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13.10.2021 · IWW-Abrufnummer 225161

Finanzgericht Rheinland-Pfalz: Urteil vom 26.08.2021 – 6 K 1098/21

Diese Entscheidung enthält keinen zur Veröffentlichung bestimmten Leitsatz.




Finanzgericht Rheinland-Pfalz 6. Senat

26.08.2021

6 K 1098/21

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens haben die Kläger zu tragen.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1
Streitig ist die Berücksichtigung von Unterhaltszahlungen an eine gesetzlich unterhaltsberechtigte Person im Veranlagungszeitraum 2019.

2
Die Kläger sind verheiratet und werden gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagt. Sie beziehen als Beamte Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit; der Kläger ferner eine Rente aus einem Altersvorsorgevertrag.

3
In Ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2019 beantragten die Kläger im Zeitraum vom 01.01.- 30.09.2019 geleistete Unterhaltszahlungen in Höhe von 10.537 EUR, sowie die geleisteten Beiträge in Höhe von 1.123 EUR zur Kranken- und Pflegeversicherung an ihren am 06.01.1988 geborenen Sohn, F.S., als außergewöhnliche Belastung zu berücksichtigen. Der Sohn studierte im maßgeblichen Zeitraum an der Universität in M.

4
Die Zahlungen setzten sich wie folgte zusammen:

5

Zahlungsgrund

Zeitraum

Summe in EUR

Miete 

Januar bis Mai jeweils 425 EUR

2.125

        

Juni bis September jeweils 445 EUR

1.780

Lebensunterhalt

Monatlich 500 EUR

4.500 EUR

Weitere Zahlungen

Bekleidung, monatlich 76,69

690 EUR

Krankenversicherung

        

1.123

Einschreibegebühr

        

319

        

        

10.537


6
Im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung wurden die Kläger aufgefordert, die einzelnen Zahlungen, sowie das Vermögen des Sohnes durch geeignete Unterlagen nachzuweisen.

7
Daraufhin reichten die Kläger eine Saldenbestätigung der Sparkasse G bzgl. der Konten ihres Sohnes ein. Daraus ergeben sich folgende Beträge:

8

IBAN   

Kontoart

Saldo am 01.01.2019 in EUR

0008……….

GiroFlexPlus

2.290,97

3000……….

Sparkonto

9.321,75

3508……….

Sparkonto

4.338,19

Summe 

        

15.950,91


IBAN   

Kontoart

Saldo am 30.09.2019 in EUR

0008……….

GiroFlexPlus

1.871,80

3000………

Sparkonto

9.321,75

3508………

Sparkonto

5.023,40

Summe 

        

16.216,95



10
Mit Bescheid vom 08.06.2020 setzte die Beklagte die Einkommensteuer für das Jahr 2019 fest und lehnte die Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen als außergewöhnliche Belastung mit der Begründung ab, dass schädliches Vermögen des Sohnes in Höhe von 16.287 EUR vorhanden gewesen sei (Bl. 48 f der Einkommensteuerakte).

11
Gegen den vorgenannten Einkommensteuerbescheid legten die Kläger form- und fristgerecht Einspruch ein und trugen Folgendes vor:

12
Die Unterhaltszahlungen seien zu Unrecht nicht berücksichtigt worden. Die maßgebliche Grenze des eigenen Vermögens in Höhe von 15.500 EUR habe der Sohn erst im Laufe des Jahres überschritten. Den von den Klägern monatlich gezahlten Betrag in Höhe von 79,69 EUR habe der Sohn nicht verwendet, sondern angespart. Bei einer Rückrechnung auf den 01.01.2019 mache dies 13.704,94 EUR. Das Guthaben auf dem Girokonto auf den 01.01.2019 habe 2.290 EUR betragen. Darin sei aus überweisungstechnischen Gründen der Unterhalt für den Januar in Höhe von 500 EUR schon enthalten gewesen. Das Vermögen des Sohnes habe daher lediglich 15.495,21 EUR betragen und damit weniger als 15.500 EUR. Durch die Ersparnisse aus den Unterhaltszahlungen von monatlich 79,69 EUR sei dann die Grenze überschritten worden. Es können nicht darauf ankommen, dass der Sohn aus gezahltem Unterhalt zur Überbrückung einer eventuell nach Beendigung des Studiums drohenden Arbeitslosigkeit Beträge anspare. Auch die Höhe des schädlichen Vermögens sei seit Jahren nicht mehr angepasst worden und müsse nach oben korrigiert werden.

13
In einem weiteren Schriftsatz führten die Kläger aus, die Einkommensteuerrichtlinie gebe an, dass bei einem Betrag von 15.500 EUR von einem schädlichen Vermögen ausgegangen werden könne- also nicht müsse.

14
Mit Einspruchsentscheidung vom 21.01.2020 (Bl. 80 ff der Einkommensteuerakte) wurde der Einspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die Beklagte begründete ihre Entscheidung dahingehend, der Sohn habe über mehr als nur geringes Vermögen im Sinne des §§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG verfügt. Der Gesetzgeber gehe typisierend davon aus, dass die unterhaltsberechtigte Person bei eigenem nicht nur geringfügigem Vermögen nicht unterhaltsbedürftig sei und die Unterhaltsaufwendungen damit nicht zwangsläufig anfallen würden. Die Grenze des eigenen Vermögens in Höhe von 15.500 EUR sei dabei in der Regel als gering anzusehen. Diese Grenze habe der Sohn offensichtlich überschritten. Die Argumentation der Kläger, der Sohn habe die Zahlungen in Höhe von 79,69 EUR monatlich angespart, könne nicht dazu führen, dass diese Beträge von dem verwertbaren Vermögen ausgenommen würden. Soweit der Unterhalt für Januar 2019 bereits im Dezember 2018 gezahlt worden sei, gelte das Zu- und Abflussprinzip des § 11 EStG. Die Zahlung sei danach in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem sie tatsächlich geleistet wurde. Daher sei diese Zahlung auch mangels Abfluss im Streitjahr 2019 nicht zu berücksichtigen. Das Vermögen des Sohnes habe daher am 01.01.2019 15.950,91 EUR betragen. Eine Minderung um den für Januar 2019 gezahlten Unterhalt komme nicht in Betracht.

15
Die Kläger haben dagegen Klage erhoben. Neben den bereits mit dem Einspruch vorgetragenen Gründen, führen die Kläger ferner aus, Sie seien davon ausgegangen, dass zum Vermögen nur die Sparkonten, nicht aber die laufenden Konten zählten. Das Vermögen des Sohnes habe sich daher am 01.01.2019 auf 15.985 EUR belaufen. Darin sei aber aus bankinternen Gründen die Zahlung des Unterhaltes für Januar schon enthalten gewesen. Die Grenze sei daher für den Januar gewahrt, da die Grenze in Höhe von 15.500 EUR nicht überschritten worden sei. Die Grenze von 15.500 EUR bestehe schon seit dem Jahr 1975. Noch für das Jahr 2005 habe der BFH die Grenze als ausreichend angesehen und auf das Schonvermögen im Rahmen der Sozialhilfe verwiesen. Der Wert sei aufgrund der gesteigerten Kaufkraft jedoch zu erhöhen. Jedenfalls sei der Wert nicht als starre Grenze zu sehen und die geringfügige Überschreitung zu akzeptieren. Die Grenze müsse anhand der gestiegenen Lebensunterhaltskosten angepasst werden. Es könne nicht im Interesse des Gesetzes sein, dass bei geringfügiger Überschreitung der Grenze die Unterhaltszahlungen eingestellt, und dann im Folgemonat wiederaufgenommen würden. Es müsse auf den Zeitpunkt kurz vor der Zahlung für den Unterhalt Januar - also auf die Zahlung im Dezember ‒ abgestellt werden. Zu diesem Zeitpunkt sei die Grenze nicht überschritten worden. Das Finanzgericht Rheinland- Pfalz habe in seiner Entscheidung vom 11.09.2009 (Az. 1 K 1343/08) mit Verweis auf die Rechtsprechung ausgeführt, dass der Betrag in Höhe von 15.500 EUR ein mehrfaches des damals geltenden jährlichen Existenzminimums darstelle und daher ausreiche, ungewisse Lebenssituationen abzusichern. Das jährliche Existenzminimum sei aber zwischenzeitlich von 7.834 EUR im Jahr 2009 auf 9.168 EUR im Jahr 2019 angehoben worden. Eine mehrfache Überschreitung sei nicht mehr gegeben.

16
Die Kläger beantragen sinngemäß,
den Bescheid über die Einkommensteuer und Solidaritätszuschlag für das Jahr 2019 vom 08.06.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.01.2021 dahingehend zu ändern, dass gezahlte Unterhaltsleistungen für den gemeinsamen Sohn in Höhe von 9.414 EUR, sowie Kosten für die Kranken- und Pflegeversicherung des Sohnes in Höhe von 1.123 EUR als außergewöhnliche Belastungen von Einkommen in Abzug gebracht werden.

17
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

18
Die Beklagte tritt der Klage entgegen und führt klageerwidernd aus:

19
Unter dem Vermögen sei das Nettovermögen zu verstehen, das heiße der gemeine Wert der einzelnen aktiven Vermögensgegenstände im Sinne des § 9 Abs. 1 Bewertungsgesetz vermindert um die Schulden der unterhaltenen Person. Die Finanzverwaltung sehe einen Betrag von bis zu 15.500 EUR als geringfügig an, der vom BFH unverändert gebilligt werde. Der Verweis der Kläger auf das Urteil des FG Rheinland- Pfalz im Verfahren 1 K 1343/08 könne zu keiner anderen Beurteilung der Streitsache führen. Es sei nicht erforderlich, dass das Existenzminimum um ein Mehrfaches überstiegen werde. Maßgeblich sei, dass dieses insgesamt im Schonvermögen abgebildet werde. Maximal sei auch nur der Abzug in Höhe von 9.168 EUR möglich. Im Übrigen werde auf die Argumente aus der Einspruchsentscheidung verwiesen.

Entscheidungsgründe

20
Der Senat hat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden (§ 90 Abs. 2 FGO).

21
Die Klage hat keinen Erfolg. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid des Jahres 2019 vom 08.06.2020 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 21.01.2021 ist nicht rechtswidrig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 Finanzgerichtsordnung ‒ FGO ‒).

22
1. Die Beklagte hat zu Recht den von den Klägern begehrten Abzug von Unterhaltskosten und Aufwendungen für die Berufsausbildung als außergewöhnliche Belastungen versagt.

23
a) Nach § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG in der im Streitjahr 2019 geltenden Fassung wird bei Steuerpflichtigen, denen Aufwendungen für den Unterhalt und die Berufsausbildung einer gesetzlich unterhaltsberechtigten Peron erwachsen, auf Antrag die Einkommensteuer dadurch ermäßigt, dass die Aufwendungen bis zu € 9.168,- vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden. Nach § 33a Abs. 1 Satz 2 EStG erhöht sich dieser Höchstbetrag um den Betrag der im jeweiligen Veranlagungszeitraum nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 EStG für die Absicherung der unterhaltsberechtigten Person aufgewandten Beträge; dies gilt nicht für Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge, die bereits nach § 10 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG anzusetzen sind. Voraussetzung ist nach § 33a Abs. 1 Satz 4 EStG, dass weder der Steuerpflichtige noch eine andere Person Anspruch auf einen Freibetrag nach § 32 Absatz 6 oder auf Kindergeld für die unterhaltene Person hat und die unterhaltene Person kein oder nur ein geringes Vermögen besitzt; ein angemessenes Hausgrundstück im Sinne von § 90 Absatz 2 Nummer 8 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch bleibt unberücksichtigt.

24
b) Die gesetzliche Unterhaltsberechtigung im Sinne des § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG knüpft an die zivilrechtlichen Voraussetzungen eines Unterhaltsanspruches- Anspruchsgrundlage, Bedürftigkeit, Leistungsfähigkeit- an. Die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers im Sinne des § 1602 BGB ist daher Voraussetzung für die Annahme, einer Unterhaltsberechtigung (vgl.  BFH Urteil vom 5. 5. 2010, VI R 29/09, BFHE 230, 12, DStR 2010, 1831).

25
Bedürftigkeit ist gegeben, wenn die unterhaltene Person weder Vermögen hat noch Einkünfte aus einer Erwerbstätigkeit erzielt. Der Gesetzgeber geht typisierend davon aus, dass bei eigenem, nicht nur geringfügigem Vermögen eine Unterhaltsbedürftigkeit nicht gegeben ist und die Unterhaltsaufwendungen damit nicht zwangsläufig anfallen (BFH-Urteil vom 14. August 1997 III R 68/96, BFHE 184, 315, BStBl II 1998, 241, zu § 33a Abs. 1 EStG a.F.). Maßgeblich ist dabei das Nettovermögen, d.h. der Wert der aktiven Vermögensgegenstände, vermindert um die Schulden des Unterhaltsempfängers (BFH-Urteil vom 11. Februar 2010 VI R 65/08, BStBl II 2010, 628). Die Finanzverwaltung nimmt Vermögen bis zu einem Wert von 15.500 EUR als unschädliches Vermögen an (s EStR 33a.1 II).

26
Für 2005 und auch für spätere Veranlagungszeiträume wurde die Grenze durch die Rechtsprechung teilweise bestätigt (vgl. FG Hamburg Urt. v. 5.12.2007 ‒ 7 K 112/07, BeckRS 2007, 26024650, beck-online ; für den VZ 2012 FG Münster Urt. v. 10.6.2015 ‒ 9 K 3230/14 E, BeckRS 2015, 95291, die Grenze war jedoch deutlich überschritten). Als Rechtfertigung wird insoweit auch die Wertgrenze zum Schonvermögen bei der Grundsicherung für Arbeitssuchende herangezogen. Der BFH hat diese Grenze wiederholt für die Veranlagungszeiträume 1999- 2001 und 2005 gebilligt, auch wenn der Wert seit 1975 (damals: 30 000 DM) nicht erhöht worden ist (vgl BFH VI R 65/08 BStBl II 10, 628; BFH VI B 142/09 BFH/NV 10, 1441, unter Hinweis auf § 12 II SGB 2; Loschelder, Schmidt 40. Aufl. 2021 Rn. 24, EStG § 33a Rn. 24). Im Beschluss des BFH vom 28.04.2010 für den Veranlagungszeitraum 2006 wurde die Entscheidung offengelassen, ob die Grenze noch Bestand hat (vgl. BFH vom 28.04.2010 VI B 142/09, BFH/ NV 2010, 1441 und Vorentscheidung des FG Rheinland- Pfalz vom 11.09.2009 1 K 1343/08, juris; ebenso für den Veranlagungszeitraum 04/05: BFH Beschluss vom 30.05.2008, III B 55/08, BFH/NV 2008, 1481-1482).

27
In der Literatur gibt es kritische Stimmen, die eine starre Grenze bei 15.500 EUR als nicht mehr sachgerecht ansehen (vgl. Blümich/K. Heger, 157. EL Mai 2021, EStG § 33a Rn. 179). Zumindest die, für eine Altersversorgung aufgewendeten Unterhaltszahlungen seien zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen unter Hinweis auf § 90 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 3 SGB XII als geringes Vermögen anzusehen. Für eine Anpassung des Betrages könne der Umstand sprechen, dass die Vermögensgrenzen für verwertbare Vermögensgegenstände im Zusammenhang mit der Grundsicherung für Arbeitsuchende neu geregelt worden seien. So betrage nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 SGB II der Grundfreibetrag gestaffelt nach Altersklassen nunmehr höchstens 10 050 € und der Schonbetrag für Altersvorsorgevermögen nach § 12 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 Nrn. 1 bis 3 SGB II 750 € je vollendetem Lebensjahr des Hilfebedürftigen, höchstens aber 50 250 EUR (vgl. Dr. Stephan Geserich, Karlsruhe, Unterhaltsaufwendungen als außergewöhnliche Belastung nach § 33a Abs. 1 EStG, DStR 2011, 294, beck-online). Auch der Umstand, dass das Gesetz ein selbst bewohntes Hausgrundstück als geringes Vermögen beurteile und damit eine Verknüpfung mit dem Sozialrecht festschreibe (K/S/M § 33a B 10; BT-Drs 17/10604, 12), spreche dafür, dass der seit Jahrzehnten unveränderte Betrag nicht mehr ausreichend sei (Blümich/K. Heger, 157. EL Mai 2021, EStG § 33a Rn. 179).

28
Seit Inkrafttreten des AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.13 (Rz. 24) bleibt ein Hausgrundstück i. S. d. § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII außer Ansatz, also ein angemessenes Hausgrundstück, das vom Stpfl allein oder zusammen mit Angehörigen ganz oder teilweise bewohnt wird (vgl. Blümich/K. Heger, 157. EL Mai 2021, EStG § 33a Rn. 180).

29
Jedenfalls für behinderte Kinder hat dies der BFH auch in Hinblick auf Altersvorsorge so bestätigt (vgl. BFH VI R 61/08 v. 11.2.10, BStBl II 10, 621; III R 97/06 v. 30.10.08, BFH/NV 09, 728). So hatte der BFH über einen Fall zu entscheiden, in dem einem querschnittsgelähmten und einkommenslosen Sohn die Verwertung seiner Forderung gegen den Unfallversicherer, seinem einzigen Vermögensgegenstand, nicht zugemutet werden konnte, da er hierauf zur Altersvorsorge und zur Abdeckung seines weiteren lebenslangen behinderungsbedingten Mehrbedarfs angewiesen war.

30
c) Nach Auffassung des Senats ist die von der Rechtsprechung in Anlehnung an die für die rechtsprechende Gewalt nicht verbindlichen Einkommensteuerrichtlinien entwickelte Grenze von 15.500 € auch für das Streitjahr 2019 zu beachten. Der Betrag ist höher als der Betrag, der zur Sicherung des Existenzminimums erforderlich ist. Der Wert übersteigt den für den Veranlagungszeitraum 2019 geltenden Wert in Höhe von 9.186 EUR zwar nicht mehr um ein Vielfaches aber dennoch deutlich. Auch der im Streitjahr maßgebliche sozialrechtliche Grundfreibetrag im Sinne des § 12 Abs. 1 Satz 1 Nr.3 SBB II in Höhe von 10.050 EUR für Personen, die nach dem 31.12.1963 geboren sind, ist überschritten. Ob die Grenze auch in Hinblick auf Altersvorsorgebeiträge der unterhaltsberechtigten Person weiter fort gilt, ist für den vorliegenden Fall unerheblich und muss vom Senat nicht entschieden werden. Die Zahlungen der Kläger waren unstreitig für den aktuellen Lebensunterhalt gedacht.

31
Nach diesen Grundsätzen waren die Zahlungen der Kläger aufgrund des eigenen Vermögens des Sohnes nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne des § 33a EStG zu berücksichtigen, da das Vermögen bereits zu Beginn des Jahres größer als die maßgebliche Grenze von 15.500 EUR war.

32
d) Die Zahlung im Dezember in Höhe von 500 EUR war ‒ wie die Kläger vortragen- aus banktechnischen Gründen bereits am 28.12.2018 dem Konto des Sohnes gutgeschrieben. Es gilt das Prinzip der Abschnittsbesteuerung. Gleichwohl steht dieser Betrag den Unterstützungsempfänger im Jahr 2019 zur Deckung seines Lebensunterhaltes zur Verfügung (vgl. BFH Urteil vom 11.11.2010, VI R 16/09 BStBl. II 2011,966). Dies gilt selbst unter Beachtung von § 11 EStG, der auch auf außergewöhnliche Belastungen Anwendung findet (vgl. BFH, Beschluss vom 12. Juli 2017 ‒ VI R 36/15 ‒, BFHE 258, 151, BStBl II 2017, 979). Es handelt sich hierbei um eine regelmäßig wiederkehrende Einnahme, die jedenfalls zu Beginn des Jahres 2019 als zugeflossen gilt (§ 11 Abs. 1 Satz 2 EStG). Daher war die Zahlung zum Vermögen des Sohnes zu rechnen.

33
e) Zum Vermögen gehören auch, die Zahlungen, die voraussichtlich für den künftigen Unterhalt benötigt werden (vgl. Mellinghoff in: Kirchhof/Seer, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl. 2021, § 33a EStG, Rn. 15, BFH, Urteil vom 14. August 1997 ‒ III R 68/96 ‒, BFHE 184, 315, BStBl II 1998, 241).

34
Daher sind auch die vom Sohn angesparten monatlichen Zahlungen in Höhe von 79,69 EUR zu berücksichtigen. Entgegen der Auffassung der Kläger ändert die Absicht, die Zahlungen im Hinblick auf das zeitnahe Ende des Studiums und die ungewisse Zukunft anzusparen daran nichts. Die Bedürftigkeit des Unterhaltsempfängers ist daran geknüpft das dieser ‒ von minderjährigen Kindern abgesehen ‒ sein Vermögen für seinen Unterhalt einzusetzen hat. Die Entscheidungen des BFH in Hinblick auf die Altersvorsorge von behinderten Kinder kann hier zu keiner anderen Entscheidung führen. Der BFH hatte im zu entscheidenden Fall die Besonderheiten zu beachten, dass aufgrund der Behinderung die Ungewissheit bestand, ob der Sohn im Alter seinen Unterhaltsbedarf durch die Unterhaltsleistungen seiner Eltern decken konnte. Er war aufgrund seiner Schwerbehinderung nicht in der Lage seine Arbeitskraft einzusetzen und eigene Einkünfte zu erzielen. Daher konnte es ihm nicht zugemutet werden, die der Altersvorsorge und zur Abdeckung seines weiteren lebenslangen behinderten Mehrbedarf dienenden Vermögensgegenstände zu verwerten. Im vorliegenden Fall wird der Sohn nach einem erfolgreichen Abschluss seines Studiums seinen Lebensunterhalt- auch bei einer kurzfristigen Arbeitslosigkeit- in Zukunft alleine bestreiten können.

35
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

36
3. Die Revision wird wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache zugelassen (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO).

RechtsgebietEStG 2009Vorschriften§ 33a Abs. 1 S. 3 EStG 2009, § 11 EStG 2009

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