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09.06.2022 · IWW-Abrufnummer 229610

Oberlandesgericht Dresden: Urteil vom 13.04.2022 – 5 U 1973/20

1. Bei S-Prämiensparverträgen ist eine von der Sparkasse gestellt Vertragsklausel, die die Ausgestaltung der - als solche wirksam vereinbarten - variablen Verzinsung der Sparkasse durch Aushang überlässt, unwirksam, da sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist (Anschluss an BGH, Urteile vom 17.02.2004 - XI ZR 140/03 -, BGHZ 158, 149-159, vom 13.04.2010 - XI ZR 197/09 -, BGHZ 185, 166-178, vom 21.12.2010 - XI ZR 52/08 -, und vom 06.10.2021 - XI ZR 234/20 -, BGHZ 231, 215-263).

2. Zur Schließung der dadurch entstandenen Vertragslücke in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität in einem Einzelfall.


Oberlandesgericht Dresden

Urteil vom 13.04.2022


In dem Rechtsstreit

F...... S......, ...
- Kläger und Berufungsbeklagter -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Dr. B...... & C......, ...
gegen
... Sparkasse ..., ...
vertreten durch den Vorstand
- Beklagte und Berufungsklägerin -
Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte T......, S...... & Partner, ...

wegen Forderung aus Prämiensparvertrag

hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Dresden durch
Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Dr. Dr. ......,
Richterin am Oberlandesgericht K...... und
Richter am Oberlandesgericht A......

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.04.2022
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 24.09.2020 (9 O 2203/19) dahingehend abgeändert, dass die Beklagte verurteilt wird, an den Kläger brutto 6.209,43 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten hieraus über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 22.08.2019 zu zahlen.
  2. Im Übrigen werden die Klage abgewiesen und die Berufung zurückgewiesen.
  3. Von den Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen tragen der Kläger 11/25 und die Beklagte 14/25.
  4. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
  5. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der Kläger begehrt von der beklagten Sparkasse die Zahlung eines weiteren Betrages i.H.v. 10.987,93 € aus einem beendeten Sparvertrag über ein sog. "S-Prämiensparen flexibel".

Der Kläger schloss am 15.04.1994 mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten - der Stadtsparkasse ... - einen mit "S-Prämiensparen flexibel" bezeichneten Vertrag mit der Konto-Nr. 0000000000, ursprünglich Sparkonto Nr. 000000000 (Anlage K 1). Die vom Kläger aufzubringende monatliche Sparrate betrug 300,00 DM (entspricht 153,39 €) und wurde erstmals zum 15.04.1994 geleistet. Zusätzlich leistete er zum Vertragsbeginn eine einmalige Zahlung i.H.v. 300,00 DM. Der Vertrag sah vom 15.04.1994 bis zum Vertragsende folgende Konditionen vor:

"Die Spareinlage wird variabel, z.Zt. mit 4,75 % verzinst.

Daneben zahlt die Sparkasse am Ende eines Kalenderjahres eine verzinsliche S-Prämie gemäß der nachfolgenden Prämienstaffel auf die vertragsgemäß geleisteten Sparbeiträge des jeweils abgelaufenen Sparjahres.

Die Prämie beträgt nach dem

3. Sparjahr 3,0 %
4. Sparjahr 4,0 %
5. Sparjahr 6,0 %
6. Sparjahr 8,0 %
7. Sparjahr 10,0 %
8. Sparjahr 15,0 %
9. Sparjahr 20,0 %
10. Sparjahr 25,0 %
11. Sparjahr 30,0 %
12. Sparjahr 35,0 %
13. Sparjahr 40,0 %
14. Sparjahr 45,0 %
15. Sparjahr 50,0 %

Der erteilte Freistellungsauftrag gilt für dieses Konto.

Im Übrigen gelten die Rechtsvorschriften für den Sparverkehr. Es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, daß neben unseren derzeit geltenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) sowie den Bedingungen für den Sparverkehr ergänzend Sonderbedingungen für den Sparverkehr Vertragsbestandteil sind. Die AGB, die Bedingungen für den Sparverkehr, die Sonderbedingungen für den Sparverkehr und die Bedingungen für das Dauerauftragsverfahren hängen/liegen in den Kassenräumen der Sparkasse aus."

Während der Vertragslaufzeit senkte die Beklagte den variablen Zinssatz von anfänglich 4,75 % sukzessive ab. Das Ergebnis der kalenderjährlichen Zinsberechnung der Beklagten lässt sich den Jahreskontoauszügen als Gesamtbetrag entnehmen. Nicht entnehmen lässt sich den Jahreskontoauszügen, welche Zinssätze sie im Laufe des jeweiligen Kalenderjahres zugrunde gelegt hat.

Der Vertrag wurde vom Kläger gekündigt und zum 11.03.2016 aufgelöst. Die Beklagte schrieb ihm einen Gesamtbetrag i.H.v. 54.587,72 € gut (vgl. Jahreskontoauszug 2016, Anlage K2). Er setzt sich zusammen aus den Gesamtbeträgen der vom Kläger eingezahlten Raten i.H.v. 40.489,69 €, dem der Zinsgutschriften i.H.v. 5.805,15 €, dem der Prämiengutschriften i.H.v. 10.876,81 € abzüglich abgeführter Kapitalertragsteuern und Solidaritätszuschläge i.H.v. 2.595,70 € (vgl. Anlage BK1).

Der Kläger forderte die Beklagte mit Schreiben vom 07.08.2019 (Anlage K5) unter Setzung einer 14-tägigen Frist vergeblich zur Nachberechnung von Zinsen und Zahlung eines weiteren Betrages i.H.v. 10.987,93 € auf. Der Forderungsbetrag ergibt sich aus der von der H... & F... - Kreditsachverständige - GbR vorgenommenen Berechnung (Anlage K4), die als Referenzzins die Zinsreihe für Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / Hypothekenpfandbriefe mit 10 Jahre gleitendem Durchschnitt und einen relativen Zinsabstand zugrunde legte. Die Beklagte lehnte die Forderung mit Schreiben vom 20.08.2019 unter Hinweis darauf ab, dass sie die durch die unwirksame Formulierung im Vertrag entstandene Lücke im Jahr 2010 durch eine in ihren Sonderbedingungen für den Sparverkehr enthaltene Klausel geschlossen habe. Danach richte sich die Zinsanpassung nach einer Veränderung des Referenzzinssatzes. Referenzzinssatz sei der zum Ultimo Februar / Mai / August / November ermittelte gewichtete und auf zwei Nachkommastellen kaufmännisch gerundete Wert, bestehend aus dem von der Deutschen Bundesbank veröffentlichten Zinssatz "EURIBOR Sechsmonatsgeld" zu 20 % und "Renditen für Pfandbriefe mit jährlicher Kuponzahlung / Restlaufzeit 10 Jahre" zu 80 %. Im Ergebnis dessen ergebe sich für den Vertrag des Klägers ein rechnerischer Erstattungsbetrag i.H.v. 7.117,10 € über die gesamte Laufzeit. Aufgrund in Betracht kommender Verjährung oder Verwirkung von Ansprüchen biete sie ihm einen Betrag i.H.v. 38,94 € für den Zeitraum 01.01.2016 bis 11.03.2016 an. Dieses Anerbieten lehnte der Kläger ab.

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens der Parteien und der gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Beklagte mit Urteil vom 24.09.2020 (9 O 2203/19) antragsgemäß verurteilt, an den Kläger 10.987,93 € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 22.08.2019 zu zahlen. In zeitlicher Hinsicht sei auf den im April 1994 abgeschlossenen Sparvertrag gem. Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB im Grundsatz das BGB in der am 01.01.2003 geltenden Fassung anzuwenden. Er unterliege dem Recht der unregelmäßigen Verwahrung gem. § 700 Abs. 1 Satz 1 BGB (BGH, Urteil vom 14.05.2019 - XI ZR 345/18 -, BGHZ 222, 74-88). Die Parteien hätten keine wirksame Regelung zu den Modalitäten der Anpassung des Zinssatzes getroffen. Die Klausel, wonach die Spareinlage variabel, zur Zeit mit 4,75 % verzinst werde, sei gem. § 308 Nr. 4 BGB unwirksam (BGH, Urteile vom 17.04.2004 - XI ZR 140/03 -, BGHZ 158, 153 ff., und vom 14.03.2017 - XI ZR 508/15 -, NJW-RR 2017, 942, 943). Da die Zinsänderungsklausel, nicht aber die Vereinbarung über den variablen Zins unwirksam sei und dispositives Recht insoweit fehle, sei die Lücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung zu schließen (BGH, Urteil vom 14.03.2017 - XI ZR 508/15 -, a.a.O.). Als Referenzzins sei der gleitende Durchschnitt der Zinsreihe BBK01.WX4260 der Deutschen Bundesbank "Umlaufsrendite inländische Inhaberschuldverschreibungen / Hypothekenpfandbriefe / mittlere Restlaufzeit von über neun bis einschließlich zehn Jahren" heranzuziehen. Fußend auf dem Äquivalenzprinzip habe eine relative Anpassung des bei Vertragsschluss geltenden Zinssatzes zum jeweils zeitlich korrespondierenden gleitenden Referenzzins zu erfolgen. Sie habe monatlich stattzufinden; die Einbringung einer Anpassungsschwelle sei abzulehnen. Der Nachzahlungsanspruch sei weder verjährt noch verwirkt. Der Anspruch auf die Verzugszinsen folge aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.

Gegen das ihr am 01.10.2020 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit am 02.10.2020 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach Verlängerung der Frist zu deren Begründung bis 29.12.2020 mit an diesem Tag eingegangenem Schriftsatz begründet. Das Landgericht habe nicht sämtliche unter Beweisantritt von ihr vorgetragenen Tatsachen zutreffend gewürdigt. Neben der Prämie gemäß Prämienstaffel habe der Kläger bereits von einem besonders attraktiven Anfangszinssatz von 4,75 % p.a. profitiert, der dem Kurzfristbereich entstamme und über dem bei Vertragsschluss bestehenden Marktniveau für vergleichbare Spareinlagen mit dreimonatiger Kündigungsfrist gelegen habe. Der Sparer habe die Grundlagen akzeptiert, auf welchen sich die Bank refinanziere, um das für ihn günstige Geschäft betriebswirtschaftlich und aufsichtskonform darzustellen. Die Beklagte habe ihre Kalkulation anhand der sog. "Marktzinsmethode" vorgenommen, d.h. sie habe dem Passivgeschäft kalkulatorisch ein fristenkongruentes Opportunitätsgeschäft auf der Aktivseite gegenübergestellt. Der aus diesen abstrakten Opportunitätsgeschäften fließende Ertrag sei der Marktzins und als Referenzzins für das Sparprodukt heranzuziehen. Die als gleitender Durchschnitt dargestellte Zeitreihe WX4260 sei nicht geeignet, diesen Zusammenhang abzubilden. Mit einem solchen Referenzzinssatz hätte die Beklagte die Verzinsung sowie die Prämien nicht betriebswirtschaftlich kalkulieren können. Der zur Zeit des Vertragsschlusses attraktive Zins sei nur deshalb darstellbar gewesen, weil die Beklagte derlei Passivgeschäfte durch entsprechende Aktivgeschäfte zu den zur Zeit des Vertragsschlusses hohen Zinsen von 7 bis 9 % p.a. beispielsweise im Kreditgeschäft habe (re-)finanzieren können. Zur Zeit des Vertragsschlusses sei es kein realistisches Szenario gewesen, dass es künftig negative Marktzinsen geben könnte. Die Beklagte sei nach dem Gesetz über die öffentlich-rechtlichen Kreditinstitute im Freistaat Sachsen und die Sachsen-Finanzgruppe dazu verpflichtet, ihre Geschäfte nach kaufmännischen Grundsätzen zu führen und habe sowohl zu Vertragsbeginn als auch danach in der Lage sein müssen, die Erträge für die Leistung der Zinsen und Prämien zu erwirtschaften, was dem Kläger bei Vertragsschluss bekannt gewesen sei. Erst die zur Zeit des Vertragsschlusses nicht vorhersehbare Finanzkrise 2008 habe zu dem drastischen und bis heute fortdauernden Abfall des Zinsniveaus geführt. Davon betroffen seien insbesondere die Zinssätze für das Kreditgeschäft z.B. im Markt für private Wohnungsbaukredite (Aktivseite), mit welchem die Beklagte u.a. ihr Passivgeschäft finanzieren müsse. Die derzeitige Verzinsung des Sparvertrags nebst attraktiver Prämien stehe in keiner kaufmännisch darstellbaren Relation zu den Ertragsmöglichkeiten der Beklagten aus dem Geschäft, aus dessen Nutzung sie ihre Marge und Kostendeckungsbeiträge generieren müsse. Selbst wenn eine Neuberechnung vorzunehmen wäre, wäre sie nicht nach dem gewählten Referenzzinssatz und den Parametern des Klägers durchzuführen. Die Zinsreihe WX4260 werde erst mit Wirkung vom 01.01.2001 durch die Bundesbank veröffentlicht. Für einen gleitenden Durchschnittszinssatz gebe es im Vertrag keinerlei Anhaltspunkte. Der Bundesgerichtshof habe die Zugrundelegung eines gleitenden Durchschnitts unmittelbar von einer entsprechenden Anpassungsschwelle im Vertrag abhängig gemacht. Das Parteigutachten werde hinsichtlich der Berechnungsgrundlagen und des Berechnungsergebnisses "bestritten". In diesem befänden sich für den Zeitraum 1994 bis 2013 grau unterlegte Felder in Spalte eins, für die sämtliche Auszüge fehlten, so dass es nicht schlüssig sei. Die im Parteigutachten zugrunde gelegten Werte stimmten mit den von der Bundesbank unter der Zeitreihe WX4260 veröffentlichten Werten nicht überein. Die Zeitreihe WX4260 weise für April 1994 einen Wert von 7,0 % und für Mai 1994 einen Wert von 7,2 % auf. In dem Gutachten werde dagegen für den 30.04.1994 ein Anfangswert von 7,97 % zugrunde gelegt. Der Kläger hätte Gelegenheit gehabt, die aktuellen Zinssätze, anhand derer die Beklagte den variablen Zinssatz vereinbarungsgemäß angepasst habe, in ihrem Kassenraum einzusehen. Die Zinsgutschriften habe er dem Sparbuch entnehmen können. Ein für die streitgegenständliche Anlage geeigneter Zinssatz sei eine Kombination auf einem überwiegend Langfrist-Zinssatz in Form von Renditen für Pfandbriefe mit jährlicher Kuponzahlung / Restlaufzeit 10 Jahre und dem EURIBOR Sechsmonatsgeld im Verhältnis 80 % zu 20 %. Als Bezugsgröße des Kapitalmarktes komme eine solche Kombination dem Vertrag am nächsten, da er kurzfristige Komponenten aufweise. Zu Gunsten des Klägers sei ein jederzeitiges Kündigungsrecht mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist vereinbart, dessen Ausübung für ihn auch nicht mit dem Verlust der bis dahin angefallenen Prämien verbunden sei. Zahlreiche Sparer hätten die Prämiensparverträge nach wenigen Jahren gekündigt; ihre tatsächliche durchschnittliche Laufzeit liege zwischen fünf bis acht Jahren. Berücksichtigt werden müsse, dass der Sparer Abhebungen ohne Kündigung habe vornehmen können und der anfängliche Zinssatz dem Kurzfristbereich entnommen sei. Dies rechtfertige die Beimischung von Kurzzeitkomponenten und schließe einen Rückgriff auf reine Langfristzinssätze aus. Bei der von der Beklagten angewandten Methode der Zinsanpassung handele es sich um ein branchenübliches Verfahren. Der Umstand, dass die Modelle unter Anwendung der Marktzinsmethode bei verschiedenen Sparkassen unterschiedlich ausfielen, sei darauf zurückzuführen, dass jedes Institut einen eigenen Passivbestand und individuelle Refinanzierungsmodelle habe und sich im Wettbewerb mit anderen Banken befinde. Der Variantenreichtum unterstreiche, dass ein Referenzzinssatz stets nur individuell bezogen auf den bzw. die konkreten Verträge einer konkreten Sparkasse bestimmt werden könne. Dem vom Kläger gewählten Referenzzinssatz mangele es an Transparenz. Der Bundesgerichtshof gebe in seinem Urteil vom 06.10.2021 (XI ZR 234/20) in Rz. 91 vor, dass der durchschnittliche Marktzins die Grundlage für die Entscheidung des Sparers darstelle, den Sparvertrag abzuschließen. Der durchschnittliche Marktzins könne nur der risikolose Zins sein, da in allen anderen Marktzinssätzen Risikoaufschläge für einen Ausfall der Anlage enthalten seien. Der Kläger habe sich für die Berechnung des Zinsnachzahlungsanspruchs diejenige Zinsreihe herausgesucht, die eine höhere Verzinsung als eine risikolose Anlage in Bundeswertpapieren erbringe. In Bundeswertpapieren sei kein Risikoaufschlag für Ausfallrisiken enthalten, sie würden daher den risikolosen Zins bilden. Die Anlage bei der Sparkasse sei im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsschlusses staatlich garantiert gewesen. Daher sei als Referenzzins die Zinsreihe der "Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen / Börsennotierte Bundeswertpapiere / RLZ von über 8 bis 15 Jahren / Monatswerte" heranzuziehen. Der Gutachter dürfe bei der Interpretation des Parteiwillens nicht ohne Weiteres davon ausgehen, dass (ausschließlich) ein langfristiges Sparinteresse bestehe, sich Sparer (ausschließlich) von der Erreichung des 50 %igen Bonusziels leiten ließen und an einer trägen Weitergabe von Zinsänderungen interessiert gewesen seien. Die Beklagte habe Bedenken gegen die Heranziehung der Zinsreihe für Sparprodukte SUD105 (Variante E, S. 27 Gerichtsgutachten). Die Bundesbank führe in den Erläuterungen zu der MFI-Zinsstatistik dazu aus, dass hier auch eine "Treue- oder Wachstumsprämie [...] zum Zeitpunkt der Gewährung aufzunehmen" sei (vgl. Anlage BB11). Dies sei für eine Zinsreihe für die Basisverzinsung nicht angemessen. Abb. 4 zeige, dass die zusammengesetzte Zeitreihe im Wesentlichen den Ist-Zinssätzen aus Variante IV entspreche. Das würde bedeuten, dass die Institute keine Gewinnmarge zur Deckung ihrer - üblicherweise fixen - Kosten bei jedem einzelnen Neugeschäft erzielen würde. Der Rückgang der Marge gelte immer nur für das Neugeschäft, nicht aber "rückwirkend" für das Bestandsgeschäft. Die Marge sei auch deswegen rückläufig, da sie sich als Differenz zwischen Markt- und Kundenzins ermittle und der Kundenzins bei null gedeckelt sei, während der Marktzins weiter absinke. Die vom Sachverständigen Prof. Dr. T...... favorisierten Ergebnisse D. und E. könne sie nachvollziehen. Erstinstanzlich habe sie sogar eine höhere Erstattung angeboten. In dem Vertrag sei keine Anpassungsschwelle vereinbart, weshalb die Heranziehung eines gleitenden Durchschnitts ausscheide. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, mit welcher der Kläger das Erfordernis eines relativen Abstands begründe, könne aus verschiedenen Gründen nicht herangezogen werden. Deshalb bestünden vorliegend schon dem Grunde nach keine Ansprüche des Klägers. Davon abgesehen wären etwaige Ansprüche aufgrund der jahrelangen unbeanstandet gebliebenen Entgegennahme der nun beanstandeten Zinsen, deren Höhe infolge des Nachtrages dem Sparbuch habe entnommen werden können, überwiegend verjährt bzw. verwirkt, worauf sich die Beklagte vorsorglich berufe. Das für die Verwirkung maßgebliche Umstandsmoment sei die rügelose Kenntnisnahme von Zinszuschreibungen durch den Kläger. Gerade bei lange laufenden Sparverträgen bestehe die Besonderheit, dass sich Fehler bei der Zinsberechnung oder -anpassung aufgrund des Zinseszinseffektes exponentiell auswirkten. Um ein Aufsummieren von Ansprüchen zu vermeiden, bestehe ein besonderes Bedürfnis an Rechtsklarheit. Jedenfalls bei der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 17.02.2004 (XI ZR 140/03) sei für den Kläger erkennbar gewesen, dass die ursprünglich vereinbarte Zinsanpassungsklausel möglicherweise keinen Bestand haben konnte. Lasse ein Kunde Zinsanpassungen und -zuschreibungen unbeanstandet, signalisiere er, das Ergebnis der Zinsanpassung nicht beanstanden zu wollen, so dass sich die Beklagte vorliegend darauf habe einstellen können (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 21.05.2014 - 9 U 75/11 -). Soweit der Kläger im Schriftsatz vom 08.03.2022 eine BGH-Entscheidung vom 07.11.2000 (XI ZR 27/00) anführe, um zu begründen, dass Hypothekenpfandbriefe gegenüber 8- bis 15-jährigen Bundeswertpapieren vorzugswürdig seien, gehe aus mehreren Gründen fehl. Eine Nichtabnahmeentschädigung, die Gegenstand der zitierten Entscheidung sei, sei ein Schadensersatzanspruch der Bank und damit schon der Sache nach nicht vergleichbar mit einem Referenzzinssatz im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung. Während im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung ein durchgängig verfügbarer, transparenter Referenzzinssatz zu wählen sei, was auf die Zeitreihe WX4260 nicht zutreffe, sei dies für die Schadensberechnung im Rahmen der Aktiv-Passiv-Methode nicht relevant, weil es dort um eine hypothetische Wiederanlagemöglichkeit gehe. Der zitierten BGH-Entscheidung hätten Erwägungen aus der Schadensminderungspflicht zugrunde gelegen, welche vorliegend nicht zum Tragen kämen. Davon abgesehen habe es sich bei der Bank, welche in der zitierten BGH-Entscheidung eine Nichtabnahmeentschädigung geltend gemacht hatte, um eine Hypothekenbank gehandelt, die selbst Pfandbriefe emittiert habe. Die Beklagte dagegen sei ein Kreditinstitut, das im maßgeblichen Zeitpunkt des Vertragsabschlusses selber eine risikolose Anlage unter einer Gewährträgerhaftung angeboten habe. Daher sei ein Zinssatz heranzuziehen, der eine risikolose Anlage bei öffentlichen Schuldnern abbilde. Das seien Bundeswertpapiere. Soweit der Kläger erneut aus den betriebswirtschaftlichen Blättern zitiere, sei unabhängig davon, ob dies zutreffe, zu bemerken, dass der BGH am 06.10.2021 (XI ZR 234/20) konstatiert habe, dass die Kalkulation der Bank irrelevant sei.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Landgerichts Dresden vom 24.09.2020 mit dem Az.: 9 O 2203/19 abzuändern und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er meint, die Margenoptimierung der Beklagten dürfe kein Kriterium bei der Auswahl des Referenzzinssatzes und der Anpassungsparameter sein, um die Vertragslücke entsprechend den beiderseitigen Interessenlagen auszufüllen. Auch die negative Zinsentwicklung dürfe kein Beurteilungskriterium sein, da dann eine ex post-Betrachtung erfolgen würde, was den allgemeinen Regeln der Vertragsauslegung widerspreche. Die Risiken der Kalkulation bei der Neuauflage von Finanzprodukten lägen bei der Beklagten. Deren Vortrag, die Erfüllung der Prämiensparverträge sei betriebswirtschaftlich nicht mehr darstellbar, genüge nicht, um die geltend gemachten Ansprüche mit den zugrundeliegenden Berechnungsparametern zu negieren. Er bestreite mit Nichtwissen, dass die Beklagte Gelder bei der Zentralbank in der von ihr behaupteten Größenordnung anlege und nicht anderweitig im Aktivbereich nutze. Sollte die Beklagte nicht unter Berücksichtigung der rechtlichen Vorgaben ihre Möglichkeiten nutzen, die Gelder aus dem Einlagengeschäft gewinnbringend im Aktivgeschäft zu verwenden, könne dies nicht zulasten des Klägers ausgelegt werden. Der Kläger habe zum selben Zeitpunkt einen Sparvertrag mit einer Laufzeit von zwölf Monaten und einer Kündigungsfrist von drei Monaten unter der Vertragsnummer 000000000 zu einer Verzinsung von 4,75 % abgeschlossen. Dies widerlege die Behauptung, dass der variable Zinssatz von 4,75 % als besonders hoch gegenüber anderen Zinsen einzustufen sei. Der Kläger bestreite mit Nichtwissen, dass es tatsächlich zu Aushängen der Zinsänderung gekommen sei. Die Behauptung der Beklagten, die tatsächliche Laufzeit der Prämiensparverträge liege zwischen fünf und acht Jahren, sei verspätet und unsubstantiiert. Der Beklagten habe es erst ab dem Moment des Erreichens der höchsten Prämienstufe zugestanden, bei Vorliegen erheblicher Gründe i.S.d. Art. 26 Abs. 2 AGB Spk die Kündigung auszusprechen. Bei der Kreditvergabe habe die Bank in Zeiten der Hochzinsphase das Interesse, langfristig den hohen Zinssatz zu erhalten, auch wenn vor Ablauf der Zinsbindung eine Niedrigzinsphase eintrete. Was zu Gunsten von Kreditinstituten gelte, müsse umgekehrt für die Sparkunden und mithin den Kläger gelten. Soweit der Inhalt des Gutachtens der Kreditsachverständigen H... & F... GbR bestritten werde, sei dies verspätet. Die als Anlage BK01 vorgelegte Tabelle sei identisch mit den Eintragungen im Sparbuch. Dass der Referenzzinssatz als gleitender Durchschnitt und nicht als Ist-Zinssatz verwendet werde, habe zwischen den Parteien zu keinem Zeitpunkt im Streit gestanden. Sowohl der Kläger als auch die Beklagte hätten zweifelsfrei ihr Interesse an der Anwendbarkeit des gleitenden Durchschnitts der noch zu ermittelnden Referenzzinsreihe artikuliert. Die Beklagte habe auf Seiten 20 und 24 der Klageerwiderung vom 13.02.2020 ausgeführt, dass die Verwendung des gleitenden Durchschnittszinssatzes "dem kreditwirtschaftlichen Standard" entspreche, um den Aspekt der Zinsstabilität abzubilden. Den Sonderbedingungen für den Sparverkehr mit Stand 7/2010 (Anlage K17) könne entnommen werden, dass die Beklagte für Prämiensparverträge, die ab 2010 geschlossen worden seien, einen Referenzzins verwendet habe und weiterhin verwende, der sich zu 80 % aus der Zeitreihe WZ3474 auf der Zinsstruktur abgeleitete Renditen für Pfandbriefe mit jährlichen Kuponzahlungen / RLZ 10 Jahre / gleitende Durchschnitte und zu 20 % EURIBOR Sechsmonatsgeld / gleitende Monatsdurchschnitte (SU0325G) zusammensetze. Die Interessenlage bezüglich der Verwendung des gleitenden Durchschnitts sei für Altverträge wie den vorliegenden als auch für Neuverträge gleich. Die Methode der Verwendung des gleitenden Durchschnitts sei seit über 30 Jahren bekannt und werde seither auch von der Mehrheit der deutschen Banken verwandt, um zinsvariable Produkte abzubilden (vgl. Aufsatz Alfes/Wimmer, Anlage BK 9). Nicht korrekt sei, dass der Bundesgerichtshof sich für die vorliegende Fallkonstellation der ratierlichen Besparung gegen eine Anwendbarkeit des gleitenden Durchschnitts entschieden habe. In der Rn. 25 des Urteils vom 13.04.2010 (XI ZR 179/09) tätige er keine Ausführungen zur Unanwendbarkeit des gleitenden Durchschnitts, vielmehr gehe es um die Frage der Anwendbarkeit von Anpassungsschwellen. Erst im Urteil vom 21.12.2020 (XI ZR 52/08) habe er sich zur Anwendbarkeit des gleitenden Durchschnitts positioniert. Im dortigen Fall habe der Kläger bereits zu Beginn des Vertragsabschlusses das Sparguthaben komplett eingezahlt. Bei der monatlichen Ansparung habe der Sparer hingegen ein Interesse, an der Zinsentwicklung aus der Vergangenheit zu partizipieren. Für beide Parteien sei die Verwendung des gleitenden Durchschnittszinssatzes interessengerecht, da so für beide das unkalkulierbare Zinsentwicklungsrisiko abgebildet werde (vgl. Anlagen BK13 bis BK15). Es gebe eine größere Anzahl von Zeitreihen mit identischer Laufzeit, wie die des WX4260. Dabei handele es sich um die Zeitreihen BBK01.WU8608, WU8612, WZ3409, WZ3474, WZ9826. Die Zeitreihe BBK01.WX4260 gehöre zu denjenigen, die sich im Mittelfeld der vergleichbaren Zeitreihen befänden. Würde man eine andere Zeitreihe derselben Laufzeit verwenden, käme man zu einem identischen Wert bei dem nunmehr in Rede stehenden Differenzbetrag, der mit dem Klageantrag zu 1 geltend gemacht werde. Zu dieser Erkenntnis sei auch der Kreditgutachter L...... gekommen (Anlage BK16). Die von der Beklagten zu 80 % als langfristige Komponente zu Grunde gelegte Zeitreihe WZ3474, werde erst seit Dezember 2009 von der Bundesbank veröffentlicht. Der Bundesgerichtshof fordere in seinem Urteil vom 13.04.2010 nicht, dass in der Zeitreihe selbst bereits der gleitende Durchschnitt ausgewiesen sei. Es sei üblich und transparent, dass der Sparkunde den jeweiligen Zinssatz zur Kenntnis nehme und den gleitenden Durchschnitt der vergangenen Monate errechne. Die Sparkassen-Finanz-Gruppe veröffentliche auf ihrer Homepage eine Anleitung dafür, wie die Kunden selbst den gleitenden Durchschnitt mathematisch bilden könnten (Anlage K18 = BK7) und auch der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken erläutere, wie der gleitende Durchschnitt zu berechnen sei (Anlage BK11). Die Bundesbank führe auch Referenzzinsreihen mit einer langfristigen Laufzeit, welche sie bereits im gleitenden Durchschnitt ausweise. Alternativ zur Zinsreihe BBK01.WX 4260 komme die Zinsreihe mit der Kennung WZ 3459 (alt), BBSIS.M.I.ZAR.GD.EUR.S1311.B.A604.R10XX.R.A.A._Z._Z.A (neu), für aus der Zinsstruktur abgeleitete Renditen für Bundeswertpapiere mit jährlicher Cuponzahlung / Restlaufzeit 10 Jahre / gleitende Durchschnitte als geeignete Referenzzinsreihe in Betracht, die die Bundesbank bereits seit 1983 veröffentliche und im gleitenden Zehnjahresdurchschnitt ausweise. Dr. Sievi/Wagner sprächen sich in einem Artikel dafür aus, künftig nur noch Gleitzinsen als Referenzzinsen zu verwenden (Anlage K15 = BK13). Der Kläger sehe sich in seiner Auffassung zur Verwendung gleitender Durchschnitte durch die Äußerungen des Sachverständigen Prof. Dr. T...... in den Verfahren 5 U 2438/20 und 5 U 2162/20 des Senates (Anlagen BK16 und BK17) bestätigt. Auch Prof. Dr. Wimmer/Alfes würden in ihrem Aufsatz (Anlage BK9) die Verwendung gleitender Durchschnitte als probates Mittel ansehen, um den Risiken, welche sich bei einem Produkt ohne feste Zins- und Kapitalbindung stellen, gerecht zu werden. Ferner verweise er auf ein finanzmathematisches Gutachten von Prof. Dr. F...... (Anlage BK18). Prof. Dr. H...... und Prof. H...... führten in ihrem Gutachten (auszugsweise vorgelegt als Anlage BK19) aus, dass gleitende Durchschnitte ein geeignetes Instrument seien, um den Konditionsbeitrag zinsvariabler Einlagenprodukte zu bestimmen. Es entspreche nicht den Tatsachen, dass Banken, wenn sie neue Produkte auflegen und im gleitenden Durchschnitt verzinsen wollten, bereits ein konkretes Gegengeschäft hätten aufbauen müssen (vgl. Auszüge aus Goebel/Sievi/Schumacher Anlage BK20). Bei einer Zinsnachberechnung mit gleitendem Durchschnitt ab dem 121. Monat ergebe sich sogar eine Zinsnachforderung i.H.v. 13.433,80 € (Anlage BK21). Es entspreche nicht der Bankpraxis, sich vor Auflage langfristiger Sparprodukte zuvor am Aktivmarkt zu refinanzieren (Beweis: Sachverständigengutachten). Nicht richtig sein könne es, auf Sparzinsreihen zurückzugreifen. Die von Prof. Dr. T...... verwandte Sparzinsreihe SUD 105 sei dem Geldmarkt zuzuschreiben. Es liege im eigenen Interesse der Beklagten, Pfandbriefreihen zu verwenden, da ansonsten ein Margenverlust bei der Verwendung der geringer verzinsten Bundeswertpapiere entstünde. Wo der Gutachter eine Ausreißertendenz des WX 4260 sehe, sei nicht erkennbar (Beweis: Gutachten L......, Anlage BK22). Richtigerweise gehe das Landgericht davon aus, dass der relative Zinsabstand bei der Zinsberechnung zu wahren sei. Es möge sein, dass es rechnerisch möglich sei, dass es auch bei der Verwendung des relativen Zinsabstandes zu einem Negativzins kommen könne. Dies geschehe jedoch erst, wenn der Referenzzins selbst ins Minus gelange. Bei der Verwendung des absoluten Zinsabstandes gerate der Vertragszins bereits dann ins Minus, wenn die Veränderung des Referenzzinssatzes größer als der ursprünglich vereinbarte variable Vertragszins selbst sei. Mithin entfalle ein Zinsanspruch des Sparers zu einem weitaus früheren Zeitpunkt, als dies bei der Verwendung des relativen Zinsabstandes der Fall wäre. Konform mit den Ausführungen des Senates im Urteil vom 22.04.2020 (5 MK 1/19) gehe das Landgericht davon aus, dass die Zinsansprüche noch nicht verjährt seien. Zutreffend gehe es auch davon aus, dass keine Verwirkung eingetreten sei. Der Kläger habe zusammen mit seiner Ehefrau jährlich ein Gespräch mit einem Kundenbetreuer der Beklagten geführt. Zu keinem Zeitpunkt habe die Beklagte darauf hingewiesen, wie sich die variablen Zinsen entwickelten. Erstmals mit Schriftsatz vom 20.08.2019 habe die Beklagte eingestanden, dem Kläger zu wenig Zinsen im Sparbuch ausgewiesen und ausgezahlt zu haben. Das gleichzeitige Berufen auf Verjährung sei illoyal. Der Kläger habe Interesse an einer langfristigen Bindung seiner Sparbeiträge gehabt. Er habe daneben andere Sparformen unterhalten, die mit einer Frist von drei Monaten kündbar gewesen seien. Er habe damit kalkuliert, den S-Prämiensparvertrag flexibel nicht vor Erreichen des 15. Sparjahres zu kündigen. Die Äußerung der Beklagten, wonach speziell in den neuen Bundesländern nicht unbedingt mit einem sehr langen Zeithorizont geplant werde, sei nicht einschlägig. Der Kläger und seine Ehefrau hätten sich im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in festen Arbeitsverhältnissen befunden. Der Gutachter habe die Kontinuität in Bezug auf die Geldanlage selbst richtig erfasst. Der Erhalt der Jahressparprämien habe einen Anreiz geschaffen, nicht permanent die Spareinlage zu wechseln, nur um einen höheren Zinssatz zu erlangen. Das Argument des Gutachters, dass in Zeiten sinkender Zinsen die Banken sich einer exorbitanten Nachfrage nach Sparprodukten ausgesetzt sehen würden, verfange nicht. Selbst wenn dem so wäre, wäre die Bank nicht verpflichtet, entsprechende Verträge mit Sparkunden abzuschließen. Dass die Verwendung des gleitenden Durchschnitts auch von anderen Kreditinstituten als kreditwirtschaftlicher Standard angesehen werde, zeige der Gutachter auf Seite 8 unter Ziff. 2.1.3. Die Interessen der Parteien lägen nahe beieinander, da der Kläger zu 100 % von der langfristigen Zinsreihe BBK01 WX 4260 ausgehe und die Beklagte von einem kombinierten Referenzzinssatz, der zu 80 % aus der Zeitreihe BBK01WT3087 und zu 20 % aus der Zinsreihe BBK01SU0325 bestehe. Es sei daher nicht ersichtlich, weswegen der Gutachter die Variante I der Lückenschließung als nicht interessengerecht zurückweise. Auch der Kläger befürworte die Zurückweisung der Varianten II und III durch den Sachverständigen. Soweit der Sachverständige als Argument für die Notwendigkeit der Verwendung des Ist-Zinssatzes ausführe, dass dies bereits durch den Bundesgerichtshof so ausgeurteilt worden sei, übersehe er, dass der dem zitierten Urteil vom 21.12.2020 (XI ZR 52/08) zugrunde liegende Sachverhalt mit dem vorliegenden nicht vergleichbar sei, da der dortigen Beklagten nicht von Anfang an der Sparbeitrag zur Verfügung gestanden habe. Der Verwendung von Sparzinsen trete der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 06.10.2021 (XI ZR 234/20), ausdrücklich entgegen. Bereits in seinem Urteil vom 13.04.2010 (XI ZR 197/09) habe er klargestellt, dass es sich bei dem Referenzzinssatz um eine Bezugsgröße des Kapitalmarktes und nicht eine Sparzinsreihe handeln müsse. Durch die vom Sachverständigen vorgenommene Korrektur der Sparzinsen komme es dazu, dass eine Ex-Post-Betrachtung und nicht die notwendige Ex-Ante-Betrachtung erfolge; er nehme ergebnisorientiert eine Anpassung der zu verwendenden Zinsreihen vor. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 07.11.2000 (XI ZR 27/00), in der es um die bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung nach der Aktiv-Passiv-Methode zu Grunde zu legende Referenzzinsreihe gegangen sei, sei auf die Refinanzierung von Passivprodukten übertragbar. Dort habe der Bundesgerichtshof entschieden, dass das Berufungsgericht die Rendite einer laufzeitkongruenten Wiederanlage in Hypothekenpfandbriefen hätte zugrunde legen müssen und nicht auf die niedrigere Rendite festverzinslicher Wertpapiere der öffentlichen Hand hätte zurückgreifen dürfen.

Die Beklagte meint, die Revision sei wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Mit dem vorliegenden Individualverfahren werde quasi das Musterfeststellungsverfahren überholt. Mit großer Wahrscheinlichkeit sei davon auszugehen, dass die Festlegung des zu verwendenden Referenzzinssatzes in der Musterfeststellungsklage gegen die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig erneut dem Bundesgerichtshof zur Prüfung von einer Partei vorgelegte werde.

Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das schriftliche Gutachten von Prof. Dr. F...... T......, Technische Universität Chemnitz, vom 02.09.2021 (Bl. 335 bis 356 d.A.) sowie dessen mündliche Erläuterung und Ergänzung in der mündlichen Verhandlung des Senates vom 09.03.2022 Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 24.09.2020 (9 O 2203/19) ist teilweise begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf eine im Verhältnis zu dem von der Beklagten abgerechneten variablen Zins infolge ergänzender Vertragsauslegung höhere variable Verzinsung des mit der Beklagten am 15.04.1994 geschlossenen S-Prämiensparvertrag flexibel i.H.v. brutto 6.209,43 € zu. Hinsichtlich der weitergehenden Forderung ist der Anspruch nicht begründet.

Wie das Landgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend ausgeführt hat, haben die Parteien in dem am 15.04.1994 geschlossenen Prämiensparvertrag keine wirksame Vereinbarung zur Anpassung der mit anfänglich 4,75 % p.a. vereinbarten variablen Basisverzinsung getroffen. Die in dem Prämiensparvertrag enthaltene Formularklausel "Die Spareinlage wird variabel z.Zt. mit 4,75 % verzinst", nach der bei objektiver Auslegung eine Änderung des Zinssatzes mit der Änderung eines Aushangs im Kassenraum der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin in Kraft tritt, ist in Bezug auf die Ausgestaltung der Variabilität wegen Verstoßes gegen den nach Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB anwendbaren § 308 Nr. 4 BGB unwirksam, weil sie nicht das erforderliche Mindestmaß an Kalkulierbarkeit möglicher Zinsänderungen aufweist (BGH, Urteil vom 06.10.2021 - XI ZR 234/20 -, juris Rn. 29 m.w.N.). Denn die Klausel bestimmt bei der gebotenen objektiven Auslegung im Zusammenhang mit Ziffer 3.1 der in den Vertrag einbezogenen Bedingungen für den Sparverkehr i.d.F. von Juli 1993 (vgl. Anlage BK03) ein Zinsänderungsrecht der Beklagten, aber keine Voraussetzungen, die für eine Änderung des variablen Zinssatzes vorliegen müssen; vielmehr knüpft sie eine Zinsänderung allein an einen von der Beklagten vorzunehmenden Aushang in deren Kassenraum (BGH, a.a.O. Rn. 28 f.).

Die durch die Unwirksamkeit der Zinsänderungsklausel bei gleichzeitiger Wirksamkeit der Vereinbarung über die Variabilität der Zinshöhe entstandene Regelungslücke kann nicht nach § 306 Abs. 2 BGB durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht der Beklagten entsprechend § 315 Abs. 1 BGB oder durch ein einseitiges Leistungsbestimmungsrecht des Klägers gemäß § 316 BGB geschlossen werden, da das in der unwirksamen Preisanpassungsklausel enthaltene einseitige Leistungsbestimmungsrecht ersatzlos weggefallen ist (BGH, a.a.O. juris Rn. 41 m.w.N.). Infolgedessen hat das Gericht im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung (§§ 133, 157 BGB) die maßgeblichen Parameter der Zinsanpassung selbst festzustellen, die in sachlicher Hinsicht (Bindung des Vertragszinssatzes an einen aussagekräftigen Referenzzinssatz, Festlegung der Anpassungsschwelle) und in zeitlicher Hinsicht (Festlegung des Anpassungsintervalls) dem mutmaßlichen Parteiwillen entsprechen und dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit und Kontrollierbarkeit von Zinsänderungen genügen müssen (BGH a.a.O.). Dabei ist die vom Landgericht getroffene Auslegung durch den Senat vollumfänglich überprüfbar.

Für die vorzunehmende ergänzende Vertragsauslegung sind die im Vertrag vom 15.04.1994 enthaltenen Bedingungen maßgebend. Zu diesen gehören die vom Kläger in einem monatlichen Rhythmus zu leistende Spareinlage, die variable Verzinsung der Spareinlage, die ab dem dritten Sparjahr der Höhe nach - bis zu 50 % ab dem 15. Sparjahr - gestaffelte verzinsliche Prämie auf die Einzahlungen des jeweils abgelaufenen Sparjahres, die für den Kläger geltende Kündigungsfrist von drei Monaten und der Ausschluss des ordentlichen Kündigungsrechts der Beklagten nach Nr. 26 AGB-Sparkassen bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 14.05.2019 - XI ZR 345/18 -, BGHZ 222, 74 Rn. 38 ff.). Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass das Recht des Klägers, den Vertrag ordentlich mit einer Frist von drei Monaten zu kündigen, angesichts der nach Jahren gestaffelten Sparprämie keine wirtschaftlich vernünftige Handlungsoption für ihn darstellt (BGH, a.a.O. Rn. 43 m.w.N.), weil die Prämien auch nach dem 15. Sparjahr noch attraktiv sind. Hinzu kommt, dass der Kläger unwidersprochen vorgetragen hat, daneben u.a. bei der Beklagten andere Sparformen mit dreimonatiger Kündigungsfrist unterhalten und sich mit seiner Ehefrau in festen Arbeitsverhältnissen befunden zu haben. Dem Kläger kam daher das Recht zu, einseitig zu bestimmen, ob er bis zum Erreichen der höchsten Prämienstufe und damit bis Ablauf des 15. Sparjahres spart (BGH a.a.O. m.w.N.).

Da die Parteien Individualabreden zur variablen Verzinsung im konkreten Fall nicht behauptet haben, ist für die ergänzende Vertragsauslegung ebenso wie für die Auslegung und Inhaltskontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen auf die typischen Vorstellungen der an Geschäften gleicher Art beteiligten Verkehrskreise abzustellen (BGH, a.a.O. Rn. 44 m.w.N.).

1. Nach diesen Maßgaben entspricht es dem verobjektivierten Willen der Parteien unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T...... in dessen schriftlichem Gutachten vom 02.09.2021, welches er in der mündlichen Verhandlung des Senats am 09.03.2022 ergänzt und erläutert hat, am ehesten, als Referenzzinssatz die von der Deutschen Bundesbank veröffentlichte Zinsreihe der Ist-Zinssätze des Kapitalmarktes für börsennotierte Bundeswertpapiere mit 8 bis 15-jähriger Restlaufzeit, Monatswerte, zugrunde zu legen. Auf die interne Kalkulation der Beklagten ist mangels Tranzparenz für die Kunden nicht abzustellen.

a) Die Zinssätze für börsennotierte Bundeswertpapiere entstammen den Kapitalmarktprodukten mit langen Laufzeiten und entsprechen damit dem langfristigen Charakter der Prämiensparverträge. Die Präferenz der Zinsreihe mit 8- bis 15-jähriger Restlaufzeit gegenüber derjenigen mit 7-jähriger Restlaufzeit hat der Sachverständige überzeugend damit begründet, dass erstere weniger dem Geldmarkt nach der Krise von 2011 folgt, was dem Charakter als langfristige Verträge näher kommt. Die 8- bis 15-jährige Reihe stützt sich auf die breiteste Grundlage mehrerer Jahre, was sie der 10-jährigen Reihe überlegen macht, weil sich eine (kalkulatorische) Laufzeit von genau 10 Jahren aus dem streitgegenständlichen Vertrag heraus nicht aufdrängt und der 10-jährige Zins aufgrund der allgemeinen Beliebtheit von Produkten mit genau 10-jähriger Laufzeit nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen Ausreißereffekte hat, die im Rahmen der 8- bis 15-jährigen Zinsreihe nivelliert werden. Letztere kommt der typisierten Mindestsparzeit von 15 Jahren am nächsten, lässt mit ihrer Durchschnittslaufzeit von unter 15 Jahren indes Spielraum für zusätzliche Liquiditätsaspekte. Eine weitere Verkürzung der mittleren Laufzeit wäre angesichts der hohen Liquidität der Bundeswertpapiere sowie des Umstandes, dass die Prämiensparverträge auch jenseits des 15. Sparjahres noch attraktive Prämien boten, nicht angemessen, was ebenfalls gegen die Zinsreihe mit 7-jähriger bzw. über 9- bis 10-jähriger Restlaufzeit spricht.

b) Ebenso wie bei der vom Kläger bevorzugten Zinsreihe der Hypothekenpfandbriefe mit der ehem. Bezeichnung WX4260 handelt es sich bei den börsennotierten Wertpapieren um Umlaufsrenditen inländischer Inhaberschuldverschreibungen. Für die Anleihen der öffentlichen Hand im Vergleich zu den Hypothekenpfandbriefen spricht dabei, dass die börsennotierten Bundeswertpapiere den sog. "risikolosen Zins" widerspiegeln, während die Anleihezinsen für Hypothekenpfandbriefe trotz der Besicherung durch Hypothekenpfandbriefe - die auch Schiffspfandbriefe und Flugzeugpfandbriefe einschließen - einen Risikoaufschlag enthalten. Integrieren Sparkassen wie die Beklagte Anleihen mit Ausfallrisiken in ihr Replikationsportfolio, erzielen sie zwar vordergründig einen höheren Ertrag. Allerdings müssen sie auch Risikovorsorge zur Deckung ihrer Ausfallrisiken betreiben, die sie dann nicht zur Deckung der sonstigen Kosten - hier zur Finanzierung des variablen Zinses und der feststehenden Prämie - verwenden können. Daher wäre es nicht angemessen, die gesamten aus einer mit einem Ausfallrisiko behafteten Referenzzinsreihe erzielbaren Erlöse wie z.B. die der Reihe WX4260 zur Deckung alleine der Kosten der variablen Grundverzinsung der Prämiensparverträge heranzuziehen. Insoweit geht der Verweis des Klägers auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.11.2000 (XI ZR 27/00), in dem es um die Berechnung der der Bank - also aus einem Aktivgeschäft - zustehenden Vorfälligkeits- / Nichtabnahmeentschädigung ging, für die Auswahl einer dem konkreten Geschäft möglichst nahekommenden Bezugsgröße des Kapitalmarktes fehl. Angemessener ist es, für die variable Basisverzinsung von Prämiensparverträgen auf Referenzzinsreihen ohne Ausfallrisiko zurückzugreifen, zumal die Beklagte - anders als die Bank in der vom Kläger zitierten BGH-Entscheidung keine Hypothekenbank ist, sondern ein Kreditinstitut, das im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses eine risikolose Anlage unter einer Gewährträgerhaftung anbot. Zudem ist bei der Auswahl des Referenzzinssatzes zu berücksichtigen, dass der Kläger als Kunde eines Prämiensparvertrages zusätzlich zum variablen Zins eine garantierte Rendite in Form der prozentual im Vorhinein festgelegten Sparprämien auf die Einlagen des laufenden Sparjahres erhielt, die die Bank ebenfalls refinanzieren muss. Für die Verzinsung der börsennotierten Bundeswertpapiere als Referenz spricht neben der Sicherheit einer über lange Zeiträume unzweifelhaften und den risikolosen Zins widerspiegelnden Zinsreihe, dass sie selbst an sich liquide sind und jederzeit ohne nennenswerte implizite oder explizite Liquidationskosten in Liquidität verwandelt werden können.

c) Gegen die Heranziehung der Spareinlagezinsen anstelle von Kapitalmarktzinssätzen als Referenz spricht, dass die Bundesbank nur zwischen Sparverträgen mit vereinbarter Laufzeit und solchen mit vereinbarter Kündigungsfrist unterscheidet, die hinter den Zinsreihen stehenden Sparprodukte indes auf Nachfrage des Sachverständigen nicht erklären konnte, da nur Daten wie Verzinsung, Kündigungsfrist und Laufzeit angegeben werden müssten. Es kann daher nicht zur Überzeugung des Senates festgestellt werden, dass die hinter den Sparzinsreihen stehenden Sparprodukte dem konkreten Geschäft möglichst nahe kommen. Soweit die Prämiensparverträge wie der vorliegende keine fest vereinbarte Laufzeit haben, gehören sie zur Zinsreihe "mit vereinbarter Kündigungsfrist bis drei Monaten". Das bedeutet, in dieser Zinsreihe können auch langfristige Sparprodukte stecken. Aber auch hinter der Zinsreihe für Produkte mit vereinbarter Laufzeit können sowohl solche mit einer kurzen Festlaufzeit als auch mit einer sehr langen Laufzeit stecken (vgl. zu einem Prämiensparvertrag mit vereinbarter 99-jähriger Laufzeit OLG Dresden, Urteil vom 14.05.2020 - 8 U 538/19 -, BeckRS 2020, 44896). Hinzu kommt, dass die Banken zu Beginn der Niedrigzinsphase dazu übergegangen sind, Kunden, die langfristig sparen wollten, anstelle der klassischen Sparformen Fondssparpläne anzubieten, so dass langfristige Sparformen nicht mehr in die Zinsreihe einfließen. Aufgrund der großen Bandbreite und Veränderlichkeit der in die Zinsreihen einfließenden Sparprodukte, die auch Prämienanteile enthalten können, die herausgerechnet werden müssten, um zum variablen Zins ohne Prämie zu gelangen, da die Prämie nicht doppelt gezählt werden darf, ist die Heranziehung der Sparzinsreihen nicht ausreichend transparent.

d) Für die Heranziehung einer Zinsreihe als Referenz, die Monatswerte ausweist, spricht, dass der Kläger sich ungeachtet der Regelung in Ziffer 2.3 der Sonderbedingungen (vgl. Anlage BK05) zur monatlichen Einzahlung verpflichtet hatte und die Parteien für die Änderung des variablen Zinses eine Anpassungsschwelle nicht vereinbart haben.

2. Wegen der konkreten Berechnung für den vorliegenden Fall verweist der Senat auf die nachvollziehbaren Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. T...... in dessen Gutachten vom 02.09.2021.

a) Bei der konkreten Berechnung der Verzinsung war ein relativer Abstand zwischen dem anfänglich vereinbarten und dem Referenzzins - hier dem Ist-Zinssatz der börsennotierten Wertpapiere mit 8- bis 15-jähriger Restlaufzeit, Monatswerte - zugrunde zu legen.

Bei der sog. "relativen oder Verhältnismethode" wird bei Vertragsbeginn ein Verhältnis zwischen dem im Sparvertrag genannten anfänglichen variablen Zins - vorliegend 4,75 % p.a. - und dem Zins der Referenzzinsreihe gebildet. Dieses Verhältnis wird dann auf die gesamte weitere Laufzeit angewandt, um aus der Referenzzinsreihe die geschuldeten Vertragszinssätze zu berechnen. Für die Anwendung der Verhältnis- im Gegensatz zur sog. "absoluten oder Differenzmethode", bei der vom Referenzzinssatz über die gesamte Laufzeit eine unveränderliche feste Zinsmarge abgezogen wird, spricht, dass sich der Vertragszins bei sinkendem Zinsniveau langsamer der Null-Linie annähert, als bei der Differenzmethode. Die absolute Methode erlaubt zwar bei kurzen Fristen eine relativ sichere Kalkulation der Refinanzierung. Indes werden selbst vermeintliche fixe Kosten auf lange Sicht variabel, etwa Personalkosten, neue Kostenkomponenten wie regulatorische Kosten, Steuerreformen, Veränderungen im Anlageverhalten durch technischen Fortschritt, veränderliche Geschäftsvolumina etc., was gegen eine Berechtigung fixer Margen spricht.

b) Gegen die Zugrundelegung gleitender Durchschnitte von Referenzzinsen bzw. die Heranziehung von bereits als gleitende Durchschnitte ausgewiesenen Zinsreihen wie der vom Kläger bevorzugten Zinsreihe mit der ehem. Bezeichnung WX4260 im Rahmen der ergänzenden Auslegung des streitgegenständlichen Prämiensparvertrages spricht, dass es sich um träge Werte handelt, die die vergangenen Zinssätze abbilden.

Bei dem vom Kläger präferierten gleitenden 10-Jahres-Durchschnitt würde sich der Referenzzins im konkreten Fall bei Vertragsbeginn an dem durchschnittlichen (Referenz-)Zins der Monate Mai 1984 bis April 1994 orientieren. Anhaltspunkte dafür, dass dies den damaligen Interessen der Vertragsparteien entsprochen haben könnte, existieren nicht. Die vertragliche Vereinbarung legt vielmehr das Gegenteil nahe, denn sie verspricht dem Kläger zwei gänzlich unterschiedliche Renditearten, nämlich eine variable Rendite in Form einer Basisverzinsung und zusätzlich zu und in Abgrenzung von dieser eine vornherein festgeschriebene, gestaffelte Rendite in Form der Prämie am Ende eines jeden Sparjahres. Diese im streitgegenständlichen Prämiensparvertrag vorgenommene Unterscheidung zwischen Basiszins und Prämie impliziert, dass im Gegensatz zu dem "vertraglich festgelegten Kontinuum" - der Prämie - die Basisverzinsung flexibel an den Änderungen des Marktes ausgerichtet sein sollte. Das Ansinnen des Klägers, die variable Basisverzinsung mit dem 10-jährigen gleitenden Durchschnitt eines Referenzzinses zu bewerten, käme aufgrund der dadurch bewirkten Trägheit der Zinsänderung einer Abbildung der variablen Basisverzinsung in einer Festzinsposition gleich (dies erkennt auch die klägerseits vorgelegte Anlage BK20 in Ziff. 2.3.5). Die Verwendung gleitender Durchschnitte bei der Berechnung des Referenzzinssatzes hätte zur Folge, dass sich die nach dem Vertrag variable Basisverzinsung gerade nicht flexibel an eine geänderte Marktsituation anpasst, was der vertraglich vorgesehenen Risikoverteilung widerspricht.

Die Anwendung eines gleitenden Durchschnitts des Referenzzinssatzes mit langen in der Vergangenheit liegenden Zeithorizonten wäre nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen zudem deswegen nicht zur Neuabrechnung des streitgegenständlichen Prämiensparvertrages geeignet, weil der gleitende Durchschnitt große Volumen- sowie Zinsänderungsrisiken birgt. Die Heranziehung gleitender 10-Jahres-Durchschnitte impliziert, dass die Bank zu jedem Zeitpunkt ab dem jeweiligen Vertragsschluss über ein Anleiheportfolio verfügt, welches sich mit dem durchschnittlichen Zins der letzten 120 Monate verzinst. Dabei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Sparkasse ein solches tatsächlich vorhält. Die Trägheit gleitender Durchschnitte führt bei steigenden Zinssätzen dazu, dass der Referenzzins unter dem Marktzins liegt, sodass die Gefahr besteht, dass der Kläger von seinem Recht zur Kündigung oder Herabsetzung der Sparbeiträge Gebrauch macht. Bei sinkenden Zinsen ist dagegen ein aus einem gleitenden Durchschnitt gebildete Referenzzins höher als der Marktzins und stellt bereits als solcher für die Beklagte ein Refinanzierungsrisiko dar.

c) Eine Anpassungsschwelle hatten die Parteien im konkreten Fall nicht vereinbart, so dass der Sachverständige entsprechend der grundsätzlich bestehenden Verpflichtung zu monatlichen Einzahlungen zutreffend eine monatliche Zinsanpassung und -berechnung vorgenommen hat.

d) Zu Recht - und von den Parteien auch nicht beanstandet - hat der Sachverständige Korrekturen vorgenommen, soweit sich auch bei Anwendung der relativen Methode negative Zinsen ergaben. Die Beklagte hat sich, wie sie selbst auf Seite 67 der Klageerwiderung ausführt, in dem streitgegenständlichen Vertrag zur Zahlung eines variablen Zinses, d.h. einer Vergütung für die Kapitalüberlassung, verpflichtet, so dass sie schon nach den vertraglichen Bestimmungen nicht berechtigt ist, den variablen Zins im Wege der Zinsanpassung in den negativen Bereich absinken zu lassen. Ein Verwahrentgelt haben die Parteien nachträglich nicht vereinbart.

3. Die Zinsansprüche des Klägers sind nicht verjährt. Zinsansprüche aus dem streitgegenständlichen Vertrag vom 15.04.1994 entstehen erst mit dessen Beendigung, gemeinsam mit der Begründung der Fälligkeit des Rückzahlungsanspruchs im Hinblick auf das Kapital. Die Sparzinsen unterliegen der gleichen Verjährung, wie das eingezahlte Kapital (Senatsurteil vom 22.04.2020 - 5 MK 1/19 -, juris Rn. 105 ff. m.w.N.). Der Lauf der Verjährung hängt dagegen nicht vom Zeitpunkt der Fälligkeit der jeweiligen Zinsgutschriften ab. Dies ergibt sich aus der Regelung in Ziffer 3.3 Satz 2 der Bedingungen für den Sparverkehr (Anlage BK03 i.d.F. vom Juli 1993), wonach dann, wenn - wie vorliegend - über die gutgeschriebenen Zinsen nicht innerhalb von zwei Monaten nach Gutschrift verfügt wird, diese der im übrigen vereinbarten Kündigungsfrist unterliegen. Damit war die Zinsgutschrift als Rechnungsposten in die Gesamtabrechnung des Prämiensparvertrages einzubeziehen. Die Verjährungsfrist des § 195 BGB beginnt damit vorliegend infolge Kündigung des Klägers am 11.03.2016, da ab diesem Zeitpunkt die Zinsleistung zu bewirken ist, und wurde mit Rechtshängigkeit der Klage am 06.12.2019 rechtzeitig vor Ablauf am 31.12.2019 gehemmt.

4. Dem Anspruch des Klägers steht auch nicht der Einwand der Verwirkung entgegen. Eine Verwirkung kommt gemäß § 242 BGB in Betracht, wenn der Berechtigte ein Recht längere Zeit nicht geltend gemacht (sog. Zeitmoment) und der Verpflichtete sich darauf eingerichtet hat und sich nach den Gesamtumständen auch darauf einrichten durfte (sog. Umstandsmoment), dass der Berechtigte das Recht nicht mehr geltend machen werde (OLG Dresden, Urteil vom 11.06.2015 - 8 U 1760/14 -, juris Rn. 34). Unabhängig vom Zeitmoment fehlt jedenfalls das Umstandsmoment. Es fehlt bereits an einem Verhalten des Klägers, aufgrund dessen die Beklagte berechtigt gewesen wäre, Vertrauen in die "Nichtinanspruchnahme" eines weitergehenden Anspruchs auf variable Verzinsung zu entwickeln. Die bloße widerspruchslose Hinnahme jährlicher Zinsgutschriften reicht auch unter Berücksichtigung der in Ziffer 2.4 der Bedingungen für den Sparverkehr(Anlage BK03) geregelten Sorgfaltspflicht, Eintragungen im Sparbuch sofort nach dessen Erhalt auf Richtigkeit zu prüfen und Einwendungen unverzüglich zu erheben, jedenfalls nicht aus, ein solches Vertrauen zu begründen, zumal den von der hiesigen Beklagten im Sparbuch vorgenommenen Eintragungen nur der Gesamtbetrag der für das jeweilige Kalenderjahr gezahlten variablen Zinsen zu entnehmen ist, nicht aber für welche Zeiträume die Beklagte welchen konkreten Zinssatz zugrunde gelegt hat. Hinzu kommt, dass die mit der finanzwirtschaftlichen Entwicklung seit 1994 zu dem extrem niedrigen Zinsniveau bei Vertragsbeendigung 2016 einhergehende betriebswirtschaftliche Erschwernis auskömmlicher Gegengeschäfte zur Erfüllung der vertraglich geschuldeten variablen Zins- und festen Prämienansprüche keine beachtliche Disposition darstellt, sondern lediglich das von der Beklagten eingegangene wirtschaftliche und unternehmerische Risiko widerspiegelt.

5. Der Anspruch auf Verzugszinsen folgt aus §§ 288 Abs. 1, 286 BGB.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 92 Abs. 1, 97 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keine Zulassungsgründe nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorliegen. Der Senat hat nach Beweisaufnahme in Übereinstimmung mit den vom Bundesgerichtshof aufgestellten Kriterien entschieden. Eine Musterfeststellungsklage gegen die Ostsächsische Sparkasse Dresden liegt bislang nicht vor.

RechtsgebietBankrechtVorschriften§ 308 Nr. 4 BGB, § 306 Abs. 2 BGB, § 315 Abs. 1 BGB

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