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08.03.2023 · IWW-Abrufnummer 234093

Finanzgericht Thüringen: Urteil vom 26.04.2022 – 4 K 510/20

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Thüringen

Urteil vom 26.04.2022


In dem Rechtsstreit
./.
- Kläger -
prozessbevollmächtigt:
./.
gegen Finanzamt
- Beklagter -
wegen verbleibender Verlustvortrag zur Einkommensteuer 2017
Untätigkeitsklage

hat der IV. Senat des Thüringer Finanzgerichts ohne mündliche Verhandlung am 26. April 2022 für Recht erkannt:

Tatbestand

I.

Strittig ist vorliegend, ob der Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG negative Einkünfte zum Zwecke des Verlustabzugs nach § 10d EStG erhöht.

Der Kläger bezog im Streitjahr Einkünfte aus selbstständiger Tätigkeit und aus Vermietung und Verpachtung sowie aus Altersvorsorgeverträgen.

Mit Bescheid vom 09.07.2017 setzte der Beklagte gegenüber dem Kläger die Einkommensteuer in Höhe von 9.561,00 € fest.

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein.

Der Beklagte erließ am 5. Oktober 2020 einen geänderten Einkommensteuerbescheid für 2017, gegen den der Kläger wiederum Einspruch einlegte.

Mit Schreiben vom 21. September 2020 erhob der Kläger Untätigkeitsklage beim Thüringer Finanzgericht und beantragte im Rahmen der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2017, einen Veräußerungsverlust nach § 17 EStG in Höhe von 78.867,00 € steuerlich zu berücksichtigen.

Mit Bescheid vom 10.03.2021 für 2017 setzte der Beklagte die Einkommensteuer gegenüber dem Kläger auf 0,00 € fest. Zur Begründung führte er aus, dass der mit der Klage begehrte Veräußerungsverlust nach § 17 EStG in Höhe von 78.867,00 € gewährt wurde.

Mit Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2017 vom 10.03.2021 stellte der Beklagte den verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG auf 194,00 € fest. Hierbei führte er aus, dass verbleibende negative Einkünfte in Höhe von 25.194,00 € vorlägen und hiervon ein Verlustrücktrag nach 2016 in Höhe von 25.000,00 € erfolge.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 15.03.2021 Einspruch ein und führte zur Begründung aus: Der Verlustrücktrag sei fehlerhaft ermittelt worden, weil das Finanzamt dessen Berechnung nicht vom Gesamtbetrag der Einkünfte, sondern von der Summe der Einkünfte vorgenommen habe.

Mit Schreiben vom 22.03.2021 hat der Kläger gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2017 beim Thüringer Finanzgericht Klage erhoben. Der Verlustvortrag richte sich nach dem negativen Gesamtbetrag der Einkünfte, wie sich aus dem Gesetz ergebe. Auch das Finanzgericht Köln habe diese Ansicht in seinem Urteil vom 12.12.2018 (Az.: 10 K 1730/17, EFG 2019, 533) vertreten. Die Ansicht des Beklagten, der Verlustrücktrag werde von der Summe der Einkünfte des Jahres 2017 bestimmt, sei rechtswidrig.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2017 vom 10.03.2021 dahingehend zu ändern, dass die verbleibenden negativen Einkünfte zum 31.12.2017 27.078,00 € betragen, der Verlustrücktrag nach 2016 27.078,00 € beträgt und der verbleibende Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG auf 0,00 € festgestellt wird.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung trägt der Beklagte vor: Negative Einkünfte, die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen würden, seien vom Gesamtbetrag der Einkünfte des unmittelbar vorangegangenen Veranlagungszeitraums abzuziehen. Die Summe der Einkünfte, vermindert um den Altersentlastungsbetrag, stelle den Gesamtbetrag der Einkünfte dar (§ 2 Abs. 3 EStG).

Entscheidungsgründe

Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die zulässige Klage (§ 46 FGO) ist begründet.

Der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2017 vom 10.03.2021 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).

Der Beklagte hat zu Unrecht den im geänderten Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 10.03.2021 berücksichtigten Altersentlastungsbetrag von 1.824,00 € im vorliegend streitgegenständlichen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer zum 31.12.2017 vom 10.03.2021 nicht verlusterhöhend berücksichtigt.

Zur verlusterhöhenden Berücksichtigung eines im Einkommensteuerbescheid angesetzten Altersentlastungsbetrages im Rahmen der gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages hat das Finanzgericht Köln in seinem Urteil vom 12.12.2018, 10 K 1770/17 (EFG 2019, 533) Folgendes ausgeführt:

"Nach § 10 d Abs. 4 EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag sind nach § 10d Abs. 4 S. 2 EStG die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach Abs. 1 abgezogenen und die nach Abs. 2 abziehbaren Beträge, vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag. Nach § 10d Abs. 4 S. 4 EStG sind die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraumes, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, zu Grunde gelegt worden sind. Dies gilt entgegen der Auffassung des Beklagten nicht nur für die nach horizontalem und vertikalem Verlustausgleich verbleibende negative Summe der Einkünfte, sondern auch für die im Einkommensteuerbescheid dieses Veranlagungszeitraums bei der Berechnung des Gesamtbetrages der Einkünfte nach § 2 Abs. 3 EStG berücksichtigten Altersentlastungsbeträge nach § 24a EStG, auch wenn sich hierdurch ein nicht ausgeglichener Verlust weiter erhöht. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift des § 10d EStG.

Der erkennende Senat folgt nicht der Auffassung des Beklagten, dass dem Wortlaut der Vorschrift eine Beschränkung des Verlustabzugs auf die negativen Einkünfte ohne Berücksichtigung der Abzugsbeträge nach § 24a EStG zu entnehmen sei. Vielmehr sind nach dem Wortlaut der Vorschrift des § 10d EStG zunächst die negativen Einkünfte mit allen Besteuerungsgrundlagen, die nach § 2 Abs. 3 EStG in den Gesamtbetrag der Einkünfte eingehen, auszugleichen. Sodann ist von den bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen Einkünften der Verlustabzug durchzuführen, vorrangig vor Sonderausgaben, außergewöhnliche Belastungen und sonstigen Abzugsbeträgen. Da nach § 2 Abs. 3 EStG der Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG bereits in den Gesamtbetrag der Einkünfte einfließt, nimmt er am Verlustausgleich nicht nur in der Weise teil, dass er mit positiven Einkünften zu verrechnen ist, sondern auch mit der Wirkung, dass er einen negativen Gesamtbetrag der Einkünfte erhöht. § 2 Abs. 3 EStG unterscheidet weder für die Ausgangsgröße "Summe der Einkünfte" noch für die Endgröße "Gesamtbetrag der Einkünfte" zwischen positiven und negativen Einkünften. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr hat der Beklagte die Altersentlastungsbeträge dementsprechend auch berücksichtigt. Ein nach horizontalem und vertikalem Verlustausgleich im Entstehungsjahr verbleibender negativer Gesamtbetrag der Einkünfte ist damit die Ausgangsgröße für den allgemeinen Verlustabzug (so auch Heuermann in K/S/M, § 10d EStG, B 53, Mai 2012 m.w.N.). Dies hat zwangsläufig zur Folge, dass eine negative "Summe der Einkünfte" durch die Abzugsbeträge zu einem noch höheren negativen "Gesamtbetrag der Einkünfte" führt. Eine andere Beurteilung käme nur dann in Betracht, wenn nach dem Gesetzeswortlaut nur solche negativen Einkünfte in den Verlustabzug Eingang fänden, die bei der Ermittlung der "Summe der Einkünfte" nicht ausgeglichen würden. In diesem Fall wäre nicht der "Gesamtbetrag der Einkünfte" sondern die "Summe der Einkünfte" Ausgangsgröße für den Verlustabzug nach § 10d EStG.

Auch Sinn und Zweck der Berücksichtigung von Altersentlastungsbeträgen nach § 24a EStG steht diesem Ergebnis nicht entgegen.

Insoweit ist zu berücksichtigen, dass der Altersentlastungsbetrag eingeführt wurde, um eine steuerliche Entlastung derjenigen Steuerpflichtigen zu erreichen, die nicht Versorgungsempfänger und nicht Rentenempfänger sind, da bei den Versorgungsempfängern ein Versorgungsfreibetrag zu berücksichtigen ist und bei Rentenempfängern die Steuerentlastung durch die Besteuerung lediglich des Ertragsanteils erfolgt (dies gilt auch weiterhin in koordinierter Form bis zum Auslaufen der diesbezüglichen Regelungen im Jahr 2040). Sowohl die Steuerentlastung bei der Rentenbesteuerung als auch der Versorgungsfreibetrag bleiben auch bei einer negativen Summe der Einkünfte erhalten, da beide Komponenten bereits bei der Einkünfteermittlung Berücksichtigung finden und dementsprechend einnahmemindernd in der Summe der Einkünfte enthalten sind, unabhängig davon ob diese positiv oder negativ ist. Da der Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG ohnehin nur aus einer positiven Summe der Einkünfte berechnet wird, bleibt dem Steuerpflichtigen durch die Berücksichtigung beim Verlustabzugs auch bei einer negativen Summe der Einkünfte lediglich die Steuererleichterung erhalten, die dem Versorgungsempfänger und dem Rentenempfänger dadurch gewährt wird, dass sie bei Letzteren an einer anderen Stelle in die Berechnungen einfließen. Dass der Altersentlastungsbetrag erst nach dem horizontalen und vertikalen Verlustausgleich bei der Bildung des Gesamtbetrages der Einkünfte zum Abzug gelangt, ist allein der Tatsache geschuldet, dass er sich - wie auch im Streitfall - häufig von einer Summe aus mehreren Einkunftsarten errechnet und daher erst an einer Stelle zum Abzug gebracht werden kann, an der die verschiedenen zu Grunde liegenden Einkunftsarten ausgeglichen worden sind. Dies ist bei der Bildung des Gesamtbetrags der Einkünfte nach Verlustausgleich der Fall."

Der Senat schließt sich den überzeugenden Ausführungen des Finanzgerichts Köln im zitierten Urteil an.

Im Einkommensteuerbescheid für 2017 vom 10.03.2021 wurde der Altersentlastungsbetrag in Höhe von 1.824,00 € für den Kläger verlusterhöhend berücksichtigt. Bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages ist dieser Altersentlastungsbetrag nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG so zu berücksichtigen, wie er in der Steuerfestsetzung des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, zugrunde gelegt worden ist. Daher war der Klage stattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO. Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO. Die Revision ist zuzulassen, § 115 Abs. 2 FGO.

RechtsgebietEStGVorschriften§ 24a EStG, § 10d EStG

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