21.01.2022 · IWW-Abrufnummer 227071
Amtsgericht Landstuhl: Urteil vom 23.11.2021 – 2 OWi 4211 Js 10706/21
1. Die Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften zu einer Geldbuße von 500 EUR verurteilt.
2. Die Betroffene trägt die Kosten des Verfahrens und ihre notwendigen Auslagen.
Gründe:
I.
Die Betroffene ist verkehrsrechtlich bislang wie folgt in Erscheinung getreten: Geschwindigkeitsverstoß vom 25.4.2021, Geldbuße 160 EUR, 1 Monat Fahrverbot, Rechtskraft 22.7.2021, Fahrverbot wird gerade verbüßt.
II.
Die Betroffene war am 21.3.2021 Führerin des PKW mit dem Kennzeichen … und befuhr um … Uhr die BAB6, Fahrtrichtung Saarbrücken. Auf Höhe des km 633,280, Gemarkung Ramstein, fuhr die Betroffene statt der durch Verkehrszeichen angeordneten zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h mit einer Geschwindigkeit von 128 km/h. Gemessen wurde mit dem Messsystem ES 3.0. Die gemessene Geschwindigkeit betrug zunächst 132 km/h, wobei anschließend als Toleranz 4 km/h abgezogen worden sind. Das Messgerät wurde stationär genutzt. Das Messgerät war zum Zeitpunkt der Messung geeicht und wurde gemäß der Gebrauchsanweisung von geschultem Messpersonal bedient. Die aufgestellten Verkehrszeichen waren beidseitig aufgestellt und erkennbar.
III.
Sie habe den Bußgeldbescheid erst zugestellt bekommen nach der zweiten Tat. Das Fahrverbot belaste sie im Alltag stark, sie könne ihren Dienst nur ausüben, weil ihre Eltern zu Besuch seien und sie zur Arbeit führen. Sie dürfe u.a. nicht in Uniform öffentliche Verkehrsmittel nutzen.
IV.
Eine weitere Beweiserhebung war nicht erforderlich. Es handelt sich bei dem eingesetzten Messgerät um ein so genanntes standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des BGH (BGHSt 39, 291 BGHSt 43, 277), das durch die obergerichtliche Rechtsprechung in ständiger Rechtsprechung als solches Verfahren bestätigt wird (vgl. BeckOK StVR/Krenberger, § 3 StVO, Rn. 250).
V.
Ein vorsätzliches Verhalten ist der Betroffenen hier nicht anzulasten. Gegen die Betroffenen spricht zwar die Vermutung der hohen Überschreitung der Geschwindigkeit, die einen Rückschluss auf das Wollenselement des wenigstens bedingten Vorsatzes erlaubt, sowie die sichtbar aufgestellten Verkehrszeichen, die von einem Verkehrsteilnehmer gesehen werden müssen und so einen Rückschluss auf das Wissenselement des wenigstens bedingten Vorsatzes ermöglichen (Vgl. BeckOK StVR/Krenberger, § 3 StVO, Rn. 221 m.w.N.). Hier hat sie sich aber ‒ unwiderlegbar ‒ dergestalt eingelassen, dass sie zumindest das Verkehrszeichen fahrlässig nicht zutreffend interpretiert hat, das die Geschwindigkeit auf 80 km/h reduziert hat, sodass der genannte Rückschluss nicht gezogen werden kann, zumal sie wegen ihrer gaubhaft geschilderten allergischen Reaktion abgelenkt war. Sie hätte bei gehöriger Aufmerksamkeit, auch aufgrund des gesonderten Hinweises auf die verkürzte Ausfahrt von der BAB6, die Beschränkung wahrnehmen müssen, sodass von fahrlässigem Verhalten auszugehen ist. Hier liegt wegen des Geschwindigkeitstrichters jedoch eine gesteigerte Fahrlässigkeit vor.
VI.
Die Feststellungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen haben ergeben, dass der Betroffene die ausgeurteilte Geldbuße wirtschaftlich verkraftet.
Des Weiteren wäre vorliegend auch ein Regelfahrverbot anzuordnen, § 4 Abs. 1 BKatV. Durch die oben festgestellte Handlung hat der Betroffene eine objektiv so gefährliche und subjektiv so vorwerfbare Verhaltensweise im Straßenverkehr an den Tag gelegt, dass im Sinne des § 25 StVG ein Fahrverbot anzuordnen ist.
Es bestand vorliegend kein Grund, wegen abweichender Umstände vom Regelfall das Fahrverbot zu erhöhen. Vorliegend bestand kein Grund, vom Wegfall des Fahrverbots ausgehen zu müssen. Soweit die Betroffene vorgetragen hat, auf den Führerschein angewiesen zu sein, führt dies zu keiner anderen Bewertung. Insbesondere trifft die Anordnung des Fahrverbots die Betroffene nicht mit einer unzumutbaren Härte. Gewöhnliche Belastungen, die ein Verzicht auf den PKW für die Dauer des Fahrverbots mit sich bringt, sind hinzunehmen. Die Konsequenz der Anordnung des Fahrverbots ist selbstverschuldet (OLG Celle Beschl. v. 26.1.2015 ‒ 177/14, BeckRS 2015, 16403). Die Gleichbehandlung mit anderen Verkehrsteilnehmern, die ein Regelfahrverbot verwirkt haben, muss gewährleistet sein (BVerfG NZV 1996, 284), sodass nur unzumutbare Härten aus rechtlicher Sicht relevant sein können, nicht das persönliche Befinden der Betroffenen (BeckOK StVR/Krenberger, § 25 StVG, Rn. 90). Solche sind hier nicht gegeben.
Das Gericht hat abschließend jedoch die Möglichkeit des § 4 Abs. 4 BKatV geprüft und vorliegend dessen Anwendung nicht für geboten erachtet. Es besteht hier nicht das Erfordernis, verkehrserzieherisch mit einem Fahrverbot auf die Betroffene einzuwirken. Hier liegt zwar ein erheblicher Verkehrsverstoß vor, die Betroffene ist jedoch zeitlich davor nicht verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten, eine Einsicht in das Verkehrsfehlverhalten wurde wortreich bekundet. Hier liegt die Besonderheit vor, dass die Betroffene derzeit bereits ein Fahrverbot aus einem späteren Verstoß verbüßt und davon, so der Eindruck des Gerichts, hinreichend beeindruckt ist, sodass sie penibel darauf achten wird, sich im Verkehr nicht mehr auffällig zu verhalten. Der Erziehungseffekt der Ahndung in Form eines deutlich auf 500 EUR erhöhten Bußgelds in Verbindung mit dem Eindruck des Verfahrens genügt aus Sicht des Gerichts, um dem Verfahrenszweck Genüge zu tun, § 4 Abs. 4 BKatV.
VII.