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01.08.2023 · IWW-Abrufnummer 236520

Finanzgericht Münster: Urteil vom 14.04.2023 – 10 K 824/22 Kfz

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Münster

 
Tenor:

Der Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 24.11.2020 und die Einspruchsentscheidung vom 31.03.2022 werden nach Maßgabe der Gründe geändert. Die Berechnung der festzusetzenden Kraftfahrzeugsteuer wird dem Beklagten übertragen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe des vollstreckbaren Betrages leistet.

1
T a t b e s t a n d

2
Streitig ist, zu welchem Zeitpunkt die Steuerpflicht des Klägers als Halter seines Fahrzeugs endete.

3
Der Kläger war Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen X. Er hatte zusammen mit seiner Ehefrau in der Zeit von 2009 bis Juni 2020 neben seinem Wohnsitz in Deutschland auch einen gemeldeten Wohnsitz in Italien. Am 06.01.2020 war der Kläger mit seinem Fahrzeug an einem Verkehrsunfall in Italien beteiligt. Im Zuge der Ermittlungen der hinzugezogenen Polizeibediensteten (Carabinieri) beschlagnahmten diese das Fahrzeug des Klägers und zogen den Fahrzeugschein ein. Begründet wurde diese Maßnahme damit, dass Personen mit einem italienischen Wohnsitz ‒ wie der Kläger ‒ verpflichtet seien, ihr Fahrzeug in Italien zuzulassen. Dem Kläger wurde aufgegeben, dementsprechend sein Fahrzeug auf eine italienische Zulassung umzuschreiben (vgl. zur Rechtsgrundlage Schreiben des Generalkonsulats der Bundesrepublik Deutschland vom 30.07.2020). Weiter wurde dem Kläger untersagt, sein Fahrzeug bis zur Umschreibung auf öffentlichen Straßen zu benutzen. Die Polizei erlaubte dem Kläger, das beschlagnahmte Fahrzeug zur Sicherung auf seinem Grundstück abzustellen. Von dort durfte es nicht zwecks Benutzung entfernt werden. Die schriftliche Ausfertigung der Beschlagnahme des Fahrzeugs des Klägers vom 06.01.2020 in italienischer Sprache liegt dem Gericht vor. Der Kläger folgte den Anweisungen der Polizeibediensteten und stellte das Fahrzeug auf seinem Grundstück ab. Weiter zog die Carabinieri den für die EU ausgestellten Führerschein des Klägers mit der Aufforderung gegenüber dem Kläger ein, sich eine italienische Fahrerlaubnis ausstellen zu lassen. Der Fahrzeugschein wurde an die zuständige Zulassungsstelle für Kraftfahrzeuge (Motorizzazione) in B (Ergänzung in der Neutralisierung: Ort in Italien) weitergeleitet.

4
Am 27.01.2020 schrieb der Kläger an das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in N ‒ Italien ‒ und teilte mit, dass die Carabinieri … seinen deutschen Führerschein wegen seines italienischen Wohnsitzes einbehalten habe. Weiter teilte der Kläger mit, dass er einen Anwalt beauftragt habe, den Umtausch in einen italienischen Führerschein zu beantragen. Der Umtausch scheitere jedoch daran, dass der deutsche Führerschein in N unter Verschluss liege. Sein Anwalt habe einen Termin für den 19.02.2020 erhalten. Der Kläger fragte an, ob das Verfahren beschleunigt werden könne. Mit E-Mail vom 28.01.2023 erhielt der Kläger vom Generalkonsulat die Antwort, dass das Generalkonsulat keine Möglichkeit habe, die Umschreibung des deutschen Führerscheins in Italien zu beschleunigen. Das Generalkonsulat könne den Kläger auch nicht vor italienischen Behörden vertreten. Hierzu möge sich der Kläger an seinen beauftragten Rechtsanwalt wenden.

5
Da eine Ummeldung des Fahrzeugs in Italien für den Kläger mit Kosten in Höhe von ca. 1.500 € bis 1.700 € verbunden gewesen wäre, entschied der Kläger, sein Fahrzeug in Italien verschrotten zu lassen. Hierzu holte der Kläger, vertreten durch die Kanzlei C mit Sitz in D, Italien, eine Bescheinigung des Verschrottungsunternehmens E (Ergänzung in der Neutralisierung: Das Verschrottungsunternehmen ist in Italien ansässig.) ein, mit der das Unternehmern zusagte, den Transport und die Verschrottung des Fahrzeugs durchzuführen. Die dem Gericht vorliegende Bescheinigung des Verschrottungsunternehmens datiert vom 17.02.2020. Die Verschrottung des Fahrzeugs des Klägers musste durch die zuständigen italienischen Behörden vor der Verschrottung genehmigt werden. Nach entsprechender Genehmigung wurde das Fahrzeug des Klägers am 20.06.2020 durch das beauftragte Unternehmen E ohne die deutschen amtlichen Kennzeichen verschrottet. Das Unternehmen händigte dem Kläger die deutschen Kennzeichen aus. Über die Verschrottung erhielt der Kläger eine schriftliche Bestätigung, die dem Gericht vorliegt.

6
Mit einem an die italienische Zulassungsstelle in B gerichteten Schreiben vom 17.07.2020 teilte die Kanzlei C mit, dass das Fahrzeug des Klägers in Italien verschrottet und die Original-Fahrzeugkennzeichen zusammen mit der Verschrottungsbescheinigung der zuständigen Zulassungsbehörde in Deutschland in F übergeben worden seien. Die Kanzlei beantragte, „mit äußerster Dringlichkeit die Fahrzeugpapiere für das Fahrzeug des Klägers an das Konsulat in N zu übersenden“. Das Konsulat werde unabhängig in Eigenregie die spätere Übermittlung der Zulassungspapiere an die zuständige Zulassungsbehörde in F vornehmen.

7
Am 14.07.2020 hatte der Kläger die amtlichen Kennzeichen der Kfz-Zulassungsstelle in F zur Entwertung vorgelegt und die Abmeldung seines verschrotteten Fahrzeugs beantragt. Er teilte mit, dass er den Fahrzeugschein/die Zulassungsbescheinigung Teil I aufgrund der Einziehung durch die italienischen Behörden nicht vorlegen könne. Die Zulassungsstelle meldete das Fahrzeug zunächst nicht ab. Mit einem an die Zulassungsstelle gerichteten Schreiben vom 22.07.2020 teilte der Kläger mit, dass der Fahrzeugschein von der Carabinieri eingezogen worden sei. Eine Übermittlung des Scheins an die deutschen Behörden habe bisher nicht stattgefunden, die italienischen Behörden seien offensichtlich nicht in der Lage, auch einfachste Verfahrenshandlungen vorzunehmen. Dem Schreiben beigefügt war das Schreiben des italienischen Anwalts vom 17.07.2020 mit einer vom Kläger beigefügten deutschen Übersetzung. Weiter trug der Kläger vor, dass sein Fahrzeug am 19.06.2020 aus der Garage, in der das Fahrzeug seit dem 06.01.2020 unbewegt gestanden habe, abgeholt und am 20.06.2020 der Verschrottung zugeführt worden sei. Das Fahrzeug habe aufgrund der Beschlagnahme seit dem 06.01.2020 nicht mehr gefahren werden dürfen. Zuwiderhandlungen hätten empfindliche Strafen (hohe Bußgelder) zur Folge gehabt.

8
Mit Schreiben 27.07.2020 teilte der zuständige Bearbeiter der Kfz-Zulassungsstelle in F ‒ Herr G ‒ dem Kläger mit, dass der Fahrzeugschein ihm bisher von den italienischen Behörden nicht zugeschickt worden sei. Aufgrund des Schreibens des Klägers vom 22.07.2022 habe er das Fahrzeug nunmehr zum Tag der Entstempelung der Kennzeichen (14.07.2020) außer Betrieb gesetzt. Sollte der Kfz-Schein noch übersandt werden, würde er diesen mit dem Außerbetriebsetzungsvermerk an den Kläger weiterleiten. Dem Antrag des Klägers auf Außerbetriebsetzung zum 20.06.2020 könne er ‒ Herr G ‒ nicht stattgeben, da nach deutschem Recht der Tag der Entstempelung der Kennzeichen maßgeblich für die Außerbetriebsetzung sei.

9
In einem an die Stadt G (Ergänzung in der Neutralisierung: Stadt in Deutschland) ‒ Zulassungsbehörde ‒ gerichteten Schreiben vom 30.07.2020 teilte das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland N unter dem Betreff „Rückgabe von Fahrzeugpapieren, hier: Fahrzeug H mit Kennzeichen Nr. X‘“ mit, dass aufgrund des Dekrets zu Art. 7 der italienischen Verkehrsordnung („Decreto Sicurezza“) das Fahrzeug des Klägers durch die italienische Polizei beschlagnahmt worden sei. Die Zulassungsbescheinigung Teil I sei jetzt von den italienischen Behörden an das hiesige Generalkonsulat zurückgegeben worden. Die Zulassungsbehörde in F werde gebeten, die anliegende Zulassungsbescheinigung dem Kläger als Halter wieder auszuhändigen. Ausweislich des dem Gericht vorliegenden Schreibens der Zulassungsbehörde F vom 15.03.2023 wurde die Zulassungsbescheinigung/der Fahrzeugschein dem Kläger am 04.08.2020 durch die Zulassungsbehörde übersandt.

10
Mit Schreiben vom 31.07.2020 beantragte der Kläger beim Beklagten das Ende der Steuerpflicht für sein Fahrzeug gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) zum 06.01.2020. Zur Begründung trug er vor, er habe die Abmeldung nicht schuldhaft verzögert. Weiter erläuterte der Kläger den oben aufgeführten Sachverhalt. Er machte u.a. geltend, er habe das Fahrzeug seit dem Zeitpunkt der Beschlagnahme, mit Ausnahme der Rückführung zu seiner Wohnung und Abstellung in der Garage, nicht mehr auf öffentlichen Straßen in Italien nutzen dürfen. Aufgrund des Unfallschadens habe ein wirtschaftlicher Totalschaden vorgelegen, sodass er sich dafür entschieden habe, das Fahrzeug in Italien der Verschrottung zuzuführen. Die Einholung der Genehmigung zur Verschrottung sei durch lange bürokratische Verfahrenswege und die Corona-Beschränkungen erst im Juni 2020 möglich gewesen. Den eingezogenen Fahrzeugschein hätten die italienischen Behörden erst nach mehrfachen Aufforderungen seines Anwalts am 27.07.2020 an das deutsche Konsulat in N geschickt. Die Kennzeichen seien ihm ‒ dem Kläger ‒ vom Verschrottungsunternehmen am 20.06.2020 übergeben worden. Er habe diese sodann am 14.07.2020 der Kfz-Zulassungsstelle F zur Entstempelung vorgelegt. Die Kennzeichen seien auch entstempelt worden. Da das Fahrzeug seit dem 06.01.2020 aufgrund behördlicher Maßnahmen außer Betrieb gesetzt und ab diesem Zeitpunkt nicht mehr benutzt worden sei, sei das Ende der Steuerpflicht auf diesen Zeitpunkt festzusetzen. Zur weiteren Begründung legte der Kläger dem Beklagten eine Kopie des Unfallaufnahmeprotokolls, das Beschlagnahmedokument der Carabinieri …, die Verschrottungsbescheinigung, den Antrag auf Übermittlung des Fahrzeugscheins an das Konsulat sowie die Mitteilung der Außerbetriebsetzung der Kfz-Zulassungsstelle F vom 27.07.2020, jeweils in Kopie, vor.

11
Mit Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 05.08.2020 setzte der Beklagte Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen X aufgrund der durch die Zulassungsbehörde übermittelten Abmeldung für die Zeit vom 17.05.2020 bis zum 26.07.2020 in Höhe von 56,00 € fest.

12
Mit Schreiben vom 12.10.2020 teilte der Beklagte dem Kläger mit, dass eine Beendigung der Steuerpflicht zum 20.06.2020 als Tag der Verschrottung möglich sei. Einen früheren Zeitpunkt als Abmeldung des Fahrzeugs lehnte der Beklagte ab. Das Schreiben war nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.

13
Mit Bescheid vom 19.11.2020 lehnte der Beklagte den Billigkeitsantrag des Klägers förmlich ab und führte zur Begründung aus, es sei zwar zutreffend, dass die Finanzbehörden abweichend von dem von der Zulassungsbehörde übermittelten Abmeldedatum einen anderen Zeitpunkt für die Beendigung der Steuerpflicht zugrunde legen könnten. Dieser andere Zeitpunkt müsse allerdings sachlich begründet sein, und die Abmeldung dürfe nicht schuldhaft durch den Halter verzögert worden sein. Das Fahrzeug sei im Streitfall nach einem Unfall am 06.01.2020 nicht mehr wissentlich bewegt worden, eine Verschrottung habe am 20.06.2020 stattgefunden und die Abmeldung sei am 27.07.2020 erfolgt. Da die Abmeldung hier erst nach der Verschrottung vorgenommen worden sei, werde aufgrund des Antrages des Klägers auf der Grundlage der Bestimmungen in § 5 Abs. 4 KraftStG die Abmeldung des Fahrzeugs auf den 20.06.2020 bestimmt. Eine Beendigung der Steuerpflicht zu einem früheren Zeitpunkt lehnte der Beklagte ab, da der Kläger die erhebliche Verzögerung der Abmeldung selbst zu verantworten habe.

14
Mit Bescheid vom 24.11.2020 setzte der Beklagte nunmehr die Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug des Klägers für die Zeit vom 17.05.2019 bis zum 16.05.2020 in Höhe von 293,00 € sowie vom 17.05.2020 bis zum 19.06.2020 in Höhe von 27,00 € fest.

15
Gegen den Ablehnungsbescheid vom 19.11.2020 und den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 24.11.2020 legte der Kläger Einspruch ein und wiederholte zur Begründung seinen bisherigen Vortrag. Zudem machte er geltend, dass er aufgrund der Beschlagnahme des Fahrzeugs die Kennzeichen nicht zwecks Abmeldung habe abmontieren dürfen, da dies als Straftat gegolten hätte. Die Verfügungsmacht über das Fahrzeug sei ihm entzogen worden. Als Nachweis legte der Kläger u.a. mehrere Tickets für benutzte öffentliche Verkehrsmittel vor. Der eingezogene Fahrzeugschein sei der Zulassungsbehörde (Motorizzazione) in B weitergeleitet worden. Im Hinblick auf den wirtschaftlichen Totalschaden habe er sich dazu entschieden, über seinen italienischen Anwalt die Freigabe zur Verschrottung beantragen zu lassen. Die Befugnis, das Fahrzeug verschrotten zu lassen, habe sein Anwalt schriftlich beantragen müssen. Die Genehmigung sei durch die Carabinieri mit Schreiben vom 13.04.2020 erteilt worden. Als Nachweis befindet sich in der Akte des Beklagten der Ausdruck einer E-Mail der Kanzlei C vom 20.03.2020, gerichtet an „J“ in italienischer Sprache. Nachdem auf Drängen der italienischen Kanzlei auch die Zulassungsbehörde in B, die im Besitz des Fahrzeugscheins gewesen sei, der Verschrottung Mitte Juni 2020 zugestimmt habe, habe das Fahrzeug endlich verschrottet werden können.

16
Mit seiner beim Finanzgericht Düsseldorf am 10.03.2022 erhobenen und an das Finanzgericht Münster verwiesenen Untätigkeitsklage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein außergerichtliches Vorbringen.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 31.03.2022 hat der Beklagte den Einspruch des Klägers als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, dass die Kraftfahrzeugsteuerpflicht erst mit der Abmeldung/Ummeldung des Fahrzeuges ende (§ 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG). Das betreffende Fahrzeug sei nach den Feststellungen der Zulassungsbehörde am 27.07.2020 abgemeldet worden. Dieses Abmeldedatum, das gem. § 2 Abs. 2 Nr. 1 KraftStG für das HZA verbindlich sei, habe die Zulassungsbehörde auf telefonische Rückfrage als korrekt bestätigt. Nach § 5 Abs. 4 KraftStG ende die Steuerpflicht für ein inländisches Fahrzeug, das nach § 14 Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV) außer Betrieb gesetzt werde, erst, wenn bei der zuständigen Zulassungsbehörde sowohl die Zulassungsbescheinigung Teil I zurückgegeben oder eingezogen als auch die Kennzeichen entstempelt worden seien. Da § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG für die Dauer der Kraftfahrzeugsteuerpflicht an die verkehrsrechtlichen Vorgaben anknüpft und die Steuerpflicht somit bestehe, solange die verkehrsrechtliche Zulassung fortbestehe, ende die Steuerpflicht erst im Zeitpunkt der Außerbetriebsetzung, also in dem Moment, in dem einerseits der Vermerk über die Außerbetriebsetzung in die Zulassungsbescheinigung aufgenommen worden sei und andererseits die Kennzeichen entstempelt worden seien. Das gelte auch dann, wenn das Fahrzeug schon vorher außer Betrieb gesetzt, der Betrieb des Fahrzeugs von einer Verwaltungsbehörde untersagt oder wenn das Kraftfahrzeug zerstört worden sei. Die Ausnahme hiervon nach § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG komme vorliegend nicht in Betracht. Hierbei handele es sich um eine Ermessensentscheidung. Der Unfall sowie die geplante Verschrottung seien vom Kläger trotz umfangreicher Bemühungen bei den italienischen Behörden den deutschen zuständigen Behörden, in diesem Fall der für die Abmeldung eines Fahrzeuges grundsätzlich zuständigen Zulassungsbehörde, nicht angezeigt worden. Die Gründe hierfür habe der Kläger nicht dargelegt. Er habe nach dem Unfall weiterhin die Verfügungsgewalt über das Fahrzeug gehabt. Die Beschlagnahme habe hieran nichts geändert. Der Zugriff auf das Fahrzeug sowie die Kennzeichen sei zu keiner Zeit eingeschränkt gewesen, da das Fahrzeug nebst Kennzeichen sich in der Garage am italienischen Wohnort des Klägers befunden habe. Inwieweit ein Abmontieren der deutschen Kennzeichen zwecks Vorlage bei den deutschen Zulassungsbehörden untersagt gewesen sei, wie der Kläger behaupte, sei vom Beklagten nicht nachprüfbar. Die vom Kläger behauptete Strafandrohung erachte der Beklagte daher für die Berücksichtigung hinsichtlich der Beendigung der Kraftfahrzeugsteuerpflicht als nicht relevant. Aufgrund der vorgelegten Verschrottungsanzeige sei das Abmeldedatum bereits abweichend von dem von der Zulassungsbehörde übermittelten Abmeldedatum auf den 20.06.2020, dem bestätigten Tag der Verschrottung, festgelegt worden, sodass der Beklagte von dem ihm zustehenden Ermessen Gebrauch gemacht habe. Eine rückwirkende Abmeldung des Fahrzeuges darüber hinaus zum Tag des Unfalls sei aus den dargestellten Gründen nicht möglich. Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Einspruchsentscheidung Bezug genommen.

18
Der Kläger beantragt sinngemäß,

19
den Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 24.11.2020 und die Einspruchsentscheidung vom 31.03.2022 dahingehend zu ändern, dass die Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug mit dem Kennzeichen X lediglich für die Zeit vom 17.05.2019 bis zum 06.01.2020 festgesetzt wird.

20
Der Beklagte beantragt,

21
die Klage abzuweisen.

22
Er verbleibt bei seiner Auffassung, dass die Voraussetzungen für eine Beendigung der Steuerpflicht ab dem 07.01.2020 nicht vorlägen. Er habe sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt und zu Recht eine Steuerpflicht bis einschließlich den 19.06.2020 angenommen.

23
Die Richterin hat bei der Kfz-Zulassungsstelle in F um Auskunft zu der Frage gebeten, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen die Zulassungsbehörde F eine Abmeldung oder Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs des Klägers ohne Vorlage der Kennzeichen zur Entstempelung und des Kfz-Scheins zu einem früheren Zeitpunkt vorgenommen hätte. Die Richterin hat hierzu insbesondere zwei Fragen gestellt:

24
„1. War eine Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs auch ohne Vorlage der Kennzeichen vor dem 14.07.2020 möglich, z.B. weil die Kennzeichen aufgrund einer Beschlagnahme im EU-Ausland nicht vorgelegt werden konnten?

25
2. Unter welchen Voraussetzungen ist eine Außerbetriebsetzung von im Inland zugelassenen Fahrzeugen, die im EU-Ausland beschlagnahmt und nicht mehr auf öffentlichen Straßen bewegt werden dürfen, möglich? Was hätte der Halter für eine Außerbetriebsetzung tun können und müssen?“

26
Der zuständige Sachbearbeiter der um Auskunft gebetenen Zulassungsbehörde hat in seiner Stellungnahme ausgeführt, dass das Datum der Außerbetriebsetzung (14.07.2020) aus zulassungsrechtlicher Sicht zutreffend sei, da gem. § 14 FZV die Außerbetriebsetzung zum Tag der Entstempelung der Kennzeichen und Vorlage des Kfz-Schein/Zulassungsbescheinigung Teil I erfolge. Zu den von der Richterin im Auskunftsersuchen gestellten Fragen hat der Sachbearbeiter nicht näher Stellung genommen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der Kfz-Zulassungsbehörde F vom 15.03.2023 Bezug genommen.

27
Mit Beschluss vom 31.01.2023 hat der 10. Senat den Rechtsstreit der Berichterstatterin als Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen. Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

28
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die gewechselten Schreiben der Beteiligten sowie auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Akte des Beklagten Bezug genommen.

29
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

30
A. Die Richterin entscheidet als Einzelrichterin ohne mündliche Verhandlung, da die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).

31
B. Die Klage ist begründet.

32
Der angefochtene Kraftfahrzeugsteuerbescheid vom 24.11.2020 und die Einspruchsentscheidung vom 31.03.2022 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

33
Der Beklagte hat zu Unrecht die Kraftfahrzeugsteuer über den 06.01.2020 hinaus bis zum Tag vor der Verschrottung des Fahrzeugs ‒ 19.06.2020 ‒ festgesetzt. Der Kläger hat als Halter des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen X einen Anspruch nach § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG darauf, dass die Kraftfahrzeugsteuer für sein Fahrzeug lediglich bis zum 06.01.2020 festgesetzt wird.

34
I. Der Kraftfahrzeugsteuer unterliegt nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG das Halten von inländischen Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. Die Steuerpflicht dauert bei einem inländischen Fahrzeug, solange es zum Verkehr zugelassen ist (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG). Wird ein inländisches Fahrzeug außer Betrieb gesetzt und werden dabei die diesbezügliche Änderung in der Zulassungsbescheinigung Teil I und die Entstempelung des Kennzeichens an verschiedenen Tagen vorgenommen, so ist der letzte Tag maßgebend. Ein Fahrzeug ist nach den für die Anwendung des § 5 Abs. 1 Satz 1 KraftStG maßgeblichen verkehrsrechtlichen Vorschriften erst dann nicht mehr zum Verkehr zugelassen, wenn sowohl die Kennzeichen entstempelt wurden als auch die Außerbetriebsetzung in die Zulassungsbescheinigung eingetragen wurde (Beschluss des Bundesfinanzhofs -BFH- vom 20.12.2010 II B 42/10, BFH/NV 2011, 655; Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 07.10.2022 6 K 1334/21, juris).

35
Danach dauerte im Streitfall die Steuerpflicht des Klägers zwar grundsätzlich über den Tag der Verschrottung am 20.06.2020 hinaus an, da die Kennzeichen erst am 14.07.2020 durch die Zulassungsbehörde entstempelt wurden. Die Zulassungsbescheinigung Teil I bzw. den Fahrzeugschein des Klägers hat die Zulassungsbehörde F erst am 04.08.2020 vom Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in N erhalten. Ausweislich des an den Kläger gerichteten Schreibens der Zulassungsbehörde F vom 27.07.2020 sollte die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs mit Wirkung zum 14.07.2020 vorgenommen werden. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Kläger bis zu der von der Zulassungsbehörde angenommenen Außerbetriebsetzung des streitgegenständlichen Fahrzeugs Halter des Fahrzeugs war. Der Kläger schuldet somit grundsätzlich die Steuer bis zum Zeitpunkt der Außerbetriebsetzung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 7 Nr. 1 KraftStG. Denn erst mit der Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs war dieses nicht mehr auf den Kläger zum Verkehr auf öffentlichen Straßen zugelassen.

36
II. Der Beklagte hat es jedoch fehlerhaft abgelehnt, nach § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG einen früheren Zeitpunkt ‒ hier: 06.01.2020 ‒ für die Beendigung der Steuerpflicht des Klägers zugrunde zu legen.

37
1. Die für die Ausübung der Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer zuständige Behörde kann für die Beendigung der Steuerpflicht einen früheren Zeitpunkt zugrunde legen, wenn der Steuerschuldner glaubhaft macht, dass das Fahrzeug seit dem früheren Zeitpunkt nicht benutzt worden ist und dass er die Abmeldung des Fahrzeugs nicht schuldhaft verzögert hat (§ 5 Abs. 4 Sätze 1 und 2 KraftStG).

38
a. Bei dieser Vorschrift steht dem Hauptzollamt kein echtes Ermessen zu, über die Zugrundelegung eines früheren Zeitpunktes zu entscheiden. Macht der Steuerschuldner glaubhaft, dass das Fahrzeug zu dem früheren Zeitpunkt nicht benutzt worden ist und dass er die Abmeldung des Fahrzeugs nicht schuldhaft verzögert hat, ist der frühere Zeitpunkt zugrunde zu legen (Urteile des FG München vom 12.08.1998 4 K 3707/97, UVR 1999, 226, juris; des FG Nürnberg vom 07.10.2022 6 K 1334/21, juris). Insoweit liegt ‒ selbst wenn man von einem echten Ermessen der Behörde ausgeht ‒ eine Ermessensreduzierung auf Null vor. Das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG, nämlich das Nichtbenutzen des Fahrzeugs seit einem früheren Zeitpunkt und die nicht schuldhafte Verzögerung der Abmeldung des Fahrzeugs sowie das entsprechende Glaubhaftmachen, sind voll gerichtlich nachprüfbar (Urteil des FG Nürnberg vom 07.10.2022 6 K 1334/21, juris).

39
b. Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich nach § 294 der Zivilprozessordnung (ZPO) aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. Eine Behauptung ist schon dann im Sinne von § 294 ZPO i.V.m. § 155 FGO glaubhaft gemacht, wenn eine überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass sie zutrifft, also letztlich mehr für das Vorliegen der in Rede stehenden Behauptung spricht als dagegen. Die Feststellung der überwiegenden Wahrscheinlichkeit unterliegt dem Grundsatz der freien Würdigung des gesamten Vorbringens, die grundsätzlich Sache des Tatrichters ist (vgl. z.B. Beschlüsse des Bundesgerichtshofs -BGH- vom 20.10.2022 V ZB 26/22, juris; vom 02.08.2022 VIII ZB 3/21, juris; vom 26.01.2022 XII ZB 227/21, FamRZ 2022, 647; vom 08.05.2018 VI ZB 5/17, NJW-RR 2018, 958). Die Glaubhaftmachung i. S. des § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG erfordert demnach zwar nicht den vollen Beweis, wohl aber die überwiegende Wahrscheinlichkeit der unverschuldeten Abmeldung des Fahrzeugs (vgl. auch BFH-Beschluss vom 12.09.2012 I R 29/12, BFH/NV 2013, 58 zur unverschuldeten Fristversäumnis).

40
c. Nicht jede objektive Verzögerung der Abmeldung des Fahrzeugs führt dazu, dass die Steuerpflicht des Halters bis zur Abmeldung bzw. Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs andauert. Vielmehr ist ausnahmsweise nach dem Wortlaut und nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG für die Beendigung der Steuerpflicht der frühere Zeitpunkt in solchen Fällen zugrunde zu legen, in denen es zu einer (objektiven) verzögerten Abmeldung bzw. Außerbetriebsetzung durch die Zulassungsbehörde gekommen ist, der Halter diese Verzögerung jedoch nicht verschuldet hat. Zuständig für die Prüfung sind nicht die Zulassungsbehörden, sondern die für die Festsetzung der Kraftfahrzeugsteuer zuständigen Hauptzollämter. Bei der „Verzögerung“ handelt es sich um den Zeitraum, um den sich der übliche Zeitraum zwischen dem Zeitpunkt der Beendigung der Benutzung und der Abmeldung des Fahrzeugs verlängert hat. Im Normalfall erfolgt die Abmeldung des Fahrzeugs unmittelbar nach Beendigung der Benutzung durch den Halter.

41
d. Das Tatbestandmerkmal des § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG „nicht schuldhaft verzögert“ ähnelt inhaltlich dem Begriff „unverzüglich“. „Unverzüglich“ wird in § 121 Abs. 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als „ohne schuldhaftes Zögern“ legaldefiniert. Die Voraussetzung „nicht schuldhaft verzögert“ i.S. des § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG versteht die Richterin dahingehend, dass der Halter unverzüglich, d.h. ohne schuldhaftes Zögern nach Beendigung der Nutzung des Fahrzeugs Maßnahmen ergreifen muss, um eine Abmeldung bzw. Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs durch die zuständige Kfz-Zulassungsbehörde zu erreichen. „Nicht schuldhaft“ i.S. des § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG bedeutet, dass der Halter weder Vorsatz noch Fahrlässigkeit ‒ ggf. bei einem Unterlassen ‒ zu vertreten hat. Einfache Fahrlässigkeit genügt für die Annahme einer Schuld.

42
Unverzüglich erfolgt nach der Rechtsprechung des BFH und der Verwaltungsgerichtsbarkeit eine Handlung nur, wenn sie innerhalb einer nach den Umständen des Einzelfalls zu bemessenden Prüfungs- und Überlegungszeit vorgenommen wird (vgl. BFH-Urteil vom 16.03.2022 II R 6/21, BFH/NV 2022, 898; vgl. auch zur Überlegungsfrist bei Familienasyl: Urteile des Verwaltungsgerichts -VG- Aachen vom 29.12.2022 5 K 1194/19.A, juris; des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.05.1997 9 C 35/96, juris; des VG Göttingen vom 08.10.2019 2 A 463/18, juris; Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs vom 24.06.2003 10 UE 843/03.A , juris, wonach darauf abzustellen ist, ob der Antragsteller das getan hat, was man billigerweise von ihm verlangen kann; unverzüglich bedeute nicht nur „möglichst schnell“, sondern auch sachgemäß). Erforderlich ist nicht in jedem Fall eine sofortige, aber eine ‒ unter Berücksichtigung der persönlichen Lebensumstände der betroffenen Person ‒ alsbaldige Antragstellung. Wie lange das Zögern dauern darf, bevor es schuldhaft wird, hängt grundsätzlich von einer Würdigung der besonderen Verhältnisse im konkreten Einzelfall ab. Insoweit muss u.a. auch die Möglichkeit gewährleistet sein, Rechtsrat einzuholen (vgl. etwa Urteil des VG Aachen vom 29.12.2022 5 K 1194/19.A, juris). Verzögerungen, die nach der Verkehrsanschauung als angemessen anzusehen sind oder die auf Umständen außerhalb des Einflussbereiches des Steuerpflichtigen beruhen, sind dem Steuerpflichtigen nicht anzulasten. Was von dem Steuerpflichtigen verlangt werden kann, ist eine Frage des Einzelfalles (vgl. BFH in BFH/NV 2022, 898 zur unverzüglichen Bestimmung eines Steuerpflichtigen zur Selbstnutzung einer Wohnung).

43
Die Anforderungen an das Verhalten des Halters sind bei der Prüfung des Merkmals „nicht schuldhaft verzögert“ i.S. des § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG am Gesetzeszweck auszurichten. Liegen danach keine Hindernisse außerhalb des Einflussbereichs des Halters vor, muss der Halter, wenn er die Steuerpflicht beenden will, sein Fahrzeug „sofort“ bei der Zulassungsstelle abmelden.

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e. Der Begriff der „Abmeldung“ i.S. des § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG ist im KraftStG nicht definiert. Um die Kraftfahrzeugsteuerpflicht zu beenden, genügt es bzw. ist erforderlich, dass das Fahrzeug bei der Zulassungsbehörde nach den Vorschriften des § 14 Abs. 1 FZV außer Betrieb gesetzt wird (vgl. Strodthoff, KraftStG, § 5 Rz. 11). Soll ein zugelassenes Fahrzeug nach dieser Vorschrift außer Betrieb gesetzt werden, hat der Halter dies der örtlich zuständigen Zulassungsbehörde unter Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I zu beantragen und die Kennzeichen zur Entstempelung vorzulegen. Im Falle eines Diebstahls oder einer Unterschlagung des Fahrzeugs verfügt der Fahrzeughalter regelmäßig nicht mehr über die Kennzeichenschilder des Fahrzeugs. Er hat in diesen Fällen nach gängiger Verwaltungspraxis eine Bescheinigung einer deutschen Polizeidienststelle über den Diebstahl oder die Unterschlagung vorzulegen. Dies gilt auch dann, wenn das Fahrzeug im Ausland gestohlen oder unterschlagen wurde (vgl. Strodthoff, KraftStG, § 5 Rz. 13).

45
2. Bei Übertragung der genannten Rechtsgrundsätze auf den Streitfall bedeutet dies, dass der Zeitpunkt des Unfalls und der Beschlagnahme des Fahrzeugs des Klägers in Italien am 06.01.2020 als Zeitpunkt des Endes der Steuerpflicht gem. § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG zugrunde zu legen ist. Denn seit diesem Zeitpunkt wurde nach Aktenlage das Fahrzeug des Klägers nicht mehr auf öffentlichen Straßen genutzt. Weiter trifft den Kläger bei Würdigung der von ihm vorgetragenen Umstände unter Berücksichtigung der von ihm zur Glaubhaftmachung seines Vortrags vorgelegten Beweismittel kein Verschulden daran, dass er sein Fahrzeug „erst“ im Zeitpunkt der Vorlage der Kennzeichen am 14.07.2020 abgemeldet hat.

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a. Dass das Fahrzeug des Klägers seit dem Tag des Unfalls nicht mehr zum Verkehr auf öffentlichen Straßen benutzt worden ist, ist zwischen den Beteiligten unstreitig. Der Beklagte hat den Vortrag des Klägers diesbezüglich nicht in Frage gestellt. Der Kläger hat auch substantiiert vorgetragen und durch Vorlage des italienischen Beschlagnahmeprotokolls, des Schriftverkehrs bezüglich der Herausgabe des eingezogenen Führerscheins sowie der Verschrottungsanzeige hinreichend dargelegt und glaubhaft gemacht, dass weder er noch eine andere Person das Fahrzeug in der Zeit zwischen der Beschlagnahme am 06.01.2020 und der Verschrottung am 20.06.2020 auf öffentlichen Straßen benutzt hat. Hiervon ausgenommen sind lediglich die Fahrt zum Grundstück des Klägers am Tag der Beschlagnahme zur Sicherung des Fahrzeugs sowie die Fahrt zum Verschrottungsunternehmen, um die geplante Verschrottung des Fahrzeugs am 20.06.2020 durchzuführen. Diese Fahrten sind nicht als steuerschädliche Benutzung zu werten.

47
b. Darüber hinaus hat der Kläger nach Auffassung der Richterin substantiiert vorgetragen und durch Vorlage der im Vorverfahren und im Klageverfahren vorgelegten Dokumente und Unterlagen hinreichend glaubhaft gemacht, dass er die Abmeldung des streitrelevanten Fahrzeugs nicht schuldhaft verzögert hat. Die Richterin hält es für überwiegend wahrscheinlich, dass die Behauptung des Klägers, er habe eine frühere Außerbetriebsetzung seines Fahrzeugs durch die Zulassungsbehörde in F nicht erreichen können, zutrifft. Die Annahme einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist für die hier gebotene Glaubhaftmachung ausreichend.

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aa. Der Kläger hat es nach Aktenlage zwar bis zum 14.07.2020 unterlassen, der Zulassungsbehörde in F mitzuteilen, dass sein Fahrzeug in Italien beschlagnahmt worden sei, er das Fahrzeug seit der Beschlagnahme am 06.01.2020 nicht mehr habe benutzen und die Kennzeichen sowie die Zulassungsbescheinigung Teil I nicht habe vorlegen können. Der Beklagte rügt insoweit, dass der Kläger nicht rechtzeitig Kontakt mit der zuständigen Zulassungsstelle zwecks Abmeldung des Fahrzeugs aufgenommen habe.

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bb. Der Einwand des Beklagten greift indes nicht durch. Vielmehr hat nach Auffassung der Richterin bei Würdigung der besonderen und durch die präsenten Beweismittel glaubhaft gemachten Umstände der Kläger die ihm zumutbaren Maßnahmen ergriffen, um innerhalb einer angemessenen Frist nach der Beschlagnahme des Fahrzeugs in Italien die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs in Deutschland sachgemäß zu beantragen. Die Beantragung der Außerbetriebsetzung rund sechs Monate nach Beschlagnahme des Fahrzeugs ist im Hinblick auf die Schwierigkeiten, auf die der Kläger bei Wahrnehmung seiner Rechte und Interessen gestoßen ist, noch als unverzüglich anzusehen.

50
(1) Es mangelt jedenfalls an einer Kausalität zwischen der vom Beklagten gerügten unterbliebenen Anzeige der Beschlagnahme des Fahrzeugs bei der Kfz-Zulassungsbehörde in F und der hier nicht erfolgten schnellen Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs (vor dem 14.07.2020). Denn auch bei sofortiger Mitteilung der Beschlagnahme des Fahrzeugs durch die Carabinieri bei der Zulassungsbehörde wäre dort eine beantragte Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs ohne Vorlage der Kennzeichen ‒ und der Zulassungsbescheinigung Teil I ‒ sehr wahrscheinlich nicht vorgenommen worden. Dies ergibt sich aus dem Ergebnis des gerichtlichen Auskunftsersuchens bei der Zulassungsbehörde in F. Der Sachbearbeiter hat auf Anfrage des Gerichts ausdrücklich erklärt, dass im vorliegenden Streitfall die Behörde das Datum der Außerbetriebsetzung (14.07.2020) aus zulassungsrechtlicher Sicht für zutreffend erachte, da gem. § 14 FZV die Außerbetriebsetzung zum Tag der Entstempelung der Kennzeichen und Vorlage des Kfz-Schein/Zulassungsbescheinigung Teil I erfolge. An dieser Auffassung hat der Sachbearbeiter auch unter der im Auskunftsersuchen gefassten Annahme festgehalten, dass eine Vorlage der Kennzeichen zu einem früheren Zeitpunkt (objektiv) nicht möglich gewesen sei. Auf die Frage der Richterin im Auskunftsersuchen, unter welchen Voraussetzungen eine Außerbetriebsetzung von im Inland zugelassenen Fahrzeugen, die im EU-Ausland beschlagnahmt würden, möglich sei und was ein Halter im Falle der Beschlagnahme seines Fahrzeugs im EU-Ausland für eine Außerbetriebsetzung tun könne und müsse, ist der Sachbearbeiter nicht eingegangen. Die Zulassungsbehörde hat schließlich bezogen auf den Streitfall auch eine Außerbetriebsetzung im Zeitpunkt der Verschrottung des Fahrzeugs am 20.06.2020 ausdrücklich abgelehnt.

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Aus diesen Umständen folgert die Richterin, dass die Zulassungsbehörde auch dann das Fahrzeug des Klägers nicht zu einem früheren Zeitpunkt außer Betrieb gesetzt hätte, wenn der Kläger zu einem früheren Zeitpunkt Kontakt mit der Zulassungsbehörde aufgenommen hätte. Denn die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Abmeldung nach § 14 FZV ‒ hier: Vorlage der Kennzeichen und der Zulassungsbescheinigung Teil I ‒ konnte der Kläger aufgrund der Beschlagnahme und Einziehungen nicht erfüllen. Die Zulassungsbehörde in F bestand jedoch auf Vorlage der Kennzeichen zur Entstempelung. Ein Diebstahl des Fahrzeugs lag nicht vor, sodass sich eine Anzeige bei der deutschen Polizei erübrigte. Anhaltspunkte dafür, dass die Zulassungsbehörde in F die Herausgabe der Kennzeichen und der Zulassungsbescheinigung Teil I des Klägers bei den italienischen Behörden im Wege eines zwischenbehördlichen Ersuchens erwirkt hätte, haben sich nicht ergeben. Der Beklagte hat hierzu auch nichts vorgetragen.

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(2) Der Kläger hat als Halter die ihm zumutbaren Schritte unternommen, um die amtlichen Kennzeichen zu erlangen und eine Abmeldung des Fahrzeugs alsbald zu ermöglichen. Der Kläger ist dabei zutreffend davon ausgegangen, dass für den Antrag auf Außerbetriebsetzung seines Fahrzeugs bei der Zulassungsbehörde die Vorlage der Kennzeichen und der Zulassungsbescheinigung Teil I bzw. des Fahrzeugscheins notwendig war (vgl. § 14 FZV).

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Bei Abwägung der Umstände im Streitfall, insbesondere bei Würdigung der vom Kläger eingeleiteten Schritte im Zusammenhang mit der Beschlagnahme seines Fahrzeugs, der Einziehung des Fahrzeugscheins und seines Führerscheins sowie der sich anschließenden Verschrottung und Abmeldung des Fahrzeugs gelangt die Richterin zu dem Ergebnis, dass der Kläger die Maßnahmen ergriffen hat, die von ihm verlangt werden konnten, um ohne schuldhaftes Zögern die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs herbeizuführen.

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Diese Beurteilung beruht auf den folgenden Erwägungen: Zunächst war dem Kläger nach dem Unfall am 06.01.2020 eine gewisse Zeit einzuräumen, die Rechtslage zu prüfen und Rechtsrat einzuholen. Zu berücksichtigen ist dabei zeitverlängernd, dass sich der Unfall im Ausland ereignet hatte. Dem Kläger war zuzugestehen, sich mit den ausländischen Regelungen vertraut zu machen und eine italienische Kanzlei aufzusuchen, die seine rechtlichen Interessen in der Angelegenheit vertreten würde. Erschwerend kam hinzu, dass ein direkter Kontakt mit den italienischen Behörden aufgrund der Covid-Pandemie deutlich eingeschränkt war. Bereits am 27.01.2020, also drei Wochen nach der Beschlagnahme seines Fahrzeugs, wandte sich der Kläger mit einem Schreiben an das Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in N und teilte mit, dass die Carabinieri … seinen deutschen Führerschein einbehalten habe und dass er einen Anwalt beauftragt habe, den Umtausch in einen italienischen Führerschein zu beantragen. Der Kläger blieb nach dem Unfall demnach nicht untätig, sondern beschäftigte sich mit der Angelegenheit, wenn auch in erster Linie mit der Beantragung eines neuen Führerscheins. Nachdem der Kläger überlegt hatte, ob er sein Fahrzeug mittels Zulassung in Italien zurück erlangen oder sein Fahrzeug aufgrund der erheblichen Kosten lieber verschrotten lassen wollte, entschied er sich für letzteres. Wenige Wochen später ‒ am 17.02.2020 ‒ hatte das Verschrottungsunternehmen dem Kläger schriftlich zugesagt, den Transport und die Verschrottung des Fahrzeugs durchzuführen. Die seit der Beschlagnahme verstrichene Frist von ca. 6 Wochen zur Überlegung des Klägers, was mit dem Fahrzeug geschehen sollte, hält die Richterin für noch angemessen. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass es dem Kläger während dieser Zeit nach Aktenlage unmöglich war, die Kennzeichen der deutschen Zulassungsbehörde zur Entstempelung vorzulegen. Die Richterin hält es für sehr wahrscheinlich, dass der Vortrag des Klägers dahingehend, ihm sei es untersagt gewesen, die Kennzeichen von dem Fahrzeug zu entfernen, zutrifft. Auch über den Fahrzeugschein konnte der Kläger nicht verfügen, da dieser behördlich eingezogen und ausweislich des Schreibens des Generalkonsulats vom 30.07.2020 erst mit diesem Schreiben der Zulassungsbehörde in F übersandt worden war.

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Der Kläger durfte davon ausgehen, dass auch die zum Fahrzeug gehörenden Kennzeichen von der Beschlagnahme seines Fahrzeugs umfasst waren. Denn zum einen haben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte ergeben, wonach es dem Kläger erlaubt gewesen wäre, die Kennzeichenschilder trotz der Beschlagnahme vom Fahrzeug zu entfernen. Gegen eine solche Befugnis spricht, dass die Kennzeichen der Identifizierung des beschlagnahmten Fahrzeugs und des dazugehörigen Halters dienten. Zum anderen war Grund der Beschlagnahme des Fahrzeugs durch die Carabinieri, dass der Kläger mit einem in Deutschland zugelassenen Fahrzeug ‒ unter Verwendung deutscher Kennzeichen ‒ in Italien unterwegs war und dies nach Auffassung der Carabinieri gemäß dem italienischen Straßenverkehrsrecht rechtswidrig war. Es ging also gerade darum, dass der Kläger die deutschen Kennzeichen nicht für sein Fahrzeug in Italien verwenden durfte. Die Kennzeichen hatten somit den Charakter eines Beweismittels. Vor diesem Hintergrund war es dem Kläger nicht zuzumuten, die Kennzeichen von dem beschlagnahmten Fahrzeug vor Freigabe des Fahrzeugs eigenmächtig zu entfernen, um diese der deutschen Zulassungsbehörde zur Entstempelung vorzulegen.

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(3) Der Kläger hat hinreichend glaubhaft gemacht, dass es ihm aufgrund des vorliegenden Auslandssachverhaltes, der fehlenden Beteiligung deutscher Behörden an der Beschlagnahme des Fahrzeugs einschließlich der Kennzeichen, dem Verschluss des Fahrzeugscheins (Zulassungsbescheinigung Teil I), der Beteiligung mehrerer Behörden in Italien ‒ Carabinieri …, Zulassungsstelle in B, Generalkonsulat der Bundesrepublik Deutschland in N ‒ sowie der besonderen Einschränkungen aufgrund der Covid-Pandemie im Frühjahr 2020 nicht möglich war, die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs nach § 14 FZV zu einem früheren Zeitpunkt in Deutschland sachgemäß zu beantragen. Die genannten Gründe lagen ganz überwiegend nicht im Einflussbereich des Klägers. Dies zeigt sich auch daran, dass es nach Aktenlage selbst der vom Kläger beauftragten italienischen Kanzlei nicht gelungen war, das Verfahren zur Genehmigung der Verschrottung des Fahrzeugs und zur Herausgabe des Fahrzeugscheins wesentlich zu beschleunigen.

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(4) Da der Beklagte selbst den Tag der Verschrottung am 20.06.2020 als maßgeblichen früheren Zeitpunkt i.S. des § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG angenommen hat, kann letztlich dahingestellt bleiben, ob der Kläger die Kennzeichen „unverzüglich“ nach der Verschrottung des Fahrzeugs der Zulassungsbehörde in F zur Entstempelung vorgelegt hat. Bis zum Zeitpunkt der Verschrottung des Fahrzeugs handelte der Kläger jedenfalls unverzüglich i.S. des § 5 Abs. 4 Satz 2 KraftStG. Die Richterin sieht aber auch die im Streitfall verstrichene Frist von ca. drei Wochen zwischen dem Tag der Verschrottung des Fahrzeugs am 20.06.2020, einem Samstag, und dem Tag der Vorlage der Kennzeichen bei der Zulassungsbehörde am 14.07.2020, einem Dienstag, unter den gegebenen Umständen als noch angemessen an. Zu berücksichtigen ist hierbei, dass der Kläger zur Vorlage der Kennzeichen aus Italien nach Deutschland reisen musste und immer noch nicht im Besitz seines Fahrzeugscheins (Zulassungsbescheinigung Teil I) war. Diesen hatte die vom Kläger beauftragte italienische Kanzlei zuletzt mit Schreiben vom 17.07.2020 von der italienischen Zulassungsstelle in B herausverlangt.

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III. Damit endete die Steuerpflicht des Klägers im Zeitpunkt der Beschlagnahme am 06.01.2020. Die Steuer ist für die Zeit vom 17.05.2019 bis zum 06.01.2020 neu festzusetzen. Die bisherige Festsetzung für die Zeit vom 07.01.2020 bis zum 19.06.2020 ist aufzuheben. Rechtsgrundlage für die Änderung der bisherigen Steuerfestsetzung ist die Vorschrift des § 12 Abs. 2 Nr. 3 Satz 1 KraftStG, wonach die Steuer neu festzusetzen ist, wenn die Steuerpflicht endet. Die Steuerfestsetzung erstreckt sich auf die Zeit vom Beginn des Entrichtungszeitraumes, in den das Ende der Steuerpflicht fällt, bis zum Ende der Steuerpflicht (§ 12 Abs. 2 Nr. 3 Satz 2 KraftStG). Die Richterin bezieht den Tag der Beschlagnahme in den steuerpflichtigen Zeitraum mit ein, da das Fahrzeug an diesem Tag bis zum Unfall noch benutzt worden ist (vgl. zum Zeitraum der Steuerpflicht auch Urteil des FG München vom 12.08.1998 4 K 3707/97, UVR 1999, 226, juris). Die Berechnung der für die Zeit bis zum 06.01.2020 festzusetzenden Kraftfahrzeugsteuer wird dem Beklagten übertragen (vgl. § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO).

59
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 151 Abs. 3, 155 FGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung.

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