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10.11.2006 · IWW-Abrufnummer 063266

Landgericht Essen: Beschluss vom 04.04.2006 – 13 S 25/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


13 S 25/06
8 C 394/05AG Bottrop
Verkündet am 04.04.2006

LANDGERICHT ESSEN

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Essen durch die Richter am Landgericht I., Dr. R. und I. auf die mündliche Verhandlung vom 4.4.2006 für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21. Dezember 2005 verkündete Urteil des Amtsgerichts Bottrop - 8 C 394/05 - teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 512, 45 ? nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 8.3.2005 zu zahlen.

Die weitergehende Klage bleibt abgewiesen.

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 14% und die Beklagten 86 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe:

I.

Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist. Das Gericht lässt eine Revision nicht zu, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO nicht vorliegen, und der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteigt nicht einen Betrag von 20.000,00 ?, § 26 Nr. 8 EGZPO.

II.

Die zulässige Berufung ist in dem tenorierten Umfang erfolgreich. Darüber hinaus unterliegt sie der Zurückweisung.

Der Klägerin steht aus dem Verkehrsunfallereignis vom 14.2.2005 ein weiterer Schadensersatzanspruch in Höhe von 512, 45 ? nebst geltend gemachter Zinsen zu.

1.
Die Beklagten haften der Klägerin nach den §§ 7 Abs. 1, 18 Abs. 1 StVG, 3 PflichtVersG für die ihr anlässlich des Verkehrsunfallereignisses vom 14.2.2005 entstandenen Schäden dem Grunde nach zu 100%.
Im Rahmen der nach § 17 Abs. 1, 2 StVG notwendigen Abwägung der jeweils feststehenden Verursachungsbeiträge tritt die Betriebsgefahr der Klägerin vollständig hinter der Vorfahrtsverletzung (§ 8 Abs. 1 Satz 1 StVO) des Beklagten zu 1. zurück (Vgl. Jagusch/Hentschel, 35. Aufl., § 8 StVO Rz. 69 m.w.N.). Hierüber herrscht im Ergebnis unter den Parteien Einigkeit.

2.
Innerhalb der auszugleichenden Schäden befinden sich noch drei Schadenspositionen im Streit. Aus diesen Positionen kann die Klägerin noch insgesamt 512, 45 ? verlangen. Im Einzelnen:

a. Mietwagenkosten nach dem Unfallersatztarif (= noch 512, 96 ?)
Die Klägerin kann vorliegend die höheren entstandenen Kosten nach dem Unfallersatztarif beanspruchen.

Mietwagenkosten sind nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich erstattungsfähig. Insoweit ist allerdings als Herstellungsaufwand nur der Betrag erstattungsfähig, den ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage des Geschädigten für zweckmäßig und notwendig halten darf. Dabei ist der Geschädigte nach dem Wirtschaftlichkeitsgebot gehalten, im Rahmen des ihm Zumutbaren von mehreren möglichen den wirtschaftlicheren Weg zur Schadensbeseitigung zu wählen.

Die Frage, inwieweit der Geschädigte vom Schädiger Erstattung der Mietwagenkosten nach dem Unfallersatztarif verlangen kann, ist mehrfach vom BGH inzwischen entschieden worden (BGH in VersR 2005, 239; 2005, 241; NJW 2005, 1041; NJW 2005, 1043 und NJW 2005, 1933). Dieser Rechtsstreit gibt keine Veranlassung die Rechtsprechung in Frage zu stellen. Danach kann der Geschädigte nicht ohne weiteres Mietwagenkosten nach dem hohen Unfallersatztarif verlangen, da sich dieser Tarif nicht mehr nach Angebot und Nachfrage bestimmt hat, sondern nach einem gleichförmigen Angebot aller Anbieter. Dementsprechend sind nach einem sogenannten Unfallersatztarif geschuldete Kosten grundsätzlich nur insoweit zu ersetzen, als sie tatsächlich zur Herstellung des Zustandes erforderlich sind, der ohne die Schädigung bestehen würde. Dementsprechend kommt es darauf an, ob und inwieweit der geltend gemachte Unfallersatztarif nach seiner Struktur als erforderlicher Aufwand zur Schadensbeseitigung angesehen werden kann.

Dementsprechend verlangt der BGH in einem ersten Schritt notfalls mittels eines Sachverständigengutachtens zu klären, inwieweit ausgehend von einem Normaltarif der höhere Preis betriebswirtschaftlich gerechtfertigt ist. Die Beweislast obliegt insoweit dem Geschädigten.

Entgegen der Ansicht der Beklagten ergibt sich damit keinesfalls generell, dass der Geschädigte nicht die aufgewandten Kosten für den Unfallersatztarif geltend machen kann. Aus allgemeinen Erwägungen heraus kann nicht die Erstattungsfähigkeit verneint werden (BGH NJW 2005, 1933 ausdrücklich).

Eine Erstattungsfähigkeit kann vorliegend auch nicht mit dem Hinweis auf § 315 BGB verneint werden (Vgl. OLG Naumburg NZV 1996, 233). Dabei muss die Kammer sich nicht mit der Frage beschäftigen, ob es ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens überhaupt zutreffend wäre, die einseitige Festlegung des Unfallersatztarifes in dieser Höhe durch den Autovermieter als unbillig anzusehen. Jedenfalls beruhte vorliegend die Höhe des Unfallersatztarifes nicht auf einer einseitigen Festlegung des Autovermieters sondern einer geschlossenen Vereinbarung.

Da die Klägerin durch die Überreichung der Kalkulationsgrundlagen der L-GmbH in ausreichender Weise substantiiert die Grundlagen zur Bestimmung des angemessenen Tarifes beigebracht hat, wäre hierzu wohl ein Sachverständigengutachten, wie von Klägerin gefordert, einzuholen, wenn es auf diese Frage ankäme.

Vorliegend kann die Kammer aber bereits aus einem anderen Grunde die Erstattungsfähigkeit der angefallenen Kosten nach dem Unfallersatztarif bejahen.

Der BGH (a.a.O.) verneint eine Erstattungsfähigkeit nicht bereits dann, wenn der Unfallersatztarif aus betriebswirtschaftlicher Sicht so nicht erforderlich ist. Mit Rücksicht auf die subjektbezogene Schadensbetrachtung kann der Geschädigte gleichwohl Erstattung des teureren Unfallersatztarifs verlangen, wenn ihm der Nachweis gelingt, ein günstigerer Normaltarif sei für ihn nicht zugänglich (BGH a.a.O.). Eine zwingende Notwendigkeit der Prüfung der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit vorab besteht nicht (OLG Zweibrücken ? Urteil vom 29.6.2005 ? 1 U 9/05). Der Klägerin war ein günstigerer Normaltarif nicht zugänglich. Hier ist unstreitig, dass die Klägerin keine finanziellen Möglichkeiten auf eine Vorauszahlung eines Mietfahrzeuges hat. Des weiteren ist sie nicht in der Lage, über eine Kreditkarte ein Fahrzeug anzumieten. Bislang hat die Beklagte lediglich pauschal bestritten, dass eine Anmietung zum Normaltarif für die Klägerin nicht möglich wäre. Unstreitig ist aber geblieben, dass die Anmietung eines Mietfahrzeuges ohne Kreditkarte und Vorauszahlung zum Normaltarif weder bei der Kremser GmbH noch bei einem anderen Vermieter möglich gewesen wäre. Vor diesem Hintergrund ist das Bestreiten der Beklagten unbeachtlich.

Für die Entscheidung kommt es damit nicht an, dass die Klägerin keine weiteren Vergleichangebote eingeholt hat. Die Kammer kann insofern offen lassen, ob sie dazu verpflichtet war. Jedenfalls hätte das Einholen der Vergleichsangebote allenfalls günstigere Normaltarife bei anderen Anbietern ergeben. Auf diese muss sich die Klägerin nicht verweisen lassen, weil sie zur Anmietung eines Ersatzfahrzeuges unter diesen Bedingungen aufgrund ihrer persönlichen Situation nicht in der Lage war. Das Vorhandensein gegenüber der L- GmbH günstigerer Vergleichsangebote im Bereich Unfallersatztarife behauptet die Beklagte nicht einmal.

Auch wenn bislang die Klägerin noch nicht ihre Verbindlichkeit ggb. der L-GmbH ausgeglichen, kann sie bereits jetzt einen Schadensersatzanspruch in Geld geltend machen und muss sich nicht auf den Freistellungsanspruch verweisen lassen.

Grundsätzlich besteht nur ein Freistellungsanspruch von einer zum Schadensausgleich eingegangenen Verbindlichkeit, wenn diese noch nicht seitens des Geschädigten erfüllt wurde. Dieser kann sich nach § 250 Satz 1 BGB in einen Zahlungsanspruch umwandeln, wenn eine Frist zur Übernahme gesetzt wurde. Eine derartige Fristsetzung ist entbehrlich, wenn der Schädiger ernsthaft und endgültig die Leistung von Schadensersatz oder Naturalrestitution ablehnt (Palandt ? Heinrichs, BGB - Kommentar, 64. Aufl., § 250 Rz. 2). Letzteres ist hier mit Schreiben vom 8.3.2005 geschehen.

b. Winterreifen (83, 98 ? inkl. darauf entfallender Umsatzsteuer)
Der Klägerin steht auch ein weiterer Betrag über 83, 98 ? für die Ausstattung des Ersatzfahrzeugs mit Winterreifen zu.

Grundsätzlich sind nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB die zur Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes erforderlichen Kosten auszugleichen. Dementsprechend besteht für die Dauer des Ausfalls des durch den Unfall geschädigten Fahrzeugs auch ein Erstattungsanspruchs auf ein Mietfahrzeug mit Winterreifen, soweit das beschädigte Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet war. Eine solche Erstattungspflicht besteht jedoch dann nicht, wenn zu der Zeit der Einsatz von Winterreifen nicht erforderlich ist. Vorliegend war unstreitig das beschädigte Fahrzeug mit Winterreifen ausgestattet. Angesichts der Jahreszeit im Zeitpunkt des Unfallereignisses kann auch von der Notwendigkeit der Ausstattung eines Fahrzeugs mit Winterreifen ausgegangen werden, so dass diese Position zu erstatten ist.

c. Eigenanteil
Unter Berücksichtigung des Wertverlustes und des Verschleißes des Fahrzeugs schätzt die Kammer nach § 287 ZPO den anzurechnenden Eigenanteil auf 10% der Mietwagenkosten (vgl. Palandt ? Heinrichs, BGB ? Kommentar, 64. Aufl., § 249 Rz. 32 m.w.N.).

d. Kostenpauschale (weitere 5 ?)
Demgegenüber stehen der Klägerin keine weiteren 5 ? als Kostenpauschale zu. Anerkannt ist die pauschale Abgeltung der durch einen Verkehrsunfall entstandenen kleineren Schäden, wie etwa Telefonkosten, im Wege einer Kostenpauschale. Die Höhe der Pauschale hat das Gericht nach § 287 ZPO zu schätzen. Die Kammer teilt die Ansicht des Amtsgerichts, wonach dieser Betrag derzeit auf 20 ? geschätzt werden kann. Nach Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG i.V.m. Nr. 7002 besteht auch weiterhin lediglich ein Betrag von 20 ? Kostenpauschale im Bereich der Anwaltsvergütung. Auch sind entgegen der allgemeinen Preisentwicklung die Kosten im Bereich der Telekommunikation eher gesunken.

Da die Beklagte zu 2. diesen Betrag aber bereits ausgeglichen hat, steht der Klägerin insoweit kein weiterer Anspruch mehr zu.

Es ergibt sich dann folgende Abrechnung der weiteren Schäden:
Rechnung: 1.056, 06 ?
Abzgl. 10% 950, 45 ?
Abzgl. Gez. 438,-- ?
Summe: 512, 45 ?

3. Die beanspruchten Zinsen stehen der Klägerin aus §§ 280 Abs. 1, 286 Abs. 2 Nr. 3 BGB zu.

4. Die prozessualen Nebenentscheidungen basieren auf den §§ 92 Abs. 1, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.

RechtsgebietBGBVorschriften§ 249 Abs. 2 Satz 1 BGB

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