur Einzelaufzeichnung aus § 22 Umsatzsteuergesetz (in der im Streitzeitraum jeweils gültigen Fassung; UStG) und §§ 63 bis 68 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (in der im Streitzeitraum jeweils gültigen Fassung, UStDV). Denn die Aufzeichnungsverpflichtung aus einem Steuergesetz wirkt, sofern dieses Gesetz keine Beschränkung auf seinen Geltungsbereich enthält oder sich eine solche Beschränkung aus der Natur der Sache ergibt, unmittelbar auch für andere Steuergesetze, also auch für das EStG, (vgl. BFH-Urteil vom 26. Februar 2004 - XI R 25/02 -, BFHE 205, 249, BStBl II 2004, 599). Die Pflicht zur Führung eines Kassenbuches besteht in diesen Fällen - worauf die Klägerin zu Recht hinweist - zwar nicht. Trotzdem müssen Geschäftsvorfälle fortlaufend, vollständig und richtig verzeichnet werden, weshalb insbesondere bei bargeldintensiven Betrieben - wie dem der Klägerin - detaillierte Aufzeichnungen ähnlich einem Kassenkonto oder einem Kassenbericht notwendig sind. Im Ergebnis sind mithin die Regelungen der §§ 145 - 147 AO zu beachten, sodass u.a. nach § 146 Abs. 5 Satz 1 Hs. 2 AO die Aufzeichnungen, die - wie hier - allein nach den Steuergesetzen (hier: UStG) vorzunehmen sind, so geführt werden müssen, dass sie dem konkreten Besteuerungszweck genügen; dies kann etwa durch die geordnete Ablage von Belegen vorgenommen werden oder durch jede andere Maßnahme, die es ermöglicht, die Daten abrufbereit zu konservieren (vgl. zu alldem: BFH-Beschlüsse vom 16. Februar 2006 - X B 57/05-, BFH/NV 2006, 940, m. w. N.; vom 07. Februar 2008 - X B 189/07 -, a.a.O.; und BFH-Urteil vom 20. März 2017 - X R 11/16 -, BFHE 258, 272, BStBl II 2017, 992; FG Hamburg, Beschluss vom 08. Januar 2018 - 2 V 144/17 -, juris, m.w.N.). Die Aufzeichnungen müssen so beschaffen sein, dass es einem sachverständigen Dritten innerhalb einer angemessenen Zeit möglich ist, einen Überblick über die Umsätze des Unternehmens und die abziehbaren Vorsteuern zu erhalten (§ 63 Abs. 1 UStDV, vgl. auch § 145 Abs. 1 AO). Die Geschäftsvorfälle müssen sich insgesamt in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen, § 145 Abs. 1 Satz 2 AO. Die der Gewinnermittlung zugrundeliegenden Belege sind aufzubewahren, § 147 AO; denn nur bei Vorlage geordneter und vollständiger Belege verdient eine Einnahmenüberschussrechnung Vertrauen und kann für sich die Vermutung der Richtigkeit in Anspruch nehmen (vgl. BFH-Beschluss vom 07. Februar 2008 - X B 189/07 -, a.a.O.; vgl. auch: BFH-Urteil vom 13. Dezember 2018 - V R 65/16 -, BFH N/V 2019,303). Wie sich aus § 146 Abs. 4 AO ergibt, sind Buchungen und Aufzeichnungen außerdem vor Manipulationen zu schützen; sie dürfen nicht dermaßen verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Es muss gewährleistet sein, dass nachträgliche Veränderungen ausgeschlossen sind bzw. bei einer späteren Überprüfung nachvollzogen werden können. Besondere Bedeutung kommt in diesem Zusammenhang insbesondere bei einem Gastronomiebetrieb wie dem der Klägerin, bei dem fast ausschließlich Bargeschäfte getätigt werden, der Kassenführung und der Art des Kassensystems zu (vgl. zu alldem: Finanzgericht Rheinland-Pfalz, Urteil vom 27. Februar 2008 - 2 K 2054/07 -, juris). Wer sich einer elektronischen Registrierkasse - etwa einer PC-Kasse - bedient, muss neben den Tagesendsummenbons auch die Anweisungen zur Kassenprogrammierung sowie die Programmierprotokolle der Kasse aufbewahren; wer eine offene Ladenkasse nutzt hat täglich Protokolle über deren Auszählen aufzubewahren (vgl. BFH-Urteil vom 25. März 2015 - X R 20/13 -, BFHE 249, 390, BStBl I 2015, 743; und BFH-Beschluss vom 11. Januar 2017 - X B 104/16 -, BFH/NV 2017, 56 [BFH 19.09.2016 - X B 159/15]). Sowohl das Fehlen dieser Unterlagen - als auch eine Unvollständigkeit der Tagesendsummenbons - stellen jeweils für sich genommen bereits so gravierende Mängel dar, dass bei bargeldintensiven Betrieben eine Schätzungsbefugnis dem Grunde nach besteht (vgl. BFH, Urteil vom 25. März 2015 - X R 20/13 -, a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich die erkennende Einzelrichterin anschließt, können schließlich auch erhebliche Zweifel an der Richtigkeit von Steuererklärungen und diesen zu Grunde liegenden Aufzeichnungen im Sinne der §§ 158, 162 AO dadurch begründet werden, dass der erklärte Rohgewinnaufschlagsatz erheblich von der amtlichen Richtsatzsammlung abweicht (vgl. BFH-Urteil vom 24. November 1993 - X R 12/89 -, BFH/NV 1994, 766, m.w.N.; vgl. auch: FG München, Urteil vom 14. Oktober 2004 - 15 K 959/02 -, juris).

Diese Anforderungen erfüllen die bzgl. des Betriebes der Klägerin durch die Betriebsprüfung vorgefundenen Aufzeichnungen nicht.

So rechtfertigen vorliegend schon die fehlenden Programmierprotokolle für die im Betrieb der Klägerin verwendete elektronische Registrierkasse die Schätzung dem Grunde nach. Soweit die Klägerin (bzw. ihr Bevollmächtigter) vorträgt, sie sei von dem Verlangen nach Programmierprotokollen durch das Finanzamt bereits "genervt", da - trotz Nachfrage - keine Antwort darauf gegeben werde, was hiermit gemeint sei, so sei darauf hingewiesen, dass hierunter sämtliche Anweisungen zur Kassenprogrammierung sowie Aufzeichnungen über etwaige nachträgliche Änderungen im Programm der elektronischen Kasse gemeint sind; hierunter fallen auch Nachweise zu den Programmabrufen nach jeder Änderung und Protokolle über die Einrichtung von Verkäufer- und etwaiger Trainingsspeicher u.ä.. All dies ist für den gesamten Streitzeitraum lückenlos vorzulegen, was hier nicht geschehen ist. Die Klägerin trägt vor, dass ihre Kasse bei Erwerb eine "Grundprogrammierung" erhalten habe und in der Folge Tastenbelegungen und Preisänderungen angepasst bzw. eingepflegt worden seien. Welche Veränderungen im Einzelnen vorgenommen wurden (insbesondere auch, wann welche Preisänderungen eingepflegt wurden), wird im Einzelnen nicht näher dargelegt. Soweit im gerichtlichen Aussetzungsverfahren (3 V 95/19) als Anlage A 3 eine Rechnung der Fa. C vom 14. April 2015 vorgelegt wird, ergibt sich hieraus nur, dass eine (Grund?) Programmierung und Tastenbeschriftung vorgenommen wurde. Wie die Grundprogrammierung im Einzelnen aussah, ob, wann und welche Änderungen danach vorgenommen wurden, ist nicht ersichtlich und auch nicht substantiiert vorgetragen. Bezüglich der Programmierung der Kasse gibt es damit lediglich Nachweise über den Programmierungszustand im Zeitpunkt der Betriebsprüfung im Dezember 2018.

Allein dieser Mangel der fehlenden Organisationsunterlagen stellt nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs, der sich anzuschließen ist, einen schweren Mangel dar, der in seinen Auswirkungen auf die Beurteilung der formellen Ordnungsmäßigkeit der Buchführung und der Eröffnung der Schätzungsbefugnis dem Fehlen von Tagesendsummenbons bei einer Registrierkasse bzw. dem Fehlen täglicher Protokolle über das Auszählen einer offenen Ladenkasse gleichsteht. In all diesen Fällen lässt der formelle Mangel zwar keinen sicheren Schluss auf die Verkürzung von Einnahmen zu. Gleichwohl gibt es systembedingt keine Gewähr mehr für die Vollständigkeit der Erfassung der Bareinnahmen, ohne dass eine nachträgliche Ergänzung der Dokumentation bzw. eine anderweitige Heilung des Mangels möglich wäre. Elektronische Kassensysteme sind durch Umprogrammierung in nahezu beliebiger Weise manipulierbar; von derartigen Manipulationsmöglichkeiten wird gerichtsbekannt durchaus Gebrauch gemacht. Es ist daher von erheblicher Bedeutung, dass ein Betriebsprüfer (und Gericht) sich davon überzeugen kann, wie die Kasse im Zeitpunkt ihrer Auslieferung und Inbetriebnahme programmiert war, sowie ob bzw. in welchem Umfang nach der Inbetriebnahme der Kasse spätere Programmeingriffe vorgenommen worden sind. Für den Steuerpflichtigen überschreitet der mit der Dokumentation verbundene Aufwand die Grenze des Zumutbaren nicht (vgl. zu alldem: BFH-Urteil vom 25. März 2015 - X R 20/13 -, BFHE 249, 390, BStBl II 2015, 743; vgl. auch: FG Münster, Urteil vom 17. Januar 2020 - 4 K 16/16 E,G,U,F -, EFG 2020, 509, m.w.N.).

Im Ergebnis kann ohne die Organisationsunterlagen der Kasse nicht nachvollzogen werden, wie die auf den Z-Bons ausgedruckten Summen zustande gekommen sind und ob insoweit Manipulationen der Summe möglich waren (vgl. FG Kassel, Urteil vom 24. März 2014 - 4 K 2340/12 -, juris). Vorliegend sind schon die konkret gespeicherten Preise in Verbindung mit den jeweiligen Zeiträumen nicht nachvollziehbar geschweige denn mit - hier nur unvollständig vorliegenden - Preislisten abgleichbar. Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin bezogen auf den gesamten Streitzeitraum nur unvollständige Preislisten vorlegt, im Einzelnen:

einen Flyer gültig ab 8.4.2015 ("Neueröffnung"), hieraus ergeben sich u.a.: Döner 3,80 €, Currywurst 2,50 €, Pizza Margherita 4,50 € / 5,50 €,

einen Flyer gültig ab 1.5.2018, hieraus ergeben sich u.a.: Döner 4,00, Currywurst 3,00 Pizza Margherita 5,80 € / 6,80 €.

Dass diese Preislisten - entgegen der Behauptung der Klägerin - bezogen auf den Streitzeitraum nicht vollständig sein können, ergibt sich schon daraus, dass die Klägerin im gerichtlichen Aussetzungsverfahren (3 K 95/19) folgende Preise (nur Döner) mitteilt:


Datum    Preis in €
Ab. 17.4.2014    2,99
Ab 1.9.2015    3,80
Ab 1.1.2016    4,00
Ab 24.9.2017    2,99
Ab 1.11.2017    4,00
Allein die von der Klägerin so angegebenen Preisschwankungen für einen Döner werden mit den beiden Flyern offensichtlich nicht abgedeckt - ob dies für das weitere vielfältige Speisenangebot anders ist, lässt sich so ebenfalls nicht ermitteln.

Zwar kann das Gewicht des Mangels unzureichender Organisationsunterlagen zurücktreten, wenn der Steuerpflichtige für den konkreten Einzelfall darlegt, dass die von ihm verwendete elektronische Kasse trotz ihrer Programmierbarkeit ausnahmsweise keine Manipulationsmöglichkeiten eröffnet (vgl. BFH, Urteil vom 25. März 2015 - X R 20/13 -, a.a.O.). Eine fehlende Manipulationsmöglichkeit der konkret verwendeten Registrierkasse wird von der Klägerin indes weder behauptet, noch ist dies naheliegend. Denn ein programmierbares (elektronisches) System lässt sich stets durch (sachwidrige oder unrichtige) Programmierung manipulieren - hiervon zu trennen, wäre dann allenfalls die Frage nach der Erheblichkeit der Manipulationsmöglichkeiten.

Die Klägerin hat die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum "Fehlen von Manipulationsspuren" angeboten - dies allerdings nur schriftsätzlich, einen entsprechenden Beweisantrag im Termin zur mündlichen Verhandlung hat sie nicht gestellt. Hierzu war allerdings auch unter Berücksichtigung des Amtsermittlungsgrundsatzes in § 76 Abs.1 FGO nicht weiter aufzuklären. Ihr diesbezügliches Vorbringen ist indes vor dem Hintergrund, dass sie selbst einräumt, Benutzereinstellungen und eingepflegte Preise geändert zu haben, nicht substantiiert genug. Sie hätte die Erheblichkeit eines Gutachtens anhand geeigneter (Ersatz-)Unterlagen, ggf. unter Hilfestellung durch den Kassenhersteller, darlegen und so insbesondere den Zustand der Programmierung, ausgehend vom Werkszustand, erläutern müssen. Zumindest wären substantiiertere Angaben über Art, Häufigkeit und konkrete Durchführung der Umprogrammierung erforderlich gewesen. Erst wenn das Gericht aufgrund dieses Vortrags Zweifel an der konkreten Manipulation der Registrierkasse hat, ist es verpflichtet, die Kasse (gutachterlich) untersuchen zu lassen, bevor es allein aufgrund der fehlenden Organisationsunterlagen von einer formell nicht ordnungsgemäßen Kassenführung ausgeht (vgl. BFH-Beschluss vom 11. Januar 2017 - X B 104/16 -, BFH/NV 2017, 561).

Ebensowenig hilft an dieser Stelle die angebotene Vorlage des GrandTotal der Kasse weiter, weil dieser nur die erfassten Umsätze bestätigt - mithin die, die aufgrund fehlender Programmierunterlagen nicht lückenlos nachvollzogen werden könnten. Darüberhinaus kann schließlich nur das, was erfasst (gebongt) wurde, im GrandTotal auftauchen.

Dass die erklärten Einnahmen - unstreitig - die Rohgewinnaufschlagssätze im Streitzeitraum zum Teil deutlich unterschreiten (s.o.) nährt weitere Zweifel an der Richtigkeit der Aufzeichnungen der Klägerin. Diese vermag die Klägerin zur Überzeugung des Gerichts auch nicht hinreichend zu erklären. Soweit sie diese mit der Strukturschwäche des Standortes des Imbisses in A zu erklären sucht, verfängt dies nicht. Insoweit weist der Beklagte zu Recht darauf hin, dass A eine sog. Mittelstadt darstellt, die noch am Rand des sog. "Speckgürtels" um die Stadt C belegen ist. Unter Berücksichtigung dessen, dass ein Döner-Imbiss in der Regel kein besonders exklusives oder kaufkräftiges Publikum bedient oder ansprechen soll, wäre selbst die von der Klägerin unterstellte "Strukturschwäche" As keine Erklärung für die gravierende Abweichung der sich aus den erklärten Einnahmen gegenüber den untersten Rohgewinnaufschlagssätzen der Richtsatzsammlung ergebenden Werte. Hier ist auch zu berücksichtigen, dass die Klägerin tatsächlich ihr Personal bzw. die Ausgaben hierfür in den Streitjahren kontinuierlich und erheblich aufgestockt hat und in 2017 erhebliche Mittel in den Terrassenbau gesteckt hat - Maßnahmen, die in einem unterdurchschnittlich gut laufenden Betrieb kaum nachvollziehbar sind und für die die Klägerin auch keine überzeugende Erklärung geliefert hat. Soweit sie im Termin zur mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen hat, der Betrieb und - auf Nachfrage des Gerichts - auch der Terrassenanbau habe die Immobilie "beleben" sollen, so erklärt dies die o.g. Ungereimtheiten nicht.

Der Beklagte hat dieses Missverhältnis auch bereits in seiner Einspruchsentscheidung aufgegriffen und (auch) zur Grundlage seiner Schätzungsbefugnis herangezogen.

Letztlich könnten diese Ungereimtheiten und die sich daraus ergebenden Zweifel an der Vollständigkeit der Aufzeichnungen der Klägerin ohnehin dahingestellt bleiben, weil - wie gezeigt - allein die fehlenden Organisationsunterlagen einen gravierenden Mangel darstellen, der die Schätzungsbefugnis eröffnet. Ebenso dahin gestellt bleiben können die von dem Beklagten bemängelten - und von der Klägerin erklärten - fehlenden Z-Bons, Finanzberichte und Stornobelegen. Damit kam es schließlich auch nicht mehr darauf an, ob und wie die Barentnahmen korrekt erfasst wurden (hierauf stellt die Berichterstatterin im AdV-Verfahren ab), insbesondere ob die gewählte Software hierzu ausreichend ist (verneinend etwa für "Excel"-Tabellen: FG Hamburg, Urteil vom 17. September 2015 - 2 K 253/14 -, juris, und Beschluss vom 08. Januar 2018 - 2 V 144/17 -, juris; FG Düsseldorf, Beschluss vom 10. Oktober 2011 - 6 V 2105/11 A (K,G,U,F) -, juris; FG Münster, Urteil vom 20. Dezember 2019 - 4 K 541/16 E,G,U,F, a.a.O.).

2.

Das Gericht schließt sich hinsichtlich der Schätzungsmethode und deren Ergebnis der von dem Beklagten vorgenommenen (Teil-)Schätzungsmethode unter Anwendung der amtlichen Richtsatzsammlung an.

Der Beklagte ist bei der Wahl der Schätzungsmethode in den Grenzen seines Ermessens grundsätzlich frei (s.o.). Die Anknüpfung an objektiv feststellbare Tatsachen genießt insoweit allerdings Vorrang gegenüber abstrakten Überlegungen, zumindest sofern sich daraus plausible Schätzungsergebnisse ergeben (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar 2017 - III R 28/14 -, BFHE 256, 403, BStBl II 2017, 743). Die Behörde muss sich für eine Schätzungsmethode entscheiden, welche die größte Gewähr dafür bietet, mit zumutbarem Aufwand das wahrscheinlichste Ergebnis zu erzielen (vgl. zu alldem auch: Seer in: Tipke/Kruse, AO/FGO, 176. Lieferung, 7/2023, § 162 AO, Rn. 52, m.w.N.). Das gewonnene Schätzungsergebnis muss schlüssig, wirtschaftlich möglich und vernünftig sein; verlässt die Schätzung den durch die Umstände des Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen, ist sie rechtswidrig (vgl. BFH-Urteil vom 17. Juni 2004 - IV R 45/03 -, BFH N/V 2004, 1618, m.w.N.). Die Anwendung der amtlichen Richtsatzsammlung ist eine in ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs anerkannte Schätzungsmethode (vgl. BFH- Beschlüsse vom 28. März 2001 - VII B 213/00 -, BFH N/V 2001, 1217; vom 14. August 2018 - XI B 2/18 -, BFH/NV 2019, 1; und vom 08. August 2019 - X B 117/18 -, BFH N/V 2019, 1219).

Diese Voraussetzungen liegen hier vor.

Der Beklagte hat seiner Schätzung die von der Betriebsprüfung festgestellten Aufzeichnungen und Belege über den Wareneinkauf im Streitzeitraum zugrunde gelegt. Dass diese unvollständig oder unrichtig sein sollen, ist weder vorgetragen noch bestehen hierfür Anhaltspunkte. Der Beklagte hat den Wareneinsatz zudem korrigiert, soweit hierbei Kosten für Betriebs- und Hilfsmittel abzuziehen waren. Auch die Korrektur in zeitlicher Hinsicht (in den Fällen, in denen das erfasste Rechnungsdatum nicht zum Lieferdatum passte) begegnet keinen durchgreifenden Bedenken. Insgesamt wurde der von der Klägerin aufgezeichnete Wareneinsatz damit zugunsten der Klägerin korrigiert. Entnahmen wurden für alle Streitjahre berücksichtigt. Für den Schätzungszeitraum liegt damit eine hinreichende Anknüpfung an objektiv feststellbare Tatsachen vor, bei denen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit von einer realitätsgerechten Wiedergabe der Geschäftsvorfälle ausgegangen werden kann (vgl. BFH-Urteil vom 16. Dezember 2021 - IV R 2/18 -, BFH/NV 2022, 313). Soweit die Klägerin bemängelt, dass Umsonstgaben nicht berücksichtigt worden seien, stellt dies keinen Fehler der Ermittlung der Schätzungsgrundlage dar, da weder vorgetragen noch ersichtlich ist, in welcher Höhe diese tatsächlich erfolgt sind

Dass die im Rahmen der Prüfung vorgelegten Tagesendsummenbons (Z-Bons) bei der Schätzung unberücksichtigt geblieben sind, begegnet keinen Bedenken, weil ohne die Organisationsunterlagen der Kasse nicht nachvollzogen werden kann, wie die auf den Z-Bons ausgedruckten Summen zustande kamen und ob insoweit Manipulationen der Summe möglich waren (s.o., vgl. FG Kassel, Urteil vom 24. März 2014 - 4 K 2340/12 -, juris).

Der Beklagte hat, indem er die Kalkulation der Betriebsprüfung aufgegriffen hat, ausgehend von dem Wareneinkauf in den Streitjahren Rohgewinnaufschlagsätze von 144% (2015) bzw. 223% (2016 bis 2018) angewandt. Hiergegen ist nichts einzuwenden.

Nach den amtlichen Richtsatzsammlungen lagen die Rohgewinnaufschlagssätze für Imbissbetriebe in den Streitjahren 2015-2018 zwischen 144% und 376% (Mittelwert: 223%), Die Werte in den Richtsatzsammlungen bilden - obgleich sie keine Rechtsnormen sind - nach den Erfahrungssätzen realistische Einnahmen der dort genannten Restaurants ab. Der von dem Beklagten gewählte Rohgewinnaufschlagsatz bewegte sich in den Jahren 2016 bis 2018 im mittleren Rahmen der Werte für Imbissbetriebe, im Jahr 2015 an der unteren Grenze. Damit verlässt die Schätzung weder den Rahmen dessen, was durchschnittlich in Imbissbetrieben erzielbar ist, noch den durch die Umstände des Einzelfalls gezogenen Schätzungsrahmen. Der Beklagte hat bereits berücksichtigt, dass im Eröffnungsjahr 2015 wegen üblicher Schwierigkeiten im Anlaufprozess und der nachfolgenden Etablierungsphase die Berücksichtigung eines auch nur durchschnittlichen Satzes unverhältnismäßig wäre. Dem ist beizupflichten. Für die Folgejahre kann dies indes nicht gelten - insoweit beschreibt die Klägerin zumindest das Jahr 2016 als Jahr mit "einigermaßen normalem Geschäftsbetrieb". Dass der Terrassenanbau in den Monaten April bis September 2017 zu (erheblichen) Umsatzeinbußen geführt haben soll, wird nur pauschal vorgetragen. Die geltend gemachte Konkurrenz durch vergleichbare Betriebe im Umfeld des Imbisses der Klägerin kann der Schätzung der Höhe nach ebenfalls nicht entgegengehalten werden. Soweit auf das Restaurant verwiesen wird (Eröffnung 2015) ist schon aufgrund der unterschiedlichen Struktur der Betriebe nicht lebensnah davon auszugehen, dass dies dem Umsatz des klägerischen Betriebes erheblichen Schaden zufügen könnte. Denn Restaurants, in denen in der Regel mittags und abends vor Ort und unter größerem Zeitaufwand Speisen angeboten und konsumiert werden, sprechen eine andere Zielgruppe an als ein Imbiss, dessen Geschäft regelmäßig auf weniger zeitaufwändige Speiseneinnahme bzw. auch in großem Umfang Speisenmitnahme ausgerichtet ist - hinzu kommt die fehlende Vergleichbarkeit des angebotenen Sortiments. Zwar gilt dies nicht für die geltend gemachte Konkurrenz durch einen weiteren Imbiss, dieser eröffnete indes erst im Juli 2017 und kann sich damit frühestens ab dort ausgewirkt haben. Sich hieraus ergebenden Unschärfen bzgl. der Beständigkeit des Umsatzes im Betrieb der Klägerin trägt die Wahl des mittleren Rohgewinnaufschlagsatzes hinreichend Rechnung.

Die mit dieser Schätzung unter Umständen notwendigerweise verbundenen Unsicherheiten und Abweichungen von den tatsächlichen Verhältnissen sind insoweit hinzunehmen und gehen zulasten der Klägerin, die ihren Aufzeichnungspflichten nicht in der gesetzlich vorgeschriebenen Weise nachgekommen ist (vgl. FG Hamburg, Beschluss vom 08. Januar 2018 - 2 V 144/17 -, juris, m.w.N.; FG Münster, Urteil vom 31. Oktober 2000 - 5 K 6660/98 E -, juris).

Dass und welche andere Schätzungsmethode "richtiger" gewesen wäre bzw. eine größere Wahrscheinlichkeit für die Widerspiegelung der tatsächlichen Verhältnisse bieten würde, ist nicht erkennbar und wird auch nicht substantiiert vorgetragen. Soweit ein Sicherheitszuschlag von 10% von der Klägerin für sachgerecht(er) gehalten wird, kann dem nicht gefolgt werden, da Basis dessen die in Zweifel stehenden Einnahmenaufzeichnungen wären. Weiter mussten sich Beklagter und Gericht hier auch nicht vorzugswürdig an der von der Klägerin erstellten Kalkulation für einen Döner orientieren. Soweit die Klägerin hier unter Berücksichtigung eines Wareneinsatzes von 1,39 € für einen Döner bei Verkaufspreisen von 2,99 €, 3,80 € bzw. 4,00 € (jeweils brutto) im Streitzeitraum Rohgewinnaufschlagsätze von 78,57 %, 127,85 % bzw. 140 % errechnet, können diese Werte nicht taugen, um für den gesamten Streitzeitraum und über die gesamte Produktpalette des Imbisses angewandt zu werden. Diesbezüglich ist zu berücksichtigen, dass der niedrigste Verkaufspreis von 2,99 € nach Angaben der Klägerin lediglich für 6 Monate im gesamten Streitzeitraum galt, während im weit überwiegenden Zeitraum (23 Monate allein von April 2015 bis Dezember 2017) der Preis von 4,00 € galt, mit dem sich bei Abgabe zum ermäßigten Steuersatz schon ein Rohgewinnaufschlagsatz von 168% ergibt und mit dem die von der Klägerin erklärten Rohgewinnaufschlagssätze von 72 % - 109 % in 2015-2017 schon deutlich übertroffen werden. Wenn die Klägerin angibt, der Döner sei in einem Betrieb wie dem ihren stets die "cashcow" und abgabenstärkstes Produkt ist schon nicht nachvollziehbar, weshalb sie in weiten Teilen des Streitzeitraums den Rohgewinnaufschlagsatz von 140% bzw. 168% (bei einem Verkaufspreis von 4,00 €) derart deutlich unterschreitet. Soweit sie diesbezüglich vorträgt, die anderen Produkte seien schlechter kalkuliert, bleibt dies vollkommen im Vagen. Weiter handelt es sich bei dem Döner nicht um das einzige Produkt im Gewerbe der Klägerin - wenngleich zuzugeben ist, dass dieser nach der Lebenserfahrung in der Regel das "beliebteste" Produkt in einem derartigen Imbiss sein dürfte. Vielmehr wurden aber - ausweislich der Speisekarten und der vorgelegten Z-Bons - eine Vielzahl verschiedenster Speisen angeboten, zudem Getränke, welche (auch im Verhältnis zum Dönerverkauf) in nicht lediglich untergeordnetem Umfang abgegeben wurden. Auf dieser Basis kann eine Kalkulation, die sich nur auf eines von zahlreichen angebotenen Produkten bezieht und dessen Preis im Streitzeitraum schwankte, nicht als "wahrscheinlichste" Schätzungsmethode herangezogen werden.

Auf die von dem Beklagten im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegte Kalkulation war aus den o.g. Gründen nicht mehr zurückzugreifen. Der Beklagte hatte diese selbst lediglich als Grundlage für ein Verständigungsangebot bezeichnet.

Vor diesem Hintergrund hat das Gericht keinen Anlass, von seiner eigenen Schätzungsbefugnis Gebrauch zu machen, es schließt sich für dieses Verfahren viel mehr den Erwägungen des Beklagten an.

Nach alldem konnte der Beklagte die so geschätzten Einnahmen und die darauf basierende Gewinnermittlung in nicht zu beanstandender Weise den Bescheiden über Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag (und Zinsen) für die Jahre 2015 bis 2017 zugrunde legen. Gleiches gilt in Bezug auf die angegriffenen Bescheide über die Gewerbesteuermessbeträge 2015 bis 2017.

Entsprechend wurde schließlich für die Bescheide über die Umsatzsteuer in nicht zu beanstandender Weise von den nunmehr geschätzten Umsätzen ausgegangen, sodass die Festsetzung der Umsatzsteuer (zzgl. Zinsen) ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken begegnet. Dies gilt insbesondere auch bzgl. der durch den Beklagten von der Betriebsprüfung übernommenen prozentualen Anteile der Erlöse zum ermäßigten Steuersatz in Höhe von 7%. Da die Aufzeichnungen der Klägerin über die Trennung der Entgelte nicht verwertbar waren (s.o.), bestand auch insoweit eine Schätzungsbefugnis. Die Aufteilung von 70/30 (7%-/ 19%-Umsätze) in 2015 und 2016 erscheint nicht unwahrscheinlich. Entsprechendes gilt für die Aufteilung 60/40 im Jahr 2017, in dem (zumindest für die zweite Hälfte des Jahres) ein großzügiger überdachter Terrassenbereich mit mehreren Sitzplätzen angebaut worden ist. Die Umsatzsteuererklärungen der Klägerin für 2015 bis 2017 weisen zum Teil ähnliche Verhältnisse aus (2015: rund 73% zum ermäßigten Steuersatz; 2016 rund 80%; 2017: rund 6 %). Es ist damit nicht ersichtlich, dass andere Werte - insbesondere die von der Klägerin begehrte 20/80 Aufteilung über den gesamten Streitzeitraum - wahrscheinlicher sind. Die von der Klägerin selbst erklärten Vorsteuerabzüge haben schließlich in allen Streitjahren weiterhin Berücksichtigung gefunden.

B

Die Kostenentscheidung folgt aus § 143 Abs. 1, § 135 Abs. 1 FGO.

C

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor, § 115 Abs. 2 FGO. Solche ergeben sich insbesondere nicht daraus, dass der Bundesfinanzhof mit Beschluss vom 14. Dezember 2022 im Revisionsverfahren X R 19/21 das Bundesministerium der Finanzen gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 FGO zum Beitritt aufgefordert hat und dies damit begründet hat, dass sich der Bundesfinanzhof bislang in keiner Entscheidung näher damit auseinandergesetzt habe, auf welchen Grundlagen und Parametern die Richtsätze des Bundesministeriums der Finanzen beruhten, wie sie zustande kämen und welche Auswirkungen sich hieraus auf die Tauglichkeit eines äußeren Betriebsvergleichs anhand der Richtsatzsammlung ergäben (vgl. BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2022 - X R 19/21 -, BFHE 278, 428). Der Bundesfinanzhof sieht "weiterhin Klärungsbedarf über das Zustandekommen der einzelnen Richtsätze", es würden zudem "statistische Unzulänglichkeiten eingewandt" (BFH-Beschluss vom 14. Dezember 2022 - X R 19/21 -, a.a.O.). Der Bundesfinanzhof weist im selben Beschluss darauf hin, dass er in ständiger und gefestigter Rechtsprechung die Schätzung von Besteuerungsgrundlagen durch einen äußeren Betriebsvergleich anhand der amtlichen Richtsatzsammlung anerkannt habe und diese als Hilfsmittel der Verprobung und Schätzung der Umsätze und Gewinne anerkannt habe. Diese gefestigte Rechtsprechung gibt der Bundesfinanzhof indes in dem Beschluss weder auf noch stellt er dies konkret in Aussicht. Vielmehr ergeht der Beschluss "ungeachtet" der bisherigen Rechtsprechung im Rahmen eines laufenden Revisionsverfahrens. Vor diesem Hintergrund ist eine Zulassung der Revision im Zeitpunkt der hier zu treffenden Entscheidung nicht geboten.

Vorschriften§ 162 Abs. 1 AO

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