10.08.2006 · IWW-Abrufnummer 062363
Amtsgericht Karlsruhe: Urteil vom 20.06.2006 – 5 C 75/06
Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.
Im Namen des Volkes
Urteil
In Sachen
XXX
- Klägerin
Prozess bevollmächtigte: Rechtsanwälte Göhringer, Gnad, Götzelmann
Pforzheimer Str. 21, 76227 Karlsruhe 1
Gz.: 4001/05PG041 CK
gegen
XXX
- Beklagte
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Wittmer und Schrod,
Karlstr. 88,76137 Karlsruhe , Gz.: 06/000843/pu
wegen Forderung
hat das Amtsgericht Karlsruhe - Abteilung A 5 durch Richterin am Amtsgericht Bracher gemäß § 495 a ZPO im schriftlichen Verfahren auf die bis 08.06.06 eingereichten Schriftsätze für Recht erkannt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 191,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 % Punkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz der EZB seit 03.12.05 zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Ohne Tatbestand gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO.
Entscheidunasaründe:
Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.
Die Klägerin hat gegen die Beklagte aus dem Verkehrsunfall vom 10.10.05 in Karlsruhe gern. §§ 7 StVG, 3 Nr. 1 PflichtVG, 249 BGB noch einen Anspruch auf Bezahlung des restlichen Schadensersatzes in Höhe von 191,76 EUR.
Nachdem der Versicherungsnehmer der Beklagten das Fahrzeug dadurch schuldhaft beschädigt hat, dass er auf deren geparktes Fahrzeug aufgefahren ist, ist die Haftung der Beklagten dem Grunde nach unstreitig.
Die Klägerin kann gern. § 249 BGB von der Beklagten auch die in Abzug gebrachten Differenzen für die Stundenverrechnungssätze und die zehnprozentigen UPE-Aufschläge in Höhe von insgesamt 191,76 EUR ersetzt verlangen.
Gern. § 249, Abs. 2 Satz 1 BGB sind nicht die tatsächlich aufgewendeten Kosten zu leisten, sondern nur der zur Herstellung objektiv erforderliche Geldbetrag. Der erforderliche Betrag im Sinne von § 249, Abs. 2 Satz 1 BGB ist nach objektiven Kriterien, dass heißt losgelöst von den für die Schadensbeseitigung tatsächlich aufgewendeten Beträgen zu bestimmen. Demnach ergibt sich der zur Herstellung erforderliche Geldbetrag nach objektiven Kriterien als der Betrag, der für eine vollständige, vollwertige und fachgerechte Reparatur in einer anerkannten und Vollautorisierten Fachwerkstatt, mit hin einer markengebundenen Werkstatt erforderlich ist. Der Geschädigte hat im Rahmen des § 249, Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der in einer markengebundenen Vertragswerkstatt anfallenden Reparaturkosten unabhängig davon, ob voll-, minderwertig oder überhaupt nicht repariert wird. Der Geschädigte kann grundsätzlich seinen Schaden nach einem Verkehrsunfall auf der Basis eines Schadensgutachtens ermitteln und abrechnen. Dies gilt auch bei Abrechnung auf der Basis fiktiver Reparaturkosten und zwar über die Grenze des reinen Wiederbeschaffungsaufwandes hinaus bis zur Grenze des Wiederbeschaffungswertes auch dann, wenn der Geschädigte sein Fahrzeug nur tatsächlich repariert und weiter nutzt. Zwar hat der Geschädigte auch hier seine Schadensminderungspflicht einzuhalten. Er genügt dieser jedoch im allgemeinen dadurch, dass er den Schaden auf der Grundlage eines von ihm eingeholten Sachverständigengutachtens berechnet, sofern das Gutachten hinreichend ausführlich ist und das Bemühen erkennen lässt, den konkreten Schadensfall vom Standpunkt eines wirtschaftlich denkenden Betrachters gerecht zu werden. (Landgericht Bochum, Urteil vom 09.09.2005, 5 S 79/05).
Dass der Geschädigte nach schadensrechtlichen Grundsätzen sowohl in der Wahl der Mittel zur Schadensbehebung als auch in der Verwendung des vom Schädiger zu leistenden Schadensersatzes frei ist, gilt auch in Grundsatz für fiktive Reparaturkosten. (BGH, NJW 2003, Seite 2086 f.). Der Geschädigte muss sich auch nicht auf die abstrakte Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fremdwerkstatt auch unter dem Gesichtspunkt der Schadensminderungspflicht verweisen lassen. Grundlage der Berechnung der im konkreten Schadensfall erforderlichen Reparaturkosten kann nicht der abstrakte Mittelwert der Stundenverrechnungssätze aller repräsentativen Marken- und freien Fachwerkstätten einer Region sein, wenn der Geschädigte fiktive Reparaturkosten abrechnet. Denn der Schädiger ist zur vollständigen Behebung des Schadens unabhängig von den wirtschaftlichen Dispositionen des Geschädigten verpflichtet, zum anderen würde bei anderer Sicht die dem Geschädigten in § 249, Abs. 2 Satz 1 BGB eröffnete Möglichkeit der Schadensbehebung in eigener Regie eingeschränkt werden (BGH am angegebenen Ort). Auch die Realisierung bei einer der von der Beklagten genannten drei freien Werkstätten würde die Entfaltung erheblicher Eigeninitiative durch die Geschädigte erfordern, wozu sie nicht verpflichtet ist. In der Regel wäre es erforderlich, Erkundigungen hinsichtlich der Werkstatterfahrung für die Reparatur der entsprechenden Fahrzeugmarke einzuziehen und entsprechende Preisangebote einzuholen (BGH am angegebenen Ort). Im Übrigen befinden sich die von der Beklagten genannten freien Werkstätten zudem nicht im Bereich des Wohnortes der Klägerin, vielmehr hätte sie zum Aufsuchen dieser Reparaturwerkstätten längere Fahrten zu unternehmen, da diese zum einen in Baden-Baden, in Königsbach-Stein und in Herxheim sich befinden.
Der BGH hat zwar auch ausgeführt, dass der Geschädigte, der mühelos eine ohne weiteres zugängliche günstigere und gleichwertige Reparaturmöglichkeit hat, sich auf diese verweisen lassen muss. Dies gilt nach den Ausführungen des BGH jedoch lediglich dann, wenn die Beklagten substantiiert bestritten hätten, dass die vom Sachverständigen angesetzten Stundenverrechnungssätze bei einer Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt tatsächlich anfielen oder gravierende Mängel des Gutachtens vorgelegen hätten. Lediglich unter diesen Umständen hätte sich die Klägerin auf die abstrakte Möglichkeit der technisch ordnungsgemäßen Reparatur in irgendeiner kostengünstigeren Fachwerkstatt verweisen lassen müssen. Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor, sodass die im Sachverständigengutachten aufgeführten Stundenverrechnungssätze der Mercedes Benz Fachwerkstatt zu Grunde zu legen sind.
Gleiches gilt auch für die im Sachverständigengutachten aufgeführten UPE-Aufschläge von zehn Prozent. Auch hier handelt es sich um einen Teil des normativen Schadens, der auch bei fiktiver Abrechnung zuzusprechen ist. Für diese Aufschläge kann nichts anderes als für die Stundenverrechnungssätze gelten. Von der Möglichkeit der fiktiven Abrechnung würde abgewichen werden, wollte man hier die Dispositionsbefugnis der Klägerin einschränken und den Schaden konkret abrechnen. (So auch Landgericht Achen, Urteil vom 07.04.05, 6 S 200/04; AG Saarbrücken, Urteil 23.02.05, 3 C 291/04; AG Hattingen, Urteil 18.01.05, 7 C 157/04; AG Darmstadt, NZV 2005, Seite 199 f.).
Die Entscheidung des Kammergerichts Berlin (NZV 2004, Seite 470 f.) ist mit dem vorliegenden Sachverhalt nicht vergleichbar. In seiner Entscheidung hat das Kammergericht die Ersatzfähigkeit fiktiver Unmeldekosten verneint, da es sich nicht um einen Teil des normativen Schadens handle. Dies ist hier jedoch nicht der Fall, sodass die Beklagte auch verpflichtet ist, die UPE-Aufschläge zu erstatten. Insgesamt waren daher der Klägerin die beantragten 191,76 EUR zuzusprechen.
Der Anspruch auf Verzugszinsen beruht auf §§ 286, 288 BGB.
Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, Abs. 2, 708 Nr. 11, 713 ZPO.