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15.09.2006 · IWW-Abrufnummer 062764

Amtsgericht Koblenz: Urteil vom 24.05.2006 – 151 C 140/06

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Aktenzeichen 151 C 140/06
verkündet am 24.5.2006

Amtsgericht Koblenz

Urteil

In dem Rechtsstreit XXX

wegen Forderung und Freistellung

hat das Amtsgericht Koblenz auf die mündliche Verhandlung vom 03.05.2006 durch XXX für Recht erkannt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.800,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5. Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.02.2006 zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von dem gegen sie erhobenen Anspruch ihres prozessbevollmächtigten aus der Kostenrechnung vorn 15.12.2005 in Höhe von 2.190,08 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus zu befreien.

3. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % der zu vollstreckenden Zahlungs- und Freistellungssumme vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten aus unstreitigem Rechtsschutzversicherungsvertrag restlichen Deckungsschutz in Form von Zahlung für ihr entstandene Gerichtskosten und Freistellung von ihr entstandenen Gebühren ihres Prozessbevollmächtigten in einem Rechtsstreit der Klägerin vor dem Landgericht Mönchengladbach gegen ein Krankenhaus in Erkelenz.

Die Klägerin erhob im April 2003 vor dem Landgericht Mönchengladbach unter Az: 6 O 182/03 als ehemalige Betreuerin und Erbin ihres nach einem Verkehrsunfall und langjähriger Krankenhausbehandlung verstorbenen Sohnes XXX Klage gegen das behandelnde XXX-Krankenhaus in Erkelenz auf Ersatz des ihrem Sohn und ihr selbst entstandenen materiellen und immateriellen Schadens. Ihre Ansprüche stützte die Klägerin dabei auf. den Vorwurf fehlerhafter Behandlungen ihres Sohnes durch die behandelnden Krankenhausärzte sowie die Verletzung von ärztlichen Dokumentationspflichten. In der Klageschrift vom April 2003 vor dem Landgericht Mönchengladbach begründete und bezifferte die Klägerin dabei ihre Schadensersatzansprüche auf ein Schmerzensgeld für ihren verstorbenen Sohn in Höhe von 100.000,00 Euro, Verdienstausfallschaden des Sohnes von 38.347,48 Euro sowie Fahrtkosten von 18.253,56 Euro. Durch daraufhin durch das Landgericht Mönchengladbach eingeholtes Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Dr. XXX vom 22.03.2005 wurden die den klägerischen Schadensersatz und Schmerzensgeldansprüchen zu Grunde liegenden Vorwürfe der fehlerhaften ärztlichen Behandlungen und Verletzungen ärztlicher Dokumentationspflichten des verstorbenen Sohnes der Klägerin durch die behandelnden Ärzte des Krankenhauses in Erkelenz bestätigt. Daraufhin erweiterte die Klägerin mit anwaltlichem Schriftsatz vom 28.10.2005 ihre Klage vor dem Landgericht Mönchengladbach auf einen Gesamtstreitwert von 487.767,60 Euro unter Geltendmachung 'und Bezifferung nachfolgender Einzelansprüche:

1. 200.000,00 Euro Schmerzensgeld Verstorbener
2. 50.000,00 Euro Schmerzensgeldanspruch Klägerin
3. 10.000,00 Euro Beerdigungskosten
4. 24.000,00 Euro Grabpflegekosten für dreißig Jahre (30.000,00 Euro abzüglich 20 % für die Feststellung)
5. 112.800,00 Euro Verdienstausfallschaden
6. 56.967,60 Euro Fahrtkosten
7. 24.000,00 Euro Unterhalt (30.000,00 Euro abzüglich 20 % für die Feststellung)
8. 10.000,00 Euro weitere Feststellungen

Diesen Gesamtstreitwert einschließlich der geltend gemachten genannten Einzelstreitwerte setzte das Landgericht Mönchengladbach durch Beschluss vom 10.11.2005 als vorläufigen Streitwert fest unter gleichzeitigem Hinweis an die Klägerin, dass die derzeit von ihr angekündigten Anträge nicht den gemachten Angaben zum Streit wert entsprächen. Zugleich erließ das Landgericht Mönchengladbach unter dem 15.11.2005 Beweisbeschluss zu Fragen der Dauer der Arbeitsunfähigkeit des verstorbenen Sohnes der Klägerin im Falle nicht vorgekommener narkotischer fehlerhafter Zwischenfälle sowie der Frage, wie lange der Patient. auf Grund des Unfalles vom 24.05.1996 im Krankenhaus hätte verbleiben müssen, wenn es nicht zu den Zwischenfällen bei den Narkosen im Rahmen der Operationen gekommen wäre durch Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens. Dieses Gutachten für den Arzthaftungsrechtsstreit vor dem Landgericht Mönchengladbach steht derzeit noch aus.

Nachdem der Prozessbevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 09.09.2005 gegenüber der vorliegenden beklagten Rechtsschutzversicherung den erhöhten Gesamtstreitwert dargelegt und entsprechenden Deckungsschutz angefordert hatte, gewährte die Beklagte auf den Streitwertfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Mönchengladbach vom 10.11.2005 hin mit Schreiben vom 18.11.2005 und weiteren Schreiben vom 30.11.2005 und 22.12.2005 Rechtsschutz gegenüber der Klägerin lediglich für einen Gesamtstreitwert in Höhe von 374.138,80 Euro und lehnte die Übernahme der Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren der Klägerin über den darüber hinaus gehenden Differenzbetrag bis zum durch das Landgericht vorläufig festgesetzten Streitwertbetrag ab mit der Begründung, dass einzelne Ansprüche der Klägerin teilweise unbegründet, teilweise noch nicht schlüssig dargelegt seien. Die Klägerin forderte die Beklagte daraufhin mehrfach, zuletzt durch Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 15.12.2005 unter Fristsetzung zum 27.12.2005 zur Ausweitung der Deckungsschutzzusage auf den Gesamtstreitwert von 487.767,60 Euro auf. Die. Beklagte lehnte dies weiterhin ab.

Mit vorliegender Klage begehrt die Klägerin von der Beklagten den von dieser abgelehnten restlichen. Deckungsschutz für die durch die Klageerhöhung im Arzthaftungsprozess vor dem Landgericht Mönchengladbach der Klägerin entstandenen Gerichtsgebühren in Höhe von 1.800,00 Euro sowie für die Freistellung der Klägerin von den ihr im Arzthaftungsprozess entstandenen Rechtsanwaltsgebühren ihres Prozessbevollmächtigten aus dessen Gebührenrechnung vom 15.12.2005 über 2.190,08 Euro.

Die Klägerin trägt vor:

Ihr stehe Deckungsschutz seitens der Beklagten für die im Arzthaftungsrechtsstreit vor dem Landgericht Mönchengladbach bisher entstanden Gerichts- und Rechtsanwaltsgebühren nicht nur aus dem von der Beklagten begrenzten Streitwert von insgesamt 374.138,80 Euro, sondern aus dem durch das Landgericht Mönchengladbach durch Beschluss vom 10.11.2005 vorläufig festgesetzten Gesamtstreitwert von 487.767,60 Euro zu. Ihr diesbezüglicher Anspruch auf restlichen Deckungsschutz folge aus dem zwischen den Parteien bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag und § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 ARB, wonach der Versicherer nach Eintritt des Versicherungsfalles den entsprechenden vollständigen Deckungsschutz zu gewähren habe, wenn die vom Versicherungsnehmer geltend gemachten Ansprüche hinreichend Aussicht auf Erfolg hätten und nicht mutwillig erschienen. Sämtliche von der Klägerin im Arzthaftungsrechtsstreit vor dem Landgericht Mönchengladbach mit Klageerhöhung vom 28.10.2005 geltend gemachten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche hätten hinreichende Erfolgsaussichten, zumal die klägerseits behaupteten erheblichen ärztlichen Behandlungs- und Dokumentationsfehler durch das seitens des Landgerichts Mönchengladbach eingeholte sachverständigengutachten des Prof. Nadstawek vom 22.03.2005 bestätigt worden seien. Insbesondere verweigere die Beklagte zu Unrecht vollständigen Deckungsschutz für die klägerseits geltend gemachten Grabpflegekosten von 24.000,00 Euro, da von Teilen der Rechtsprechung anerkannt sei, dass Grabpflegekosten als Schadensersatz in der Person des Geschädigten entstünden und dessen Ableben auf die Erben und damit auf die Klägerin übergingen. Die Beklagte habe auch zu Unrecht den klägerseits geltend gemachten Verdienstausfallschaden des verstorbenen Patienten bei der Streitwertberechnung reduziert, da dem verstorbenen Sohn der Klägerin ohne die fehlerhafte etwa fünf jährige Krankenhausbehandlung ein Verdienst für erstes und zweites Lehrjahr sowie anschließendes erstes bis drittes Gesellenjahr in Höhe von insgesamt 112.800,00 Euro zugestanden hätte, der der Klägerin als Schadensersatz zustehe

Unabhängig von den bestehenden Erfolgsaussichten der Klägerischen Schadensersatzansprüche sei die Beklagte darüber hinaus nach § 17 Abs. 2 ARB zum vollständigen Deckungsschutz in Höhe des Gesamtstreitwertes von mindestens 487.767,60 Euro verpflichtet, da sie die vorprozessualen Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin insbesondere vom 09.09.2005 als Stichentscheid akzeptiert habe. Darüber hinaus hätte die Beklagte ihre Versagung des Deckungsschutzes in voller Höhe wegen fehlender Erfolgsaussichten mit einer zutreffenden und eindeutigen Belehrung über den von der Klägerin als Versicherungsnehmerin zu beschreitenden Weg verbinden müssen, was nicht geschehen sei, so dass die Beklagte sich nunmehr gemäß § 158 n Satz 3 VVG nicht mehr auf fehlender Erfolgsaussichten der .klägerischen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche berufen könne.

Die Klägerin beantragt,
wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:
Ein sie bindender Stichentscheid i. S. d. § 17 Abs. 2 ARB durch streitwertbegründende Schreiben des prozessbevollmächtigten der Klägerin liege nicht vor, zumal die Klägerseite selbst nicht benannt habe, welches ihrer Schreiben des prozessbevollmächtigten als Stichentscheid anzusehen sei. Keines der Schreiben des klägerischen Prozessbevollmächtigten genüge den formalen Anforderungen an einen Stichentscheid. Einwendungen der Beklagten gegen die durch das Landgericht Mönchengladbach vorläufig festgesetzte Streitwerthöhe seien auch nicht nach § 158 n VVG ausgeschlossen, da eine Verpflichtung der Beklagten zu Hinweisen über das Verfahren des Stichentscheides dann nicht bestehe, wenn dem klägerischen Prozessbevollmächtigten das Verfahren des Stichentscheides bekannt sei, was vorliegend aus dessen Schreiben vom 23.11.2005 selbst hervorgehe.

Die Beklagte sei nach § 17 Abs. 1 ARB zur Verweigerung des Deckungsschutzes für Gerichts- und Anwaltsgebühren der Klägerin über den von der Beklagten akzeptierten Streitwert von 374.138,80 Euro hinaus berechtigt, da die darüber hinausgehende Rechtsverfolgung der Klägerin keine hinreichenden Erfolgsaussichten habe. Insbesondere stünden der Klägerin an geltend gemachtem eigenen Schmerzensgeldanspruch nicht 50.000,00 Euro, sondern auf Grund vorprozessualer Einigung lediglich 40.000,00 Euro zu. Ein Deckungsschutz für Grabpflegekosten in Höhe von 24.000,00 Euro werde nicht akzeptiert, da eine diesbezügliche, Ersatzpflicht seitens des BGH verneint werde. Auch der von der Klägerin geltend gemachte Verdienstausfallschaden ihres verstorbenen Sohnes in Höhe von 112.800,00 Euro sei weit übersetzt, zumal die klägerseits behaupteten Monatsverdienste weder schlüssig dargelegt noch belegt seien und auch die monatlichen Sozialversicherungsleistungen nicht in Abzug gebracht worden seien. Zu kürzen sei auch der klägerseits geltend gemachte Unterhaltsanspruch der Klägerin, da der monatliche Verdienst des verstorbenen Sohnes der Klägerin max. 500,00 Euro betragen habe und dementsprechend auch nur das 42-fache dieses Betrages, mithin 21.000,00 Euro abzüglich 20 %igem Anteil für den Feststellungsantrag anzusetzen seien. Auch der klägerseits geltend gemachte Feststellungsantrag auf Ersatz weiterer ggf. künftiger Schäden in Höhe von 10.000,00 Euro sei weder schlüssig dargelegt noch begründet.

Für den Sach- _ und Streitstand im Übrigen wird auf die Schriftsätze der Parteivertreter nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 03.05.2006 (BI. 102, 103d.A.) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und in vollem Umfang begründet.

I.
Die Kläger hin hat gegen die Beklagte aus dem zwischen den Parteien unstreitig bestehenden Rechtsschutzversicherungsvertrag gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 ARB einen Anspruch auf Deckungszusage für die Zahlung der der Klägerin im Arzthaftungsrechtsstreit vor dem Landgericht Mönchengladbach entstandenen weiteren Gerichtskosten in Höhe von 1.800,00 Euro sowie auf Freistellung von der Vorschussforderung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin aus dessen Honorarrechnung vom 15.12.2005 über 2.190,08 Euro aus dem von der Beklagten bisher nicht akzeptierten Streitwertdifferenzbetrag zwischen dem vom Landgericht Mönchengladbach vorläufig festgesetzten Streitwert von 487.767,60 Euro und dem von der Beklagten akzeptierten Streitwert von 374.138,80 Euro.

Dieser Anspruch folgt aus § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 ARB. Danach hat der Versicherer nach Eintritt eines Versicherungsfalles für die Wahrnehmung der rechtlichen Interessen des Versicherungsnehmers zu sorgen, soweit .sie notwendig sind, und die dem Versicherungsnehmer hierbei entstehenden Kosten zu tragen. Die Wahrnehmung rechtlicher Interessen ist dabei notwendig, wenn sie hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Durch den Verkehrsunfall des Sohnes der Klägerin am 24.05.1996 und dessen anschließendes Versterben nach fünf jähriger Krankenhausbehandlung begründete den Eintritt des Versicherungsfalles zwischen den Parteien. Die klageweise mit Klageerhöhungsschriftsatz vom 28.10. 2005 vor dem Landgericht Mönchengladbach geltend gemachten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche in Höhe des durch Beschluss des Landgerichts Mönchengladbach vom 10.11.2005 vorläufig festgesetzten Gesamtstreitwertes von 487.767,60 Euro bieten nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand hinreichend Aussicht auf Erfolg, so dass die diesbezüglich notwendigen Gerichts- und Anwaltsgebühren durch die Beklagte in voller Höhe zu decken sind.

a)
Zwar liegt kein die Beklagte bindender Stichentscheid gemäß § 17 Abs. 2 ARB durch Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenüber der Beklagten vor. Entgegen der Ansicht der Klägerin kann gerade nicht dahinstehen, in welchem der Schreiben der Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegenüber der beklagten Rechtsschutzversicherung per Stichentscheid i. S. d. § 17 Abs. 2 ARB der Streitwert auf 487.767,60. Euro mit Bindungswirkung für die Beklagte festgesetzt worden wäre. Das Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin an die Beklagte vom Q9.09.2005 ist dies bezüglich nicht dienlich, da es einen Gesamtstreitwert über 1.195.965,00 Euro darlegt und beziffert, welchen die Klägerin dann mit Klageerweiterungsschriftsatz vom 28.10.2005 gegenüber dem Landgericht Mönchengladbach selbst in dieser Höhe nicht weiter verfolgte. Auch in keinem weiteren Schreiben des Bevollmächtigten der Klägerin an die Beklagten hinsichtlich der Streitwerthöhe im Arzthaftungsprozess liegt ein den Anforderungen des § 17 Abs. 2 ARE genügender Stichentscheid mit Bindungswirkung für die Beklagte.

b)
Die Einwendungen der Beklagten gegen den durch Beschluss des Landgerichts Mönchengladbach vom 10.11.2005 vorläufig festgesetzten Gesamtstreitwert von 487.767,60 Euro sind auch nicht nach § 158 n VVG deshalb ausgeschlossen, weil die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 18.10.2005 gegenüber dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin, in .welchem sie vollständigen Deckungsschutz verweigerte, lediglich auf das Stichentscheidsverfahren nach § 17 Abs. 2 ARB pauschal hinwies. Dieser Hinweis genügte vorliegend. "Denn die Verpflichtung zum Hinweis nach § 158 n-Satz 2 VVG, den Versicherungsnehmer im Falle nicht vollständig zugesagten Deckungsschutzes durch den Versicherer auf das dann erforderliche Stichentscheidsverfahren nach § 17 Abs. 2 ARE hinzuweisen, entfällt selbstverständlich dann, wenn dem das "Verfahren betreibenden Prozessbevollmächtigten der Klägerin dieses Stichentscheidsverfahren bekannt war. Dies war vorliegend der Fall, zumal der Bevollmächtigte der Klägerin mit Schreiben vom 23.11.2005 an die Beklagte ausdrücklich formulierte "..., insoweit zurückkommend auf ihren erwünschten Stichbescheid laut Anschreiben vom 18.10.2005 gemäß § 17 Abs. 2 und 3 ARB.. .".

c)I
Die Beklagte ist vorliegend jedoch zum vollen Deckungsschutz auch hinsichtlich des von ihr bisher verweigerten Streitwertanteiles bis zur Höhe des vom Landgericht Mönchengladbach vorläufig festgesetzten Gesamtstreitwertes von 487.767,60 Euro gemäß § 1 Abs. 1 Satz 1 und 2 ARB verpflichtet, da die diesbezüglichen Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche der Klägerin im Arzthaftungsprozess vor dem Landgericht Mönchengladbach hinreichend Aussicht auf Erfolg bieten und nicht mutwillig erscheinen.

Hinreichende Erfolgsaussicht ,eines eingeklagten Anspruches besteht dabei dann, wenn das Gericht den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für halbwegs zutreffend oder zumindest für vertret-, bar hält und in tatsächlicher Hinsicht zumindest von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist (vgl. Harbauer, ARB-Kommentar, 7. Auflage, § 1 ARB, Rdnr. 34; Zöller/Philippi, § 114 Rdnr. 19; BGH NJW 94, Seite 1161) .Auf Grund einer summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage muss möglich sein, dass der Antragsteller mit seinem Begehren durchdringen wird. Im Zweifel ist zu Gunsten des Antragstellers zu entscheiden (vgl. Harbauer, § 1 ARB, Rdnr. 34). Der Deckungsschutz des Versicherers darf entsprechend den zur Prozesskostenhilfe geltenden Grundsätzen dann nicht versagt werden, wenn entscheidungserhebliche schwierige Rechts- und Tatfragen bislang nicht hinreichend geklärt sind (vgl. Harbauer, § 1 ARB, Rdnr. 34 m. BGH NJW 98, Seite 82) .

Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben. Das Landgericht Mönchengladbach hält vorliegend die mit Klageerhöhungsschriftsatz der Klägerin vom 28.10. 2005 geltend gemachten erweiterten Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche mit einem Gesamtstreitwert von 487.767,60 Euro, bestehend aus den Einzelansprüchen

1. 200.000,00 Euro Schmerzensgeld Verstorbener
2. 50.000,00 Euro Schmerzensgeldanspruch Klägerin
3. 10.000,00 Euro Beerdigungskosten
4. 24.000,00 Euro Grabpflegekosten für dreißig Jahre (30.000,00 Euro abzüglich 20 % für die Feststellung)
5. 112.800,00 Euro Verdienstausfallschaden
6. 56.967,60 Euro Fahrtkosten
7. 24.000,00 Euro Unterhalt (30.000,00 Euro abzüglich 20 % für die Feststellung)
8. 10.000,00 Euro weitere Feststellungen
offenkundig zumindest für vertretbar und in tatsächlicher Hinsicht für beweisfähig. Denn es hat den genannten Gesamtstreitwert einschließlich der genannten Einzelforderungen durch Beschluss vom 10.11.2005 unstreitig vorläufig festgesetzt (vgl. Streitwertbeschluss des Landgerichts Mönchengladbach vom 10.11.2005, BI. 46, 47 d. A. ) .

Zwar hat das Landgericht Mönchengladbach in Ziffer 11. seines Streitwertbeschlusses vorsorglich darauf hingewiesen, dass die von der Klägerin im Arzthaftungsprozess angekündigten Anträge auf Schadensersatz und Schmerzensgeld nicht den gemachten Angaben zum Gesamtstreitwert entsprächen (vgl. Streitwertbeschluss BI. 46 d.A.). Eine konkrete Reduzierung des klägerseits als begründet dargelegten Gesamtstreitwertes von 487.767,60 Euro erfolgte jedoch durch das Landgericht nicht. Vielmehr erließ das Landgericht Mönchengladbach unmittelbar auf Grundlage des genannten Streitwertbeschlusses vom 10.11.2005 unter dem 15.11.2005 einen Beweisbeschluss des Inhalts, dass zu den Fragen über die Dauer der unfall- und behandlungsbedingten Arbeitsunfähigkeit des Sohnes der Klägerin und der Frage, . wie lange dieser auf Grund des Unfalles vom 24.05.1996 im Krankenhaus hätte verbleiben müssen, wenn es nicht zu den Zwischenfällen bei den Narkosen im Rahmen der Operationen gekommen wäre und wann und in welchem Umfang er dann wieder hätte arbeiten können, Beweis erhoben werden soll durch Einholung eines Sachverständigengutachtens (vgl. Beweisbeschluss . des Landgerichts Mönchengladbach vom 15.11.2005, BI. 100, 101 d.A,).

Durch die gutachterliche Beantwortung dieser Fragen ist sowohl der klägerseits für fünf Jahre Krankenhausbehandlung geltend gemachte Verdienstausfallschaden in Höhe von insgesamt 112.800,00 Euro, wie er mit Schreiben des prozessbevollmächtigten der Klägerin vom 09.09.2005 gegenüber der vorliegenden Beklagten und mit Klageerhöhungsschriftsatz vom 28.10.2005 gegenüber dem Landgericht Mönchengladbach dargelegt und beziffert wurde, nach Grund und Höhe dem Beweis zugänglich als auch der sich daran orientierende Unterhaltsanspruch der Klägerin nach Grund und Höhe beweisbar. Die Höhe des Verdienstausfall- und Unterhaltsschadens belegte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin in den genannten Schreiben durch beigefügte Tarifinformationen der IG Metall sowie Entgeltrahmenabkommen des Autohaus Müller-Platz als Arbeitgeberin der verstorbenen Sohnes der Klägerin, was von Beklagtenseite nicht bestritten worden ist und somit gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt. Ohne Aussicht auf Erfolg sind somit die durch die Klägerin geltend gemachten Verdienstausfallschaden- und Unterhaltskostenansprüche entgegen der Ansicht der Beklagten gerade nicht.

Auch der Streitwert hinsichtlich der Feststellung der Ersatzbedürftigkeit der Grabpflegekosten in Höhe klägerseits geltend gemachter 24.000,00 Euro ist von der Beklagten im Rahmen des Deckungsschutzes nach § 1 Abs. 1 ARB zu berücksichtigen. Das Landgericht Mönchengladbach hält diese Schadensposition offenkundig zu mindest für vertretbar, da es andernfalls den diesbezüglichen Teilstreitwert nicht im Streitwertfestsetzungsbeschluss vom 10.11.2005 ungekürzt vorläufig festgesetzt hätte.

Zwar ist der Beklagten darin Recht zu geben, dass der BGH durch Urteil vom 20.09.1973, veröffentlicht in VersR 1974, Seite 140, Kosten der Instandhaltung und Pflege einer Grabstätte nicht als erstattungspflichtig ansah, da sie nicht i. S. d. § 844 Abs. 1 BGB zu den' dort als erstattungspflichtig bezeichneten Kosten einer standesgemäßen Beerdigung selbst zählen. Ob sich das Landgericht Mönchengladbach jedoch dieser Rechtsprechung des BGH aus dem Jahr 1973 anschließt oder unter Heranziehung des Urteils des OLG Hamm vom 29.01.1990, veröffentlicht in ZfF 1990, Seite 223, den Anspruch auf Erstattung von Grabpflegekosten zuerkennt, weil dieser Anspruch in der Person des Verletzten entstehe und bei dessen Ableben auf den Erben übergehe, ist derzeit noch offen und nicht ausgeschlossen. Einen anders lautenden Hinweis hat das Landgericht Mönchengladbach bis heute nicht erteilt.

Der Deckungsschutz der Beklagten hat nach § 1 Abs. 1 ARB auch den durch das Landgericht Mönchengladbach vorläufig festgesetzten Streitwert für den Schmerzensgeldanspruch der Klägerin selbst in Höhe von 50.000,00 Euro mit zu umfassen. Auch der diesbezügliche klägerische Schmerzensgeldanspruch erscheint im Hinblick auf den klägerseits im Klageerhöhungsschriftsatz vom 28.10.2005 detailliert dargelegten fünfjährigen Klinikaufenthalt' des verstorbenen Sohnes der Klägerin mit 16 Operationen, darunter einer linksseitigen Beinamputation und mehreren Verlegungen in andere Krankenhäuser nicht von vorneherein ohne Aussicht auf Erfolg. Eine etwaige vorprozessuale Verständigung zwischen den Parteien über einen Schmerzensgeldanspruch der Klägerin ,über nur 40. 000, 00 Euro ist spätestens durch die klägerische Klageerhöhung vom 28.10.2005 auf diesbezüglich 50.000,00 Euro und den entsprechenden vorläufigen Streitwertfestsetzungsbeschluss des Landgerichtes Mönchengladbach überholt.

Schließlich hat die Beklagte Deckungsschutz auch hinsichtlich des klägerischen Feststellungsantrages auf Ersatz sämtlicher, weiterer künftiger materieller Schäden aus der fehlerhaften Krankenhausbehandlung des Sohnes der Klägerin mit einem Streitwert von vorläufig festgesetzten 10.000,00 Euro zu gewähren. Ohne Erfolgsaussicht und nicht vertretbar erscheint auch dieser Feststellungsantrag der Klägerin nicht, zumal unstreitig die groben ärztlichen Behandlungs- und Dokumentationsfehler bei den Operationen und Narkosen. des verstorbenen Sohnes der Klägerin durch vom Landgericht Mönchengladbach eingeholtes Sachverständigengutachten des Prof. Dr. Dr. Nadstawek vom 22.03.2005 unstreitig nachgewiesen sind (vgl. Gutachten BI. 24-37 d.A.). Ob der Klägerin als ehemalige Betreuerin und Erbin ihres nach Verkehrsunfall und Krankenhausbehandlung am 26.08.2001 verstorbenen Sohnes XXX noch weitere materielle Schäden über die bisher vor dem Landgericht Mönchengladbach eingeklagten Schadensersatzansprüche hinaus entstehen werden, ist angesichts der fünf jährigen Krankenhausbehandlung ihres Sohnes in den unstreitig verschiedenen Krankenhäusern derzeit nicht absehbar bzw. auszuschließen.

Die Beklagte hat somit auch hinsichtlich des von ihr bisher bestrittenen Gesamtstreitwertanteiles von 113.628,80 Euro der Klägerin Deckungsschutz für die ihr im Arzthaftungsprozess vor dem Landgericht Mönchengladbach entstehenden Gerichts- und Anwaltsgebühren nach § 1 Abs. 1 ARB zu gewähren.

II.

Der Höhe nach sind die Klageanträge der Klägerin auf Erstattung der von ihr bereits an das Landgericht Mönchengladbach gezahlten weiteren Gerichtskosten in Höhe von 1.800,00 Euro sowie auf Freistellung von den Anwaltsgebühren des prozessbevollmächtigten der Klägerin aus dessen Kostenrechnung vom 15.12.2005 in Höhe von 2.190,08 Euro, berechnet aus, dem als zutreffend festgestellten derzeitigen Gesamtstreitwert .von 487.767,60 Euro, schlüssig dargelegt worden und von Beklagtenseite der Höhe nach nicht bestritten worden. Die Höhe des klägerischen Zahlungs- und Freistellungsantrages ist somit unstreitig und gilt gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden.

III.

Der. Verzugszinsanspruch in Höhe von jeweils 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus dem Zahlungs- und Freistellungsbetrag folgt aus §§ 286 Abs. 1, 288 BGB, nachdem die Beklagte zuletzt durch anwaltliches Schreiben der Klägerin vom 15.12.2005, unter Fristsetzung zum 27.12.2005 zur Bewilligung vollständigen Deckungsschutzes erfolglos aufgefordert worden war. Verzugsbeginn ist spätestens mit Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage, also am 06.02.2006 eingetreten.

Die Klage war daher hinsichtlich beider Klageanträge in vollem Umfang zuzusprechend.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

V.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.

RechtsgebieteVersicherungsrecht, RechtsschutzversicherungVorschriften§§ 1 Abs. 1 ; 17 Abs. 2 ARB

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