18.12.2023 · IWW-Abrufnummer 238780
Oberlandesgericht Brandenburg: Beschluss vom 08.06.2023 – 7 W 67/23
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Oberlandesgericht Brandenburg
Beschluss vom 08.06.2023
Tenor:
Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Mai 2023 wird zurückgewiesen.
Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten ihres Rechtsmittels.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerdeführerin wendet sich gegen die Notbestellung des Vorstandes. Sie meint, die Führungslosigkeit des Vereins ergebe sich nicht, wie das Amtsgericht angenommen habe, aus der einstweiligen Anordnung des Bundesvereinsgerichts vom 4. Mai 2023.
Die Beschwerde ist unbegründet.
Erforderliche Mitglieder des Vorstandes fehlen auch dann im Sinne des § 29 BGB, wenn sie aus rechtlichen Gründen gehindert sind, ihren Amtspflichten nachzukommen. Ein Verbot der Amtsausübung löst die Pflicht zur Notbestellung aus, wenn - was die Beschwerdeführerin nicht bezweifelt - sämtliche Vorstandsmitglieder betroffen sind und ein dringender Fall zur Behebung der Führungslosigkeit gegeben ist.
Die Beschwerdeführerin wendet sich ohne Überzeugungskraft gegen die Verbindlichkeit der einstweiligen Anordnung des Bundesvereinsgerichts vom 4. Mai 2023.
Entscheidungen vereinsinterner Gerichte regeln die Rechtsverhältnisse innerhalb des Vereins verbindlich. Soweit ein vereinsinternes Rechtsverhältnis für die Rechtsstellung des Vereins gegenüber Dritten maßgeblich ist, wirkt sich diese Verbindlichkeit auf das Rechtsverhältnis zu dem Dritten aus. Ist ein vereinsinternes Gericht berufen, über die Wirksamkeit der Bestellung oder Abberufung des Vorstandes zu entscheiden, so ist diese Entscheidung auch gegenüber außenstehenden Dritten dafür maßgeblich, wer den Verein als Organ im Rechtsverkehr vertritt (§ 26 I BGB).
Die Verbindlichkeit der Entscheidung eines vereinsinternen Gerichts über die Frage, wer zum Vorstand des Vereins bestellt ist, wirkt auch gegenüber dem Registergericht, wenn es für seine Amtshandlungen auf diese Frage ankommt (§§ 67 I, 29 BGB). Das Registergericht hat bei den Eintragungen in das Vereinsregister und ebenso bei allen anderen Entscheidungen, zu denen es berufen ist, die Ergebnisse der vereinsinternen Willensbildung hinzunehmen. Die Beschwerde, über die hier zu entscheiden ist, gibt keinen Anlass, Prüfungspflichten und -befugnisse des Registergerichts in Einzelheiten zu erörtern. Gewiss ist einerseits, dass das Registergericht Verstöße gegen nicht abdingbares oder nicht abbedungenes Gesetzesrecht zu beanstanden hat, und andererseits, dass es die Verfahren, die das staatliche und das vereinsinterne Recht zur Korrektur rechtswidriger oder unzweckmäßiger Entscheidungen vorsehen, nicht durch eigene Entscheidungen ersetzen darf.
Entscheidungen eines vereinsinternen Gerichts hat das Registergericht daher seinen Amtshandlungen zu Grunde zu legen, weil die Überprüfung solcher Entscheidungen nicht ihm obliegt, sondern den etwaig vorgesehenen vereinsinternen Rechtsmittelverfahren oder der ordentlichen Zivilgerichtsbarkeit.
Ob das Registergericht eine ihm vorgelegte Entscheidung eines vereinsinternen Gerichts nicht beachten darf, wenn diese Entscheidung unter so schwerwiegenden Mängeln leidet, dass sie als nichtig oder gar als eine Nichtentscheidung beurteilt werden müsste, braucht hier nicht entschieden zu werden. Mängel dieses Gewichts hat die Beschwerdeführerin nicht aufzeigen können:
Sie meint, dem Bundesvereinsgericht fehle die Kompetenz, ihr als einem Mitglied des Vorstandes eines Bezirksverbandes die Amtsausübung zu verbieten.
Zur Nichtigkeit der dahingehenden Anordnung des Bundesvereinsgerichts könnte dieser Angriff nur führen, wenn die fragliche Kompetenz nach den vereinsinternen Regeln, also nach der Satzung und nach dem auf Grund der Satzung gesetzten Binnenrecht des Vereins, als völlig ausgeschlossen gelten müsste. Nur eine dem Recht völlig fremde Entscheidung, für die in der Kompetenzordnung kein Anhaltspunkt zu finden ist, könnte so offensichtlich rechtsfeindlich erlassen sein, dass sie als nichtig und im Registerverfahren als unbeachtlich zu gelten hat. Alle Fehler unterhalb dieser Evidenzschwelle führen zu Fehlentscheidungen, die die Rechtsverhältnisse verbindlich regeln, wenn sie nicht auf Anfechtung aufgehoben oder abgeändert werden.
Da der Verein als Bezirksverband nach seiner Satzung (§ 3) dem Bundesverband als Mitglied angehört, kommt es grundsätzlich in Betracht, dass die Entscheidungen des übergeordneten Verbandes nach dessen Regelungen Verbindlichkeit für die Rechtsverhältnisse innerhalb der nachgeordneten Mitgliedsvereine beanspruchen. Die Zurücknahme eigener Entscheidungsbefugnisse über die eigenen Angelegenheiten und die Bindung an Entscheidungen, auf deren Zustandekommen nur eingeschränkter oder gar kein Einfluss besteht, ist mit der selbstbestimmten Zugehörigkeit zu dem übergeordneten Verband verbunden. Gegen nicht gewünschte Einschränkungen der eigenen Verbandsautonomie kann sich der nachgeordnete Verein durch Einfluss auf die Willensbildung im übergeordneten Verband wenden oder durch eine Lösung der Verbindung, also durch einen Austritt aus dem übergeordneten Verband.
Die Regelungen des Bundesverbandes, die dem Register- und dem Beschwerdegericht von den Beteiligten mitgeteilt worden sind, lassen es als ein Ergebnis vertretbarer, jedenfalls der Willkür und der Nichtigkeitsfolge ferner Rechtsanwendung erscheinen, dass das Gericht des Bundesverbandes ein einstweiliges Verbot der Amtsausübung gegenüber Vorstandsmitgliedern nachgeordneter Mitgliedsverbände aussprechen könnte. Das "Verbandsstatut" des Bundesverbandes, das Satzungsrecht oder auf Grund der Satzung gesetztes Binnenrecht zu sein scheint, legt diese Befugnis nahe. Es ist eine "Aufsicht" der übergeordneten über untergeordnete Gliederungen vorgesehen (Nr. 9 I 1). Die Aufsichtsmittel gewähren dem aufsichtführenden Verband weitgehende Informations- und Kontrollrechte gegenüber dem beaufsichtigten (Nr. 9 III). Das Vereinsgericht des Bundesverbandes (Nr. 10) ist mit der Befugnis ausgestattet, von einem aufsichtführenden Vorstand (Nr. 9 VI 1) verhängte Ordnungsmaßnahmen zu überprüfen, mit denen Verstöße gegen die Satzungen, das Verbandsstatut oder die Richtlinien in beaufsichtigten Verbänden bereinigt werden sollen (Nr. 11 I 1, V 2). Das zeitweilige Ruhen der Rechte und Pflichten ist als möglicher Inhalt einer Anordnung des Vereinsgerichts ausdrücklich vorgesehen (Nr. 11 VII 1 Buchst. a). Als Adressaten der Ordnungsmaßnahmen und der Anordnungen des Gerichts sind - entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin - nicht nur die Mitglieder des Bundesverbandes genannt - also die Vereine der nachgeordneten Gebietsebenen -, sondern auch deren Mitglieder (Nr. 11 I 1, III 1, VII 2). Bei der Anwendung dieser Regelungen etwa unterlaufene Fehler hätte die Beschwerdeführerin im vereinsinternen Rechtsmittelverfahren oder im Zivilrechtsweg geltendzumachen, nicht im Verfahren des Registergerichts.
Die Beschwerdeführerin hält dem angefochten Beschluss entgegen, von einer "Suspendierung" sei in der einstweiligen Anordnung des Bundesvereinsgerichts nicht die Rede.
Es wäre wohl eine fehlerhaft angenommene Bindung des Registergerichts an die Entscheidung einer vereinsinternen Gerichtsbarkeit, wenn das Registergericht sich an eine Rechtsfolge gebunden hielte, die offensichtlich nicht ausgesprochen worden ist. Aber auf einer solchen Fehlvorstellung beruht der angefochtene Beschluss nicht. Die einstweilige Anordnung hat der Beschwerdeführerin "die Wahrnehmung ... aller von ihr ... wahrgenommenen Ämter, insbesondere das Amt als geschäftsführender Vorstand des [Vereins] ... untersagt". Der Wortlaut dieser - gegenüber dem weiteren Vorstandsmitglied gleichlautend erlassenen - Anordnung lässt bereits kaum Zweifel an dem Anordnungsziel, die Amtsausübung der Vorstandsmitglieder einstweilen zu unterbinden. Die vom Bundesvereinsgericht mitgeteilten Gründe lassen deutlich erkennen, dass es ihm darum ging, den gesamten Vorstand einstweilen von der Amtsausübung auszuschließen. Die Bestellung eines Notvorstands wird als Folge der Anordnung ausdrücklich ausgeführt.
Ob das Registergericht befugt ist, "die Beschwerdeführerin aus dem Vereinsregister auszutragen" - wie sie beanstandet -, steht nicht zur Entscheidung. Angefochten ist der Beschluss, der einen Notvorstand bestellt (§ 29 BGB). Ob bei einer vorübergehenden Verhinderung des Vorstandes, durch die die Notbestellung erforderlich geworden ist, nicht nur der bestellte Vorstand einzutragen ist (§ 67 II BGB), sondern auch der Umstand der Verhinderung, ist nicht Gegenstand des hier geführten Verfahrens.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG, die Wertfestsetzung auf den §§ 79 I, 36 III GNotKG.
Anlass, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 70 II FamFG), besteht nicht.