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31.05.2023 · IWW-Abrufnummer 235554

Finanzgericht Hamburg: Urteil vom 23.02.2023 – 5 K 190/22

1. Umzugskosten können beruflich veranlasst sein, wenn der Umzug zu einer wesentlichen Erleichterung der Arbeitsbedingungen führt (st. Rspr.).

2. Eine solche Erleichterung kann für das Streitjahr 2020 auch anzunehmen sein, wenn ein Umzug erfolgt, um für jeden Ehegatten in der neuen Wohnung ein Arbeitszimmer einzurichten, damit diese im Homeoffice wieder ungestört ihrer jeweiligen Tätigkeit nachgehen können (in Abgrenzung zu BFH, Urteil vom 16. Oktober 1992, VI R 132/88, BStBl II 1993, 610 zum Streitjahr 1982)


Finanzgericht Hamburg

Urteil vom 23.02.2023


Tatbestand

Die Kläger begehren die Anerkennung von Umzugskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit.

Die Kläger sind Eheleute und werden im Streitjahr zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Zu Beginn des Jahres 2020 (Streitjahr) lebten sie gemeinsam mit ihrer Tochter (geb. im Oktober 2015) in der S-Straße, Hamburg. Es handelte sich um eine 3-Zimmer-Wohnung mit einer Gesamtgröße von ca. 65 m2: Wohn- und Esszimmer (20,7 m2), Küche (5,3 m2), Kinderzimmer (11,9 m2) und Schlafzimmer (12,8 m2). Zudem gab es eine Terrasse mit direktem Zugang zum Gemeinschaftsgarten. Im Wohn- und Esszimmer befand sich ein Esstisch für vier Personen. Umzugspläne hatten die Kläger nicht.

Der Kläger war als angestellter Teil-Projektleiter für ein Unternehmen im Bereich XXX tätig. Über das Vermögen des Unternehmens war Anfang 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet worden. Der Kläger wickelte dennoch weiterhin ein Projekt für seinen Arbeitgeber ab. Seine tägliche Arbeit erforderte dabei (in zeitlicher Hinsicht) zu 60 Prozent Tätigkeiten mit Telefonaten/Meetings und zu 40 Prozent ruhigere Tätigkeiten (Lesen/Anfertigen von Berichten). Der Kläger arbeitete vor Mitte März 2020 nur in Ausnahmefällen zu Hause. Für den täglichen Arbeitsweg nutzte er vor der Insolvenz seines Arbeitsgebers (bis zu diesem Zeitpunkt hatte er ein Job-Ticket) etwa zu 80 Prozent den öffentlichen Nahverkehr und im Übrigen den privaten PKW. Ab Januar 2020 nutzte er den privaten PKW und den öffentlichen Nahverkehr zu etwa gleichen Teilen.

Zu Beginn der Corona-Maßnahmen im März 2020 musste der Kläger seine Arbeitsmaterialien aus dem Büro seines Arbeitgebers abholen und ab diesem Zeitpunkt zu Hause arbeiten. Das Büro des Arbeitgebers war gänzlich geschlossen. Dies blieb so, bis der Kläger zum 30. Juni 2020 das Unternehmen verließ.

Anfang Juli 2020 begann der Kläger eine Tätigkeit bei seinem neuen Arbeitgeber. Einen festen Arbeitsplatz hatte und hat er dort nicht. Er arbeitete an vier Tagen in der Woche im Arbeitszimmer und einmal wöchentlich in den Räumen seines neuen Arbeitsgebers (B-Straße, Hamburg).

Die Klägerin ist als angestellte Sachbearbeiterin tätig. Sie arbeitete bis Ende Oktober 2020 in befristeter Teilzeit mit 23 Std/Woche und fertigte zudem ihre Master-Arbeit an. Ab November 2020 arbeitete sie mit 30 Std/Woche und inzwischen ist sie in Vollzeit mit 38,5 Std/Woche tätig. Ihre tägliche Arbeit besteht im Wesentlichen aus ruhigen Tätigkeiten, die Konzentration erfordern, wie bspw. Datenabgleich, E-Mails beantworten, Arbeit mit SAP und Excel. Telefonate führt sie kaum. Vor Mitte März 2020 arbeitete die Klägerin ausschließlich im Büro (W-Straße, Hamburg). Für den täglichen Arbeitsweg nutzte sie ganz überwiegend das Fahrrad. Seit Mitte März 2020 arbeitet die Klägerin an vier Tagen in der Woche im Homeoffice und an einem Tag im Büro. Das Büro ihres Arbeitgebers blieb geöffnet, ein Betretungsverbot gab es nicht. Allerdings war Homeoffice aufgrund der Corona-Pandemie dringend empfohlen.

Beide Kläger benötigten für ihre Tätigkeit einen großen Bildschirm. Mit Beginn des Homeoffices Mitte März 2020 nutzen die Kläger den Esstisch nicht nur als Esstisch der Familie, sondern zudem als Schreibtisch. Dort war indes nur Platz für einen großen Bildschirm. Auch sonst konnte ein solcher in der Wohnung nicht aufgestellt werden. Da die Klägerin in ihrer Arbeit zudem durch die vielen Telefonate des Klägers gestört wurde, wechselten sie sich nach Möglichkeit mit der Nutzung des Esstisches ab. Dies war nur möglich, weil beide in gewissem Maße die Arbeitszeit frei einteilen konnten.

Die Kläger erkannten, dass die Coronabedingten Einschränkungen nicht nur ganz kurzfristig sein würden, und suchten im April 2020 nach einer Wohnung, die es ihnen ermöglichen würde, zwei Arbeitszimmer einzurichten. Bereits im Mai 2020 unterzeichneten sie den Mietvertrag (Mietbeginn 16. Juli 2020) für ihre neue Wohnung. Diese liegt in der H-Straße, Hamburg (etwa 1,6 km von der bisherigen Wohnung entfernt). Die neue Wohnung ist etwa 110 m2 groß. Dabei ist die Aufteilung wie folgt: Wohn-/Esszimmer (28,15 m2), Küche (6,56 m2), zwei Arbeitszimmer (je 10,57 m2), Kinderzimmer (10,57 m2) und Schlafzimmer (15,29 m2). Die Wohnung hat einen Balkon, aber keinen Gemeinschaftsgarten. Am 23. Juli 2020 zogen die Kläger um.

Das Arbeitszimmer des Klägers ist mit einem höhenverstellbaren Schreibtisch, einem Schreibtischstuhl und Ablageflächen sowie einem Sideboard für berufliche Unterlagen ausgestattet. Im Arbeitszimmer der Klägerin befindet sich neben einem höhenverstellbaren Schreibtisch und einem Schreibtischstuhl insbesondere ein Drucker. Die Arbeitszimmer werden rein für die jeweilige nichtselbständige Tätigkeit der Kläger genutzt. Private Korrespondenz lagern die Kläger im Wohnzimmer sowie in einem Aktenregal im Keller.

In der Einkommensteuererklärung erklärten die Kläger u.a. Umzugskosten i.H.v. X € als Werbungskosten. Mit Einkommensteuerbescheid vom X. Dezember 2021 lehnte der Beklagte die Berücksichtigung der Umzugskosten als Werbungskosten ab. Hiergegen legten die Kläger am X. Januar 2022 Einspruch ein. Der Umzug sei beruflich veranlasst. Aus hier nicht streitigen Gründen änderte der Beklagte den Einkommensteuerbescheid 2020 am X. Juni 2022. Bei den Besteuerungsgrundlagen erfasste der Beklagte weitere Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. X € für den Kläger und X € für die Klägerin, darunter jeweils auch Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer.

Mit Einspruchsentscheidung vom X. August 2022 wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Die Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch die Nutzung zweier Arbeitszimmer begründe keine berufliche Veranlassung des Umzugs. Zwar habe der Umzug die Einrichtung zweier Arbeitszimmer ermöglicht, aber der Fahrtweg habe sich für beide Kläger hierdurch nicht verändert. Zum Zeitpunkt des Wohnsitzwechsels sei zudem nicht absehbar gewesen, wie lange Pandemie und Homeoffice-Verpflichtung dauern würden, so dass private Erwägungen den Umzug dominiert haben müssten.

Hiergegen haben die Kläger am X. September 2022 Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, die Umzugskosten seien beruflich veranlasst, denn der Umzug sei erfolgt, damit sie beide zeitgleich in separaten Arbeitszimmern hätten arbeiten können, ohne sich durch ihre unterschiedlichen Tätigkeiten zu stören. Es sei bereits im Jahr 2020 vor dem Umzug absehbar gewesen, dass das Arbeiten im Homeoffice Zukunft haben werde. Im Übrigen sei durch den Umzug und die Nutzung des Homeoffices auch eine erhebliche Zeitersparnis eingetreten. Durch die Nutzung der Arbeitszimmer entfielen für sie, die Kläger, die Wege in das Büro der Arbeitgeber, was die Arbeitsbedingungen für beide wesentlich verbessert habe. Im Übrigen habe die Klägerin die wöchentliche Fahrtzeit von 530 Minuten auf 96 reduziert, der Kläger von 440 Minuten auf 84 Minuten. Der Höhe nach zu berücksichtigen seien insgesamt Umzugskosten i.H.v. X €, die sich aus Transportkosten i.H.v. X € (einschließlich Verpackungskosten i.H.v. X €), die für Juli 2020 doppelt zu zahlende Miete i.H.v. X € und weiteren pauschal zu bemessenden Umzugskosten i.H.v. X € zusammen setzten.

Die Kläger beantragen,

den Einkommensteuerbescheid vom X. Dezember 2021, geändert am X. Juni 2022, in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom X. August 2022 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Umzugskosten i.H.v. X € jeweils zu gleichen Teilen beim Kläger und bei der Klägerin als weitere Werbungskosten berücksichtigt werden.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf die bisherigen Ausführungen und ist der Ansicht, die Zeitersparnis sei hier schon deshalb nicht zu Gunsten der Kläger zu werten, da sie bereits vor dem Umzug eingetreten sei, denn die Kläger hätten bereits seit Mitte März 2020 und damit vor dem Umzug im Homeoffice gearbeitet und die entsprechende Zeitersparnis gehabt.

Die Berichterstatterin hat die Kläger persönlich angehört. Hierzu sowie im Übrigen wird auf die Niederschrift über den Erörterungstermin vor der Berichterstatterin vom X. Januar 2023 Bezug genommen. Die Beteiligte haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.

...

Entscheidungsgründe

Die Entscheidung ergeht ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-), da die Beteiligten auf diese verzichtet haben.

Die zulässige Klage ist begründet.

Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO).

1. Die Umzugskosten sind als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.

a) aa) Werbungskosten sind für den Bereich der nichtselbständigen Arbeit (§ 19 des Einkommensteuergesetzes -EStG-) Aufwendungen, die durch den Beruf veranlasst sind, d.h. es muss ein objektiver Zusammenhang zwischen ihnen und dem Beruf bestehen und sie müssen subjektiv zur Förderung des Berufs bestimmt sein (Bundesfinanzhof -BFH-, Großer Senat, Beschluss vom 23. August 1999, GrS 2/97, Bundessteuerblatt Teil II, -BStBl II- 1999, 782). Ob sie nach objektiven Gesichtspunkten üblich, notwendig oder zweckmäßig sind, ist für die Abziehbarkeit von Aufwendungen als Werbungskosten grundsätzlich ohne Belang (z. B. BFH, Beschluss des Großen Senats vom 27.November 1978, GrS 8/77, BStBl II 79, 213). Bei Aufwendungen, die ebensogut privater Natur sein können, kann hingegen das Fehlen der Üblichkeit, Erforderlichkeit und Zweckmäßigkeit ein Anzeichen dafür sein, dass die Aufwendungen aus privaten Gründen getätigt wurden (z. B. Bundesverfassungsgericht -BVerfG-, Urteil vom 7. Dezember 1999, 2 BvR 301/98, BStBl II 2000, 162).

bb) Das Bewohnen einer Wohnung am Lebensmittelpunkt eines Steuerpflichtigen und seiner Familie ist dem privaten Lebensbereich zuzuordnen. Daher sind Aufwendungen für einen Umzug grundsätzlich steuerlich nicht abziehbare Kosten der allgemeinen Lebensführung (vgl. bspw. Bergkemper, Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Stand Oktober 2020, § 9 Rn. 310). Umzugskosten können aber als Werbungskosten abzugsfähig sein (vgl. bspw. BFH, Urteil vom 24. Mai 2000, VI R 147/99, Sammlung der Entscheidungen des BFH -BFHE- 191, 561). Voraussetzung dafür ist, dass der Umzug nahezu ausschließlich beruflich veranlasst ist, private Gründe also eine allenfalls ganz untergeordnete Rolle spielen (vgl. z.B. BFH, Urteile vom 16. Oktober 1992, VI R 132/88, BStBl II 1993, 610; vom 28. April 1988, IV R 42/86, BStBl II 1988, 777; vom 15. Oktober 1976, VI R 162/74, BStBl II 1977, 117; Bergkemper, Herrmann/Heuer/Raupach, EStG, Stand Oktober 2020, § 9 Rn. 310; Köhler in Bordewin/Brandt, EStG Kommentar, Stand Februar 2016, § 9 EStG, Rn. 655; Lochte in Frotscher, Praxis Kommentar EStG, Stand Juni 2019, § 9 EStG "Umzugskosten"; Thürmer in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, November 2022, § 9 EStG, Rn. 700 "Umzugskosten"; Teller in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, November 2022, § 9 Rn. 191).

(1) Eine derartige berufliche Veranlassung hat der BFH z.B. anerkannt, wenn der Umzug aus Anlass eines Arbeitsplatzwechsels erfolgen musste oder wenn - auch ohne berufliche Veränderung - durch den Umzug der erforderliche Zeitaufwand für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte wesentlich vermindert worden ist. Als wesentliche Verkürzung der Wegezeit hat er dabei eine Ersparnis von mindestens einer Stunde täglich angesehen (vgl. BFH, Beschluss vom 11. September 1998, VI B 208/98, Sammlung amtlich nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH -BFH/NV- 1999, 178; Urteile vom 27. Juli 1995, VI R 17/95, BStBl II 1995, 728; vom 16. Oktober 1992, VI R 132/88, BStBl II 1993, 610).

Das Abstellen auf eine Fahrzeitersparnis von mindestens einer Stunde ziele einerseits darauf ab, einen solchen Umzug zumindest ähnlich wie einen Umzug anlässlich eines Arbeitsplatzwechsels zu behandeln. Dem liege die Überlegung zugrunde, dass eine in Aussicht stehende mindestens einstündige Fahrzeitersparnis nach der Lebenserfahrung für viele Arbeitnehmer so bedeutsam sei, dass sie einen Umzug näher an den Arbeitsplatz ernsthaft in Erwägung zögen. Dem Gesichtspunkt der mindestens einstündigen Fahrzeitersparnis könne deshalb ein solches Gewicht beigemessen werden, dass private Erwägungen im Rahmen des § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG generell in den Hintergrund träten. Zum anderen enthalte das Erfordernis einer mindestens einstündigen Fahrzeitersparnis eine die Abwicklung von Massenverfahren erleichternde Typisierung. Der damit verbundene Zweck der Vereinfachung und Praktikabilität in der Rechtsanwendung wäre beeinträchtigt, wenn private Motive bei einem ansonsten typischerweise beruflich veranlassten Umzug wieder Bedeutung erlangten. Auf diese Weise werde überdies ein nicht gebotenes Eindringen in die Privatsphäre der Steuerpflichtigen vermieden (BFH, Urteil vom 23. März 2001, VI R 175/99, BFH/NV 2001, 147 [BFH 14.08.2000 - VII B 87/00]). Indem der Gesetzgeber Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte (heute erste Tätigkeitsstätte) als Werbungskosten zum Abzug zulasse, gebe er zu erkennen, dass er solche Fahrten dem beruflichen Bereich des Arbeitnehmers zuordne. Aufwendungen des Steuerpflichtigen wegen eines Umzugs, der zu einer wesentlichen Verkürzung solcher Fahrtstrecken führen solle, seien beruflich veranlasst, da sie zu einer entsprechenden Verbesserung dieser Arbeitsbedingungen führten. Dass sich dies in der Regel mittelbar auf eine Verlängerung der Freizeit auswirke, sei steuerrechtlich unschädlich, da hierdurch die berufliche Kausalität nicht beeinträchtigt werde (BFH, Urteil vom 6. November 1985, VI R 106/85, BStBl II 1987, 81).

Das Merkmal der Zeitersparnis könne in seinem Gewicht bei der Abwägung der beruflichen und privaten Gründe deutlich vermindert sein, wenn ein Steuerpflichtiger seinen Arbeitsplatz vergleichsweise selten aufsuche. Entscheidend sei, ob das Finanzgericht aus den Gesamtumständen des Streitfalls zu der Überzeugung gelange, dass die beruflichen Gründe das auslösende Moment für den Umzug gewesen seien (BFH, Urteil vom 7. Mai 2015, VI R 73/13, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -HFR- 2015, 1025).

(2) Eine rein berufliche Veranlassung ist auch angenommen worden, wenn der Umzug zu einer wesentlichen Erleichterung/Verbesserung der Arbeitsbedingungen geführt hat. Bisher ist dies angenommen worden bei einer Erreichbarkeit der Arbeitsstätte ohne Verkehrsmittel nach dem Umzug (BFH, Beschluss vom 2. Februar 2000, X B 80/99, BFH/NV 2000, 945, FG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 21. Juni 1995, 1 K 2702/92, Entscheidungen der Finanzgerichte -EFG- 1995, 1048). Auch bei einer Verkürzung des Arbeitswegs von 9 km auf 1 km, wenn der Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte auf Wunsch des Dienstherrn häufig mehrmals am selben Tage zurückzulegen war, hat der BFH eine wesentliche Erleichterung der Arbeitsbedingungen angenommen (BFH, Urteil vom 10. September 1982, VI R 95/81, BStB II 1983, 16). Eine solche wesentliche Erleichterung nahm die Rechtsprechung auch an bei einem Arzt, der in die Nähe der Klinik zog, in der er Belegbetten unterhielt (BFH Urteil vom 28. April 1988, IV R 42/86, BStBl II 1988, 777). Das FG Köln (Urteil vom 24. Februar 2016, 3 K 3502/13, EFG 2016, 991) hat zudem entschieden, dass eine berufliche Veranlassung durch eine wesentliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen vorliege, wenn der Steuerpflichtige durch den Umzug nicht mehr auf die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel angewiesen ist und er die Arbeitsstätte in weniger als fünf Minuten zu Fuß erreichen, mitgeführte Arbeitsmittel bequemer transportieren und für den Arbeitgeber flexibler in die Arbeitsabläufe einbezogen werden kann. Das FG Baden-Württemberg (Urteil vom 29. Juli 2014, 6 K 767/14, EFG 2014, 1958) hat bei einer Gesamtbetrachtung hingegen keine wesentliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen erkannt, wenn sich durch einen Umzug zwar die Möglichkeit bietet, einen Teil der Arbeit im häuslichen Arbeitszimmer zu erledigen, sich zugleich aber der Arbeitsweg erheblich verlängert.

Mit Urteil vom 16. Oktober 1992 (VI R 132/88, BStBl II 1993, 610; hieran festhaltend: Beschluss vom 15. Oktober 1993, I B 62/93, juris; zustimmend Lochte in Frotscher, Praxis Kommentar EStG, Stand Juni 2019, § 9 EStG "Umzugskosten"; Thürmer in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, November 2022, § 9 EStG, Rn. 700 "Umzugskosten"; Teller in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, November 2022, § 9 Rn. 202; zweifelnd: Köhler in Bordewin/Brandt, EStG Kommentar, Stand Februar 2016, § 9 EStG, Rn. 656) hat der BFH entschieden, dass eine berufliche Veranlassung nicht anzunehmen ist, wenn sich durch den Wohnungswechsel die Fahrzeiten zwischen Wohnung und Beschäftigungsstätte(n) um weniger als eine Stunde pro Arbeitstag verkürzen und die neue Wohnung Platz für die Einrichtung eines häuslichen Arbeitszimmers bietet. Auch der hinzutretende Umstand, dass die neue Wohnung aufgrund der wesentlich großzügigeren Platzverhältnisse die Einrichtung eines Arbeitszimmers ermöglichte, reiche für die Feststellung eines Umzugs aus nahezu ausschließlich beruflichen Gründen nicht aus; denn aufgrund des natürlichen Bestrebens nach Verbesserung der Wohnqualität lasse sich nicht mit der erforderlichen Sicherheit ermitteln, ob die Einrichtung des Arbeitszimmers Anlass oder nur Folge des Umzugs in eine wesentlich größere Wohnung mit besseren Wohnbedingungen gewesen sei. Das Gebot der Rechtssicherheit erfordere, bei der Frage nach der beruflichen Veranlassung des Umzugs regelmäßig nur auf objektiv feststellbare Umstände abzustellen, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung schließen ließen. Solche Umstände seien allein in dem Bestreben, ein abgeschlossenes Arbeitszimmer einzurichten - anders als bei einem Umzug aus einem konkreten beruflichen Anlass (Arbeitgeberwechsel, Umzug in neue Betriebsräume oder bei einer wesentlichen Fahrtzeitverkürzung) -, nicht gegeben. Zudem sei hier als private Mitveranlassung zu berücksichtigen, dass die Einrichtung eines abgeschlossenen Arbeitszimmers in der neuen Wohnung zur ungestörten Nutzung des ansonsten mit der Arbeitsecke belasteten Wohnraums führe.

(4) Wenn aber die berufliche Veranlassung des Umzugs nach objektiven Kriterien eindeutig feststeht, ist nach gefestigter Rechtsprechung des BFH (vgl. Urteile vom 23. März 2001, VI R 175/99, BStBl II 2001, 585; vom 22. November 1991, VI R 77/89, BStBl II 1992, 494; Beschluss vom 19. Oktober 2000, VI B 280/99, BFH/NV 2001, 588) auf Motive des Steuerpflichtigen für den Umzug in eine bestimmte Wohnung (z.B. größere Mietwohnung oder Einfamilienhaus) nicht mehr abzustellen.

cc) Ausgehend hiervon sind die Umzugskosten der Kläger als Werbungskosten abzugsfähig. Der Umzug ist objektiv beruflich veranlasst und subjektiv zur Förderung des Berufes bestimmt.

Zunächst ist der Beklagtenseite zuzugeben, dass eine erhebliche Verkürzung des Arbeitswegs nicht eingetreten ist, denn das Homeoffice der Kläger ist nicht als erste Tätigkeitsstätte einzuordnen (vgl. bspw. Thürmer in Brandis/Heuermann, Ertragsteuerrecht, November 2022, § 9 EStG, Rn. 278).

Indes ist der Senat nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens davon überzeugt, dass der Umzug zu einer wesentlichen Verbesserung und Erleichterung der Arbeitsbedingungen der Kläger geführt hat. Der Umzug ermöglichte erst eine ungestörte Ausübung der nichtselbständigen Tätigkeit beider Eheleute.

Vor Beginn der Corona-Pandemie übten die Kläger ihre nichtselbständige Tätigkeit jeweils in den Räumlichkeiten ihrer Arbeitgeber aus. Seit Beginn der Corona-Pandemie verlagerten die Kläger - den Anweisungen bzw. Bitten ihrer Arbeitgeber folgend - ihre Tätigkeit und übten diese nun zu Hause aus. Dies ging aber mit erheblichen Beeinträchtigungen durch ein Abwechseln mit der Tätigkeit und der Inkaufnahme von Störungen bei gleichzeitiger Tätigkeit einher. Die Kläger haben zur Beseitigung dieser Situation eine neue Wohnung mit genau zwei zusätzlichen Arbeitszimmern gesucht und ausgewählt. Die Einrichtung von zwei Arbeitszimmern war angesichts der verschiedenen Arbeitsweisen der Eheleute erforderlich für die (ungestörte) Ausübung der jeweiligen Tätigkeit. Durch die räumlich getrennte Arbeitsmöglichkeit konnten beide weiterhin zur Zufriedenheit ihrer Arbeitgeber ihrer Tätigkeit nachgehen und mussten sich nicht einem Risiko von schlechteren Arbeitsergebnissen mit möglichen negativen Konsequenzen für das Arbeitsverhältnis aussetzen.

Die Wohnung weicht im Übrigen nicht derart von der bisherigen Wohnung ab, dass hier Anlass zur Annahme bestünde, eine Erhöhung des Wohnkomforts sei Anlass für den Umzug gewesen. Im Übrigen ging mit einer möglichen Erhöhung des Wohnkomforts durch Platzgewinn zugleich eine Verschlechterung des Wohnkomforts einher, denn statt einer Terrasse mit Zugang zum Gemeinschaftsgarten haben die Kläger nunmehr lediglich einen Balkon mit einer für die im Streitjahr fünf Jahre alte Tochter schlechteren Nutzbarkeit. Auch der zeitliche Ablauf spricht für eine berufliche Veranlassung.

Diesem Ergebnis steht auch nicht das Gebot der Rechtssicherheit entgegen. Zutreffend stellt die Rechtsprechung bei der Frage nach der beruflichen Veranlassung eines Umzugs regelmäßig nur auf objektiv feststellbare Umstände ab, die typischerweise auf eine berufliche Veranlassung schließen lassen. Solche liegen aber im konkreten Fall vor, da der Umzug die Einrichtung der zwei benötigten Arbeitszimmer ausweislich des Grundrisses ermöglichte.

Soweit der BFH mit Urteil vom 16. Oktober 1992 (VI R 132/88, BStBl II 1993, 610; hieran festhaltend: Beschluss vom 15. Oktober 1993, I B 62/93, juris) entschieden hat, dass eine berufliche Veranlassung nicht anzunehmen sei, wenn sich durch den Wohnungswechsel die Fahrzeiten zwischen Wohnung und Beschäftigungsstätte(n) um weniger als eine Stunde pro Arbeitstag verkürze und die neue Wohnung Platz für die Einrichtung eines häuslichen Arbeitszimmers biete, ist dies nicht auf den hiesigen Fall zu übertragen (in diesem Sinne schon für den Fall von Heim- oder Telearbeit: Köhler in Bordewin/Brandt, EStG Kommentar, Stand Februar 2016, § 9 EStG, Rn. 656). Anders als in dem im Jahr 1992 entschiedenen Fall (Streitjahr 1982) liegen im hiesigen Streitjahr 2020 insgesamt andere Umstände vor, so dass ein vom BFH damals angenommenes "natürliches Bestreben nach Verbesserung der Wohnqualität" der beruflichen Veranlassung hier nicht entgegensteht. Aufgrund der Gesamtumstände lässt sich hier mit der erforderlichen Sicherheit ermitteln, dass die Einrichtung der Arbeitszimmer Anlass des Umzugs war. Eine vom BFH damals angenommene private Mitveranlassung dahingehend, dass die Einrichtung eines abgeschlossenen Arbeitszimmers in der neuen Wohnung zur ungestörten Nutzung des ansonsten mit der Arbeitsecke belasteten Wohnraums führe, steht dem nicht entgegen, denn auch bei der Verkürzung der Wegstrecke um mehr als eine Stunde steht der private Hinzugewinn an Freizeit durch Einsparung der Fahrtstrecke der beruflichen Veranlassung nicht entgegen (vgl. zu diesem Aspekt der Fahrtstrecke: BFH, Urteil vom 6. November 1985, VI R 106/85, BStBl II 1987, 81).

Während den genannten BFH-Entscheidungen noch die Annahme eines grundsätzlich arbeitstäglichen Aufsuchens der Arbeitsstätte zugrunde liegt, hat sich die Arbeit im Homeoffice (auch unabhängig von dem Vorliegen der strengen Voraussetzungen zur Anerkennung eines Arbeitszimmers) - ganz wesentlich durch die Corona-Pandemie - in den letzten Jahren (und auch schon im Streitjahr) stark ausgeweitet.

Dieser Änderung der Arbeitsbedingungen hat der Gesetzgeber Rechnung getragen und dadurch zu erkennen gegeben, dass das Homeoffice, ebenso wie der Arbeitsweg, der beruflichen Sphäre des Arbeitnehmers zuzurechnen ist. Bereits mit dem Jahressteuergesetz -JStG- 2020 (vom 21. Dezember 2020, BGBl I 2020, 3096) wurde die sog. "Homeoffice-Pauschale" eingeführt. Diese sollte angesichts der durch die Corona-Pandemie verursachten starken Veränderungen der Arbeitswelt einen Abzug von Werbungskosten auch für die Menschen ermöglichen, die die Voraussetzungen für ein häusliches Arbeitszimmer nicht erfüllten, aber tatsächlich ihre berufliche Tätigkeit zu Hause ausübten (Bundestags-Drucksache -BT-Drs.- 19/25160, 186). Dass sich diese Veränderung hin zum vermehrten häuslichen Arbeiten fortgesetzt hat, zeigt sich besonders deutlich in der Neuregelung zur Abzugsfähigkeit der Aufwendungen für ein Arbeitszimmer durch das JStG 2022 (vom 16. Dezember 2022, BGBl I 2022, 2294, 2295). Nach der Neuregelung sind Aufwendungen für ein Arbeitszimmer abzugsfähig, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet. Soweit diese Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann dennoch für jeden Tag, an dem die betriebliche oder berufliche Tätigkeit überwiegend in der häuslichen Wohnung ausgeübt wird und keine erste Tätigkeitsstätte aufgesucht wird, eine Tagespauschale von 6 € angesetzt werden. Hiermit wird die anlässlich der Corona-Pandemie eingeführte "Homeoffice-Pauschale" langfristig implementiert. Hintergrund der Neuregelung war, dass die coronabedingte Lösung der betrieblichen und beruflichen Betätigung von einem festen Arbeitsplatz zu einer allgemeinen Flexibilisierung der Arbeitswelt und mehr Mobilität geführt habe (BT-Drs. 20/3879, 75).

Für dieses Ergebnis spricht zudem, dass die Kosten des Arbeitszimmers für beide Kläger für das Streitjahr nach dem Umzug vom Beklagten zutreffend anerkannt wurden. Grundsätzlich sind Aufwendungen für ein Arbeitszimmer nicht abzugsfähig (§ 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG i.d.F. des JStG 2010 vom 8. Dezember 2010, BGBl I 2010, 1768). Dies gilt nach § 9 Abs. 5 EStG i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG i.d.F. des JStG 2010 nicht, wenn kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Ein anderer Arbeitsplatz stand auch dann nicht zur Verfügung, wenn ein Arbeitnehmer aus Gründen des Gesundheitsschutzes (auch ohne ausdrückliche Anweisung des Arbeitgebers) zu Hause gearbeitet hat (vgl. Bundesfinanzministerium -BMF-, Schreiben vom 9. Juli 2021 an den Bundesverband Lohnsteuerhilfevereine e.V., IV C6 - S 2145/19/10006:013). Diese Voraussetzungen erfüllen die Kläger, wovon auch der Beklagte ausging und die Kosten für ein Arbeitszimmer jeweils anerkannte.

Diese Arbeitsbedingung, die der Gesetzgeber dem Arbeitsbereich zuordnet, wird den Klägern im konkreten Fall durch den Umzug erheblich erleichtert.

b) Die Höhe der geltend gemachten Umzugskosten ist zwischen den Beteiligten zu Recht unstreitig. Abziehbar sind nach R 9.9 Abs. 2 der Lohnsteuerrichtlinien -LStR- die Kosten bis zur Höhe der Beträge, die ein Bundesbeamter nach dem Bundesumzugskostengesetz (BUKG) erhalten würde. Dies umfasst neben den Transportkosten (§ 6 BUKG) und der doppelten Miete für den Monat Juli 2020 (§ 8 BUKG, vgl. BFH, Urteil vom 23. Mai 2006, VI R 56/02, BFH/NV 2006, 1650) auch eine Pauschale für sonstige Umzugskosten nach § 10 BUKG. Für 2020 beträgt die Umzugskostenpauschale nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 6 Satz 2 BUKG 2.292,48 € (40% von 5.731,19 €), so dass die geltend gemachten sonstigen Kosten i.H.v. X € (die zudem den vom BMF mit Schreiben vom 20. Mai 2020, IV C 5 - S 2353/20/10004;001, veröffentlichten Beträgen entsprechen) nicht zu beanstanden sind (§ 96 Abs. 1 Satz 2 FGO).

c) Die geltend gemachten Werbungskosten sind bei dem Kläger und der Klägerin jeweils zu 1/2 bei den Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit zu erfassen (vgl. zum Grundsatz der Individualbesteuerung auch bei zusammenveranlagten Eheleuten bei der Einkünfteermittlung bspw. BFH, Großer Senat, Beschluss vom 23. August 1999, GrS 2/97, BStBl II 1999, 782).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 155, 151 Abs. 3 FGO, §§ 708 Nr. 10, 711 der Zivilprozessordnung (ZPO).

3. Die Revision wird nach § 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO zugelassen.

Hinweis: Rev., Az.: VI R 3/23

RechtsgebietEStGVorschriften§ 9 EStG

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