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05.04.2022 · IWW-Abrufnummer 228467

Finanzgericht Münster: Urteil vom 24.02.2022 – 6 K 1946/21 E

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.


Finanzgericht Münster


Tenor:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

1
T a t b e s t a n d

2
Streitig ist die Berücksichtigung von Aufwendungen für Müllentsorgung und Schmutzwasser als haushaltsnahe Dienstleistungen gem. § 35a des Einkommensteuergesetzes (EStG).

3
Die Klägerin sowie ihr am 00.00.2021 verstorbener Ehemann, Herr T 2, wurden für das Streitjahr 2018 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie wohnten in der A-Straße 1 in U, Erdgeschoss rechts. Rechtsnachfolgerin des verstorbenen Herrn T 2 ist die Klägerin.

4
Im Rahmen der am 25.11.2019 beim Beklagten eingegangenen Einkommensteuererklärung für das Jahr 2018 machten die Klägerin und ihr verstorbener EhemannX € für Handwerkerleistungen im eigenen Haushalt geltend. Ausweislich der Angaben in der Einkommensteuererklärung entfielen dabei X € auf die Hausgeldabrechnung.

5
Der Beklagte forderte mit Schreiben vom 03.12.2019 Nachweise über die Aufwendungen in Höhe von X € an. Aus der sodann übersandten Jahresabrechnung der V GmbH ging hervor, dass X € auf die Entsorgung von Kompost, X € auf die Entsorgung von Restmüll sowie X € auf Niederschlagswasser entfielen.

6
Mit Bescheid vom 23.01.2020 setzte der Beklagte die Einkommensteuer sowie Nebenleistungen der Klägerin sowie ihres verstorbene Ehemannes in Höhe von insgesamt X € fest. Aufwendungen für Müllabfuhr und Niederschlagswasser berücksichtigte der Beklagte nicht und wies hierauf im Einkommensteuerbescheid hin. Gegen diesen Bescheid legten die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann mit Schreiben vom 09.03.2020 Einspruch ein. Zur Begründung ihres Einspruchs verwiesen sie auf die Nichtanerkennung der Kosten für Müllabfuhr und Entwässerung.

7
Der Beklagte stellte den Einspruch aufgrund einer anhängigen Klage der Klägerin und ihres verstorbene Ehemannes vor dem Finanzgericht (FG) Münster betreffend die Einkommensteuer 2014 (Az. 6 K 2763/16 E) zunächst ruhend. Auch im Rahmen dieser Klage war beantragt worden, eine Steuerermäßigung gem. § 35a EStG für Müllabfuhrkosten und Abwassergebühren zu gewähren. Die vorgenannte Klage ist mit Schreiben vom 28.11.2018 zurückgenommen worden.

8
Aufgrund der Ausführungen des Prozessbevollmächtigten, dass eine weitere Klage (eines anderen Klägers) hinsichtlich der gleichen Streitfrage unter dem Aktenzeichen10 K 2334/18 E beim Finanzgericht Münster anhängig sei, stellte der Beklagte das Einspruchsverfahren zur Einkommensteuer 2018 auch nach Rücknahme der Klage zur Einkommensteuer 2014 weiter ruhend.

9
Mit Urteil vom 24.09.2020 wies das FG Münster die unter dem Aktenzeichen10 K 2334/18 E anhängige Klage als unbegründet ab. Dies teilte der Prozessbevollmächtigte dem Beklagten mit Schreiben vom 10.02.2021 mit. Mit Schreiben vom 02.03.2021 erklärte er gegenüber dem Beklagten, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann an den Einsprüchen festhalten wollten. Zur Begründung verwies der Prozessbevollmächtigte auf das unter dem Aktenzeichen VI R 29/19 beim BFH anhängige Revisionsverfahren. Gegenstand dieses Verfahrens ist die Frage, ob Aufwendungen für eine statische Berechnung hinsichtlich des Ersatzes von Holzpfosten durch Stahlstützen beim Dach eines selbstgenutzten Wohnhauses durch einen Statiker eines Bauingenieurbüros als nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG begünstigte Handwerkerleistung, die im Haushalt des Steuerpflichtigen erbracht wurde (§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG), zu berücksichtigen sind.

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Der Beklagte nahm die Bearbeitung der Einsprüche mit Schreiben vom 15.03.2021 wieder auf und verwies auf das Urteil des FG Köln vom 26.01.2011 ‒ 4 K 1483/10, wonach für die jährlich anfallenden Kosten der Müllabfuhr keine Steuerermäßigung für die Inanspruchnahme haushaltsnaher Dienstleistungen zu gewähren sei und eine Werkleistung nicht in nach § 35a Abs. 2 EStG begünstigte und nicht begünstigte Teile aufgespalten werden könne. Darüber hinaus führte der Beklagte an, dass das beim BFH unter dem Aktenzeichen VI R 29/19 anhängige Verfahren Handwerkerleistungen beträfe. Aufwendungen für Müllentsorgung im Zusammenhang mit Handwerkerleistungen seien jedoch nur berücksichtigungsfähig, sofern es sich um eine Nebenleistung zur handwerklichen Tätigkeit handele. Dies sei vorliegend nicht gegeben.

11
Hiergegen wandte der Prozessbevollmächtigte mit Schreiben vom 14.04.2021 ein, dass die Gutachterkosten in dem Revisionsverfahren VI R 29/19 Teil der angefallenen Gesamtkosten seien. Der gleiche Sachverhalt liege bei der Müllabfuhr und Schmutzwasserentsorgung vor. Auch hier seien die nachgelagerten Leistungen ein Teil der Gesamtleistung. Das vom Beklagten benannte Urteil des FG Köln sei unter dem Einfluss des Karnevals ergangen. In dem Urteil werde lediglich behauptet, dass Leistungen aufgeteilt werden müssten. Auf das Schreiben des Prozessbevollmächtigten vom 14.04.2021 wird im Übrigen Bezug genommen.

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Mit Einspruchsentscheidung vom 02.07.2021 änderte der Beklagte u.a. den angefochtenen Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2018 und setzte die Einkommensteuer nebst Nebenleistungen unter Berücksichtigung eines weiteren Abflusses von Aufwendungen im Streitjahr auf insgesamt X € fest. Im Übrigen wies der Beklagte den Einspruch als unbegründet zurück. Hierzu führte der Beklagte aus, dass die Klägerin und ihr verstorbener Ehemann mit Schreiben vom 15.03.2017 zur Einkommensteuer 2017 anerkannt hätten, dass es sich bei der Entsorgung von Niederschlagswasser nicht um eine haushaltsnahe Dienstleistung handele. Darüber hinaus seien Dienstleistungen der Stadt U zur Müllabfuhr und Abwasserbeseitigung nicht im räumlich funktionalen Bereich des Haushalts der Kläger, sondern außerhalb ihres Haushalts erbracht worden. Die mit der streitigen Müllabfuhrgebühr abgedeckten Dienstleistungen der Stadt U umfassten gem. § 2 der Satzung über die Abfallentsorgung in der Stadt U das Einsammeln und Befördern der Abfälle zu den Abfallentsorgungsanlagen des Kreises U, wo sie sortiert, verwertet oder umweltverträglich beseitigt werden. Bereits die erste Dienstleistung, das Einsammeln des Mülls, erfolge gem. § 18 der Satzung über die Abfallentsorgung außerhalb des Grundstücks der Kläger.

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Die mit den Gebühren für Abwasser abgegoltene Abwasserbeseitigung umfasse u.a. das Sammeln, Fortleiten, Behandeln, Einleiten, Versickern, Verregnen und Verrieseln des im Stadtgebiet anfallenden Abwassers sowie das Entwässern und Entsorgen des Klärschlamms (§ 1 Technische Entwässerungssatzung). Auch diese Dienstleistungen für die Abwasserentsorgung erfolgten nicht im Haushalt der Kläger, sondern würden in der öffentlichen Kanalisation sowie in den Kläranlagen bzw. sonstigen Anlagen zur Abwasseraufbereitung erbracht.

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Letztlich sei der Sinn und Zweck des § 35a EStG zu berücksichtigen, Schwarzarbeit zu vermeiden. Da gem. § 8 Abs.1 der Abfallsatzung der Stadt U die Pflicht bestehe, das Grundstück an die kommunale Abfallentsorgungseinrichtung anzuschließen, sei es unmöglich, die erbrachte Leistung selbst auszuführen oder einen Dritten mit dieser Aufgabe zu beauftragen. Im Übrigen wird auf die Einspruchsentscheidung des Beklagten vom 02.07.2021 Bezug genommen.

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Ausweislich der Internetseite der Stadt U www.xxx.de (Startseite       2022) sind der Transport, die Reinigung des Abwassers, der Bau und die Unterhaltung von Kanälen zeitaufwendig und kosten Geld. Zur Deckung dieser Kosten erhebt die Stadt daher Gebühren auf Grundlage des kommunalen Abgabenrechts. Die Erhebung der Gebühren erfolgt auf Grundlage der Satzung der Stadt U über die Kostendeckung für die Grundstücksentwässerung sowie die Abwälzung der Abwasserabgabe.

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Ferner ergibt sich aus der Internetseite der Stadt U www.xxx.de (Startseite     ), dass der Fachbereich Stadtreinigung die Restmüll- und Komposttonnen in U leert. Für die Müllabfuhr sind die Städte und Gemeinden zuständig. Für die Verwertung und Beseitigung der Abfälle ist die Gesellschaft zur Entsorgung von Abfällen Kreis U mbH (U mbH) vom Kreis U beauftragt worden (https://xxxde/    ). Die erbrachte Leistung wird der Stadt U in Rechnung gestellt. Entsprechende Kosten werden durch die erhobenen Gebühren gedeckt.

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Die Entsorgung des Abfalls erfolgte für das Jahr 2018 auf Grundlage der Satzung über die Abfallentsorgung in der Stadt U vom 00.00.0000.

18
Ausweislich § 2 dieser Satzung umfasst die Entsorgung von Abfällen durch die Stadt das Einsammeln und Befördern der Abfälle zu den Abfallentsorgungsanlagen oder Müllumschlagstationen des Kreises, wo sie sortiert, verwertet oder umweltverträglich beseitigt werden. Gem. § 22 der Satzung werden für die Benutzung der kommunalen Abfallentsorgungseinrichtung der Stadt U und die sonstige Erfüllung abfallwirtschaftlicher Aufgaben durch die Stadt Abfallentsorgungsgebühren nach einer besonderen Gebührensatzung erhoben. Gem. § 12 Abs. 1, 2 stellt die Stadt für das Einsammeln und Befördern von Restmüll Abfallbehälter von 40, 80, 120, 240 und 1.100 l Fassungsvermögen zur Verfügung. Auf jedem Grundstück sind ein oder mehrere zugelassene Abfallbehälter aufzustellen. Gem. § 18 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Satzung sind die Sammelbehälter mit 40, 80, 120 und 240 l Fassungsvermögen am Gehwegrand oder auf dem Bankettstreifen vor dem Grundstück bereitzustellen.

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Am 01.08.2021 hat die Klägerin, zugleich als Rechtnachfolgerin ihres verstorbenen Ehemannes, Klage erhoben in deren Rahmen sie die Berücksichtigung einer zusätzlichen Steuerermäßigung gem. § 35a EStG in Höhe von X € (20% von X €) begehrt. Dabei entfallen X € auf die Entsorgung von Müll und Kompost, X € auf die Entsorgung von Restmüll und erstmals geltend gemachte X € auf die Schmutzwasser-Entsorgung.

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Die Klägerin vertritt die Auffassung, dass hinsichtlich der Abholung des Mülls entscheidend sei, dass die Leistung der Kommune nicht mit der Abholung des Mülls aus der Mülltonne am Straßenrand beginne, sondern mit der Bereitstellung der Mülltonne für den Haushalt. Insofern sei die Annahme des FG Köln in seinem Urteil vom 26.01.2011 ‒ 4 K 1483/10, dass die nachgelagerten Leistungen, die der Müllabfuhr durch die Kommune folgen würden, überwögen, nicht zutreffend.

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Weiterhin verweist die Klägerin auf die Begründung des Gesetzgebers und die Qualifikation von Gartenpflege als haushaltsnahe Dienstleistung sowie auf die Urteile des FG Baden-Württemberg vom 11.06.2021 ‒ 5 K 2380/19 (Revision anhängig unter dem Az. VI R 14/21) sowie des FG Sachsen vom 14.10.2020 ‒ 2 K 323/20 (Revision anhängig unter dem Aktenzeichen VI R 7/21) zu Hausnotrufsystemen. Zur Entsorgung von Schmutzwasser verweist die Klägerin auf das Urteil des BFH vom 28.04.2020 - VI R 50/17.

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Mit Schreiben vom 13.01.2022 trägt die Klägerin im Hinblick auf das unter dem Aktenzeichen 10 K 2334/18 E ergangene Urteil des FG Münster ergänzend vor, dass das Urteil Bezug auf den Begriff „im Haushalt“ nehme. Dieser definiere jedoch lediglich die Lage des Haushalts in der europäischen Union. Die isolierte Verwendung des Begriffs führe die Absätze 1 ‒ 3 des § 35a EStG ad absurdum. Der Begriff „haushaltsnah“ sei nicht identisch mit dem Begriff „im Haushalt“. Der Begriff „haushaltsnah" betreffe die Beziehung zwischen dem Lebensbereich des Bürgers und der Dienstleistung.

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Wie eine haushaltsnahe Dienstleistung definiert werde, ergebe sich schon aus der Gebührensatzung zur Satzung über die Abfallentsorgung in der Stadt E vom 00.00.0000. § 3 Gebührentatbestand laute dabei wie folgt: „Die Gebührenpflicht wird ausgelöst durch die Inanspruchnahme der Abfallentsorgung. Eine Inanspruchnahme liegt bereits dann vor, wenn dem Anschlusspflichtigen oder jedem anderen Abfallbesitzer im Sinne des § 9 der Satzung über die Abfallentsorgung in der Stadt E auf dem Grundstück ein Abfallbehälter zur Verfügung gestellt worden ist und das Grundstück zur

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Entleerung dieses Abfallbehälters turnusgemäß von einem Abfallentsorgungsfahrzeug

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angefahren wird". Die haushaltsnahe Dienstleitung ergebe sich damit bereits dann, wenn die Möglichkeit der Inanspruchnahme bereitgestellt wird.

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Bei der Schmutzwasser-Entsorgung bestehe die haushaltsnahe Dienstleistung in der Bereitstellung in einer Rohrleitung, in der das Schmutzwasser in die öffentliche Sammelleitung abgeleitet wird. Der in § 35a Abs. 5 EStG genannte Begriff „Arbeitskosten" besage nichts anderes, als dass eine Lieferung nicht begünstigt sei. Der Begriff „Arbeitskosten" sei nicht auf Lohn, Gehalt und Sozialbeiträge beschränkt.

27
Die Klägerin beantragt sinngemäß,

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unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 2018 vom 02.07.2021 und der Einspruchsentscheidung vom 02.07.2021 zusätzlich eine Steuerermäßigung für haushaltsnahe Dienstleistungen gem. § 35a EStG in Höhe von X € zu berücksichtigen.

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Der Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Zur Begründung verweist der Beklagte auf seine Einspruchsentscheidung vom 02.07.2021 und führt ergänzend aus, dass das von den Klägerin benannte Urteil des BFH vom 28.08.2020 - Vl R 50/17 für den Streitfall nicht zu einer anderen Beurteilung führen könne, da es Erschließungsgebühren betreffe.

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Schmutzwassergebühren seien Benutzungsgebühren für die öffentlichen Abwasseranlagen, die von der Kommune oder Stadt zur Deckung der anfallenden Kosten, die bei der Entsorgung von Abwasser entstehen, erhoben werden. Es möge zwar zutreffen, dass ohne die Schmutzwasserableitung ein Haushalt nicht funktionsfähig sei. Für den Abzug von Leistungen nach § 35a EStG reiche es aber nicht aus, dass die Leistungen für einen Haushalt erbracht werden. Vielmehr müssen die Leistungen im räumlich-funktionalen Bereich des Haushalts erbracht werden und dies sei bei den streitigen Kosten nicht der Fall.

33
Das unter dem Aktenzeichen 10 K 2334/18 E ergangene Urteil des FG Münster wurde in anonymisierter Fassung zum Verfahren beigezogen.

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Mit gerichtlicher Verfügung vom 03.12.2021 hat die Berichterstatterin die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, gem. § 94a der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. Einwendungen hiergegen wurden nicht erhoben.

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E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e

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A. Der Senat entscheidet aufgrund des geringen Streitwerts von X € sowie des Umstandes, dass zwischen den Beteiligten allein eine Rechtsfrage streitig ist, gem. § 94a FGO ohne mündliche Verhandlung. Die Beteiligten sind hierzu mit gerichtlicher Verfügung vom 03.12.2021 angehört worden und haben keine Einwendungen erhoben.

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B. Die Klage ist unbegründet. Die angefochtene Einkommensteuerfestsetzung 2018 vom 02.07.2021 in Gestalt der Einspruchsentscheidung ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der FGO).

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I. Die von der Klägerin geltend gemachten Aufwendungen für Rest- und Komposttonne sowie Schmutzwassergebühren in Höhe von insgesamt X € sind nicht als haushaltsnahe Dienstleistungen i. S. des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG zu berücksichtigen.

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Gem. § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG ermäßigt sich die tarifliche Einkommensteuer, vermindert um die sonstigen Steuerermäßigungen, für andere als in Absatz 1 aufgeführte haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse oder für die Inanspruchnahme von haushaltsnahen Dienstleistungen, die nicht Dienstleistungen nach Absatz 3 sind, auf Antrag um 20 Prozent, höchstens 4.000 €, der Aufwendungen des Steuerpflichtigen. Gemäß § 35a Abs. 5 Satz 2, 3 EStG gilt der Abzug von der tariflichen Einkommensteuer nach den Absätzen 2 und 3 nur für Arbeitskosten.

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1. Der Begriff "haushaltsnahe Dienstleistung" ist gesetzlich nicht näher bestimmt. Nach der Rechtsprechung des BFH ist unter dem Begriff des Haushalts die Wirtschaftsführung mehrerer (in einer Familie) zusammenlebender Personen oder einer einzelnen Person zu verstehen. Das Wirtschaften im Haushalt umfasst Tätigkeiten, die für die Haushaltung oder die Haushaltsmitglieder erbracht werden (vgl. § 8a Satz 2 SGB IV). Hauswirtschaftliche Tätigkeiten in diesem Sinne sind solche, die üblicherweise zur Versorgung der dort lebenden Familie in einem Privathaushalt erbracht werden. Dazu gehören Einkaufen von Verbrauchsgütern, Kochen, Wäschepflege, Reinigung und Pflege der Räume, des Gartens und auch Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern und kranken Haushaltsangehörigen.

41
"Haushaltsnahe" Leistungen sind solche, die eine hinreichende Nähe zur Haushaltsführung haben bzw. damit im Zusammenhang stehen. Das sind Tätigkeiten, die gewöhnlich durch Mitglieder des privaten Haushalts oder entsprechend Beschäftigte erledigt werden und in regelmäßigen Abständen anfallen. Insofern sind die Begriffe "haushaltsnah" und "hauswirtschaftlich" (§ 10 Abs. 1 Nr. 8 EStG a.F.) sinnverwandt (vgl. BFH-Urteile vom 01.02.2007 - VI R 77/05, BFHE 216, 526, BStBl II 2007, 760; BFH-Urteil vom 13.06.2011 - VI R 61/10, BFHE 234, 391, BStBl II 2012, 232 und BFH-Urteil vom 20.03.2014 - VI R 55/12, BFHE 245, 45, BStBl II 2014, 880).

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In diesem Sinne bilden handwerkliche Tätigkeiten im Haushalt, die im Regelfall nur von Fachkräften durchgeführt werden, keine haushaltsnahen Dienstleistungen i. S. des§ 35a Abs. 2 EStG (vgl. BFH-Urteil vom 01.02.2007 - VI R 77/05, BFHE 216, 526, BStBl II 2007, 760).

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Bestätigt wird dies durch die teleologische Auslegung des § 35a EStG. Nach der Gesetzesbegründung sollen mit der Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 1 EStG Dienstleistungen in privaten Haushalten gefördert werden, um einen Anreiz für Beschäftigungsverhältnisse im Privathaushalt zu schaffen und die Schwarzarbeit in diesem Bereich zu bekämpfen. Die Steuerermäßigung des § 35a Abs. 2 EStG soll für haushaltsnahe Tätigkeiten gewährt werden, die nicht im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses erbracht werden. Haushaltsnahe Tätigkeiten, so die Gesetzesbegründung, sind: die Zubereitung von Mahlzeiten im Haushalt, die Reinigung der Wohnung des Steuerpflichtigen, die Gartenpflege und die Pflege, Versorgung und Betreuung von Kindern, Kranken, alten Menschen und pflegebedürftigen Personen (BTDrucks 15/91, 19).

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Diese Gesetzesbegründung macht deutlich, dass nach der Intention des Gesetzgebers (nur) hauswirtschaftliche Arbeiten begünstigt werden sollen. Mit der arbeitsmarktpolitisch motivierten Steuerermäßigung nach § 35a Abs. 2 EStG soll die Erledigung typisch hauswirtschaftlicher Dienstleistungen durch Dritte gefördert werden. Nicht gefördert werden sollen hingegen sonstige Dienstleistungen, die regelmäßig nicht von Haushaltsangehörigen, sondern von Dritten erledigt werden (vgl. BFH-Urteil vom 01.02.2007 -VI R 77/05, BFHE 216, 526, BStBl II 2007, 760).

45
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegen in Bezug auf die Entsorgung von Müll und Ableitung von Schmutzwasser keine haushaltsnahen Dienstleistungen i. S. des § 35a Abs. 2 EStG vor. Denn die im Zusammenhang mit der Entsorgung von Müll und Abwasser erbrachten Dienstleistungen der Stadt U werden typischerweise nicht von Haushaltsangehörigen erledigt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die von der Stadt erhobenen Abgaben gerade nicht die Eigenleistungen des Steuerpflichtigen auf seinem Grundstück (Sortieren des Mülls, Verbringen des Mülls in die Tonne, Bereitstellen der Tonne am Straßenrand, Öffnen des Wasserablaufs) betreffen, sondern die originär von der Stadt zu erbringenden Leistungen, die im Rahmen kommunaler Satzungen geregelt und diesen durch die Abfall- und Wassergesetze des Landes zugewiesen sind. Hierbei handelt es sich um Aufgaben, die auch aufgrund ihres Umfangs und der dafür erforderlichen Infrastruktur typischerweise von Städten und Gemeinden und nicht von Haushaltsangehörigen übernommen werden.

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Insofern besteht auch ein deutlicher Unterschied zu den von der Klägerin zitierten Entscheidungen des FG Baden-Württemberg und des FG Sachsen zu Hausnotrufsystemen. Denn diese Systeme ersetzen gerade Leistungen, die ohne Einschaltung professioneller Anbieter (als Bestandteil einer Pflegeleistung) auch nach der Vorstellung des Gesetzgebers typischerweise von Haushaltsangehörigen erbracht werden.

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3. Darüber hinaus setzt die Inanspruchnahme der Steuerermäßigung nach § 35a EStG voraus, dass das Beschäftigungsverhältnis oder die Dienstleistung in einem in der Europäischen Union oder dem Europäischen Wirtschaftsraum liegenden Haushalt des Steuerpflichtigen ausgeübt oder erbracht wird (§ 35a Abs. 4 Satz 1 EStG). Der Leistungsort befindet sich dann im Haushalt, wenn die Leistung in dessen räumlichen Bereich erbracht wird. Der Begriff "im Haushalt" ist insofern räumlich-funktional auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 20.03.2014 - VI R 56/12, BFHE 245, 49, BStBl II 2014, 882; BFH-Urteil vom 20.03.2014 - VI R 55/12, BFHE 245, 45, BStBl II 2014, 880; BFG-Urteil vom 03.09.2015 - VI R 18/14, BFHE 251, 435, BStBl II 2016, 272; BFH-Urteil vom 21.02.2018 - VI R 18/16, BFHE 261, 42, BStBl II 2018, 641; BFH-Urteil vom 28.04.2020 - VI R 50/17, BFH/NV 2020, 1144; BFH-Beschluss vom 25.09.2017 - VI B 25/17, BFH/NV 2018, 39), Deshalb werden die Grenzen des Haushalts i. S. des § 35a Abs. 4 Satz 1 EStG zwar nicht ausnahmslos durch die Grundstücksgrenzen abgesteckt (vgl. BFH-Urteil vom 20.03.2014 - VI R 55/12, BFHE 245, 45, BStBl II 2014, 880; BFH-Urteil vom 21.02.2018 - VI R 18/16, BFHE 261, 42, BStBl II 2018, 641). Vielmehr kann auch die Inanspruchnahme von haushaltsnahen geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen und haushaltsnahen Dienstleistungen, die jenseits der Grundstücksgrenze auf fremdem, beispielsweise öffentlichem Grund erbracht werden (z.B. Schneeräumen auf Gehwegen), nach § 35a Abs. 3 Satz 1 EStG begünstigt sein. Allerdings muss es sich dabei um Leistungen handeln, die in unmittelbarem räumlichen Zusammenhang zum Haushalt durchgeführt werden und dem Haushalt dienen (BFH-Urteil vom 20.03.2014 - VI R 55/12, BFHE 245, 45, BStBl II 2014, 880). Leistungen außerhalb des Haushalts sind demgegenüber nicht begünstigt, selbst wenn sie für den Haushalt erbracht werden.

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4. Auch bei Anwendung dieser Grundsätze sind Aufwendungen für Müllabfuhr und Abwasserbeseitigung nicht als haushaltnahe Dienstleistungen i. S. des § 35a Abs. 2, 4 EStG zu berücksichtigen.

49
Denn die Hauptleistungen der Stadt U zur Müllabfuhr und Abwasserbeseitigung werden überwiegend nicht im räumlich-funktionalen Bereich des Haushalts der Kläger, sondern außerhalb ihres Haushalts erbracht.

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a. Die mit der streitigen Müllabfuhrgebühr abgedeckten Dienstleistungen der Stadt U umfassen das Einsammeln und Befördern der Abfälle zu den Abfallentsorgungsanlagen des Kreises, wo sie letztlich beseitigt werden. Diese Dienstleistungen werden außerhalb des Haushalts und des zugehörigen Grundstücks erbracht.

51
Die zur Abfallentsorgung erbrachten Dienstleistungen des Einsammelns, der Beförde-rung, der Sortierung, der Verwertung und der Beseitigung der Abfälle erfolgen unstreitig nicht im Haushalt oder dessen räumlich funktionalen Bereich. Bereits das Einsammeln des Mülls erfolgt außerhalb des Grundstücks der Kläger. Denn nach § 18 der entsprechenden Satzung hat der Grundstückseigentümer die Mülltonne zur Entleerung am Gehwegrand vor dem Grundstück aufzustellen. Dementsprechend haben die Kläger die Mülltonnen so aufzustellen, dass bei der Abholung nicht einmal das Grundstück betreten werden muss. Auch alle weiteren genannten Leistungen erfolgen auf den öffentlichen Straßen (Beförderung der Abfälle) bzw. in den Abfallentsorgungseinrichtungen (Sortierung, Verwertung und Beseitigung der Abfälle).

52
Soweit die Kläger vortragen, die erste Dienstleistung bestehe in der Bereitstellung der Tonne, ist dem zwar zuzustimmen. Jedoch ist nicht erkennbar, welcher Gebührenbestandteil genau auf die Dienstleistung „Bereitstellung der Tonne“ entfällt. Soweit die Satzung der Stadt U den Bürger verpflichtet, auf jedem Grundstück ein oder mehrere zugelassene Abfallbehälter aufzustellen, handelt es sich hierbei um eine durch den Bürger zu erbringende Leistung in Form der Verwahrung der Tonne, die gerade nicht von der Stadt erbracht wird. Die Materialkosten der Tonne werden von § 35a EStG nicht erfasst.

53
Darüber hinaus geht der Senat davon aus, dass es sich bei dem Bereitstellen der Tonne nicht um die Hauptleistung der Gesamtdienstleistung „Müllentsorgung“ handelt, sondern um einen untergeordneten Bestandteil. Wie bereits das FG Köln in seinem Urteil vom 26.01.2011 - 4 K 1483/10, EFG 2011, 978 unter Bezugnahme auf das Urteil des FG Thüringen vom 13.10.2005 - II 165/05, EFG 2006, 121 entschieden hat, richtet sich bei einer gemischten Leistung die Einstufung, ob eine Leistung i. S. des § 35a Abs. 2 Satz 1 EStG vorliegt, nach der zugrundeliegenden Hauptleistung. Eine Aufspaltung in berücksichtigungsfähige und nicht berücksichtigungsfähige Aufwendungen, scheidet demnach aus, wenn die Hauptleistung nicht abzugsfähig ist. Übertragen auf den vorliegenden Fall folgt hieraus, dass die Gesamtleistung „Müllentsorgung“ auch dann nicht als haushaltsnahe Dienstleistung zu qualifizieren ist, wenn ein (untergeordneter) Bestandteil, im Haushalt des Steuerpflichtigen beginnt, der Hauptteil der Dienstleistung aber gerade außerhalb des räumlich funktionalen Bereichs erbracht wird.

54
b. Gleiches gilt für die Gebühren zur Entsorgung des Schmutzwassers. Diese Gebühren werden erhoben, um den Transport, die Reinigung des Abwassers, den Bau und die Unterhaltung von städtischen Kanälen zu finanzieren. Auch diese Dienstleistungen für die Abwasserentsorgung erfolgen nicht im Haushalt, sondern werden in der öffentlichen Kanalisation sowie in den Kläranlagen bzw. sonstigen Anlagen zur Abwasseraufbereitung erbracht.

55
Die Entsorgungsleistung der Stadt beginnt dabei auch nicht bereits in der Küchenspüle, in der Badewanne, in der Dusche oder in der Waschmaschine, sondern frühestens ab der Einleitung der Abwässer in die -nicht mehr zum Haushalt bzw. zum Grundstück der Kläger gehörende- städtische Kanalisation. Die Entsorgungsleitungen im Haus sind noch vom Hauseigentümer bereit zu stellen (vgl. hierzu auch: FG Münster-Urteil vom 24.09.2020 - 10 K 2334/18 E, n.v.). Aufwendungen hierfür bzw. für Dienstleistungen im Haushalt der Kläger sind von der Stadt U nicht in Rechnung gestellt. Auch ist weder nach dem Vortrag der Kläger noch nach Aktenlage ersichtlich, dass mit den erhobenen Abwassergebühren Aufwendungen für die Herstellung oder Erhaltung der im Haushalt befindlichen Entsorgungsleitungen abgedeckt worden sind.

56
C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.

57
D. Die Revision war zuzulassen, da soweit ersichtlich, bisher keine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage der Abzugsfähigkeit von Gebühren für die Entsorgung von Abwasser und Müll nach § 35a EStG vorliegt und die Rechtsfrage für eine Vielzahl von Haushalten von Bedeutung sein kann.

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